Читать книгу Ich, Bürger der DDR - Porter Thomson - Страница 3
ALLE JAHRE WIEDER!
ОглавлениеNe ne! Nicht was Ihr jetzt vielleicht denkt! Es war noch viel aufregender als Weihnachten!
Einmal im Jahr traf sich die gesamte Sippschaft bei uns zu Hause, und zwar genau an dem Wochenende zu oder nach meinem Geburtstag, also Mitte September. Meine Sippe ist übrigens groß, hatte doch meine Mutter drei Schwestern und mein Vater sage und schreibe elf Geschwister!! Viele Kinder zu haben war wohl damals vor, während und nach dem Krieg, weit verbreitet. Aber ich lenke vom Thema ab.
Wie schon gesagt, trafen sich diese gefühlten hunderttausend Menschen an meinem Geburtstag bei mir zu Hause. Waren schließlich alle da setzte sich eine gewaltige Kolonne aus Trabis, Wartburgs, Ladas, Skodas und Dacias in Bewegung.
Geschlossen fiel dann die große Verwandtschaft am frühen Morgen über die brandenburgischen Kiefernwälder bei Buckow her, um diese von wirklich allen Maronen, Pfifferlingen, hin und wieder einmal ein paar Steinpilzen, Ziegenlippen, Samtkappen und als absolute Rarität vielleicht einer Krause Glucke zu befreien!
Die Heerscharen verteilten sich, schon fast militärisch präzise, in den Wäldern und ernteten Pilze was das Zeug hielt! Waren die Spankörbe voll, wurden die Kinder zurück ins „Basislager“, also zu den im Wald geparkten Autos, geschickt um die Körbe in großen mitgebrachten Kinderbadewannen zu entleeren.
Am späten Nachmittag, die Kinderbadewannen waren tatsächlich alle voll, trafen sich dann die Truppenteile im „Basislager“. Angesichts der fetten Beute waren Alle gut gelaunt. So ließ man sich zu einem munteren Kaffee und Kuchen nieder.
Die Frauen der Verwandtschaft hatten den Kuchen schon Tage zuvor gebacken und brachten diesen mit! Es waren Unmengen an Kuchen!
„Oh mein Gott!“, sage ich da heute noch, denke ich an Damals zurück.
War der Kuchen vernichtet und der Kaffee ausgetrunken, zogen sich die Heerscharen aus den Buckower Wäldern zurück. Geschlossen fuhr die Kolonne aus Trabis, Wartburgs, Ladas, Skodas und Dacias wieder zu uns nach Hause.
Wer nun glaubt, dass es das war, der irrt sich gewaltig! Jetzt ging der Zauber erst mal richtig los! Drei oder vier Kinderbadewannen voller Pilze wollten geputzt, gespült, nicht gebadet, und eingekocht werden! Die Menschenmassen verteilten sich in unserer viereinhalb Zimmerwohnung. Generalstabsmäßig wurden alle für diverse Tätigkeiten eingeteilt. Viele Leute putzten die Pilze, zeitgleich spülten zwei oder drei Personen die Einweckgläser. Sobald genug Pilze geputzt waren, beschickten zwei oder drei Frauen die gereinigten Gläser mit den geputzten und vorher gespülten Pilzen und wieder andere hatten den Einkocher unter ihren Fittichen. Jeder wurde mit eingespannt. Die großen Kinder spielten an diesem Tag Babysitter für die Kleinen.
Der Abend wurde lang, sehr, sehr lang! Erst wenn das letzte Glas Pilze eingeweckt und die komplette Küche mit Pilzgläsern zu gestellt war, wurde es gestattet sich zur Ruhe zu begeben.
Und dieser Spaß wiederholte sich jedes Jahr an meinem Geburtstag! Hurra, super, Klasse, toll!! Ich habe es bereits nach dem dritten mal gehasst! Andere Kinder feiern schön Kindergeburtstag, so mit Topfschlagen, Blinde Kuh und Süssigkeiten bis zum Abwinken und so! Aber ich? Großkampftag in den Pilzen! Danke!
Das ging so bis ich ungefähr 12 oder 13 Jahre alt war. Dann endlich schlief das mit den Pilzen zum Glück ein wenig ein und ich konnte irgendwann auch mal so richtig Geburtstag feiern.