Читать книгу Luca und der Weihnachtsbaum - Philipp Porter - Страница 6

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Ein neuer Gast

Am nächsten Tag kam Luca aus dem Kindergarten zurück. Schon von der Straße aus sah er seinen Opa vor dem Haus auf der alten grünen Holzbank in der tiefstehenden Wintersonne sitzen. Er stopfte sich gerade seine Pfeife und zündete sie dann mit einem Streichholz an.

Es war so wie an jedem Tag, an dem Luca vom Kindergarten nach Hause zurückkehrte. Immer wenn er die Straße entlang kam, das Hoftor mit einem Schubs aufdrückte und ihm mit dem Fuß einen weiteren Schubs gab, damit es scheppernd wieder ins Schloss fiel, saß sein Opa auf der Bank vor ihrem Haus und rauchte Pfeife.

Doch an diesem Tag war es anders: Luca rannte nicht wie sonst, sondern er ging vorsichtig mit kleinen Schritten über den Hof.

Sein Opa bemerkte dies natürlich sofort. Er lachte und schüttelte den Kopf. „Schon wieder?“, rief er Luca zu und der nickte bekümmert.

„Hmm ...“, raunte er und schob vorsichtig seine rechte Hand in die Innentasche seiner roten Winterjacke. „Ich habe ihn am Dorfbrunnen gefunden. Er hat gerufen. Ich glaube, er ist krank.“

„Na, dann komm mal her“, sagte sein Opa und schaute verstohlen zur Haustür, die einen Spalt breit offen stand.

Auch Luca warf einen verstohlenen Blick zur Tür. Er wusste, dass er und sein Opa nicht bummeln durften. Denn es würde nicht viel Zeit vergehen, bevor seine Mutter im Türrahmen erscheinen würde. So wie an jedem Tag, wenn er aus dem Kindergarten nach Hause kam.

Luca zog vorsichtig seine Hand aus der roten Winterjacke hervor und hielt seine andere sofort schützend darüber. Dann streckte er seinem Opa beide Hände entgegen. „Du musst aber leise sein, damit er sich nicht ängstigt“, flüsterte er und sein Opa nickte.

„Ich weiß. Aber er wird sicher keine Angst haben, solange du ihn in deinen Händen hältst.“

Luca öffnete vorsichtig seine Hände und sein Opa legte die Pfeife beiseite.

„Er ist schön. Ein bisschen mickrig, aber schön. Ich denke, er braucht nur ein warmes Plätzchen und ein paar Tage gutes Futter.“

Luca schaute mit einem Stirnrunzeln auf den kleinen Spatz hinab, der in seinen Händen saß und seinen Opa ängstlich ansah.

„Und wenn er sich doch wehgetan hat?“, fragte Luca und pustete dem kleinen Vogel sacht in das Gefieder hinein.

„Ich werde ihn untersuchen, sobald er im Käfig sitzt; nach dem Essen“, antwortete sein Opa und strich Luca zärtlich eine Locke aus der Stirn.

Plötzlich knarrte die Haustür und seine Mutter erschien im Türrahmen. Luca klappte blitzschnell die Hände zusammen, machte ein freudiges Gesicht und strahlte sie aus seinen hellblauen Augen an.

„Hallo Mama“, sagte er, wusste aber bereits, dass es zu spät war.

„Nicht schon wieder“, rief seine Mutter und stemmte beide Hände in die Hüften. „Das ist nun schon der dritte in diesem Monat. Luca, das geht so nicht weiter!“

„Aber Mama ...“

Der Opa öffnete die Hände des Jungen, nahm den kleinen Spatz vorsichtig heraus und ging, ohne etwas zu sagen, in die alte Schreinerwerkstatt hinein, die direkt an dem Haus angebaut war.

„Geh sofort hinein und wasch dir deine Hände gründlich mit Seife. Wer weiß, was diese Maus der Lüfte für Krankheiten hat.“

Luca ließ den Kopf hängen und ging traurig an seiner Mutter vorbei in das Haus hinein. Er verstand einfach nicht, weshalb sie sich immer solche Sorgen machte. Bei ihr waren alle Tiere krank oder schmutzig. Selbst Maunzel, obwohl sie sich ständig putzte und immer blütenweiße Pfoten hatte, fand seine Mutter schmutzig.

Am Essenstisch war es an diesem Tag sehr still. Nur die Löffel, die im Suppenteller kratzten, und leises Schlürfen waren zu hören. Niemand sprach ein Wort.

Lucas Mutter beobachtete ihren Sohn während des Essens und dieser seinen Opa. Wenn sein Opa mit dem Löffel in seinen Teller fuhr und etwas Erbsensuppe löffelte, tat dies auch Luca. Im gleichen Takt wie sein Opa führte er den Löffel zum Mund und danach wieder zum Teller zurück. Er wollte auf keinen Fall später, aber auch nicht früher als sein Opa mit der Suppe fertig sein. Denn nur wenn er im gleichen Moment seinen Teller leer gegessen hatte und mit seinem Opa vom Tisch aufstand, um in die alte Schreinerwerkstatt zu gehen, konnte er weiterem Geschimpfe seiner Mutter entgehen.

Er hatte im letzten Sommer bereits bemerkt, dass seine Mutter immer nur dann mit ihm schimpfte, wenn sein Opa nicht dabei war.

Denn Lucas Opa war ja der Papa von Lucas Mama. Das hatte der Junge erst nicht so richtig verstanden, als sein Opa ihm dies einmal erzählt hatte. Doch nach einigem Grübeln und ein paar Erzählungen von seinem Opa fand er es dann doch ganz toll.

Sein Opa war der Papa von seiner Mama. Und so wie er auf seinen Papa hören musste, so musste auch seine Mama auf ihren Papa hören. Und Lucas Opa war Lucas bester Freund.

Luca kratzte den letzten Rest Erbsensuppe aus dem Teller und schaute verstohlen zu seinem Opa, der ihm direkt gegenübersaß. Der nickte kurz und Luca sprang voller Freude von seinem Stuhl auf. Seine Mutter wollte etwas sagen, doch ihr Vater legte ihr sanft eine Hand auf die Schulter.

„Wir werden nicht lange draußen sein“, sagte er und zwinkerte Luca dabei mit einem Auge zu. Luca zwinkerte zurück und legte seine Hand auf die andere Schulter seiner Mutter. Die musste nun lachen und Luca und sein Opa gingen hinaus.

„Weshalb mag Mama eigentlich keine Tiere?“, fragte Luca und nahm seinen Opa an der Hand, während beide zur alten Schreinerwerkstatt gingen.

„Sie mag Tiere. Nur nicht so wie du. Für sie sind sie einfach nur da. Sie war schon als Kind so. Ich aber auch. Ich habe erst lernen müssen, dass ein Tier ein guter Freund sein kann und man ihn sehr vermisst, wenn er irgendwann einmal nicht mehr da ist“, antwortete sein Opa und sah dabei etwas traurig aus. Luca wusste, weshalb. Seinem Opa tat es noch heute leid, dass er Bello zum Tierarzt bringen musste, wo er dann gestorben war. Er hatte es im Sommer erzählt, als Luca einen Igel mit nach Hause brachte, der nicht mehr richtig laufen konnte und auch zum Doktor musste.

Luca überlegte. Er überlegte lange. Erst als sie in die alte Werkstatt traten und sein Opa das Licht anknipste, sagte er: „Und wenn wir Mama ein Tier schenken? Eines nur für sie alleine. Einen kleinen Hasen vielleicht, so einen weißen wie im Zoogeschäft?“

Sein Opa musste laut lachen. „Nur das nicht. Irgendwann bekommen wir dann einen Hasenbraten auf den Tisch.“

Luca bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken. Sein Opa hatte sicherlich recht. Ein Hase war keine gute Idee. Aber Luca würde bestimmt ein Tier finden, das seine Mama mögen würde.

Vorsichtig hielt Luca seine Hand in den Käfig hinein und der kleine Spatz kletterte auf einen seiner Finger. „Du musst keine Angst haben“, flüsterte er und zog langsam seine Hand aus dem Käfig heraus. Sein Opa beobachtete ihn aufmerksam, und als Luca ihm den kleinen Spatz entgegenhielt, schüttelte er sacht den Kopf.

„Junge, ich möchte nur wissen, wie du das machst.“

Luca wusste nicht so recht, was sein Opa damit sagen wollte. Für ihn war es ganz einfach. Er hielt nur seine Hand in den Käfig hinein und der Vogel kletterte darauf.

Während sein Opa den kleinen Spatz ausführlich untersuchte, klammerte der Vogel sich an Lucas Zeigefinger fest. Die kleinen Füßchen mit den schmalen Krallen drückten und ihm tat bereits der Finger etwas weh.

„Ich glaube, er hat Angst. Er drückt ganz fest“, sagte Luca besorgt und sein Opa nickte.

„Setz ihn wieder in seinen Käfig zurück. Ich bin fertig.“

„Und, ist er krank?“, fragte Luca, während er den Spatz wieder in den Käfig zurücksetzte.

„Ich glaube nicht. Ich konnte nichts finden. Seine Flügel sind heil und seine Füßchen auch. Wir werden sehen. Wenn er gut frisst und in ein paar Tagen etwas zugenommen hat, können wir ihn vielleicht schon wieder fliegen lassen.“

Luca drehte sich zu dem Spatz um und schaute ihm tief in eines seiner kleinen schwarzen Augen. „Hast du gehört? In ein paar Tagen kannst du wieder zu deinen Freunden. Du musst nur tüchtig essen.“

Der kleine Spatz hüpfte daraufhin auf die Stange in der Mitte des Käfigs und streckte seinen Schnabel durch das Gitter hindurch. Luca streichelte ihm sacht darüber und pustete sanft sein Gefieder auf.

Nicht nur sein Opa beobachtete ihn dabei. Auch seine Mutter stand in der Tür der alten Schreinerwerkstatt und sah Luca nachdenklich an.

Spätabends, Luca lag schon eine ganze Weile in seinem Bett, hörte er, wie seine Mutter den Fernsehapparat ausschaltete. Es wurde plötzlich ganz still im Haus. Dann schepperten Gläser und eine Flasche wurde geöffnet. Luca kannte das Geräusch genau, da er seinem Opa immer zusah, wenn er eine Flasche Wein mit dem Korkenzieher öffnete.

Vorsichtig kletterte Luca aus seinem Bett heraus und schlich zur Tür. Er machte dabei einen großen Bogen um seine Ritterburg, die mitten in seinem Zimmer stand, und um eine Stelle, an der die Holzdielen immer knarrten, wenn man auf sie trat. Langsam öffnete er die Zimmertür und lauschte. Er wusste, dass man dies nicht durfte, doch er war so neugierig. Vielleicht konnte er ja hören, was er noch zu Weihnachten bekommen würde außer der roten, dicken Winterjacke, die er bereits jeden Tag anhatte und in der er aussah wie eine rote Schildkröte.

Doch sein Opa und seine Mutter unterhielten sich über Dinge, die er nicht so recht verstand. Es ging um ihn und seine Art, wie er mit den Tieren sprach. Seine Mutter benutzte immer wieder ein Wort, das ihr anscheinend gut gefiel. Doch Luca kannte dieses Wort nicht. Daher schloss er wieder die Tür und lief auf dem gleichen Weg, wie er gekommen war, zu seinem Bett zurück. Am nächsten Tag würde er seinen Opa fragen.

Luca und der Weihnachtsbaum

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