Читать книгу Der ganz normale Wahnsinn Mann im Kilt - Pia Guttenson - Страница 8

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»Felicitas, Schatz. Jetzt beruhige dich doch erst einmal und hör auf zu weinen!«, startete Alexander Schulzinger den Versuch, zu seiner Frau durchzudringen. Felicitas neigte hin und wieder zur Melodramatik, weshalb er sich nicht wirklich Sorgen machte. Vermutlich hatte sie eines ihrer gewünschten Designerkleider nicht bekommen oder der Absatz ihrer Lieblingsschuhe war kaputt. Er hingegen war einfach nur müde von einem langen Tag im Büro und endlosen, nervenaufreibenden Kundengesprächen. Eine greinende Frau, die Unverständliches vor sich hin schluchzte, hatte ihm da zu seinem Glück noch gefehlt.

»Liebling, wenn du so heulst, kann ich dich beim besten Willen nicht verstehen«, versuchte Alexander es mit aller Geduld erneut, womit er ein wütendes Aufstampfen ihres Fußes bewirkte. »Es passt nicht mehr. Verstehst du nicht, was für ein Drama das ist? Morgen ist deine wichtige Gala und ich passe weder in das eine noch in das andere Kleid, das ich eigens dafür erstanden habe! Ich habe sogar überlegt, mich hineinnähen zu lassen«, warf ihm Felicitas mit feuerroten Flecken im Gesicht an den Kopf. Was zum Teufel konnte er dafür, dass sie nicht mehr in ihre Kleider passte?

»Spätzchen, hast du schon einmal daran gedacht, weniger zu essen?«, stieß er in einem Wahn von Todessehnsucht aus. Es gelang ihm gerade noch, sich unter die Flugbahn des High Heels zu ducken, der über ihn hinweg flog.

»Du … du weißt ganz genau, wie wenig ich esse. So ein Body ist jede Menge harte Arbeit. Ich trainiere zweimal täglich mit meinem Personaltrainer, jetzt tu nicht so, als ob du das nicht wüsstest. Außerdem kocht Rosalita für mich eiweißreich und völlig ohne Kohlenhydrate. Ich verstehe das nicht …«, jammerte sie erneut und brach wieder in Tränen aus. Er sah sich genötigt, tröstend die Arme um sie zu schlingen. Tatsächlich war sie in letzter Zeit mehr als nah am Wasser gebaut und neigte zu Wutausbrüchen, die ihm eine Heidenangst bescherten.

»Hör auf zu weinen, Spätzchen. Wie wäre es, wenn du dir einfach gleich morgen früh ein neues Kleid kaufst? Ich könnte Konstanze anrufen, sie würde dich sicherlich gerne dabei unterstützen.« Alexander versuchte zu ignorieren, dass Felicitas die Nase unschön hochzog.

»Die Frau hat den Geschmack eines Trampeltiers, Alex. Das ist doch nicht wirklich dein Ernst?«

Mühevoll unterdrückte er den Zwang zusammenzuzucken.

»Entschuldige bitte. Vielleicht wenn ich dich auch …«

»Gott bewahre. Du hast ja noch weniger Ahnung!«, unterbrach sie ihn ärgerlich, so dass er sich ergebend die Hände in die Luft streckte.

»Feli, Liebling. Was möchtest du von mir hören? Ich weiß auch nicht, weshalb du zunimmst, ohne mehr zu essen. Hast du erwogen, einen Arzt aufzusuchen? Vielleicht einen Frauenarzt. Es könnte doch auch eine hormonelle …«

»Hast du sie noch alle, Alex? Erst sagst du mir, dass ich zu fett bin und jetzt, dass ich zu alt bin? Oder glaubst du etwa, ich bin zu blöd um zu verhüten, so wie unsere dämlichen Expartner?«, zischte sie pikiert, das Gesicht voller roter, hektischer Flecken als hätte sie Scharlach.

»Feli, Spätzchen. Also wirklich, jetzt übertreibst du aber schon etwas. Ich habe doch nicht gesagt, dass du fett bist!«, flötete er so sanft, wie es ihm möglich war und zog sie trotz ihrer Gegenwehr erneut in eine Umarmung.

»Du bist weder alt noch fett, Feli. Im Gegenteil, für mich bist du die schönste Frau auf Gottes Erde. Du bist meine Göttin. Vielleicht vertragen sich ja deine ganzen Vitaminpillen nicht mit den Eiweißshakes und den Hormonen. Versprich mir, einen Arzt aufzusuchen!«

»Aye. Aber ich werde das verdammte Kleid anziehen und wenn ich mich samt einem Mieder einnähen lassen muss!«, knurrte sie kämpferisch.

»Tu was du nicht lassen kannst. Aber bitte, bitte fall mir dann nicht wegen Luftmangel in Ohnmacht«, flehte er inständig.


»Stimmt etwas mit meinen Knien nicht, Lass?«, raunte Alasdair, um ihr im nächsten Moment frech zuzuzwinkern. Himmel, der elende Kerl wusste ganz genau, was für eine Wirkung ein Mann im Kilt auf die Frauenwelt hatte. Sie selbst eingeschlossen. Tatsächlich hatte sie sich seine Unterstützung weniger auffällig vorgestellt. Nicht genug, dass Alasdair einer der wenigen männlichen Elternteile war, der den Elternabend besuchte. Nein, ihr Schotte überragte die anwesenden Männer locker um eine Kopflänge, so dass sie sich fragte, seit wann die schottischen Männer plötzlich auf Bonsaigröße geschrumpft waren? Zudem war er der einzige, der einen Kilt trug. Zu allem Übel hatte Lou sich von ihm überreden lassen, ihre High Heels zum kurzen Schwarzen zu tragen. Womit sie nun ebenfalls so ziemlich alle Anwesenden überragte und das Gefühl von starrenden Augen auf ihrem Allerwertesten nicht los wurde. Zwar lag dies mitnichten an ihrem Outfit, das war gegen die anderen aufgebrezelten Damen fast züchtig, dennoch fühlte sie sich inzwischen in Jeans und Sneakers wohler.

»Ich bin mir nicht sicher, ob deine Charmeoffensive nicht ein winziges bisschen zu viel des Guten ist, mein Schotte«, wisperte sie tadelnd zurück, während sie die Lehrerin ihrer Kinder mit ihrem freundlichsten Lächeln bedachte. Galant öffnete Alasdair der bissig dreinschauenden Mittfünfzigerin die Tür zum Klassenzimmer, welches sich zügig und auffallend geräuscharm mit Eltern füllte.

»Für meine Kinder und mein Eheweib ist mir kein Aufwand zu groß. Vielleicht hätten wir doch die Knucklehead nehmen sollen«, raunte er ihr ins Ohr.

»Willst du mich auf den Arm nehmen, Al? Dir ist schon klar, dass wir teilweise noch Schnee auf den Straßen haben«, wisperte sie sarkastisch bei dem Gedanken an das Motorrad, wobei sie ebenso wie Alasdair und all die anderen Eltern auf den für Erwachsene viel zu kleinen Holzstühlen, die zu einem Stuhlkreis gestellt worden waren, Platz nahm. Lou war überzeugt, dass es reine Schikane war, dass lediglich dem pädagogischen Lehrpersonal die bequemen großen Stühle zur Verfügung standen. Wie um diesen Umstand zu unterstreichen, ächzte das Holz bereits unheilvoll unter ihrem Leichtgewicht. Ausgerechnet wo sie sich gerade mit solchen Gedanken herumschlug, begegnete ihr Blick dem von Mrs. Hamish, der Grazie, die mit ihrer Elfenfigur so wunderbar auf die winzigen Sitzmöbel passte, als wären sie eigens für sie gemacht. Die Frau sah sie an, als hätte sie soeben in eine Zitrone gebissen, nur um dann die Knie ihres Schotten ins Visier zu nehmen. Hatte sie noch nie zuvor Männerknie gesehen? Lou konnte gar nicht anders als eine ‚der gehört zu mir‘-Miene aufzulegen. Unauffällig musterte sie im Anschluss das Prachtexemplar von Mann neben sich, welches in einer Art Schneidersitz auf dem wackeligen Holz thronte und sichtlich Mühe hatte, den Kilt züchtig an Ort und Stelle zu halten. Amüsiert stellte sie fest, dass er dabei versuchte die Knie seines unmittelbaren Nachbarn nicht zu berühren. Seltsam. Weshalb gab eigentlich sein Stuhl keine Protestlaute von sich? Immerhin nannte Alasdair locker das doppelte ihres Körpergewichts sein eigen. Obwohl sie mehr als unruhig war, bewegte sie sich so wenig wie möglich. Das ausgerechnet Mrs. Smith, die leitende Pädagogin, ihrem Schotten gegenüber saß, machte es kein bisschen besser. Vielleicht hätte sie ihn doch vor den winzigen Sitzmöbeln warnen sollen. Missbilligend rümpfte Mrs. Smith die Nase, so dass es aussah, als würde ihre Nickelbrille auf- und abspringen.

»Ich glaube, die Sassenach mag mich«, spielte Alasdair flüsternd auf Mrs. Smiths englische Wurzeln an. Unter niedergeschlagenen Lidern beobachtete sie ihren Mann, wobei sie innerlich betete, dass er auf keine Dummheiten kam. Leider war ihr nur zu bewusst, was ihr Mann unter seinem Kilt trug. Ein Umstand, der ihr selbst die Schamesröte vom Dekolleté bis zu den Ohren steigen ließ.

»Du wirst so rot, mo cridhe. Machst du dir Sorgen um Schottlands Zukunft?«, neckte er sie belustigt. Ungewollt entwich ihr ein typischer schottischer Unmutslaut, der ihren Schotten dazu veranlasste, breit grinsend ihren Oberschenkel zu tätscheln, als wolle er sie beruhigen. Warum hielt sie die Idee, ihn mitzunehmen, plötzlich für keinen guten Einfall mehr? Ablenkend ließ sie den Blick durch den Raum schweifen, sah sich die bunten Kinderzeichnungen an den Wänden an. Unmittelbar neben ihr an der Wand hingen die Zeichnungen ihrer Kinder einträchtig nebeneinander. Gut erkennbar an den in krakeliger Handschrift geschriebenen Namen. Sicher, man konnte von vierjährigen keine Kunstwerke erwarten. Selbst dann nicht, wenn die Mutter eine Künstlerin war, die beide Kinder bereits im zarten Alter von zwei Jahren mit Farben und Papier spielen hatte lassen. Den Kopf schief gelegt überlegte sie, was sie mehr an den Bildern störte. Dass Diana Claires Selbstporträt nur aus runden Kugeln bestand und Hände besaß, die in lediglich drei Fingern endeten? Oder dass Jamie Rogers Selbstporträt nur aus Strichen mit überdimensionalem Kopf und drei gleichlangen Beinen bestand.

»Es sind Vierjährige, Lou. Was erwartest du denn?«, deutete Alasdair ihre Gesichtszüge richtig und wies mit dem Kinn auf Jamie Rogers Zeichnung.

»Immerhin macht sich wee Jamie auch Gedanken über Schottlands Zukunft!«

»Ha und scheinbar überschätzt er sich dabei auch. Ganz der Vater«, murmelte sie trocken und ignorierte Alasdairs Unmutslaut geflissentlich. Ohne besondere Vorfälle plätscherte der Elternabend vor sich hin. Selbst um einen Posten als Elternbeirat kam Lou herum, da sich Mrs. Hamish nahezu darum gerissen hatte. Kurz vor Ende brummte man ihnen zwar noch eine Torte für das Frühlingsfest auf, doch auch diese ließ ihre Hoffnung auf einen überstandenen Elternabend ohne Standpauke seitens des Lehrpersonals nicht schwinden. Das Glück wendete sich jedoch während der Verabschiedung der Eltern gegen sie.

»Mr. und Mrs. Munro, wenn ich Sie bitte noch auf ein Gespräch in mein Büro bitten dürfte«, ertönte Mrs. Smiths nasale Stimme hinter ihrem Rücken und sorgte sofort für weiche Knie bei Louise. Tatsächlich kam sie sich vor, als hätte sie selbst etwas ausgefressen, nicht ihre Kinder. Alasdair hingegen gab den Helden. Der arme Kerl hatte bisher ja auch noch nie Erfahrungen mit Mrs. Smith gesammelt. Die Standpauke ließ nicht lange auf sich warten. Während Lou das Gefühl hatte, unter den Worten der Pädagogin zu schrumpfen, verteidigte ihr Held todesmutig seine Familie, indem er den Spieß umdrehte.

»Entschuldigen Sie bitte, Mrs. Smith. Aber haben nicht Sie selbst das Thema „Unsere Tiere auf dem Land“ in Biologie behandelt?«, hakte Alasdair unschuldig nach.

»Ja. Mr. Munro. In der Tat, so ist es. Ich wüsste allerdings nicht, was dies mit der stark ausgeprägten Phantasie Ihrer Kinder zu tun hätte«, erwiderte Mrs. Smith, den Kopf schief gelegt, mit der Nickelbrille auf der Nasenspitze, in pikiertem Tonfall. Weshalb erinnerte die Frau Lou plötzlich an die Geier in der Voliere des Stuttgarter Zoos Wilhelma? War da nicht ein lauerndes Glitzern in ihren Augen? Alasdair schien dies kein bisschen zu stören. Fast vertrauensvoll lehnte er den Oberkörper nach vorne, stützte die Arme auf seinen Oberschenkeln ab und schenkte der Frau erneut sein charmantestes Lächeln. Nur mit großer Mühe warf sie sich nicht schützend vor ihren Mann, sondern blieb nahezu versteinert sitzen.

»Mrs. Smith, wir sprechen hier über Kinder, die gerade mal viereinhalb Jahre alt sind. Unsere Kinder. Sie sind neugierig, wollen die Welt entdecken. Gehört das nicht zur Entwicklung dazu? Waren wir nicht alle einmal Kinder?«, argumentierte er mit Engelszungen, ohne auf die Gesichtszüge von Mrs. Smith zu achten, die sich immer mehr zu verfinstern schienen. Mrs. Smith war unter Garantie noch nie ein Kind gewesen, das hätte sie schwören können. Die Frau war mit Sicherheit bereits mit strengem Dutt, sauertöpfischer Miene und Gesundheitsschuhen auf die Welt gekommen.

»Mr. Munro. Selbst Ihre Kinder müssen gewisse Regeln lernen. Dazu gehört auch der Umgang miteinander und untereinander. Ausdrücke, wie ich zitiere: Ehefrauschwein, Grasdaggl oder Bähmulla, was auch immer die letzten beiden Worte bedeuten mögen, werde ich in meiner Schule nicht dulden«, entgegnete Mrs. Smith ungerührt.

Lou bildete sich ein, dass ihre Ohren vor Scham bereits glühten. Selbstverständlich hätte sie die schwäbischen Schimpfworte für Mrs. Smith übersetzen können, sah aber nicht wirklich einen Sinn darin. Sie würde ihren Bruder Tobias ungespitzt in den Boden rammen, wenn er das nächste Mal aus Deutschland zu Besuch kam, den diesem hatten sie diese Schimpfworte offensichtlich zu verdanken.

»Ich denke nicht, dass unser Sohn ‚Ehefrauschwein‘ als Schimpfwort ansieht. Er wollte sich vermutlich lediglich bei der kleinen Lydia einschmeicheln. Da steckten keine bösen Absichten dahinter. Was die Schimpfworte anbelangt, habe ich da schon weitaus schlimmere vernommen. Wir werden aber mit unseren Kindern im Familienrat darüber reden. »Mr. Munro, ich muss schon bitten! Wollen Sie irgendetwas andeuten?«, fiel ihm Mrs. Smith mit deutlich rotem Kopf ins Wort.

Lou hätte sich am liebsten geohrfeigt, schließlich hatte sie es versäumt, Alasdair zu sagen, dass Mrs. Smith eine ledige Emanze war, mit welcher man das Thema Familie oder Ehe ganz bestimmt nicht erörtern sollte. Wer wollte auch schon so einen Drachen heiraten? Um ihm zu verdeutlichen, dass er einfach den Mund halten sollte, senkte sie ihren Fuß auf den seinen. Alasdair ließ sich dadurch jedoch keines Wegs irritieren.

»Moment. Da verstehen Sie etwas völlig falsch, Mrs. Smith. Ich rede von unseren Kindern, nicht von Ihren Familienverhältnissen. Ein bisschen Schlamm und Dreck hat noch keinen Menschen umgebracht, sonst würde ich hier nicht mehr sitzen. Wenn Sie an dieser Schule so auf Perfektionismus aus sind frage ich mich, warum zum Teufel es überhaupt eine Dreckpfütze gab, die groß genug war, dass sich unser Sohn darin wälzen konnte? Wo war die Pausenaufsicht? Es sind schon Kinder in Pfützen ertrunken«, entgegnete Alasdair kalt, was Lou dazu veranlasste einzugreifen, bevor diese Situation vollkommen eskalierte. Ihren Fuß mit vollem Gewicht auf Alasdairs Fuß sagte sie:

»Was mein Mann damit sagen will, Mrs. Smith ist: Wir werden unser Möglichstes tun, um zukünftig solche Situationen zu vermeiden.«

»Das käme mir sehr gelegen, Mrs. Munro. Vielleicht würden Sie dann auch dafür Sorge tragen, dass Ihre Tochter aufhört, den anderen Kindern Angst zu machen. Sie hat diesen erklärt, dass im Lehrerzimmer der Bakterien wegen Waschbecken angebracht sind. Damit sich auch die Lehrer die Hände waschen können, da die Bakterien der Kinder, die sich keine Hände waschen, ihnen sonst die Haut wegfressen. Können Sie sich nur annähernd vorstellen, was hier für ein Theater los war?«

Himmelherrgottsackzement . Meterlange Schlangen auf den Toiletten mit Kindern, die sich plötzlich alle anständig die Hände wuschen, kamen Lou in den Sinn. Vielleicht hätte sie Diana das mit den Bakterien doch nicht ganz so ausführlich erklären sollen. Denn allem Anschein nach war ihre Tochter auf dem besten Weg, zur Drama-Queen zu mutieren. Betroffen räusperte sie sich und ignorierte die Finger ihres Schotten, die Smileys auf ihrem bestrumpften Knie hinterließen.

»Es tut mir sehr leid Mrs. Smith, dass Diana da etwas übertrieben hat. Sie ist ja erst vier Jahre alt. Dennoch finde ich, dass Hygiene ein wichtiges Thema ist«, gab sie zerknirscht zu.

»Mindestens so wichtig wie Alkohol bei Kindern!«, entgegnete Mrs. Smith kühl.

»Was wollen Sie uns damit andeuten, Mrs. Smith?«, übernahm Alasdair die weitere Unterhaltung, da es Lou die Sprache verschlagen hatte. Ihr Herz schien zu rasen, während ihre Ohren sausten und sie kaum noch Luft bekam. Was um alles in der Welt wollte Mrs. Smith andeuten?

»Ihre Frau gibt den Kindern Alkohol. Genauer gesagt: hochprozentigen Schnaps. Zwergenschnaps!«, sagte die Lehrerin und sah Lou dabei mit Augen an, die sie zu durchbohren schienen. Ihr war, als hätte ihr soeben jemand den Teppich unter den Füßen weggezogen. Wohingegen Alasdair in dröhnendes Lachen verfiel.

»A dhia, ha ha ha. Soll das ein Witz sein? Mrs. Smith, ich kann Ihnen versichern, dass meine Frau nichts dergleichen tut oder tun wird. Das ist ein Missverständnis. Bei diesem Zwergenschnaps handelt es sich um simple Zitronenlimonade aus Schnapsgläsern, mit denen die Kinder bei Feierlichkeiten mit uns anstoßen durften. Es mag zwar selbst im heutigen Zeitalter noch Menschen geben, die bei zahnenden Kindern oder bei Schlaflosigkeit Whisky kredenzen wie in den alten Zeiten, doch weder meine Frau noch ich oder irgendjemand aus meiner Familie gehören zu diesem Menschenschlag!«

Selbst auf der Heimfahrt lachte Alasdair noch immer vor sich hin und zog sie mit diesem Vorfall auf. Auch wenn ihren beiden Kindern offensichtlich das künstlerische Talent fehlte, Phantasie war genügend vorhanden. Trotzdem fühlte Lou sich im Moment, als wäre sie die schlechteste Mutter auf der ganzen Welt. Musste sie sich jetzt jedes Wort, das sie zu ihren Zwillingen sagte, ganz genau überlegen? Reichte es nicht, dass sie immer und immer wieder von Selbstzweifeln geplagt wurde? Mach dir nichts vor Louise, du bist alt. Steinalt, sagte ihr Gewissen. »Hör auf zu grübeln, Lou! Du wirst dir doch nicht die Worte dieser frustrierten, grauen Sassenach zu Herzen nehmen«, tröstete sie ihr Schotte und strich ihr zwischen dem Schalten in den nächsten Gang beruhigend über die Wange.

»Du hast gut reden. Immerhin musst du dir nicht jeden Tag beim Abholen der Kinder den Klatsch dieser Frauen anhören. Du bist übrigens gerade an unserem Zuhause vorbei gefahren«, murrte sie frustriert.

Vor dem Fenster nahm Alasdairs Cottage Gestalt an. Sie hatte sich bereits über das schelmische Grinsen um seine Mundwinkel gewundert. Tatsächlich vermieteten sie das Cottage selten, weil es ihnen ein willkommener Rückzugsort war. Ein Liebesleben mit vierjährigen Zwillingen war nämlich kaum möglich, wenn Nacht für Nacht die Eltern auf Wanderschaft gingen, da die Zwillinge samt dem alten Doc das elterliche Bett für sich beanspruchten. So oft es irgendwie ging, trafen sie sich wie die frisch Verliebten an jenem Ort, an dem alles seinen Anfang genommen hatte.

»Ich dachte mir, ich muss meine hübsche Bonnie Lass ganz dringend auf andere Gedanken bringen. Oder bist du zu müde?«

Natürlich war sie müde. Auf einer Skala von eins bis zehn wäre sie locker die elf und somit Dornröschen gewesen. Nur würde sie das unter keinen Umständen sagen. Schließlich kam die Frage von dem Mann, der so ziemlich jeden Morgen ab 4.00 Uhr bereits in seiner Backstube stand und trotzdem niemals müde wirkte. Ganz im Gegenteil zu ihr selbst. Sie antwortete ihm mit einem Lächeln, was ihm anscheinend genügte. Kaum war das Auto geparkt, eilte er zu ihrer Tür und öffnete diese ganz gentlemanlike. Er ließ sie jedoch nur kurz aussteigen, um sie dann zu schultern und zum Haus zu tragen.

»Du wirst dir noch deinen Rücken verrenken, Lad«, schimpfte sie gespielt und musste kichern.

»Aye, du warst schon mal leichter, mo cridhe«, neckte Alasdair sie amüsiert und sorgte dafür, dass sie mit den Händen verärgert auf seinen Rücken trommelte.

»Wirst du das wohl bleiben lassen, du verrücktes Frauenzimmer!«, stieß er lachend aus.

»Erst wenn du mich runterlässt oder das zurücknimmst. Du willst doch wohl nicht behaupten, dass ich fett bin?«

»Von fett war keine Rede, Lass. Angenehm rundlich, aye. Also nicht wie diese tapezierten Knochen, so dass Mann auch etwas in den Händen hat«, erwiderte ihr Schotte, wobei er als Bestätigung mit beiden Händen ihre Pobacken festhielt. Protestierend gab sie ein Quietschen von sich.

Wenn seine a‘ gearmailteach solche Töne von sich gab, konnte er sich kaum zügeln. Wie so oft war ihm völlig unbegreiflich, dass Louise keine Ahnung von ihrer Wirkung auf ihn hatte, auch wenn sein Körper ihn verriet. Oder wusste sie es und machte all diese Töne und Bewegungen aus Provokation? Den ganzen Abend hatte Alasdair sich bereits ausgemalt, was er mit ihr anstellen würde, wenn sie endlich alleine waren. Seit die Zwillinge in ihrer beider Leben getreten waren, blieb ihnen nicht mehr viel Zeit für Gemeinsamkeiten. Trotzdem schafften sie es, hier und da kleine Freiräume nur für sich einzubauen. Einhändig steckte er den Schlüssel ins Schloss, um die schwere Holztür hinter sich mit dem Fuß zuzuwerfen. Erst dann stellte er Lou zurück auf den Boden, wenngleich er sie dabei bereits wieder eng an sich zog. Ihre Arme schlangen sich willig um seinen Hals, während sich ihre entzückenden Lippen mit einem schelmischen Grinsen auf die seinen zubewegten. Mehr Aufforderung brauchte er nicht. Im Bruchteil von Sekunden machte er sich plündernd über den Mund seiner Bonnie Lass her, die ihm ebenso stürmisch küssend antwortete. Erregt bis in die Haarspitzen presste er sie mit dem Unterleib gegen das Holz der geschlossenen Haustür, labte sich an ihrem heiseren Seufzen. Gott war sein Zeuge. Er hätte Lou am liebsten bereits auf dem Elternabend geschultert, um sie irgendwo hinter verschlossenen Türen zu nehmen, so sehr hatte ihr Anblick ihn umgehauen. Seit der unverhofften Schwangerschaft hatte Lous Körper entzückende Rundungen zurückbehalten, genau an den richtigen Stellen wie er fand. Wenn er ehrlich mit sich selbst war, hatte er ganz genau gewusst, auf was es hinauslaufen würde, wenn er Lou dazu überredete, diesen kleinen schwarzen Rock mit dieser überaus neckischen Bluse zu tragen. Alleine der Umstand, dass sie halterlose Strümpfe trug, sagte ihm, dass sie dies ebenfalls gewusst hatte. Voller Leidenschaft zog er die störende Bluse aus dem Rock, versuchte mit zitternden Fingern die winzigen Perlmuttknöpfe zu öffnen, ohne seine Küsse zu unterbrechen. Dies misslang und zwei der Knöpfe verabschiedeten sich auf die Holzdielen des Fußbodens. Blieb zu hoffen, dass er sie zu einem späteren Zeitpunkt wiederfand.

»Oh nein. Nicht schon wieder, Al. Kannst du mir verraten, wie ich Marge beibringen soll, dass ich schon wieder abgerissene Knöpfe habe?«, jammerte Lou, während er versuchte, sie weiter zu entkleiden.

»Sag ihr, ihr Sohn hat zu große Hände für derart winzige Knöpfe«, ließ er sie wissen, wobei er eben jene Hände voller Begierde an ihrer warmen Haut entlang wandern ließ. »Stop!«, brüskierte Lou sich und schob ihn eine Armlänge von sich weg. »Zufälligerweise ist das eine meiner Lieblingsblusen. Ich ziehe es vor, diese selbst auszuziehen«, hauchte sie schnippisch mit einem derart provokanten Blick, dass ihm jedes Haar auf der Haut senkrecht stand. Sein Mund wurde staubtrocken und er sank schwer gegen den Türrahmen des Esszimmers. A Dhia. Er konnte nicht aufhören, auf das anziehende Wiegen ihrer Hüften zu starren. Selbst ihre zierlichen Fesseln in den hochhackigen High Heels turnten ihn an. Alasdair zwang sich, den Kloß, den er sich in seinem Hals einbildete, hinab zu schlucken. Es fehlte wirklich nicht mehr viel und er würde sabbern und das an mehreren Körperstellen gleichzeitig. Das dumpfe Pochen seines Herzens in den Ohren verfolgte er, wie Lous filigrane Künstlerfinger in Zeitlupe zu den Knöpfen wanderten, um diese zu öffnen. Dabei suchten ihre Augen die seinen und schienen sich dabei verheißungsvoll zu verdunkeln.

»Irgendwelche Probleme, Lad?«, konnte er ihre Stimme lasziv flüstern hören.

»Aye. Probleme, die du auch gleich haben wirst, Lass!«, stieß er atemlos aus, da Lou just in diesem Moment die Bluse fallen ließ. Sie antwortete ihm leise lachend, die Augenbrauen fragend erhoben, wobei sie die Daumen bereits im Bund ihres Rockes eingehakt hatte, als erwarte sie seine Zustimmung. Ganz sicher gab es nichts Besseres als eine strippende Frau, die gleichfalls die eigene Ehefrau war. Weder Musik noch besonderes Ambiente waren wichtig, wenngleich das Mondlicht, das durch die Fenster der Terrasse fiel, Lous Haut silbern glänzen ließ. Allein die Geräusche ihres erregten Atems, das Rascheln der verschiedenen Stoffe und Haut auf Haut, war besser als alle Klänge der Welt. Die Luft wollte ihm wegbleiben, als der Rock von ihren weiblichen Hüften zu Boden rutschte. Stumm zählte er Whiskysorten auf, um sein bestes Stück zu zügeln, wobei er sich bereits hektisch seiner Schuhe, seines Hemds und seines Kilts entledigte. Lou sah ihn kokettierend mit den Wimpern klimpernd an, nur mit schwarzen Spitzendessous und hauchdünnen, halterlosen Strümpfen bekleidet, die in High Heels steckten. A Dhia, was waren das für sexy Beine. Es grenzte an ein Wunder, dass er seine Bonnie Lass nicht verletzte, als er sich auf sie stürzte um sie in einer leidenschaftlichen Umarmung zu Boden zu reißen. Dort blieben sie küssend auf dem weichen Läufer liegen. Trotz seinen zitternden Fingern gelang es ihm, die sündige Spitze von ihrem zauberhaften Körper zu entfernen, ohne diese ebenfalls zu zerstören. Würde er jemals genug von dieser Frau bekommen? Zärtlich bedeckte Alasdair ihre samtene Haut, die eine Gänsehaut zierte, was wahrlich kein Wunder war, bei den frostigen Temperaturen. »Ich hätte an ein Kaminfeuer denken sollen. Entschuldige, mo cridhe«, flüsterte er sanft und ließ zu, dass Lou ihn mit seinem ganzen Gewicht auf sich zog. Ihre Antwort bestand aus neckenden, bestrumpften Zehenspitzen, die Schuhe hatte sie mittlerweile ausgezogen, die an seinen Oberschenkeln entlang strichen.

»Du könntest dich bewegen, mein Schotte«, ließ sie ihn ziemlich zweideutig wissen und schlang ihre Beine leise kichernd um seine Hüften.

»Du bist ganz schön frech«, raunte er und versank mit einem einzigen Stoß in ihrer sinnlichen Weiblichkeit. So voller Leidenschaft in ihr Liebesspiel vertieft, nahm er die Stimmen erst wahr, als Lous Körper sich unter ihm mit einem geflüsterten »Himmelherrgottsackzement!« versteifte.

»Was zur Hölle«, flüsterte er und hielt mitten in seinen Bewegungen inne.

»Das ist das Cottage meines Stiefvaters. Keine Sorge Fatma, hier sind wir nur unter uns!«, drang die Stimme von Lous jüngstem Sohn Philipp an seine Ohren. Es gelang Alasdair nicht mehr zu reagieren. Unbarmherzig flammte das helle Deckenlicht auf, nahm ihnen mit seinem grellen Licht jegliche Deckung. Der erschrockene Aufschrei seiner Schwiegertochter gellte in seinen Ohren, während er versuchte, Lou mit seinem Körper vor den Blicken des Paares zu schützen und gleichzeitig, obwohl geblendet, mit einer Hand an seinen Kilt heranzukommen.

Mit einem entsetzten »Mama?« erwachte Philipp aus seiner Starre, wobei er ihnen den Rücken zudrehte, um seine Frau, eine junge Türkin, in den Gang zu schieben.

»Flipp. Was um alles in der Welt hast du um diese Uhrzeit hier zu suchen?«, schimpfte Lou aufgebracht, wobei sie bereits im Eilverfahren dabei war, ihre Kleider einzusammeln und anzuziehen.

»Ich fasse es nicht, was ihr hier …« antwortete ihr Sohn krächzend, das Gesicht voller roter Flecken.

»Hast du ein Problem damit, Lad?«, konterte Alasdair, dem es nicht gelingen wollte, den gereizten Unterton aus seiner Stimme zu verbannen.

»Nein … äh ja … seid ihr nicht etwas zu … na ja …«, stotterte Philipp, wobei sich seine Stimme mehrfach überschlug.

»Aber sonst geht es dir noch gut, mein Sohn? Was glaubst du eigentlich, wie deine beiden Geschwister entstanden sind? Stell dir vor, auch Eltern können Sex haben!« Die Erklärung an ihren Spross kam so staubtrocken über Lous vor Ärger bebende Lippen, dass es Alasdair kaum gelang, das aufwallende Lachen zu unterdrücken. Herrje, er und seine Frau waren aus demselben Holz geschnitzt. Alleine wie sie dastand, die Hände in die Hüften gestemmt, mit Haaren, die in alle Richtungen abstanden. Dazu in einer Bluse, die außer, dass sie in der Eile falsch zugeknöpft worden war, auch noch halb offenstand. Es fehlten ja Knöpfe. Lou wirkte, als wolle sie explodieren. Ihm entging nicht, wie Philipp unter dem Blick seiner Mutter in sich zusammensank. Fatma indes klammerte sich an Philipps Hand, fast als wäre sie kurz vor dem Ertrinken, sah aber keinen von ihnen an, noch nicht einmal Philipp selbst. Das junge Mädchen tat ihm leid. Er war sich sicher, dass sie dank ihrer Religion nicht gerade viele nackte Männer oder Frauen zu Gesicht bekommen hatte.

»Mama, kannst du bitte still sein. Das ist peinlich!«, durchbrach die Stimme seines Stiefsohns die unangenehme Stille.

»Ich denke, das ist es tatsächlich für alle, Flipp. Nicht nur für euch. Wenn ihr zum Übernachten dableiben möchtet, haben deine Mutter und ich nichts dagegen einzuwenden. Allerdings wäre mir recht, wenn du uns das nächste Mal vorwarnen würdest. Aye!«, startete Alasdar den Versuch, die Situation zu entschärfen, da sein Stiefsohn inzwischen ein ebenso hochrotes Gesicht aufwies wie seine Mutter. Einem Familienkrach fühlte er sich in der jetzigen Situation nicht gewachsen.

Der ganz normale Wahnsinn Mann im Kilt

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