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Das Schiff hatte Englands Küste hinter sich gelassen, und der Nebel war von einem auffrischenden Wind weggeblasen worden. Die „Sandra“ wiegte sich auf der grauen Dünung des Atlantik und nahm den Kurs nach Süden über die Biskaya auf die spanische Küste zu.

„Ich glaube, ich esse heute lieber nichts“, sagte Kirsten und setzte sich auf den Rand der Koje. Die beiden Mädchen machten sich gerade für das Mittagessen fertig.

„Du willst nichts essen? Ich habe jedenfalls Hunger wie ein Wolf. – Sag mal, dir wird doch nicht schlecht?“

„Doch, ich fürchte …“ Kirsten war schon ganz grün im Gesicht.

Schnell half Lone ihr aus den Kleidern und stellte einen Eimer an ihr Bett.

Beim Mittagstisch wurde auch Fräulein Simonsen vermißt, was den Ersten Steuermann zu der Bemerkung veranlaßte, der Seegang in der Biskaya könne sich vielleicht doch mit dem im Kattegatt messen.

Obwohl der Wind nicht sehr kräftig war, rollte der Dampfer auf den Wogen hin und her, denn die Seen schlugen quer über Backbord. In der Nacht und am folgenden Tage hatte Lone genug-zu tun, für die beiden Seekranken zu sorgen. Besonders Fräulein Simonsen beanspruchte Lones Zeit reichlich. – Wie es ihr wohl ergangen wäre, wenn wir richtigen Sturm gekriegt hätten, dachte Lone, denn Fräulein Simonsen wurde im Laufe der Nacht immer kränker und flehte schließlich inbrünstig, das Schiff möge doch untergehen, damit sie von den unerträglichen Qualen der Seekrankheit erlöst sei. Am nächsten Tag ließ jedoch der Seegang nach, und bald darauf ging es den Kranken besser. Mittags erschien Fräulein Simonsen sogar wieder bei Tisch, und Lone war sehr erstaunt, als Fräulein Simonsen auf eine höfliche Anfrage des Kapitäns mit einem bissigen Seitenblick auf den Steuermann antwortete, außer einer kleinen Magenverstimmung, die keinesfalls mit Seekrankheit zu verwechseln sei, habe ihr nicht das geringste gefehlt.

Einige Tage später glitt die „Sandra“ in das blaue Mittelmeer, vorbei an Gibraltars steilen Felswänden, die sich in der strahlenden Sonne aus den Wellen erhoben.

Lone und Kirsten waren beim Anblick der zauberhaften Farben ganz außer sich vor Bewunderung. Sie begriffen nicht, wie die Seeleute so gänzlich unbeeindruckt ihrer Arbeit nachgehen konnten, ohne auch nur einen Blick auf das azurblaue Meer zu werfen.

Sizilien kam näher und der abgerundete Kegel des Ätna tauchte am Horizont auf. In dem flimmernden Dunst sah man nur den Gipfel des Vulkans und die Rauchwolke, die immer über ihm liegt.

Lone und Kirsten starrten den fremdartigen hellen Gebäuden erwartungsvoll entgegen, als die „Sandra“, von zwei Schleppern gezogen, tutend in den Hafen von Alexandria glitt, der das Tor ist zum Märchenland Ägypten. Sie waren geradezu neidisch auf das Großhändlerehepaar, das mit einem Flußboot den Nil hinauffahren, die Pyramiden sehen und auf dem Kamelrücken einen Abstecher zu den Oasen der Libyschen Wüste machen wollte. Aber wenn sie diese Herrlichkeiten auch nicht zu sehen bekamen, so hatten sie doch auch etwas, worauf sie sich freuen konnten. Der Kapitän teilte nämlich mit, das Schiff würde zwei Tage in Alexandria liegenbleiben, und da bot sich Fräulein Simonsen an, die beiden Mädchen auf einen Rundgang durch die Stadt mitzunehmen.

Kaum war der Dampfer festgemacht und das Ehepaar mit den besten Ferienwünschen von Kapitän und Passagieren von Bord gegangen, als sie eine merkwürdige Gestalt gewahrten, die sich dem Kai näherte.

Es war ein großer, breitschultriger und magerer Mann um die Fünfzig mit Sonnenbrille und Vollbart. Er trug weiße Tropenkleider, und obwohl die Sonne von einem wolkenlosen Himmel herabbrannte, hatte er einen Regenschirm unter dem Arm. Einige Schritte hinter ihm folgte ein orientalischer Träger mit rotem Fes, der ein paar gewaltige Koffer schleppte.

„Was meinst du, was das für ein komischer Kauz ist?“ flüsterte Lone.

„Phileas Fogg in eigener Person“, kicherte Kirsten, und als der Fremde in diesem Augenblick die Laufplanke betrat, fügte sie hinzu: „Sieh bloß, ich glaube wahrhaftig, er kommt hier ’rauf.“

Der Fremde sah sich auf Deck einen Moment suchend um und trippelte dann mit kleinen nervösen Schritten auf die Mädchen zu, die an der Reling stehengeblieben waren. Gemessen lüftete er den Tropenhut ein paar Millimeter:

„Mein Name ist Joke, Professor der Ägyptologie. Würden Sie so freundlich sein, mir zu sagen, wo ich den Kapitän finde?“

Lone hatte im Hinblick auf die bevorstehende Australienreise ihre Schulkenntnisse im Englischen während des letzten Jahres fleißig erweitert. Doch in diesem Augenblick, als sie ihr Wissen zum ersten Male praktisch anwenden sollte, verschlug es ihr die Sprache. Sie verstand die Frage des Professors sehr gut, aber es war ihr nicht möglich, auch nur ein einziges englisches Wort hervorzubringen. Glücklicherweise tauchte Fräulein Simonsen gerade auf. Sie übersah sofort die Lage und fragte bereitwillig, ob sie irgendwie behilflich sein könne. Der Professor wiederholte seine Frage, worauf sie ihn zur Kajüte des Kapitäns begleitete.

„Ein außerordentlich interessanter Mann“, sagte sie, als sie kurz darauf zurückkam. „Hoffentlich gelingt es mir, ihn dazu zu bewegen, uns die Stadt ein wenig zu zeigen. Unter anderem gibt es hier ja ein Museum mit ägyptischen Altertümern, über das er uns eine Menge erzählen könnte.“

„Was wollte er hier an Bord?“ fragte Kirsten neugierig.

„Ja, denkt nur, er fährt bis nach Australien mit, wo er an der Universität Sydney eine Reihe von Vorträgen halten soll. Er hatte ein Telegramm von der Reederei, daß man ihm die Kajüte des Großhändlers überlassen solle. Ich hatte eigentlich gehofft, dahin umziehen zu können.“

„Mit größtem Vergnügen“, antwortete der Professor, als Fräulein Simonsen sich kurz darauf ein Herz faßte und fragte, ob er ihr und den beiden Mädchen Alexandria zeigen wolle. „Sie dürfen nur nicht zuviel von mir erwarten. Meine Ortskenntnis ist leider recht mangelhaft. Ich habe mich nämlich nur ganz kurz in der Stadt selbst aufgehalten.“

Lones große Reise

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