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2. MATERIALIST CONTRA SPIRITUALIST

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Jeder Mensch besitzt einen geistig-seelischen Wesensteil, der Zeitalter hindurch gewachsen und geworden ist — und einen stofflichen Wesensteil, den physischen Körper, der sozusagen erst gestern in sichtbare Erscheinung trat.

Es gibt Materialisten und Spiritualisten, das heißt: stofflich gerichtete Geister und spirituell gerichtete Geister. (Man könnte auch von „Idealisten“ und „Realisten“ sprechen, könnte den Dichter dem Wissenschaftler oder den gläubigen Menschen dem ungläubigen Menschen entgegenstellen, um die hier gemeinten Geistigkeiten zu kennzeichnen.)

Der Geist ist eine Kraft und ein Geheimnis. Wir wissen von ihm lediglich, dass er da ist und dass er, immer am Werk, alles, was uns in der Körperwelt sichtbar ist, hervorbringt. Und dass er noch weit mehr in jener Welt schafft, die uns unsichtbar ist.

Was wir von einem Dinge sehen, was uns als Baum, Tier, Mineral oder Mensch erscheint, ist nur ein Teil des Dinges, des Baumes, Tieres oder Menschen. Es gibt eine Kraft, die die Natur und ihre Formenwelt „im Innersten zusammenhält“. Diese Kraft entfaltet die Blume zur höchsten Schönheit — und lässt sie auch wieder welken. Sie verändert unaufhörlich die Formen und Gestalten alles dessen, was wir organisch nennen. Tier, Pflanze oder Mensch haben in diesem Monat oder Jahr nicht die gleiche physische Gestalt, die sie im nächsten Monat oder Jahr haben werden.

Diese ewig-tätige, ewig-verwandelnde Kraft, die hinter allen Dingen liegt und in gewissem Sinne alle stofflichen Formen schafft, nennen wir Geist.

Den Dingen des Lebens in der Erkenntnis dieser Kraft nachsinnen, sie so anschauen und beurteilen, bedeutet für mich: spirituell gerichtet sein, spirituellen Geist haben.

Der spirituelle Geist wird in uns erweckt, wenn wir uns die Frage vorzulegen beginnen: „Warum ist im physischen Leben so viel Schmerz und Qual und Enttäuschung? Warum scheinen wir nur geboren, um zu leiden und zu verfallen?“

Ja, solche Fragen sind die Erweckungen des spirituellen Geistes. Aber jeder Frage, ernsthaft gestellt, wird zur gegebenen Zeit Antwort, jedem ernsten Verlangen Erfüllung.

Was ist stofflich gerichteter Geist, „materieller“ Geist?

Ein Kind sieht den Dampfer fahren und fragt dich um Bescheid über die Bewegung.

Du sagst ihm: es seien die Räder, deren Kraft das Schiff in Bewegung setzt und in Bewegung erhält. Du sagst ihm nichts vom Dampfe als der motorischen Kraft.

Wächst das Kind in solcher Unwissenheit heran, so wird es, wenn die Räder einmal stille stehen, die Ursache des Stillstandes nur bei den Rädern suchen. Es weiß ja nichts vom Dampfe.

So wird stofflich gerichteter Geist gezüchtet.

Ein Mensch bekennt: „Mein physischer Körper ist alles, was ich besitze. Ich leugne alles Unsichtbare. Ich betrachte den Tod als mein gänzliches Aufhören, als mein Ende ohne Fortsetzung. Es gibt für mich keine Kraft als diejenige, die in meinen Muskeln und Sehnen steckt. Außerhalb meines sichtbaren Körpers gibt es für mich keine Kraft.“

Es ist das Bekenntnis eines stofflich gerichteten Geistes, eines Materialisten.

Ein anderer Mensch bekennt: „Mein sichtbarer Körper ist lediglich ein Instrument des Geistes oder jenes meines wirklichen Ichs, das sich ins Fleisch begab. Mein körperlicher Tod ist durchaus nicht mein gänzliches Aufhören, mein Ende ohne Fortsetzung. Was die Menschen Tod nennen, ist lediglich der Abschied des Geistig-Seelischen vom Stofflich-Körperhaften. Ich weiß, dass ich als Geisteswesen weiterlebe, auch wenn ich dem irdischen Auge unsichtbar geworden bin!“

Es ist das Bekenntnis eines spirituell gerichteten Geistes, eines Spiritualisten.

Der Materialist, in eine Welt des Todes, der Auflösung und des Verfalls hineingestellt — Tod, Verfall und Auflösung bedeuten ihm Endgültigkeiten: — er mag von Trauer befallen werden, von Schwermut und Wehgefühl der Vergänglichkeit. Und seine Weisheit mag sich zuletzt in der Maxime erschöpfen: „Das Leben ist kurz — also will ich es genießen!“

Die Frucht der Freude des Unweisen ist hundertfältige Qual und Enttäuschung.

Der Spiritualist erkennt in der Freude ohne Schuld das große Ziel des Lebens. Er öffnet sich höheren, neueren Lebenskräften und lehrt, dass es ein Gesetz gibt, das den Gebrauch der körperlichen Sinne regeln kann. Wer dieses Gesetz erlernt und ihm folgt: dem wird die Freude nicht mehr zum Quell des Leids.

Unter spirituellem Geiste ist auch eine klarere mentale Schau jener in uns und im Weltall vorhandenen Dinge und Kräfte zu verstehen, von denen die heutigen Menschen noch so gut wie gar nichts wissen. Wir haben vorerst kaum mehr als eine Ahnung von diesen Kräften, die sich bei manchen Menschen verhältnismäßig stärker äußern als bei anderen. Aber es ist genug offenbart worden, um die Wenigen zu überzeugen, dass die eigentlichen und richtigen Ursachen der Krankheiten der Menschen, ihrer Kümmernisse und Enttäuschungen in der Vergangenheit gar nicht erkannt worden sind. Die Menschen waren Kindern gleich, denen man gesagt hatte, die Flügel der Windmühle treibe der Müller drinnen mit den Armen. Sie wussten noch nichts vom Winde.

Man nehme dies nicht als Übertreibung, sondern als Kennzeichnung. Im Wesentlichen betrachtet der Materialist die Dinge solcherart oder ganz ähnlich.

Solange der Materialist von den Wahrheiten, die er durch den spirituellen Geist unaufhörlich empfängt, nicht gewonnen und überzeugt ist, wird er sich ihm widersetzen. Langgehegte Ansicht aufzugeben, Irrtum einzubekennen, lernen und umlernen wollen: es ist nicht jedermanns Sache. Und zumal der Materialist ist sehr bald „schon zu alt dazu!“ — Er will „in der Gewohnheit trägem Gleise“ behaglich weiterleben! Er will keine geistigen Übersiedlungen in neue Wohnungen vornehmen! Es gefällt ihm in den Zimmern mit dem alten Hausrat, in die er sich schon eingelebt hat, am besten!

Sprich ihm von ewiger Jugend, von ewiger Freude, von der Überwindung des Todes, von Unsterblichkeit, sprich ihm von den geheimnisvollen Erfahrungen der Mystiker, vom kräftigenden Erlebnis der Glaubensmenschen — er wird alles als Unsinn bezeichnen, als Schwärmerei, Märchen, Altweibergeschichte.

Der Spiritualist weiß eine Allerhöchste Kraft wirksam, der er sich im Geiste hingibt und aus der er Geist und Kraft empfängt. „Alle gute Gabe und alle vollkommene Gabe kommt von oben herab, von dem Geiste des Lichts“ — es sind Worte eines spirituellen Geistes (Ep. Jacobi, I. 17).

Ist der spirituelle Geist einmal in einem Menschen aufgewacht, so wird aus dem ersten Dämmer der immer hellere Tag der höheren Erkenntnis. Dieser spirituelle Geist wächst und wächst, bis er das ganze Wesen eines Menschen ergreift. Der Körper wird nun der willige Diener des spirituellen Geistes, dem er nicht mehr widerstehen will.

Es gibt Menschen, die durch Selbstpeinigung, durch Selbstverurteilung und Selbstbestrafung für begangene Sünden oder durch Kasteiung den materiellen Geist überwinden oder, wie man früher sagte, den Teufel austreiben wollen. Solche Menschen werden leicht auch gegen andere rauh, streng und unbarmherzig und bringen es damit doch nur bis zum Scheinheiligen.

Heiligkeit („holiness“, „wholeness“) bedeutet für mich wortwörtlich „Ganzheit“ oder gänzliche Herrschaft des Geistes über das Körperhafte.

Wer mit sich selber die Geduld verliert, wer, weil die „Materie“ wieder einmal Macht über ihn gewann, oder weil er einer Versuchung nicht zu widerstehen vermochte und darum reizbar und übellaunig wurde, wer nach Sünde oder Vergeudung von Kraft sich selber in Worten und Gedanken schilt: der tut sich damit nichts Gutes! Nenne dich niemals einen „elenden Sünder“ und nenne niemals einen anderen so! Denn Gedanken machen dich oder ihn, den du so nennst, als elenden Sünder zu einer Wirklichkeit. Herbe Unfreundlichkeit, Frömmelei, Bigotterie, Härte, starre, düstere Lebensanschauung: solche geistige Verfassung ruft sicherlich physische Erkrankung hervor.

Ist der materielle Geist einmal überwunden, ist uns einmal die Überzeugung geworden, dass es sowohl in uns als außer uns spirituelle Kräfte gibt, die wir nur recht gebrauchen lernen müssen: dann werden wir, wie Paulus sagt, den Glauben verschlingen in den Sieg und dem Tod seinen Stachel nehmen. Das Leben wird dann ein herrliches Vorwärtsschreiten sein – ein Schreiten von der Freude des heutigen Tages zu der größeren Freude des nächsten Tages! Ja, das Wort „Leben“ wird nichts anderes bedeuten als „Freude“.

Die Kraft von oben

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