Читать книгу Vom Umtausch ausgeschlossen Mann im Kilt - Pia Guttenson - Страница 3
Eine Vernissage mit Besenkammer
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Noch immer konnte Louise ihr Glück kaum fassen. Nicht genug, dass ihr Schotte sein letztes Geld in ein Flugticket nach Deutschland gesteckt hatte. Nein. Alasdair Munro hatte sie auf der Vernissage aufgesucht, bekleidet mit seinem besten Kilt und einer Lederjacke. Sie wusste, wie viel Überwindung es den Schotten gekostet hatte, diesen Schritt zu wagen. Rein äußerlich ließ er sich seine Nervosität nicht anmerken, doch seine Hand, in der die ihre wie selbstverständlich ruhte, fühlte sich kalt und feucht an. Die Gelassenheit mit denen er die Blicke der Gäste erwiderte, war gespielt, ebenso wie das Lächeln um seine Mundwinkel und die höflichen Floskeln, mit denen er die Kommentare der Gäste bedachte. Unbändiger Stolz wallte in ihr empor und das Rot auf ihren Wangen kam definitiv nicht vom Champagner, wenngleich es mit dem Rotton, den Alexanders Gesicht angenommen hatte, nicht konkurrieren konnte.
Alexander schien nicht im geringsten Gefallen daran zu finden, nicht mehr der Mittelpunkt der Klatsch- und Tratschpresse zu sein. Alasdair schob sich, das Glas Champagner unruhig in der Hand drehend, zwischen den Fall-Tod-um-Blick ihres noch - Ehemanns und sie. Seitdem sich die Presse mit Kameras inklusive Blitzlichtgewitter, auf sie Beide gestürzt hatte, verhielt Alexander sich noch idiotischer als sonst. Zum ersten Mal in ihrem Leben fragte sie sich, was sie eigentlich an Alexander so anziehend gefunden hatte? Irgendetwas musste es doch gewesen sein, schließlich hatte sie ihn geheiratet und ihre Ehe hatte immerhin 22 Jahre gehalten. Jetzt gerade sah ihr noch- Ehemann sie an, als ob sie diesen Rummel um ihre Person gewollt hätte.
»Hätte ich Boxhandschuhe mitnehmen sollen, mo chride?«, raunte Alasdair, dem Alexanders Blick keineswegs entgangen war. Seine Lippen an ihrem Haarschopf zauberten dabei unbeabsichtigt eine Gänsehaut auf ihren gesamten Körper. Das Leder seiner schwarzen Jacke fühlte sich angenehm kühl unter ihren heißen Wangen an. Alasdairs Aufmachung sah verboten sexy aus, was nicht nur ihr aufgefallen war. Ob er wusste, was er bei so mancher Frau auf der Vernissage angerichtet hatte? Ein Wunder, das es noch keine ohnmächtigen Damen gegeben hatte.
»Gestatten sie uns noch eine Frage, Frau Schulzinger? Werden Sie und Ihr Schotte heiraten?«
Louise zuckte ertappt zusammen. »Was ... wie bitte?« Alasdairs Wirkung auf die Frauenwelt hatte sie alles um sich herum vergessen lassen. Lou war in den Tiefen seiner frech blickenden Augen nahezu ertrunken. Abgelenkt wie sie gewesen war, hatte sie die grauhaarige Dame des Albkuriers, für Sekunden völlig ignoriert. Diese nutzte die Gunst sofort und wand sich mit ihren Fragen bereits in holperigem Englisch an Alasdair. Verzweifelt versuchte Lou sich vom Anblick der belustigt, erhobenen Mundwinkeln samt dem verwegen wirkenden Dreitagebart ihres Schotten loszureißen.
O Mann, du brauchst einen Waffenschein, flüsterten ihre Gedanken. Sie hatte den Mund bereits zu einer Antwort geöffnet, doch ihr Schotte kam ihr zuvor. Jedes Wort betonend, die vielen R’s‘ absichtlich stark rollend, erklärte er der Dame, dass sie heiraten würden, sobald Louises Scheidung von Alexander durch war. Ohne mit den langen dichten Wimpern zu zucken, beschrieb er der Pressedame ihre Hochzeit bis hin zu Details wie zum Beispiel der Dorfkirche oder dem Traktor mit dem sie zu dieser fahren würden. Mit verzückten Gesichtszügen und vor Sensationslust glänzenden Augen, huschte der Bleistift der Frau im Eiltempo kratzend über den kleinen Block, den sie bei sich trug. Es gelang Lou nicht, wenigstens irgendetwas Brauchbares von sich zu gegeben. Stumm und starr, als wäre sie lediglich Beiwerk stand sie neben dem Mann an ihrer Seite.
Hallo! Hallo, Erde an Munro. Hast du noch alle Tassen im Schrank? Wie kannst du behaupten, wir heiraten? Du hast mich noch nicht mal gefragt!, kreischten ihre Gedanken ohne Unterlass, während sie bereits Pläne schmiedete, wie sie ihm das Heimzahlen würde.
Als das ziemlich einseitige Interview endlich beendet war, bat Alasdair die Pressetussi mit einem charmanten Lächeln, sie beide zu Entschuldigen. Unter den ,A’s‘ und ,O’s‘ der Gäste sowie einem erneuten Blitzlichtgewitter der Kameras, verschloss er ihren stummen Protestschrei mit einem schwindelig machenden Kuss. Ihren wackeligen Beinen zum Trotz zog er sie im Anschluss hinter sich her, als ginge es um Leben oder Tod. Lou wurde zur nächst besten Tür gezerrt, ohne zu wissen, wohin diese führte. Unglücklicherweise war es nichts anderes als die Besenkammer. Warum kam ihr auf einmal Boris Becker in den Sinn?
»Aye. Nicht gerade das Scotsman Hotel aber ich brauchte einfach eine Pause von alldem da drin«, entschuldigte Alasdair sein Verhalten wobei er beiläufig das volle Champagner Glas in eines der Regale stellte.
»Ah … eine Pause«, murmelte Lou, in der noch immer das reinste Gefühlschaos herrschte, die Augen auf das volle Glas ihres Schotten gerichtet.
»Champagner ist nicht so mein Ding«, deutete er ihren Blick richtig und nahm ihr dabei ungefragt ihr eigenes Glas aus der Hand um es zum anderen zu stellen.
»Aber… aber heiraten ist dein Ding?« Mühevoll versuchte Lou, das Zittern ihrer Stimme zu überspielen. Es misslang. Im flackernden Licht der Neonröhre an der Decke, die vermutlich demnächst den Geist aufgeben würde, war das erneute freche Grinsen im Gesicht des Mannes, dem sie scheinbar total verfallen war, bis ins kleinste Detail zu erkennen. Ihr schien, als reichte es von einem bis zum anderen Ohr. Nervös gruben sich ihre Zähne in die Unterlippe. Langsam bewegte er sich auf sie zu. Warum musste sie plötzlich an ein Raubtier denken?
»Ist es nicht das, was sich eine Frau wünscht, Lass? Heiraten?«
Das tiefe Timbre seiner Stimme ließ ihren Körper vor Erregung vibrieren. Das Blau seiner Augen schien sich verdunkelt zu haben. Gefährlich und geheimnisvoll wie die tiefsten Stellen des Loch Ness. Lou schluckte trocken. Ihre Augen huschten unstet über das ganze Arsenal an Putzmittel in den Regalen.
Nicht in der Besenkammer. Nicht mit so vielen Menschen vor der Tür. Denk an das, was Boris Becker passiert ist. Sieh ihn einfach nicht an, dann merkt er nicht, wie sehr er dich gerade unter Strom setzt. Ach da ist das Lösungsmittel für die Pinsel, das ich vor kurzem gesucht hatte… , wetterten ihre Gedanken warnend und doch völlig konfus. Dabei wusste sie bereits, dass sie gegen ihre Gefühle keine Chance hatte. Wenn sie es recht bedachte, war es von ihrer ersten Begegnung an da gewesen, diese gar übermächtige Anziehungskraft. Fast als wären sie wie magnetische Pole, die sich anzogen. Oder wie Yin und Yang. Jede Faser ihres Seins sehnte sich nach ihm. Hatte ihn vermisst. Sie wurde schwach. Verflucht! Sein muskulöser Körper hatte den ihren erreicht. Ohne zu zögern, drängte er sie gegen die Tür, bis sie das harte Holz hinter ihrem Rücken spürte. Lad, du brauchst selbst für diesen Blick einen Waffenschein!
»Du… Du hast mir keinen… also keinen Antrag gemacht«, krächzte sie.
Alasdairs Augenbrauen schoben sich in die Höhe. »O… nun aye, ich dachte, das vorher war so eine Art Antrag«, bemerkte er mit unschuldigem Blick, während seine Finger sich am Ausschnitt ihres Kleides zu schaffen machten.
»Tatsächlich… also ich … vielleicht möchte ich gar nicht wieder …«
»Ganz schön gewagt dieses Kleid…«, unterbrach er sie völlig ungerührt. Seine Finger wurden zunehmend mutiger, zumal die Spitzen ihrer Brüste sich verräterischer sichtbar gegen den dünnen Stoff ihres Kleides drückten.
»Das ist nicht fair!«, stieß sie aus, versuchte dabei, seine Finger festzuhalten. Es gelang ihr nicht. In Sekundenschnelle waren es ihre eigenen beiden Hände, die ihr Schotte locker mit einer einzigen Hand über ihrem Kopf in Schach hielt.
»Gib einfach auf, Lass. Hast du mich nicht vermisst?«
»Also … also ich… das tut doch gar nichts zur Sache. Weich mir nicht aus … du…«
»Sturer Kerl. Schotte.«
»Das… es ist nicht lustig, Al. Du… Du hast dieser, dieser …«
»Grauen Eminenz«, half er ihr weiter.
»Egal. Du hast ihr verflucht noch mal gesagt, dass wir HEIRATEN!«, knurrte sie sauer und erschrak dabei selbst über den finsteren Tonfall ihrer Worte.
»Natürlich heiraten wir. Außerdem wollte ich mich auch nicht von einer Frau aushalten lassen, Lass. Quid pro quo!«, erklang es rau, aus ihrem Ausschnitt, in dem soeben seine Lippen liebkosend am Werk waren.
»Vielleicht will ich aber nicht! Vielleicht möchte ich niemals wieder heiraten«, protestierte sie rebellisch.
Einen Moment lang hielt Alasdair inne. Sein Gesicht kam wieder zum Vorschein. Stumm betrachtete er sie, bevor seine Hand entschlossen und provokativ ihr Kleid in die Höhe schob. Das ,und was machst du jetzt‘ stand, wenngleich unsichtbar, in großen Lettern in sein Gesicht geschrieben.
»Außerdem … also das… Schulden kann man doch nicht mit … mit … heiraten und… vergleichen!« Alle ihre Widerworte und Gedanken verflüchtigten sich binnen Sekunden. Alasdairs gierige Lippen hatten ihre feuchte Mitte erreicht. Jetzt kniete er auf dem schmutzigen Teppichboden den Kopf unter ihrem Kleid.
»Da sind wichtige … viele Leute … die gesehen haben, dass … also dass wir …
Oh Gott…«
»Al reicht völlig, Lass. Wir wollen doch nicht übertreiben. Wenn du deinen süßen kleinen Mund halten würdest, fallen wir sicherlich gar nicht weiter auf!«
Bloß gestellt. Erneut und in aller Öffentlichkeit bloß gestellt. Was hatte sich Louise nur dabei gedacht? Hatte dieser fürchterliche schottische Bauer ihr den Verstand geraubt? War es nicht nobel von ihm, die Vernissage seiner Frau zu besuchen? Schließlich hatte Alexander seiner untreuen Ehefrau sogar die Presse ins Haus gebracht. Und was war der Dank für seine Geste? Vor allen Gästen hatte sie sich diesem Kerl an den Hals geworfen, geknutscht hatten die beiden wie verfluchte Teens.
Konstanze hing schwer an seinem linken Arm, säuselte beständig in sein Ohr. Sah sie nicht, was ihm angetan wurde? Musste sie ihn jetzt ebenfalls blamieren? Bebend vor Zorn leerte Alexander den teuren Champagner in einem einzigen Zug. Wie konnte Louise ihn gegen einen Schotten eintauschen? War der Kerl überhaupt schon dreißig? Er sah aus wie ein John Travolta für Arme, in seinem Kilt mit dieser absurden Lederjacke.
»Was regst du dich den so auf, Alex-Schatz. Du hast doch mich. Vergiss doch dein prüdes Hausweibchen. Amüsiere dich Liebling. Ich wüsste etwas, um dich ein bisschen aufzulockern…«, versuchte ihn Konstanze mit klimpernden Wimpern abzulenken.
»Ach halt doch die Klappe, Konstanze. Du bist betrunken«, zischte er, ihre Hände festhaltend, die sich Tentakel gleich, in sein seinen Hosenbund schoben. Das hatte er nun davon, sich ausgerechnet mit einer wie Konstanze, eingelassen zu haben. Ich könnte mich ohrfeigen für so viel Blödheit!
Wie sie schon wieder aussah mit diesen grell rot geschminkte Lippen, die jäh einen Schmollmund bildeten. »Lass das sein, bitte. Nicht hier in aller Öffentlichkeit«, tadelte er sie ungehalten, schnippte währenddessen jedoch bereits mit den Fingern in der Luft nach dem Kellner. »Na endlich. Ich dachte schon, sie sind auf dem Weg hier her eingeschlafen!«, raunzte er den jungen Mann an und riss ihm das neue Glas Champagner regelrecht vom Tablett. Konstanze war nicht mehr als ein billiges Flittchen. Alexander hatte einen großen Fehler gemacht. Aber Louise und ihr schottischer Bauer würden schnell feststellen, dass man mit einem Schulzinger nicht so umspringen konnte. Er würde ihnen das Leben zur Hölle machen. Schließlich hatte er Beziehungen. Beziehungen in den höchsten, ja den besten Kreisen. Louise würde auf Knien zu ihm zurück kriechen. Gott er würde sie um Vergebung winseln lassen wie einen Köter. Sein finsterer Blick bohrte sich ins Holz der Tür, durch welche die beiden Turteltauben verschwunden waren. Er ließ sie nicht mehr aus dem Auge. Wo führte diese Tür überhaupt hin?
Im selben Moment in dem Konstanze sich auf den Weg zur Toilette machte, öffnete sich die Tür, der Schotte schlenderte fröhlich pfeifend in die gleiche Richtung wie Konstanze davon. Sekunden später erschien Louise. Seine Louise. Die freie Hand zur Faust geballt konnte er kaum fassen, wie sie aussah. Er nahm das verrutschte Kleid, das sie hastig glatt strich, ebenso war, wie das erhitzte Rot auf ihren Wangen oder die Haarsträhnen, die aus ihrer Frisur entflohen waren. Die beiden hatten doch nicht etwa hier?
Das leise Knacken des Champagnerglasstieles klang wie ein schlechtes Omen in seinen Ohren. Unter Aufbringung aller Kraft zwang er sich zur Contenance. Ihre Blicke trafen sich. Louise wich ihm nicht aus. Im Gegenteil aufsässig, gar provokativ, hob sie das Kinn. Alexander bildete sich gar ein, Trotz in ihren Augen lesen zu können. Dieses elende Miststück. Bevor er wusste, was er überhaupt tat, war er auf sie zugeschossen, drängte sie in das leere Ende des Korridors ab.
»Was bildest du dir ein, Louise. Willst du meinen guten Ruf vor allen Augen ruinieren, indem du mitten auf deiner eigenen Vernissage die Beine breitmachst für diesen, diesen schottischen Bauern?«
Sie zuckte ertappt zusammen. Für einen winzigen Moment konnte er in ihren Augen erkennen, dass er mit seinem Verdacht ins Schwarze getroffen hatte. Zitternd bis ins Mark, das Gesicht krebsrot vor Zorn, öffnete er den Krawattenknoten.
»Erstens brauchst du mich nicht anzuknurren. Zweitens sind wir getrennt und drittens geht dich mein Privatleben nichts mehr an«, entgegnete ihm Louise kalt. Das Lächeln, das dabei um ihre Mundwinkel lag, ließ ihm fast augenblicklich die Sicherungen durchbrennen. Resoluter als er es ihr je zugetraut hätte, versuchte sie, an ihm vorbei zu gelangen. Doch er war schneller, vereitelte ihre Flucht. Statt Hand an sie zu legen, und er war wirklich kurz davor, versuchte er es zähneknirschend auf charmante, großmütige Art.
»Du solltest dringen zu deinem Psychiater, Louise, Liebes. Noch kannst du zurückkommen. Ich verzeihe dir. Lass uns diese ganze Farce einfach vergessen. Ich bitte dich, komm zur Vernunft. Du brauchst doch keinen dahergelaufenen Bauern, Liebling!«
Ihr Gesicht nahm eine unschöne feuerrote Farbe an. Sie schlug seine Hand weg, mit der er in einem Anflug von Sentimentalität eine der Haarsträhnen aus ihrem Gesicht streichen hatte wollen.
»Nimm deine Finger von mir!«, stieß sie aus.
Verflucht. Er hatte ganz vergessen, wie schön Louise aussehen konnte, wenn sie so voller Wut war.
»Ich werde nicht zu dir zurückkommen, Alexander. Es ist vorbei. Unsere Ehe ist bereits Vergangenheit. Ich verstehe nicht, wieso ein intelligenter Geschäftsmann wie du, nicht akzeptieren kann, dass er verloren hat. Meine Zukunft ist bei Alasdair, den ich im Übrigen liebe. Jetzt geh mir aus dem Weg, bevor du uns beide noch mehr blamierst, als du es in Schottland bereits getan hast!«
Mit enormer Kraft stieß sie ihn weg. Es gelang ihm dennoch, den Ärmel ihres Kleides zu erwischen. Der Stoff ächzte unter seinen Fingern, war kurz vor dem zerreißen. Vor Zorn bebend, blieb Louise stehen. Dummerweise tauchte jäh der elende Schotte am anderen Ende des Korridors in ihrem Blickfeld auf. Alexander bildete sich ein zu sehen, wie sich die Augen des Kerls verdunkelten. ,Nimm sofort deine Hände von meiner Frau oder ich erwürge dich mit bloßen Händen‘, das schien der Körperausdruck, samt den diabolisch funkelnden Augen zu sagen. Dass der Mistkerl einen ziemlich guten rechten Haken besaß, hatte er bereits schmerzvoll feststellen müssen. Auch jetzt sah der Mann nicht aus, als wäre er gewillt, lange Federlesen zu machen. Er hatte bereits die Hände zu Fäusten geballt.
»Ich mache dir und deinem Röckchen tragenden Schotten das Leben zur Hölle. Die Scheidung kannst du vergessen!«, zischte er drohend in Louises Ohr, genoss wie sein Speichel, auf ihrer Wange landete und sie unter seinen Worten zusammen zuckte. Er weidete sich an ihrer spürbareren Angst, die sein Herz regelrecht jubilieren ließ. Jetzt erst öffnete er seine Finger, die sich unbarmherzig in den Stoff ihres Kleides gekrallt hatten und gab sie frei.
Louise rannte los. Jeder Schritt, das Wehen ihres weitschwingenden Kleides, all das war wie Balsam. Flüchte dich nur in die Arme deines Röckchen tragenden Bauern. Du wirst schon sehen, was du davon hast du Flittchen!, brüllte er ihnen ohne Ton hinterher. Mordlust breitete sich in seinem Inneren aus wie Säure. Alexander ließ zu, dass ihn der Zorn in seinem Inneren übermannte. Sekunden später knallte das Champagnerglas mit voller Wucht gegen die Wand, wo es unbeachtet von allen, in einem Hagel aus Splittern zu Boden fiel.
Lou konnte erst wieder Atmen, als Alasdairs Armen sich um sie schlossen wie ein schützender Kokon. Das Herz ihres Schotten pochte wild unter ihrem Ohr. Sie brauchte ihn gar nicht erst anzusehen, um zu wissen, dass sein Blick ihren Noch-Ehemann geradezu durchbohrte.
Einen Lidschlag lang schloss sie die Augen um nicht etwa in Tränen auszubrechen. Wann war aus Alexander dieser ekelhafte Kerl geworden? War es denn zu viel verlangt, einfach wieder glücklich sein zu wollen? Was bildete sich dieser Mann eigentlich ein? Sie musste sich verhört haben. Alexander glaubte doch nicht wirklich, ihre Ehe retten zu können, indem er Drohungen und Beschimpfungen aussprach. Hatte er wirklich gesagt: ,Noch kannst du zurückkommen. Ich verzeihe dir. Lass uns diese ganze Farce einfach vergessen´?
Sie musste das wirklich geträumt haben. Anders konnte es nicht sein. Schon alleine ihren Söhnen zuliebe sollten sie doch beide vernünftig miteinander umgehen können. Er nahm sie zurück? Er, sie? Wie gönnerhaft. Was wurde dann mit Konstanze? War sie nur ein Mittel zum Zweck für ihn oder einfach nur billiger Ersatz?
Das geht dich nichts an, Lou. Warum verschwendest du überhaupt einen einzigen Gedanken an die beiden?, rügten sie ihre Gedanken.
»Wenn du willst, prügle ich ihm jeden seiner teuren, perfekten Zähne aus dem Mund. Du musst es mir nur erlauben, Lass.«
Alasdairs tiefer Bariton an ihrem Ohr zauberte ihr ungewollte ein kleines Lächeln ins Gesicht. Es schien, als wisse er immer das Richtige zu sagen, um sie zu beruhigen. Entschlossen griff sie nach seiner geballten Faust, öffnete diese, um sie an ihre Lippen zu führen. Zärtlich küsste sie die Handinnenfläche.
»Heute nicht mein Held. Die Genugtuung geben wir Alexander nicht.« Aufmerksamkeit war das Allerletzte, was er verdient hatte.
Geraume Zeit später verließen sie Hand in Hand und ohne weitere Vorkommnisse die Vernissage. Die wenigen Wochen, die sie bereits zurück in Deutschland war, hatte sie damit verbracht ihr Hab und Gut zusammenzupacken. Mit Christophs Hilfe war alles Weitere für die Scheidung in die Wege geleitet worden. Das Gute an ihrem Künstler Dasein war, das sie ihr eigener Chef war. Bereits am Tag ihrer Rückkehr in Deutschland hatte sie das winzige Gästezimmer in Debbie´s und Christophs Haus bezogen. Die wenigen Dinge, die sie mitgenommen hatte, konnte sie dort locker unterbringen. Ihre beiden besten Freunde taten alles, was in ihrer Macht stand, um ihr die Situation einfacher zu machen. Christoph als ihr Anwalt hatte Alexander sehr direkt in die Schranken gewiesen. Tatsächlich ließ dieser sie im Anschluss überraschend schnell in Ruhe. Wie trügerisch dieser Umstand war, hatte sie nun wieder einmal live erleben dürfen. Selbstverständlich traf ihn keinerlei Schuld am Untergang ihrer Ehe. O nein. Schuld war alleine ihre Midlife-Crisis. Müde schmiegte sie sich näher an Alasdair, der interessiert aus dem Fenster des Taxis sah. Schade, dass er in der Nacht nicht sonderlich viel von der schwäbischen Alb zu sehen bekam.
»Du bist dir sicher dass deine Freundin und ihr Mann nichts dagegen haben, wenn ich über Nacht bei dir bleibe?«, wisperte er kaum hörbar, einen Kuss auf ihren Scheitel hauchend.
»Sie freuen sich ebenso auf dich, wie ich es getan habe.«
Das Debbie mit einen völlig hysterischen; »O mein Gott. Ich weiß gar nicht, was so ein Schotte zum Frühstück habe will. Himmel. Was isst Alasdair überhaupt? Ich habe keine Ahnung wie man diesen Frühstücksbrei, Porridge heißt er, glaube ich, kocht?«, verschwieg sie ihrem Schotten wohlweislich.
Als sie einige Zeit später den Schlüssel ins Schloss des kleinen Einfamilienhauses steckte, kam sie sich fast wie ein Teen vor. Es war nicht alleine die Aufregung oder der Umstand mit dem Mann ihrer Träume alleine zu sein, vielmehr fühlte Lou sich auf seltsame Weise verletzbar, so als offenbarte sie ihrem Schotten ihr letztes Geheimnis. Mitten auf der Stufe zum Kellergeschoss, in dem das kleine Gästezimmer lag, blieb sie, unschlüssig den Schlüssel in den Fingern hin und her drehend, stehen.
»Es… also es ist auch nicht das Scotsman und … also falls du lieber in ein Hotel…« Sein wärmendes Lächeln ließ sie augenblicklich jedes weitere Wort vergessen.
»Lou, ich würde mit dir im Park auf einer Bank übernachten, wenn es sein müsste. Weißt du das denn nicht? Ich dachte, das wäre dir klar geworden, nachdem ich völlig planlos ohne großes Gepäck einfach auf deiner Vernissage aufgekreuzt bin.«
Erleichtert erwiderte sie sein Lächeln, griff nach seiner Hand, aus dem kindlichen Bedürfnis heraus ihn hinter sich zu wissen. Mit Alasdair, der ihren Rücken stärkte, fühlte sie sich irgendwie sicher. So seltsam sich das auch anhören mochte. Es kam ihr fast ein bisschen vor, als hätte sie ihren eigenen Bodyguard. Die bescheidene Bleibe bestand aus Bergen voller Umzugskisten, welche die eine Wand des Zimmers komplett einnahmen. Es gab einen Schreibtisch, auf dem ebenfalls das reinste Chaos herrschte, einen restlos überfüllten Kleiderschrank und auf dem ungemachten Bett mit der kitschigen Marienkäfer-Bettwäsche, hatte Alasdair bereits Platz genommen. Interessiert sah er sich um. Dabei wirkte es, als ob er genau dort, auf ihr Bett, hingehörte. Bevor sie es verhindern konnte, zog er an einem Stückchen Karostoff, der unter dem Deckenberg heraus lugte.
»Was haben wir denn da?«, fragte er ohne eine Antwort zu erwarten, da er sich diese just selber gab. »Eines meiner Flanellhemden. Ach, so ist das also. Erst mein AC/DC T-Shirt, jetzt mein Hemd. Du scheinst eine ganz schön diebische Elster zu sein, Bonnie Lass.«
»Erwischt«, kicherte sie leise, während sie insgeheim den Champagner verfluchte, der ihr nun doch ziemlich in den Kopf stieg.
Einladend klopfte der Schotte neben sich auf die Matratze. Plötzlich fühlte sie sich seltsam befangen, gar auf eine seltsame Art verunsichert. Himmel, erneut fühlte sie sich wie ein verliebter Teen, nicht wie eine Frau mit 40 Jahren, die soeben dabei war ihr ganzes bisheriges Leben umzukrempeln.
Alasdair schien ihre Unsicherheit zu spüren, was sie nicht weiter wunderte. Der Mann mit den markanten Gesichtszügen verfügte, ganz hingegen seiner überaus männlichen Art, über sehr feine Antennen. Zumindest was ihre Gefühle anbelangte. Seit sie ihn kannte, hatte er das immer wieder bewiesen. In manchen Momenten, wie in diesem, wenn er die Hand nach ihr ausstreckte, schien er sie tatsächlich besser zu kennen, als sie sich selbst. Entschlossen griff sie erneut nach seiner großen Hand, in der ihre schmalen Finger fast komplett verschwanden, ließ zu, dass er sie neben sich auf das Bett zog.
»Du hast mir einen riesigen Schrecken eingejagt, als du so plötzlich weg warst, Lou.« Seine Finger strichen sanft eine ihrer Haarsträhnen aus der Stirn. Stechend Blau und mit einer Intensität, die sie fast das Atmen vergessen ließ, betrachteten sie seine Augen.
»Ich dachte, du hättest verstanden, was ich dir versucht habe, zu sagen… also, dass ich zurückkomme«, murmelte sie kleinlaut.
»Nein! Nein das hab ich nicht. Ich bin nicht gerade gut im zwischen den Zeilen lesen oder dem Erraten von fehlenden Wörtern. Ich bin nämlich ein Mann, falls dir das entgangen sein sollte, Lass. Für uns Männer werdet ihr Frauen, immer ein großes Rätsel bleiben. Ich habe mich die ersten Wochen, nachdem du weg warst, wie ein geprügelter Hund gefühlt. Ständig habe ich mich betrunken, konnte an nichts mehr anderes denken, als an dich.«
»Das war nicht meine Absicht, Al. Es… es tut mir leid«, bekannte sie schlicht.
»Aye, das will ich doch hoffen, mo cridhe. Ich bin unendlich erleichtert gewesen, als ich in das Cottage gekommen bin und all deine Nachrichten gefunden habe. Nachrichten, die ich nicht erst entschlüsseln musste. Was hast du dir nur dabei gedacht, Lou?«
Sie zuckte unter seinem Vorwurf geknickt mit den Schultern. Nun, was hatte sie sich gedacht? Wenn sie ehrlich war, wusste sie es nicht.
»Ich hatte nicht geahnt, dass… es tut mir wirklich so schrecklich leid. Falls es dich irgendwie befriedigt, du hast es mir unwissentlich heimgezahlt. Ich… ich dachte wirklich, ich müsse sterben, aus Angst, dass du das mit uns nicht ernst gemeint hast. Du hast dich so lange nicht gemeldet. Wochen lange keine einzige Nachricht von dir zu erhalten, war einfach fürchterlich.«
Lou konnte sehen, wie Al mit sich rang. »Aye. Wir haben beide gewaltige Fehler gemacht. Das lässt sich wohl nicht leugnen«, gab er unumwunden zu. Seine Worte sorgten dafür, dass der Schwarm Schmetterlinge in ihrem Magen einmal mehr wie wild zu flattern begann und sich behagliche Wärme in ihrem Inneren ausbreitete. Er betrachtete sie versonnen, während seine Hand die ihre zärtliche streichelte. Tief einatmend hob Lou zu einer erneuten Erklärung an, doch Alasdair war schneller. »Allerdings werden wir einiges klar stellen müssen, Lou!«
Alarmiert zuckte sie zusammen.
»Aye. Du hast mich schon verstanden, Mistress Unschuld. Ich habe zufälligerweise auch meinen Stolz. Das ist so ziemlich das einzig, was von mir heil geblieben ist, nach Felicitas. Ganz sicher werde ich mich nicht von dir aushalten lassen. Ich sehe zwar ein, dass es mit meinen Schulden nicht anders zu lösen war und natürlich bin ich dir dankbar. Was ich aber keinesfalls bin, ist begeistert …«
»Aber…«
»Nein. Kein wenn oder aber! Ich werde das mit dem Tilgen meiner Schulden erst mal so schlucken. Im Gegenzug wirst du das mit dem Heiraten überdenken müssen!«
»Aber… aber das ist ja die reinste Erpressung!«, protestierte sie schwach.
»Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Ich bin kein Mann für eine Liebe auf Distanz, Lou. Und ich habe mir geschworen, keine halben Sachen mehr zu machen. Wenn ich erneut eine Frau in mein Leben, in mein kaputtes Herz lasse, dann muss ich sicher gehen.…Verstehst du? Ich muss wissen, dass du bleibst. Dass du bei mir bleibst, egal was kommt. Kein gekränktes Davonlaufen, Lou! Ehrlichkeit. Ehrlichkeit von uns allen beiden«, sagte er ernst, den Blick gesenkt, fast als hätte er Angst vor dem, was er in ihrem Gesicht sehen könnte. »Ich… Ich glaube nämlich nicht, das ich ein zweites kaputtes Herz verkraften würde. Und ich muss an Grace denken.« Sein Bekenntnis trieb ihr Tränen der Scham in die Augen.
»Dann sind wir ja schon zu zweit«, flüsterte sie mit belegter Stimme und zog ihren Schotten fest in ihre Arme.