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3 Aus den alten Papieren
ОглавлениеDie älteste Persönlichkeit, die aus diesen alten, manchmal schwer leserlichen Papieren (Verträgen, Bekenntnissen, Inventaren und Dokumenten) deutlich wird, ist Francesco Rusconi, der Sohn des Giacomo, der im Jahre 1769 Angiola Maria, die einzige Tochter des Giacomo Antonio Biancone, heiratete. Dies geht aus dem Vertrag hervor, der in Locarno vom Notar Antonio Felice Rusca aufgesetzt wurde, «in meinem Notariatsbüro unterschrieben», und zwar im Beisein von zwei Metzgern, von zwei anderen Zeugen und zuvor von Valerio Baciocco als Vertreter des Kommissars Schmid aus Schaffhausen. In diesem Dokument bestimmt Biancone als Mitgift für seine Tochter fünfzig Locarneser-Taler, und dazu die «Aussteuer, die zum Gebrauch und zur landläufigen Anwendung passt», und ernannte sie (falls er keine weiteren Kinder mehr bekomme, wie es dann auch tatsächlich der Fall war), zu seiner Gesamterbin. Er verpflichtete dabei die Neuvermählten und ihre Nachkommen dazu, in alle Zukunft «den Herd des genannten Biancone zu erhalten» und sich seines Hauses zu erfreuen, das niemals weder mit Hypotheken belastet noch verkauft werden durfte. Und so blieb es fast zwei Jahrhunderte lang. Die Rusconi liessen sich im Haus des Iacomo Antonio Biancone nieder. Noch heute kann man seine Initialen auf einer naiven «Pietà» erblicken, die, als Fresko mit der Jahreszahl 1756 versehen, die Mauer ziert. Dieselben Buchstaben i. a. b. stehen auch am untern Rand des kleinen Fensters daneben. Allein, schliesslich wurde der hartnäckige Wille des alten Bianconi nicht mehr respektiert. Das Haus (das für uns immer dasjenige der Grosseltern Rusconi blieb) ging wieder in den Besitz eines Bianconi über und gelangte am Ende gar in die Hände von Deutschschweizern, die alles gesäubert, übertüncht und lackiert haben. Man findet dort jetzt nichts mehr wieder, ausser der Sonne im offenen Hof und auf dem Pfeiler der Loggia die Inschrift: «1888, am 26. Februar, Schneehöhe 2.20 m.» Doch die Schatten der Alten sind nunmehr verschwunden.
Jener Iacomo Antonio Biancone sah somit sein Geschlecht erlöschen. Er muss reich gewesen sein. Sicherlich stammte er von einem andern Zweig als dem unseres Grossvaters väterlicherseits; denn diese Familie war arm wie Kirchenmäuse …
Die Bewohner von Mergoscia sind zu jener Zeit in alle Himmelsrichtungen ausgewandert. (In der Kirche steht noch jetzt ein silbernes Kreuz, das von Auswanderern aus Florenz mitgebracht wurde, und das die Jahreszahl 1650 trägt.) Sie waren Scherenschleifer, Kaminfeger, «Hausierer» (das heisst umherziehende Verkäufer von Schnittwaren und Glasperlen und bunten Fensterscheiben), sowie Glaser. Der Francesco Rusconi des erwähnten Ehevertrags war Glaser und übte sein Handwerk in Frankreich, in Cambrai, aus, und zwar zusammen mit seinem Bruder Battista, der jedoch zu einem gewissen Zeitpunkt auf diesen Beruf verzichtete, da er für ihn «allzu beschwerlich» war.
Es waren jedoch keine armseligen, umherziehenden Glaser, sondern ernsthafte, fest ansässige Handwerker. Sie besassen eine Werkstatt und unterrichteten Lehrlinge. Dies geht aus einem Lehrvertrag hervor, der im August 1777 zwischen den beiden Brüdern Rusconi und einem Giov. Antonio Papina abgeschlossen wurde, «alle drei aus Mergoscia, bei Anlass und Gelegenheit, da Bernardo, der Sohn des obgenannten Papina, sich unter die Leitung der erwähnten Rusconi begibt, um das Handwerk eines Glasers unter vorteilhaften Gegebenheiten und zwar folgendermassen zu erlernen»: Der Meister verpflichtet sich, dem Jungen das genannte Handwerk beizubringen, «während 3 ½ aufeinanderfolgenden Jahren, wie es bei ähnlichen Verträgen Brauch ist»; ihn, falls er krank werden sollte, vierzehn Tage lang zu pflegen, und wenn seine Lehrzeit um wäre, «ihm die Aussteuer auszurüsten, und zwar nach den Gepflogenheiten dieses Handwerks ihm gratis das nötige Werkzeug für den Beruf eines Glasers zu geben, mit Ausnahme der Strippe, zu der er nicht verpflichtet ist; ihn einzukleiden, nach Massgabe der Kleidung, in der er jetzt von zu Hause herkommt». Dagegen kommt der Vater des Jungen für allen und jeden Schaden auf, den der Sohn verursachen könnte; ferner garantiert er für die Rechtschaffenheit, den Gehorsam und die Treue «sowohl der Hand als auch der Rede» seines Sohnes.
Aus den spärlichen und mühsamen Briefen ergibt sich vor allem eine Klage, die im Mund der Auswanderer immer wiederkehrt: die grausamen Bedingungen, welche die Unkenntnis der Landessprache mit sich bringt. «Ich hoffe, es werde gut gehen», berichtet 1777 ein Brief aus Cambrai. Es ist sicher nicht unnütz, ihn wiederzugeben, wenn auch zur Erleichterung des Verständnisses mit einem Minimum an Verbesserungen: «Der ganze Kummer, den ich hier habe, kommt daher, dass wir kein Französisch verstehen. Es ist als seien wir mitten unter (zwei unleserliche Worte), wenn man die Grillen zirpen hört. Da schaut zu, ob ihr versteht, was es heisst. Es ist eben französisch …»
Briefe, die gewöhnlich einen rührenden Schluss haben: «Ich höre auf zu schreiben, aber ich höre nicht auf, euch lieb zu haben.» Und nicht weniger rührend ist der Beginn eines Briefes vom 27. Januar 1772, den die Frau des Francesco Rusconi an den fernen Gatten richtet: «Jesus, Joseph und Maria helft mir beim Schreiben dieses Briefes und auch dem, der ihn lesen wird oder vorlesen hört.» Er besagt: «Mein liebster, von mir sehr geliebter Mann. Mir geht es Gott sei Dank gut. Ich grüsse Euch und Euren Bruder. Ich habe am 26. des Christmonats eine Tochter geboren. Sie ist drei Tage lang am Leben geblieben und ist dann ins Paradies gegangen, zu meinem Leidwesen, denn sie war sehr schön, aber ich bin zufrieden, dass sie ins Paradies ging.» Dann folgt eine ganze Reihe von Grüssen, Mutter, Schwestern, Verwandte und Freunde gesellen sich den Wünschen der Gattin und des Gevatters bei, der, mit der Feder besser vertraut, diesen Brief aufgesetzt hat.
Sechs Jahre später erhält der Glaser in Cambrai einen weiteren Brief mit der Botschaft eines andern Todes. Dieser Brief ist in der wunderschönen Schrift des Pfarrers geschrieben, eines gewissen Giorgio Antonio Leoni di Rivapiana di Minusio: «Von Eurer guten Frau Maria Angela habe ich den Auftrag bekommen, Euch wissen zu lassen, dass am 7. dieses Monats Euer Sohn Battistino und Eure Schwägerin Maria von einem akuten Fieber befallen wurden. Der kleine Knabe überstand es gut. Aber die Schwägerin hörte am 15. des obgenannten Monats, versehen mit den üblichen Sterbesakramenten unserer heiligen Kirche auf zu leben und bezahlte dem Tod ihren Tribut … Angesichts dieses Unheils wurde Eure Gattin Maria Angela von einem so lebhaften und jähen Schmerz gepackt, dass sie, wie wir es stark befürchteten, innert weniger Stunden beinah erstickt wäre. Man hatte ihr schon die heilige Wegzehrung gebracht. Als wir ihr dann aber zu verstehen gaben, wir seien nur für den Himmel geschaffen worden und nicht für diese Welt … und als wir ihr, sage ich, diese und andere nützliche Wahrheiten eingetrichtert hatten, erholte sie sich etwas. Sie fing sich wieder auf, so dass sie sich jetzt langsam wieder in gutem Zustand befindet. Nichtsdestoweniger sieht sich die gute Frau sozusagen allein, ohne einen Menschen, dem sie wahrhaft vertrauen könnte und der sie richtig zu trösten vermöchte. Ich befürchte deshalb, dass sie unter diesen Umständen viel leidet und sich kümmerlich durchschlägt.
Deshalb rate ich Euch, lieber Sohn in Christo, Eure Rückkehr in die Heimat so rasch wie möglich zu beschleunigen. Dies ist auch der Wunsch Eurer geliebten Gefährtin, welche sagt, sie habe keine andere Hoffnung und keinen Trost mehr auf dieser Welt als Euch. Dasselbe verlangen auch die Angelegenheiten und die gute Führung Eures vermögenden Hauses, besonders in diesem Jahr, denn die Felder stehen bis anhin gut und versprechen reiche Ernte an allerlei Früchten …» Und der gute Priester fügt seinen Grüssen diejenigen aller Verwandten bei, ferner der Eltern der drei Jungen, die der Glaser Rusconi unter sich hatte, unter denen sich auch der Bernardo Papina aus dem erwähnten Lehrvertrag befindet.
Der Brief des Pfarrers ist vom 19. August 1778 datiert. Vom 19. Dezember desselben Jahres, und zweifellos von diesem Brief angeregt, stammt eine Art Pass, in dem «Prévost, échevins, et magistrat de la ville, cité & duché de Cambrai» erklären, dass «François Ruschon, natif de Locarno en Suisse, demeurant en cette ville depuis seize ans environ», in seine Heimat zurückkehre, «pour vacquer à ses affaires». Es folgt eine Empfehlung, ihn frei passieren zu lassen. Der Ärmste eilte heim, um die verzweifelte Gattin zu trösten.
Sein Schwiegervater, Giacomo Antonio Bianconi, muss – immer im Verhältnis zur Zeit und den Gegebenheiten des Dorfes – eher wohlhabend und sein Haus vermögend gewesen sein, wie es auch der Priester Leoni in dem genannten Brief erwähnte. Bevor seine Witwe starb, verfügte sie, «denn sie war eine Frau mit einer Erbschaft und besass Vermögen», über ihr Vermächtnis von 25 Talern: für einen Sack Salz, das in der Gemeinde verteilt werden sollte, sowie zwei Socche oder Kleider. Das Übrige sollte für Messen zur Rettung ihrer Seele verwendet werden. Dies wurde, als sie tot war, befolgt. Das beteuert derselbe Priester Giorgio Antonio Leoni «de Ripaplana loci Minusji» im März 1781. Man muss sich vergegenwärtigen, dass das Salz damals eines der wenigen Lebensmittel war, die man notwendigerweise kaufen musste. Dann begreift man die Bedeutung der zahlreichen Hinterlassenschaften für das «Salzvermächtnis».
Francesco Rusconi kann somit nicht mehr gar so jung gewesen sein, als er 1785 noch einmal nach Frankreich reiste. Vorsichtigerweise dachte er, bevor er sich auf die Reise begab, daran, sein Testament zu machen. Dieses Testament wurde beim stellvertretenden Pfarrer von Mergoscia, Giov. Domenico Giovannoni, vor Zeugen hinterlegt. Wir müssen erwähnen, dass die Alten darauf achteten, ihre Angelegenheiten richtig, nach allen Regeln und eindeutig zu erledigen, denn es lag ihnen viel an ihrem Besitz, ihrer Familie und an der Fortdauer ihres Hauses.
«Da es Pflicht eines guten Katholiken ist, immer auf den Tod vorbereitet zu sein … und da Francesco, der Sohn des Giacomo Ruscone von Mergoscia, im Kirchenspiel Locarno und der Diözese Como dies gut begriff, hat er es vor seiner Abreise nach Frankreich … für richtig erachtet, sein Testament zu machen.» Nachdem er an seine Seele gedacht hat, erklärt er, falls er sterben müsse, sei seine Witwe Angiola Maria «Frau und alleinige Meisterin seiner ganzen Habe, wie sie auch immer sei …» Doch müsse sie die Witwentracht tragen, als ehrbare Frau leben und in ihrem eigenen Hause mit ihren Kindern wohnen bleiben. Und so weiter, zwei dicht beschriebene Seiten in der winzigen Schrift des stellvertretenden Pfarrers, ein minutiöses Verzeichnis der Rechte und Pflichten der Überlebenden: Der Vormundschaft über die Kinder, sowohl im Fall, da sich die Witwe wieder verheirate, wie auch im Fall ihres Todes. Jede Möglichkeit war vorgesehen und geordnet. Und das Ganze war mit der Unterschrift des Priesters, dreier Zeugen und des Erblassers rechtsgültig versehen. «Ich, Francesco Ruscone, bestätige das Obenstehende», steht dort in dicken und plumpen Druckbuchstaben. Dazu gehört ein Empfehlungsbrief des Priesters Giovannoni, der besagt, Rusconi sei ein Mann von guten Sitten, ein echter Katholik, klein gewachsen, blond, mager und ein Stotterer; und er gehe «ad artem suam vitrarij exercendam in Gallia».
Ausser dem Battistino, den im Jahre 1778 jenes akute Fieber gepackt hatte, besass Francesco Rusconi noch einen andern, im Jahre 1783 geborenen, jüngeren Sohn, Giuseppe. Dieser war somit kurz vor des Vaters Abreise nach Frankreich zur Welt gekommen, und muss irgendwie das schwarze Schaf der Familie gewesen sein, ein Tunichtgut, wie man damals sagte und auch heute noch sagt, «immer und wie gewohnt ein Tölpel», sagt ein Enkel im Jahre 1840 von ihm. Anno 1807 liess er sich auf Kosten der Gemeinde Sorengo «unter die Fahnen seiner kaiserlichen Majestät Napoleon, des Kaisers der Franzosen und Königs von Italien» anwerben, wie aus einer rechtsgültigen Akte hervorgeht, die ihn für vier Jahre verpflichtete. Doch hatte anscheinend die Sache keine Folgen. Er hielt sich im Wallis, in Sierre und in Sion auf. Die Gattin hatte er zu Hause gelassen. Er betätigte sich als Kaminfeger und in wer weiss was für anderen Berufen …
Von einem seiner Briefe an den Bruder lohnt es sich, die Adresse wiederzugeben: «Über briggo und über dom dossela und über intra und canobio und locarno zuhanden von Gian Battista Ruscone aus Mergoscia.» Und eine andere «Adresse» einer nach Frankreich gesandten Botschaft lautet: «Signor Francesco Roscone Lucerna Onenhc (?) über Paris nach Cambre in Flandern Absteigequartier Breguzon in der Gegend der Glaser.» Wie solche Briefe zugestellt werden konnten, ist für uns, die wir nun an «Postleitzahlen» gewöhnt sind, schwierig zu verstehen …
Ein Enkel des Francesco und Sohn des Battista Rusconi ist Gottardo, der noch jung, im Jahre 1833, dem Jahr der von der Gemeinde besorgten Inventur, sterben musste. In der Inventur ist das armselige Hausgerät in einem dem Italienischen nachgebildeten Dialekt aufgeführt: «Eine Kufe, zwei Töpfe, ein Weinfass, ein Kessel, eine Schüssel, drei Wärmepfannen, eine Kupferpfanne, ein Butterfass und ein Weinmass, zwei Holzschemel fürs Wasser, zwei Beile, zwei Hippen, ein eiserner Hammer und eine Hacke, eine Schaufel, eine Heu- oder Mistgabel», und so weiter, mit dem Haus, den Ställen in den verschiedensten Gegenden und Hügeln, die Wiesen, die Wälder, die Bäume.
(Man bedenke: Wenn der frühzeitige Tod des Vaters das Haus betrübt zurückliess, so gehörte dazu auch die gewohnte und in ihrer Art barbarisch grossartige Zeremonie der Totenwache. Im Haus des Toten vereinigten sich die Leute – Requiems und Rosenkränze, die dann sachte in Scherze und Witze hinüberglitten. Man ergab sich dem Trinken und dem übermässigen Schlemmen, bis alle Vorräte ratzekahl aufgegessen waren. Man schnitt wohl gar der einzigen Ziege die Kehle durch und prasste in rauen Mengen. Man feierte das Leben neben dem Toten, der in seinem Sarg ausgestreckt dalag.)
Gottardo Rusconi starb 1833 und hinterliess eine trostlose Witwe mit einer Tochter und zwei Söhnen. Giacomo (mein Grossvater) wurde 1831 geboren, sein Bruder Battista ein Jahr später. Dieser sollte in Australien sterben. Überall herrschte Elend. Und nur Gott kennt die Leiden der armen Frau, die das Haus weiterführen und die Kinder erziehen musste. Die beiden Söhne mussten, noch als Knaben, der Tradition folgen. Sie zogen in die Lombardei und ins Piemont hinab, um Kamine zu fegen. Zunächst waren sie von Meistern in Intragna abhängig. Ich erinnere mich, mit welch zornigem Ingrimm mein Grossvater von den «Intragnoni» sprach, die gegen Ende Herbst durch die Täler zogen, um Knaben anzuheuern. So wie die Schlächter vor Ostern Zicklein sammelten. (Ganze Karren voll Zicklein zogen am Haus vorbei. Den armen Tieren waren die Hinterbeine zusammengebunden, und sie hingen mit dem Kopf nach unten an einer Stange. Blut tropfte in den Strassenstaub. Und immer, wenn man von Zicklein, auch von gebratenen, spricht, kommt mir das harte Dasein der elenden «schwarzen Engel» in den Sinn, die in der Lombardei und im Piemont den Russ der Kamine schlucken mussten.)
Doch nachdem der Grossvater Gehilfe gewesen war, wurde er Meister. Denn in zwei Pässen, von 1851 und von 1852, ist angeführt, Giacomo Rusconi «begibt sich ins Piemont und in die Lombardei, um sein Handwerk auszuüben», das heisst, um als Kaminfeger tätig zu sein. Und er hat «einen Knaben von acht Jahren bei sich». Er muss ohne den Bruder Battista dorthingezogen sein, denn diesem wird im selben Jahr 1851 eine Reiseerlaubnis von Porlezza «über die Grenze bei Oria» zugestanden. Doch aus dem Jahr 1853 sind zwei Pässe für die beiden Brüder, ohne Begleitung, erhalten. Wie gewohnt zogen sie als Kaminfeger nach der Lombardei und dem Piemont. (Diese grossformatigen Pässe tragen das Bild eines albernen Wilhelm Tell, mit dem Sohn und dem Apfel. Tell ist wie ein Landsknecht gekleidet, mit mächtigen Federn geschmückt und hält das Kantonswappen. Die Pässe tragen die Unterschrift des Advokaten g. b. Pioda, des Staatssekretärs.) Vom ersten Tag des Jahres 1853 stammt ein Brief der beiden Brüder an die Mutter, datiert aus «Pieve del Cajero» (das heisst: Pieve del Cairo, Lomellina). Dieser Brief besagt:
«Wir haben keinen Schnee und es ist nicht kalt. Das Wetter ist mild und neblig. Das Dasein verläuft wie gewohnt. Der Wein ist sehr karg zubemessen. Wir werden vom 20. März an wieder zu Hause sein. Weiteres kann ich Euch nicht sagen, als dass ich Euch liebe und von Herzen grüsse und Lebewohl sage. Wir sind Eure Söhne Giacomo und Battista Rusconi.»
Es ist nicht schwer zu verstehen, dass sich hinter diesem «das Dasein verläuft wie gewohnt» magere Rationen verbargen, die zu den Anstrengungen und dem Appetit der beiden Jungen in grobem Missverhältnis standen. Es ist auch nicht schwer zu verstehen, was die Kargheit des Weins bedeutet, bei dem Russ, der die Kehlen rau macht und austrocknet … Ein Jahr später legte Battista die Raspel beiseite, schnürte sein Bündel und reiste dem Gold Australiens entgegen.