Читать книгу Entlarvung - Pia Klemp - Страница 6

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Es ist fraglich, ob ihr Ableben gegen ihren Willen, oder zumindest ohne ihr Wissen, vonstattengehen würde. Sie waren ja bereits, ohne je nach ihrer Meinung gefragt zu werden, in diese Welt hineingeboren worden. Genauso unverhofft konnte man auch wieder aus dieser Existenz hinauskomplimentiert werden. Mit etwas Glück.

Dass selbst Sterbezeugnisse dazu neigen, zwar die Frage nach dem Wie, aber nicht nach dem Wozu zu beantworten, irritiert niemanden sonderlich. Im besten Fall zieht sich eine Augenbraue hoch, im schlimmsten wird die Erkenntnisnot in Trauer ertränkt und man beschränkt sich auf die Inszenierung des Abgangs. Ein Stück, das beim Fallen des Vorhangs plötzlich nur noch aus dem letzten Akt besteht.

Bis es soweit ist, füllen sie emsig die Stunden, Tage und Jahre, die zwischen diesen vermeintlich wichtigen Ereignissen der eigenen Geburt und des Todes liegen. Sie geben all ihr Streben und Bewusstsein in diese makabre Realität hinein, pressen mit verkrampftem Kiefer in jede Sekunde eine Wahrhaftigkeit und erwarten tatsächlich, dass sich ein Sinn daraus formt. Oder sie verweigern sich schlechthin der Anerkennung der ihnen auferlegten Willkür eines Lebens, indem sie narkotisch auf nichts warten und nichts erwarten.

Gleichwohl rennen alle der Liebe nach, lachen und schreien, haben eine Idee von sich selbst und von anderen, bringen den Müll raus und kommen nicht umhin, dabei Menschen mit dem exakt gleichen Problem anzutreffen.

Dieser vermaledeite Rest der Welt, mit dem sie sich auseinandersetzen müssen. Jeder Einzelne ein Beweis, ein Paradebeispiel pathologischer Unwissenheit, so dass man zur allgemeinen Entspannung lieber Unsterblichkeit vorgibt.

In dieser Wahnvorstellung ist es angenehmer, man redet nicht darüber (nicht über den Uterus meiner Mutter und noch viel weniger über meine anstehende Verwesungsfäule) und überspielt die Konsequenzen mit Menschsein. Man tut alles, um das Absurde zu vertuschen. Welch tragisch komisches Schauspiel! Untereinander, ineinander, gegeneinander, miteinander, selbst ohneeinander machen sie sich etwas vor. Ein Geflecht aus Milliarden Vorstellungen, die Schimäre einer Gesellschaft, die selten ohne Blessuren zu bewältigen ist.

Es ist gleich, ob sie das gut finden oder nicht, ob sie all die Masken herunterreißen oder auftragen wollen. Am Ende würden sie nichts ändern, oder eben doch alles, weil sie die Illusionen töten.

Probieren wir es aus.

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