Читать книгу Luca und der Weihnachtsbaum - Philipp Porter - Страница 5

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Die Maus

Auf dem kleinen runden Dorfplatz, der genau in der Mitte von Dorndiel lag, standen fünf große Verkaufsstände auf der einen und zwei kleinere Holzbuden auf der anderen Seite.

In den beiden Holzbuden wurden Kinderpunsch, Glühwein, Bratwürste, leckere Waffeln mit Puderzucker und wohlriechende Maronen verkauft. An den großen Verkaufsständen gab es silbrigen und goldglänzenden Christbaumschmuck, allerlei buntes Holzspielzeug und wollene Handschuhe und Mützen zu kaufen.

Der erste Schnee war in diesem Jahr bereits sehr früh gefallen. Die Holzbuden, die Verkaufsstände und der große Weihnachtsbaum, der mitten auf dem Dorfplatz aufgestellt war, waren mit einem dicken weißen Kleid überzogen. Noch eine Woche dauerte es bis Weihnachten und die Bewohner von Dorndiel bummelten auf dem kleinen Weihnachtsmarkt zwischen den Ständen hin und her, unterhielten sich und tranken Glühwein.

Die Kinder spielten Fangen, warfen mit Schneebällen oder bauten Schneemänner, die bereits reihenweise am Rande des kleinen Platzes standen und stumm mit ihren schwarzen Eierkohlenaugen in die Menge schauten.

Plötzlich wurde die weihnachtliche Stimmung auf dem Dorfplatz durch ein lautes Rufen unterbrochen, das über die Köpfe der Besucher hinwegschallte.

„Luca! Luca, wo bist du!?“

„Luca!“, hörte man wieder, dieses Mal noch etwas lauter, und zwischen den Besuchern des Weihnachtsmarktes sah man eine junge Frau mit großen Augen und sie suchte, so wie es schien, zwischen den Beinen der anderen Besucher nach Luca.

„Luca, wo bist du!?“, schimpfte die Frau mittlerweile ärgerlich und schlüpfte dabei zwischen Verkaufsbuden hindurch, vor denen Reisigbesen und hölzerne Heugabeln zum Verkauf angeboten wurden.

„Luca!“

Luca, der an der hinteren Ecke der einen Bude war, drehte den Kopf zur Seite und schaute über seine Schulter hinweg zu seiner Mutter. „Pscht“, flüsterte er dabei und drehte den Kopf wieder zurück. Auf allen Vieren kniete er im Schnee und reckte seinen Kopf so weit nach vorne, dass er von hinten aussah wie eine Schildkröte mit roter Zipfelmütze, die ihren langen, dürren Hals aus einem roten Schildkrötenpanzer streckte.

„Luca, steh sofort auf! Du holst dir noch einen Schnupfen!“, schimpfte seine Mutter und zupfte ihn an seiner Daunenjacke.

„Noch ein klitzekleines Momentchen“, flüsterte Luca leise und streckte dabei einen Arm aus. Nun sah er aus wie eine dicke rote Schildkröte, die auf drei Beinen stand.

„Luca Akkermann. Ich werde es Papa sagen!“, drohte die Mutter und zupfte ihn nochmals an seiner roten Daunenjacke.

Luca hörte gar nicht richtig zu. Sein Papa war zur Arbeit, und bis er in ein paar Tagen wieder nach Hause kommen würde, hätte seine Mutter die Drohung, ihm alles zu erzählen, schon längst wieder vergessen.

„Mama, ich kann noch nicht. Sie ist noch nicht satt“, flüsterte Luca so leise, dass seine Mutter ihn kaum verstehen konnte.

„Wer ist noch nicht satt?“, fragte sie verwundert zurück und trat einen Schritt zur Seite, damit sie an Luca vorbeischauen konnte. „Iiiihhhh ...!“, stieß sie erschrocken hervor, als sie sah, wer da noch nicht satt war. Entsetzt sprang sie auf eine hölzerne Kiste, die neben ihr stand.

Luca konnte sich ein leises Kichern nicht verkneifen. Er wusste, dass seine Mutter vor jedem Tier fürchterliche Angst hatte, das kleiner als Maunzel war. Maunzel war ihre jüngste Katze und sie war ungefähr so groß wie die Hand von seinem Opa. Und die, so fand Luca jedenfalls, war ziemlich groß.

„Die tut dir doch nichts“, flüsterte Luca wieder und hielt einer kleinen rotbraunen Maus mit winzigen schwarzen Knopfaugen ein Stück Lebkuchen direkt unter die Nase.

„Tu sie weg!“, kreischte seine Mutter und fuchtelte dabei mit ihren Händen in der Luft herum, um die Maus zu verscheuchen.

So, als ob die kleine Maus es verstanden hätte, schnappte sie nach dem Stück Lebkuchen und sprang mit einem einzigen Satz hinter eine Mauer, an der Spaltholz zum Trocknen aufgeschichtet war. Und schon war sie weg.

Luca lächelte zufrieden. Für die nächsten Tage musste die Maus wohl keinen Hunger mehr leiden. Schon etwas steif gefroren stand er auf und klopfte sich den Schnee von Hose und Jacke. Er sah seine Mutter nicht an, die noch immer auf der Holzkiste stand und ängstlich zum Holzstapel sah. Wenn er ihr nur einen klitzekleinen Moment in die Augen schauen würde, würde sie weiter mit ihm schimpfen. Langsam und ohne nach oben zu schauen, ging er vorsichtig davon. Doch sehr weit kam er nicht.

„Mal schön langsam, junger Mann“, sagte plötzlich seine Mutter. Luca schob seine Jacke ein Stück weit nach oben und zog den Kopf etwas ein. Nun sah er aus wie eine Schildkröte, die ihren Kopf in ihren roten Schildkrötenpanzer eingezogen hatte. Nur die Zipfelmütze und die Augen waren von seinem Kopf noch zu erkennen.

„Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass Mäuse Ungeziefer sind! Wie oft habe ich dir schon verboten, Mäuse zu füttern! Was denkst du, weshalb wir Katzen auf dem Hof halten? Was ist, wenn dich so ein scheußliches Tier beißt? Vielleicht hat die Maus ja auch Tollwut und du musst dann ins Krankenhaus“, schimpfte seine Mutter und einige Besucher des Weihnachtsmarktes blieben neugierig stehen.

Der Junge lugte zwischen roter Winterjacke und Pudelmütze hervor. „Aber Mama, Mäuse haben doch keine Tollwut und sie sind auch kein Ungeziefer. Opa hat gesagt ...“

„Nichts da! Ich möchte diesen Unsinn erst gar nicht hören. Immer wenn ich dir etwas verbiete, kommt: Aber Opa hat gesagt. Denkst du, dein Opa hat immer recht? Opa hat früher auch nicht alles so gesehen. Als ich so alt war wie du, hätte er mir sofort einen Klaps auf den Po gegeben, wenn ich Mäuse gefüttert hätte.“

Luca schob seinen Kopf aus der Winterjacke hervor. „Hast du als Kind keine Tiere gefüttert?“, fragte er trotzig.

Seine Mutter zog ihre Nase etwas nach oben und sah ihren Sohn nachdenklich an. Sie wusste, dass Luca jedes Tier, das er fand, liebevoll umsorgte und ihm etwas zu essen besorgte. Hin und wieder musste sie sogar lachen, da er mit seinen fünf Jahren noch nicht recht wusste, dass ein Frosch keine Gummibärchen und eine Heuschrecke keine Nudeln mochte.

Doch bei Mäusen hörte der Spaß für sie auf. Mäuse waren Ungeziefer, man konnte krank von ihnen werden und, das war das Wichtigste, sie hatte fürchterliche Angst vor ihnen. Daher musste jede Maus, wo immer sie sie erblickte, vertrieben werden.

„Doch, gewiss. Ich habe immer unsere Schlachthasen gefüttert und Bello, unseren Schäferhund“, sagte Lucas Mutter und überlegte, ob es noch andere Tiere gab, die sie als Kind gefüttert hatte.

„Den Bello, von dem Opa mir erzählt hat?“, fragte Luca vorsichtig und zog die Nase nach oben, bis eine tiefe Falte zwischen seinen Augen zu erkennen war.

Seine Mutter nickte.

„Du hast Bello nicht sehr lieb gehabt, sonst hättest du ihn von seiner Kette losgemacht. Hunde gehören nicht an die Kette, das hat der Doktor im Fernsehen gesagt. Es tut den Hunden weh, wenn sie an der Kette sind“, sagte Luca ärgerlich und drehte sich weg. Dann zog er seine rote Pudelmütze tief in sein Gesichtund stampfte, ohne noch etwas zu seiner Mutter zu sagen, ärgerlich davon.

Luca und der Weihnachtsbaum

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