Читать книгу Grundkurs Theorien der Sozialen Arbeit - Philipp Sandermann - Страница 7

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Einleitung

Das vorliegende Buch dient dazu, Theorien der Sozialen Arbeit besser zu verstehen. Dieser Anspruch ist bei genauerer Betrachtung nicht ganz so bescheiden wie er zunächst vielleicht anmutet. Er verlangt mehr als eine verdichtete Zusammenfassung möglichst vieler Theorien der Sozialen Arbeit. Das vorliegende Buch möchte Studierende und andere Interessierte stattdessen mit Wissen zu Theorien der Sozialen Arbeit ausstatten und zugleich dazu anregen, selbst Wissen zu diesem Gegenstandsbereich zu entwickeln.

Worin genau liegt der Unterschied? Vereinfachend lässt sich sagen, dass Wissenserwerb im Unterschied zu reiner Informationsverdichtung wesentlich auf der aktiven Erstellung eines Bildes derjenigen Informationen beruht, die man zusammenträgt. Damit ist Wissenserwerb zugleich ein aktiver Prozess des Theoretisierens: Man macht sich ein Bild von einem Gegenstand, es ist nicht einfach „gegeben“.

Das heißt für eine Einführung in Theorien der Sozialen Arbeit, dass man, wenn man Wissen zu Theorien der Sozialen Arbeit entwickeln will, nicht umhinkommt, dafür zumindest in Grundzügen selbst eine Theorie zu erarbeiten. Bereits für eine Einführung in vorliegende Theorien der Sozialen Arbeit ist es also wichtig, für die LeserInnen aktiv ein Bild davon zu zeichnen, was Theorien der Sozialen Arbeit sind. Die Einführung erbringt damit notgedrungen selbst eine Theoretisierungsleistung. Diese beginnt bei der Auswahl der Theorien, die man vorstellt, offenbart sich in der Art und Weise, wie man die einzelnen Theorien darstellt, zeigt sich darin, welche Kategorien man hierfür wiederum auswählt, und fußt damit letztlich vor allem auf der Perspektive, mithilfe derer man innerhalb der Einführung Theorien der Sozialen Arbeit greifbar macht.

Wem nun sofort der Schauder über den Rücken fährt angesichts derart zahlreicher Erwähnungen des Wortes „Theorie“, dem sei vorab versichert, dass wir Theorien – und damit auch die hier vorgelegte Theorieperspektive auf Theorien – nicht als etwas verstehen, das sich irgendwo „fernab der Praxis“ oder völlig jenseits von konkret beobachtbaren Phänomenen und Lebensäußerungen vollzieht. Wie wir zeigen werden, ist dafür die wechselseitige Verwobenheit von Vorstellungen zu Theorie und Praxis bei Weitem zu grundlegend. Darum, diese Verwobenheit zu verdeutlichen, wird es in diesem Buch oftmals gehen. Hieran zeigt sich zugleich: Gerade, weil dieses Buch ein Buch über Theorien der Sozialen Arbeit ist, ist es auch ein Buch über Praxis der Sozialen Arbeit.

Dass man, andersherum gewendet, nicht umhinkommt, sich in Forschung, Lehre und Studium der Sozialen Arbeit auch mit Theorie, und nicht „nur mit Praxis“ der Sozialen Arbeit zu beschäftigen, darauf deutet allein schon hin, wie viel über den Zusammenhang von Sozialer Arbeit und Theorie gesprochen und geschrieben wird. Das gilt auch und gerade für den Bereich wissenschaftlicher Veröffentlichungen zur Sozialen Arbeit. Die häufige Beschäftigung mit Theorie in der wissenschaftlichen Bezugnahme auf Soziale Arbeit zeigt sich etwa daran, dass eine am 13.11.2017 durchgeführte, einfache Schlagwortsuche über Google Scholar bei Eingabe der Worte „Theorie“ und „Soziale Arbeit“ 674.000 Treffer ergab. Zum Vergleich: Dieser Wert lag oberhalb der Ergebniswerte von Schlagwortsuchen nach entsprechenden Kombinationen in angrenzenden wissenschaftlichen Fachgebieten. So kam man etwa, wenn man „Theorie“ und „Psychologie“ eingab, auf 515.000 Treffer, bei „Theorie“ und „Soziologie“ auf 325.000 Treffer, bei „Theorie“ und „Pädagogik“ auf 187.000, bei „Theorie“ und „Rechtswissenschaft“ auf 62.300 und bei „Theorie“ und „Politikwissenschaft“ auf 56.700 Treffer. Die Schlagwortsuche nach „Theorie“ und „Betriebswirtschaftslehre“ ergab 50.800 Treffer, und bei der Suche nach „Theorie“ und „Erziehungswissenschaft“ kam man gar „nur noch“ auf 45.800 Treffer. Wer nun denkt, dies hätte weniger etwas mit der eingegebenen Kombination von Schlagworten zu tun als mit der generellen Fülle an Veröffentlichungen zur Sozialen Arbeit, wird schnell enttäuscht. Strich man das Wort „Theorie“ nämlich aus den Schlagwortsuchen heraus, so veränderte sich die Rangfolge der Treffer deutlich, und die 1.090.000 Treffer der Schlagwortsuche nach der Kombination „Soziale Arbeit“ rangierten deutlich weiter hinten als etwa die Treffer für die Schlagwortsuche „Psychologie“ (1.630.000 Treffer). Und auch wenn man statt nach „Theorie“ und „Soziale Arbeit“ nach „Praxis“ und „Soziale Arbeit“ suchte, veränderte sich das Bild nicht grundlegend. Den 674.000 Treffern bei der Suche nach „Theorie“ und „Soziale Arbeit“ standen nun zwar 766.000 Treffer zu „Praxis der Sozialen Arbeit“ gegenüber, also knapp 14 % mehr. Führte man das Gleiche aber bei den oben angeführten Vergleichsbeispielen durch, so zeigte sich dort Ähnliches.

Die genannten Suchergebnisse legen zusammengenommen den Gedanken nahe, dass die Soziale Arbeit eine ziemlich theoretische Angelegenheit sein könnte. Zumindest aber, so lässt sich festhalten, scheint sie nicht weniger mit Theorie und nicht mehr mit Praxis zu tun zu haben als all die anderen o.g. wissenschaftlichen Fachgebiete.

Dieser Befund mag auf den ersten Blick verwundern. Ist die Soziale Arbeit nicht ein sehr konkretes, „praktisches“ Terrain? Und macht das nicht gerade ihre Faszination für viele StudienanfängerInnen aus, die sich für einen Studiengang der Sozialen Arbeit, Sozialpädagogik, Sozialarbeit oder auch der Erziehungswissenschaft mit einem sozialpädagogischen Schwerpunktprofil entschieden haben? Wir denken, dass diese Einschätzung sicherlich zutrifft. Aber wir behaupten zugleich, dass Soziale Arbeit gerade deswegen eine höchst theoretische Angelegenheit ist.

Hinter dieser zunächst paradox anmutenden Auffassung steckt die Vermutung, dass über Theorien der Sozialen Arbeit genau deswegen so viel gesprochen und geschrieben wird, weil Soziale Arbeit von den meisten Menschen als eine äußerst praktische, ja geradezu „handfeste“ Angelegenheit betrachtet wird, und sie damit zugleich für viele Menschen zu einer relevanten Angelegenheit wird.

Was aber von genügend Leuten als relevant angesehen wird, verlangt nach Klärung. Und hier kommen Theorien ins Spiel. Denn Theorien kommen da auf, wo sich Menschen ein Bild von einer Sache machen wollen, sei es, um etwas besser in Hinsicht auf bestimmte Zusammenhänge zu verstehen, um etwas im Sinne von Kritik hinterfragen zu können, um aus dem Bild heraus ein Orientierungsschema für zukünftiges Handeln abzuleiten oder um zukünftige Entwicklungen besser abschätzen zu können.

Allein die Tatsache, dass sich viele Menschen für Soziale Arbeit interessieren, heißt aber andererseits noch nicht, dass sich alle für ein und dasselbe interessieren. Das gilt auch und gerade für Studierende von Studiengängen der Sozialen Arbeit und verwandter Studienprogramme. In der Regel lassen sich die Interessen dieser Studierenden durchaus differenzieren, und zwar nicht nur zwischen verschiedenen Studiengängen mit ihren zunehmend spezifischeren BA- und MA-Profilen, sondern auch studiengangsintern. Hier fallen zum einen Interessensunterschiede hinsichtlich potenzieller Berufsfelder auf, die sich spätestens nach Studienabschluss eröffnen können (so etwa vorrangige Interessen im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe, der Altenhilfe, der Hilfe für Menschen mit Behinderungen, der Migrations- und/oder Flüchtlingshilfe, der geschlechtsspezifischen Sozialarbeit, der sozialpädagogischen Aus-, Fort- und Weiterbildung etc.). Zum anderen kann man aber, ganz grob gesprochen, auch zwischen eher „praxisorientierten“, am Handeln ausgerichteten Interessen, und eher „theorieorientierten“, am Verstehen ausgerichteten Interessen Studierender unterscheiden.

Dass dieser Unterschied kein so einfacher Gegensatz, und schon gar nicht so selbstverständlich ist, wie es auf den ersten Blick vielleicht erscheinen mag, werden wir bereits zu Beginn dieses Buches herausarbeiten (Kap. 1). Denn dies zu verstehen erachten wir als äußerst wichtig. Das gilt nicht nur für das Folgeverständnis aller weiteren Kapitel des vorliegenden Buches, sondern auch für ein aus unserer Sicht angemessenes Gesamtverständnis davon, was es heißt, Soziale Arbeit zu studieren. Wie wir in Kap. 1 zunächst in logisch-systematischer Weise, und in Kap. 2 dann in historischem Zugriff auf die Vorgeschichte von Theorien der Sozialen Arbeit zeigen werden, handelt es sich bei Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit nämlich um keinen einfachen und sich gegenseitig ausschließenden Widerspruch, sondern stattdessen sogar um einen sich gegenseitig hervorbringenden, und damit füreinander notwendigen Gegensatz. Damit lässt sich bereits eine unserer Grundannahmen für das Zustandekommen von Theorien der Sozialen Arbeit als Gesamtzusammenhang verdeutlichen. Man könnte auch sagen, dass wir hier bereits einen ersten Baustein für unsere theoretische Perspektive auf Theorien der Sozialen Arbeit haben, die – wie wir eingangs hervorgehoben haben – notwendig wird, wenn wir mit diesem Buch Übersichtswissen zu Theorien der Sozialen Arbeit bereitstellen wollen.

Wie wir in Kap. 3 zeigen werden, gehen nicht nur Studierende, sondern auch Theorien der Sozialen Arbeit in der Tat unterschiedlich vor, wenn es darum geht, Soziale Arbeit als solche zu identifizieren und zu verstehen. Das ist im Grunde genommen nicht weiter verwunderlich. Denn genauso wie individuelle Studierende der Sozialen Arbeit während ihres Studiums verschiedene Interessen in der Beschäftigung mit den Inhalten ihres Studiums entwickeln, und sich daher auch auf unterschiedliche Art und Weise mit dem beschäftigen, was sie unter Sozialer Arbeit verstehen, so behandeln auch Theorien der Sozialen Arbeit nur auf den ersten Blick immer dasselbe. Liest man genauer in sie hinein, so wird man leicht feststellen können: Theorien der Sozialen Arbeit thematisieren nicht immer dasselbe, sondern Unterschiedliches. Dafür werden unterschiedliche Begriffe genutzt, und es wird auf unterschiedliche Eindrücke fokussiert, die jeweils zum Kern der theoretischen Beobachtung gemacht werden. Soziale Arbeit wird also – je nach bemühter Theorie – zu etwas sehr Unterschiedlichem, und das Spektrum dieser Unterschiedlichkeiten wird das sein, was wir in Kap. 3 zunächst einmal vor allem demonstrieren wollen.

Die Einsicht in diese Unterschiedlichkeiten mag zunächst etwas beunruhigen. Das gilt gerade dann, wenn man bisher dachte, sich bei der Sozialen Arbeit mit etwas „Handfestem“ zu beschäftigen. Letztlich ist es aber plausibel, dass man mit verschiedenen Theorien der Sozialen Arbeit zu unterschiedlichen Ergebnissen kommt, was die jeweilige Beantwortung der Frage: „Was ist Soziale Arbeit?“ angeht. Denn würden alle vorhandenen Theorien der Sozialen Arbeit immer zu den gleichen Ergebnissen kommen, würde es im Grunde wenig Sinn machen, überhaupt von Theorien der Sozialen Arbeit im Plural zu sprechen.

Dieser Umstand muss daher auch keineswegs Orientierungslosigkeit oder gar Enttäuschung auslösen. Ebenso wenig begreifen wir ihn als generellen Hinweis auf ein umfassendes Theoriedefizit der Sozialen Arbeit, wie das zuweilen getan wird (Wilhelm 2006; Rauschenbach/Züchner 2012). Wir werden dementgegen im Laufe dieses Buches immer wieder herausarbeiten, dass die Vielfalt bisher vorliegender Theorien der Sozialen Arbeit unserer Einschätzung nach ein Hinweis auf eine gewisse Lebendigkeit der wissenschaftlichen Diskussion zur Sozialen Arbeit ist.

Die Unterschiedlichkeit von Theorien der Sozialen Arbeit in Hinsicht auf ihre jeweiligen Ergebnisse bedeutet nun im Umkehrschluss aber auch nicht, dass Theorien der Sozialen Arbeit nur Unterschiede und keinerlei Gemeinsamkeiten aufweisen würden. Zwar wird diese Einschätzung zuweilen vertreten und dann gewöhnlich mit dem Hinweis versehen, „der“ Gegenstand der Sozialen Arbeit sei so vielfältig und komplex, dass nur eine divers zusammengesetzte Vielzahl von Theorien ihm hinreichend gerecht werden könne (Füssenhäuser/Thiersch 2015). Ein solches Verständnis von Theorien der Sozialen Arbeit und ihren Möglichkeiten ersetzt aber unseres Erachtens die gerade genannte Defizitdiagnose lediglich durch eine Art Überforderungsdiagnose, die an die bisher vorzufindenden Theorien der Sozialen Arbeit vergeben wird. Denn hier wird davon ausgegangen, dass der Gegenstand der Sozialen Arbeit an und für sich so unüberschaubar und vielfältig sei, dass es vielerlei, und vor allem mehr Theorien als bisher brauche, um Soziale Arbeit in der Summe dann (zumindest annähernd) ganz zu erfassen.

Wir werden demgegenüber in Kap. 3 unserer Einführung verdeutlichen, dass jede der vorgestellten Theorien die Soziale Arbeit in ihrer eigenen Art und Weise durchaus „ganz“ erfasst. Die vorliegenden Theorien der Sozialen Arbeit sind also weder defizitär noch überfordert, sondern liegen in ihren jeweiligen Auffassungen von Sozialer Arbeit unvereinbar quer zueinander (und dies ist aus unserer Sicht, das möchten wir nochmals hervorheben, völlig erwartbar, wenn man sich verschiedene Theorien im Vergleich anschaut).

Nimmt man dies ernst, so zeigt sich damit zugleich, dass man nicht nur verschiedene Theorien der Sozialen Arbeit unterscheiden kann, sondern eben auch viele Gegenstände der Sozialen Arbeit. Es „gibt“ also gar nicht „die“ Soziale Arbeit, sondern – je nach Theorie – eine ganze Menge, was man sich sinnvollerweise unter Sozialer Arbeit vorstellen kann. Und genau hierin, so könnte man sagen, liegt auch die Funktion unterschiedlicher, miteinander um ein angemessenes Verständnis von Sozialer Arbeit ringender Theorien.

Das heißt dann aber zugleich, dass man die Gegenstandsauffassungen einzelner Theorien nicht einfach additiv nebeneinanderstellen kann, um hieraus dann automatisch auch Gemeinsamkeiten der Theorien zu erkennen. Will man Studierenden Wissen zu Theorien der Sozialen Arbeit vermitteln, das auch Gemeinsamkeiten der vorliegenden Theorien deutlich werden lässt, ist es sinnvoller, die Theorien gezielt auf einige ihrer Kernaussagen und deren Zustandekommen hin zu befragen. Wir werden dementsprechend bereits unsere Darstellung einzelner Theorien in Kap. 3 entlang dreier ausgewählter Fragen strukturieren. Diese lauten:

1. Welches Erkenntnisziel formuliert die Theorie?

2. Wo und wie beobachtet die Theorie Soziale Arbeit, und auf welchen Vorannahmen werden diese Beobachtungen aufgebaut?

3. Was identifiziert die Theorie als Praxis der Sozialen Arbeit?

Durch dieses Vorgehen lassen sich bis zum Abschluss des dritten Kapitels bereits zahlreiche Unterschiede von Theorien der Sozialen Arbeit skizzieren, die wir in Kap. 4 zusammenfassen werden. Es lassen sich aber auch bereits Gemeinsamkeiten von Theorien der Sozialen Arbeit erahnen. Dies gilt in Hinsicht auf das, was die Theorien im Ergebnis als Soziale Arbeit präsentieren. Vor allem aber gilt es in Hinsicht darauf, wie Soziale Arbeit durch Theorien der Sozialen Arbeit als Gegenstand hergestellt wird. Diese Gemeinsamkeiten des „Wie“ innerhalb der durch Theorien der Sozialen Arbeit durchschrittenen Theoretisierungsprozesse werden wir entsprechend in Kap. 5 darstellen. Wir hoffen, damit den LeserInnen dieses Buches ein systematisches Orientierungswissen zur Debatte um Theorien der Sozialen Arbeit an die Hand zu geben.

Die in den 2010er Jahren vorgelegten Lehr- und Einführungsbücher zum Thema (May 2010; Lambers 2013; Borrmann 2016; Hammerschmidt et al. 2017) haben aus unserer Sicht wichtige erste Schritte in Richtung einer systematisierenden Perspektive auf Theorien der Sozialen Arbeit unternommen, ebenso wie die regelmäßig überarbeiteten Handbuchartikel zu Theorie(n) der Sozialen Arbeit (Rauschenbach/Züchner 2012; Thole 2012a; Füssenhäuser/Thiersch 2015). In Hinsicht auf eine von Vornherein systematisch angelegte Erörterung von Theorien der Sozialen Arbeit besteht aber unseres Erachtens noch Ausbaubedarf. Auf diesen Ausbaubedarf wollen wir mit der vorgelegten Einführung reagieren.

Zugleich bedarf es dafür aus unserer Sicht einer gewissen kritischen Distanz gegenüber bestimmten Selbstverständlichkeiten, die im Aufbau von Theorien der Sozialen Arbeit und der Diskussion über sie bisher gepflegt und nur selten hinterfragt worden sind (Dollinger 2013; Sandermann/Neumann 2014). Diese kritische Distanz werden wir durchweg, und besonders in Kap. 5 einnehmen.

In Kap. 6 werden wir abschließend den jüngsten Stand der Diskussion um Theorien der Sozialen Arbeit skizzieren. Hier werden wir die These aufstellen, dass Theorien der Sozialen Arbeit, wie sie sich vor allem in ihrer „großen Zeit“ der 1980er und 1990er Jahre entwickelt haben, wenig zeitgemäß sind. Dies hat verschiedene Gründe, die wir kurz illustrieren werden. Wie wir aber auch zeigen werden, gibt es genauso gute Gründe davon auszugehen, dass Theorien der Sozialen Arbeit in Zukunft eine wieder höhere Relevanz gewinnen könnten. Inwiefern diese Theorien dann allerdings noch so werden aussehen können, wie diejenigen, die im Mittelpunkt des vorliegenden Einführungsbuches stehen, wollen wir abschließend problematisieren.

Das vorliegende Buch baut auf einer langjährigen Beschäftigung mit Theorien der Sozialen Arbeit auf. Während dieser Beschäftigung war es nie unser Anspruch, selbst eine Theorie der Sozialen Arbeit zu entwerfen. Es war aber immer ein Anspruch, Theorien der Sozialen Arbeit – jede für sich genommen und im Vergleich zueinander – durch die Beschäftigung mit ihnen besser zu verstehen. Was dabei in hohem Maße zur Entwicklung unserer eigenen Verstehensperspektive, der wir im vorliegenden Buch folgen, beigetragen hat, waren Gespräche zum Thema mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen. Gedankt sei in diesem Zusammenhang insbesondere Petra Bauer, Georg Cleppien, Kai Dierkes, Bernd Dollinger, Gabriel Eichsteller, Nicole Hekel, Reinhard Hörster, Michael-Sebastian Honig, Bettina Hünersdorf, Onno Husen, Kerstin Jergus, Magdalena Joos, Fabian Kessl, Stefan Köngeter, Randolf Körzel, Martina Lütke-Harmann, Veronika Magyar-Haas, Sebastian Manhart, Marcel Meier Kressig, Johanna Mierendorff, Richard Münchmeier, Christian Niemeyer, Mareike Patschke, Hans Thiersch, Christiane Thompson, Maren Zeller sowie Ulrike Urban-Stahl, die zugleich Herausgeberin dieser Einführungsreihe ist und in diesem Zuge eine besonders unterstützende Rolle für das Zustandekommen des vorliegenden Buches gespielt hat. Darüber hinaus möchten wir den vielen Studierenden und denjenigen Promovierenden danken, mit denen wir im Laufe der letzten Jahre immer wieder zum Thema diskutieren konnten.

Neben Gesprächen und Diskussionen haben gerade auch die Handlungserfahrungen, die wir selbst als „Praktiker“ gemacht haben, zur schrittweisen Erarbeitung unserer Verständnisperspektive beigetragen. Wie bei vielen Kolleginnen und Kollegen war „die Praxis der Sozialen Arbeit“ in unserem Fall vornehmlich die Kinder- und Jugendhilfe. Gerade hier drängte sich uns beiden unabhängig voneinander immer wieder der Eindruck auf, dass eine Perspektive produktiver Distanz zu vorfindbaren Theorien der Sozialen Arbeit dabei helfen kann, die Art und Weise, in der Theorien der Sozialen Arbeit „ihre“ Praxis konstruieren, besser begreifen zu können.

Wir wünschen den LeserInnen der vorliegenden Einführung, dass die hier eröffnete Verstehensperspektive sie darin unterstützen möge, einen wissensbasierten Überblick zu Theorien der Sozialen Arbeit zu entwickeln oder auch zu vertiefen. Wo sich bei der Lektüre Kritik an unserem Blick regt, sind wir dankbar für Rückmeldungen. Denn – so unsere Überzeugung – Theorien lassen sich am besten im Dialog entwickeln. Theorien über Theorien bilden dabei keine Ausnahme.

Grundkurs Theorien der Sozialen Arbeit

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