Читать книгу Gesunder Schlaf mit TCM - Prof. TCM Univ. Yunnan Li Wu - Страница 7
ОглавлениеGut geschlafen?
Schlafen ist ein Vitalbedürfnis. Jeder Mensch wird in schöner Regelmäßigkeit müde. Grund dafür ist unser Biorhythmus, der den Schlaf- und Wach-Rhythmus steuert, und dies alles von einem sehr kleinen Areal in unserem Gehirn aus. Höchstwahrscheinlich muss jedes Lebewesen ausruhen; selbst Insekten fallen regelmäßig in den Schlaf. Der Mensch muss schlafen, damit seine Lebensfunktionen aufrechterhalten werden – im Durchschnitt sollten es sieben bis acht Stunden sein. Schlafen wir über einen längeren Zeitraum ständig weniger oder auch sehr viel mehr, leidet die körperliche und seelische Gesundheit, Alterungsprozesse werden beschleunigt.
Warum der Mensch schlafen muss
Denn Schlafen ist für den Menschen lebenswichtig – wie Atmen, Essen und Trinken. Eine begrenzte Zeit kommen wir alle ohne Trinken, Essen oder auch Schlaf aus, aber eben nur relativ kurz. Wer zum Beispiel an der Letalen Familiären Insomnie (engl. Fatal Familial Insomnia, kurz FFI) leidet, kann gar nicht mehr schlafen. Bei dieser Krankheit zerstören bestimmte Eiweißstoffe das Gehirnareal, das verantwortlich für unsere innere Uhr ist. Die Folge: Die Krankheit führt nach nicht allzu langer Zeit zum Tode.
Solange uns das Schlafen keine Probleme bereitet, machen wir uns darüber auch meist nicht viele Gedanken. Ebenso selten machen wir uns klar, wie viele Stunden unseres Lebens wir gewissermaßen „verschlafen“. Pro Jahr sind es bei einem Erwachsenen etwa 3.000 Stunden, was auf die Lebensdauer des Durchschnittsdeutschen bezogen 24 Jahren entspricht. Noch einmal anders gerechnet bedeutet dies, dass Sie etwa jede dritte Stunde des Tages bei ausgeschaltetem Bewusstsein verbringen.
Dabei ist der Schlaf keineswegs ein passiver Zustand, sondern ganz im Gegenteil ein höchst aktiver Prozess, den Sie allerdings nicht bewusst registrieren – vorausgesetzt, Sie haben keine Ein- oder Durchschlafprobleme. Wer schlecht schläft, schleppt sich oft schlapp und genervt durch den ganzen folgenden Tag. Gute Schläfer hingegen sind fit und leistungsfähig, meistens auch einigermaßen stressresistent und ausgeglichen. Die Ursachen dafür sind vielfältig und werden in den folgenden Kapiteln ausführlich erläutert.
Rein physiologisch betrachtet ist der Schlaf ein hochkomplexer Prozess, bei dem zahlreiche Körperfunktionen herabgesetzt, andere hingegen erst jetzt aktiv werden. Blutdruck und Pulsschlag sind verlangsamt, die Verdauung arbeitet auf Sparflamme und die Körpertemperatur nimmt ab. Andererseits werden jetzt eine ganze Reihe von Hormonen hergestellt, die ihrerseits in den Stoffwechsel eingreifen, Reparaturprozesse einleiten oder im Gehirn für Ordnung sorgen (mehr dazu S. 15f.). Im Schlaf nimmt der Mensch nichts mehr wahr, ähnlich wie in einem Betäubungszustand – mit dem Unterschied, dass Sie aus dem Schlaf jederzeit geweckt werden können.
Wie wichtig guter Schlaf für Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit ist, merkt man immer erst im Wachzustand: Zu wenig oder gestörter Schlaf zeigt spätestens dann seine Folgen, wenn der Morgen graut und Müdigkeit, Schlappheit und Konzentrationsprobleme auftreten. Auch das Aussehen leidet, der Teint ist bleich, die Haut schlaff und die Wahrnehmungsfähigkeit herabgesetzt. Man benötigt mehr Zeit, um auf Signale zu reagieren oder übersieht sie ganz. Weil das Gehirn müde ist, ist auch das Reaktionsvermögen verlangsamt. Dies kann in Extremfällen so weit gehen, dass man sich nicht mehr richtig mitteilen kann.
Doch natürlich dauert es ziemlich lange, bis unser Körper aufgibt. Zuerst leidet die gute Laune, müde Menschen sind gereizter und streitlustiger. Man fühlt sich körperlich und geistig immer weniger leistungsfähig. Hobbys und soziale Kontakte werden zunehmend vernachlässigt, das gesamte Aktivitätsniveau nimmt ab. Wer über Wochen und Monate hinweg schlecht schläft, schadet seinem Immunsystem und allen Organfunktionen und erkrankt wesentlich leichter an Depressionen, Herz-Kreislauf-Leiden, Stoffwechsel- und Autoimmunerkrankungen sowie Krebs. Menschen, die mit starken Schlafstörungen zu kämpfen haben, leiden also keinesfalls nur nachts, sondern geraten häufig in einen Teufelskreis aus Unwohlsein und Erschöpfung, Niedergeschlagenheit und schlimmstenfalls sogar Vereinsamung.
Was sagt die Schlafforschung?
Schlafforscher und Schlafmediziner können inzwischen eine ganze Reihe von Folgen dieser Schlafdefizite für Körper und Seele benennen. Allerdings können sie bis heute nicht genau erklären, warum wir überhaupt schlafen müssen. Licht ins Dunkel brachten die Untersuchungsmethoden der Gehirnforschung, die einen Blick auf die Aktivitäten der grauen Zellen während unserer Nachtruhe erlauben. Denn am Schlafgeschehen sind viele Gehirnregionen und -substanzen beteiligt.
Dem berühmten Schlafforscher Charles Czeisler gelang zuerst der Nachweis, dass wir wie alle Säugetiere vom Tageslicht beeinflusst werden, was unsere aktiven und passiven Phasen anbelangt. Als tagesaktive Lebewesen unterliegen wir also dem Einfluss von Sonnenlicht. Dieses wirkt über unsere Augen auf eine winzige Gehirnregion im Zwischenhirn: unsere innere Uhr, die Tag und Nacht in einem Rhythmus von etwas mehr als 24 Stunden tickt. Aus diesem Grund wird dieser Rhythmus auch als circadianer Rhythmus (lat. circa diem = ungefähr ein Tag) bezeichnet. Er steuert in unserem Organismus viele Körperfunktionen, wie etwa die Körpertemperatur, in einem steten Auf und Ab sowie den Wechsel von Leistungsfähigkeit und Erholungsbedürfnis.
Dieser Rhythmus ist der innere Taktgeber für jede Körperzelle: Bis zu 15 Prozent unserer Gene, die sich im Zellkern befinden, sind nur zu bestimmten Tageszeiten aktiv, genauso wie sich Hormon- und Enzymkonzentrationen, die im Stoffwechsel wirksam sind, immer wieder ändern. Im Vergleich zum Biorhythmus hat dies allerdings wenig mit dem Schlaf-Wach-Rhythmus zu tun.
Unter diesem Gehirnareal, dem sogenannten suprachiasmatischen Nukleus (SCN), kreuzen sich die Sehnerven. Je nachdem ob morgens die Sonne scheint oder abends wieder untergeht, landet dort das wahrgenommene Licht. Aufgenommen wird es von speziellen Nervenzellen, die sich unter der Netzhaut im Auge befinden und einen Sehfarbstoff, das Melanopsin, enthalten. Diese Substanz kann zwar keine Farben erkennen, dafür aber zwischen Hell und Dunkel unterscheiden. Unser Ruhe- und Aktivitäts-Zyklus wird also gesteuert, indem Nervenzellen von hier aus Signale durch den Körper an hormonbildende Drüsen schicken. Diese produzieren Botenstoffe, die wiederum die Organfunktionen steuern.
Im nur 5-Cent-großen Hypothalamus, einem Abschnitt des Zwischenhirns und der obersten Steuereinheit des hormonbildenden Systems, befinden sich ganz bestimmte Nervenzellen, die den Botenstoff Hypocretin herstellen. Diese Substanz ist maßgeblich an der Steuerung des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt. Eine hohe Konzentration an Hypocretin (auch: Orexin) macht uns munter, eine niedrige macht uns schlapp.
Natürlich wirken auch unser Lebensstil – also der Grad der körperlichen Aktivität in unserem Alltag, wie und wann wir unsere Mahlzeiten zu uns nehmen und woraus diese bestehen – und auch äußere Reize wie Geräusche auf unseren Schlaf-Wach-Rhythmus. Das Licht ist jedoch der stärkste Taktgeber und hilft unserem Körper, sich auch im Wechsel der Jahreszeiten an sich ändernde Außenbedingungen anzupassen. In Urzeiten, als der Alltag des Menschen ausschließlich an die Rhythmen der Natur geko ppelt war, sicherte dieser Takt das Überleben.
Wenn das Licht ausgeht, wird ein anderer Botenstoff wirksam, der in der Zirbeldrüse, dem Darm und in der Netzhaut des Auges freigesetzt wird. Die Konzentration des sogenannten Schlafhormons Melatonin steigt die Nacht über und erreicht gegen drei Uhr morgens ihren Höhepunkt. Dringt wieder Tageslicht ins Schlafzimmer oder schalten Sie das Licht an, so wird die Melatonin-Ausschüttung sofort herabgesetzt. Insofern ist das Hormon ein bedeutender Zeitgeber im Körper, der lebenswichtige Prozesse in Gang setzt, wie beispielsweise die Ausschüttung des Wachstumshormons Somatropin während der Tiefschlafphase. Zudem wirkt Melatonin antioxidativ, das heißt, es schützt Körperzellen vor der Zerstörung durch freie Radikale. Gebildet wird Melatonin aus dem Gute-Laune-Hormon Serotonin, das wiederum aus dem Eiweißbaustein (Aminosäure) Tryptophan hergestellt wird. Die Produktion dieses Gegenspielers des Melatonins wird wiederum durch Lichteinfluss angeregt. Dieser Botenstoff sorgt tagsüber für ausreichend Antrieb und bringt den Stoffwechsel in Schwung, sofern Sie genügend Zeit an der frischen Luft verbracht haben.
Im Winter dagegen, wenn die Tage kürzer sind, ist der Melatoninspiegel häufig erhöht, was dazu führt, dass man sich auch tagsüber müde fühlt oder morgens nicht richtig in die Gänge kommt. Die beste Gegenmaßnahme sind regelmäßige Spaziergänge. In manchen Fällen kann auch eine Lichttherapie helfen.
Grundsätzlich gilt: Je mehr Serotonin tagsüber produziert wird, desto besser funktioniert die hormonelle Gegensteuerung durch das Melatonin. Ein zu niedriger Melatoninspiegel hingegen kann zu Schlafstörungen führen. Alterungsprozesse, Schichtarbeit und Fernreisen (Jetlag) beeinträchtigen den Melatoninspiegel ebenfalls.
Eine Reise durch die Nacht: Wie wir schlafen
In der Regel können wir uns morgens nicht an die vergangene Nacht erinnern. Vielleicht bleibt die Erinnerung an einen Traum oder an die Momente des Einschlafens. Die Schlafforschung kann den Schlaf im Schlaflabor genauer unter die Lupe nehmen. Schlaf ist eine besondere Aktivität des Gehirns, die man mit Elektroden messen kann. Neben den Hirnströmen werden dabei auch die Augenbewegungen und die Muskelspannung, der Herzschlag, die Atmung und der Sauerstoffgehalt des Blutes beobachtet. So erhalten Schlafmediziner ein recht genaues Bild vom Schlafverlauf eines Probanden – eine wichtige Voraussetzung, um etwaige Schlafstörungen genauer zu untersuchen und zu behandeln.
Im Schlaf sind andere Bewusstseinsebenen aktiv als am Tag. Die Stromkurven zeigen, dass jeder Mensch im Schlaf verschiedene Phasen durchläuft. Der Schlafablauf eines gesunden Erwachsenen ist gekennzeichnet durch einen 90-minütigen Wechsel von verschiedenen Schlafphasen, die nach einer bestimmten Ordnung verlaufen und durch unterschiedliche Schlaftiefe gekennzeichnet sind.
Nach einer Einschlafzeit (Latenz), die unter zehn Minuten liegen sollte, tritt die erste Tiefschlafphase auf. Nach 70 bis 80 Minuten kann man eine weitere Schlafphase beobachten, die mit Träumen verbunden ist, die erste „REM-Phase“. REM bedeutet „rapid eye movement“, zu deutsch: schnelle Augenbewegung. Welche Funktion diese Augenbewegungen haben, ist bis heute nicht geklärt.
Die Dauer der Tiefschlafphasen wird im Verlauf der Nacht kürzer, die Dauer der REM-Schlafepisoden im Verlauf der Nacht länger. Ein gesunder Mensch durchläuft etwa vier bis fünf REM-Episoden in einer Nacht. Fehlen einzelne Schlafphasen oder ist der Schlaf unterbrochen, liegt eine Schlafstörung vor. Während junge Erwachsene noch 19 Prozent ihrer Schlafenszeit in der Tiefschlafphase verbringen, sinkt der Tiefschlafanteil bei Erwachsenen zwischen 36 und 50 Jahren auf 3 Prozent. Das ist eine natürliche Umstellung und völlig normal.
Die ersten Schlafphasen
Müdigkeit ist das untrügliche Zeichen, dass man ins Bett gehen sollte. Der Schlafdruck, wie es fachsprachlich heißt, steigt. Leichtes Frösteln zeigt, dass die Körpertemperatur, die gegen 18 Uhr ihr Tageshoch erreicht hatte, langsam sinkt. Die Augen fallen einem zu, man gähnt. Der Körper bereitet sich auf die Nachtruhe vor. Wann Sie abends müde werden und ob Sie eher eine nachtaktive Eule oder eine frühaufstehende Lerche sind, ist genetisch festgelegt (siehe hierzu auch S. 25ff.).
Solange Sie noch wach sind, zeichnet ein EEG flackernde, flache Linien auf mit dicht beieinander liegenden Zacken. Jetzt sind viele Nervenzellen aktiv, die aber alle unabhängig voneinander miteinander kommunizieren. Wenn man so will, kann man sich diese Art der Kommunikation wie ein Stimmenwirrwarr vorstellen. Sobald Sie dann im Bett liegen und die Nachttischlampe ausgeknipst haben, macht sich der Körper bereit einzuschlafen.
Dabei ist die Einschlafphase, die in die Stadien I und II unterteilt wird, dem Wachsein noch sehr ähnlich. Im EEG zeigen sich etwas strukturiertere, glattere Wellen. Die „Gespräche“ im Kopf beruhigen sich allmählich. Binnen einer halben Stunde lösen sich nun Anspannungen, bemerkbar an harmlosen Muskelzuckungen oder auch dem Gefühl, ins Bodenlose zu versinken. Der Blutdruck im Innenohr sackt jetzt ab und täuscht somit den Gleichgewichtssinn. Wenn Sie jetzt geweckt werden, haben Sie normalerweise den Eindruck, Sie hätten noch gar nicht geschlafen.
Während man aus der ersten Einschlaf- und anschließenden Leichtschlafphase (Non-REM-2-Schlaf) noch leicht geweckt werden kann, ist es damit vorbei, sobald wir etwa eine halbe Stunde nach dem Zubettgehen in den Tiefschlaf mit den Stadien III und IV sinken. Jetzt lässt sich mit Elektroden der für diese Phase typische Alpha-Wellen-Rhythmus messen, der an großen langsamen Wellen erkennbar ist. In dieser Phase liegen Sie völlig ruhig im Bett, und nur Ihr Gehirn arbeitet. Der Schlaf wird tiefer und die Muskelspannung sinkt weiter. Körperliche Empfindungen sind stark gedämpft, die Augen bewegen sich nicht. Die Hirnströme zeigen eine niedrigere Frequenz als im Wachzustand. Wenn wir nachts aufwachen, dann immer nur aus einer Leichtschlafphase.
Im Tiefschlaf ist der Körper dann rundum entspannt. Sie sind jetzt völlig abgekoppelt von der Außenwelt, Ihr Bewusstsein ruht. Um Sie nun zu wecken, müsste man schon etwas lauter oder unsanfter werden. Selbst wenn jetzt ein Wecker Sturm klingeln würde, ginge das an Ihnen vorbei. Diese Phase ist vergleichbar mit dem Winterschlaf der Murmeltiere oder Igel. Sie ist die erholsamste der ganzen Nacht. Der Blutdruck sinkt, Atmung und Herzschlag verlangsamen sich. Die Gehirnströme zeigen zunehmend niedrigere Frequenzen von hoher Intensität, sogenannte Delta-Wellen. Die Muskelaktivität sinkt noch weiter ab, auch die Augen bewegen sich nicht.
Nun schaltet Ihr Körper um auf Regeneration. Somatropin wird nun vermehrt ausgeschüttet. Körperzellen in allen Organen erneuern sich. Für die Energiebereitstellung werden nun die Fettspeicher geleert – sofern Sie abends auf Zucker verzichtet haben. Dieser sorgt – verborgen in stärkehaltigen Beilagen wie Kartoffeln, Nudeln oder Brot – dafür, dass Ihre Bauchspeicheldrüse vermehrt Insulin produziert, was wiederum die Fettverbrennung blockiert. Besonders eiweißreiche Mahlzeiten am Abend sorgen für eine reichliche Ausschüttung des Wachstumshormons und für die unschätzbare Anti-Aging-Wirkung des Schlafs.
Der REM-Schlaf
In der REM-Phase erhöht sich Ihre Pulsfrequenz und Sie atmen schneller. Ihre Muskeln sind völlig entspannt, nur Ihre Augen bewegen sich bei geschlossenen Lidern hektisch hin und her – etwa wie bei einem Tennismatch. Bei Männern kommt es jetzt zu einer Erektion, bei Frauen zur verstärkten Durchblutung ihrer Geschlechtsorgane. Auch die Produktion der Magensäfte steigt an. Manche Zeitgenossen zappeln auch in dieser Schlafphase. In diesem Stadium träumen Sie am häufigsten.
Die Gehirnstromaktivität ähnelt nun wieder der eines Wachstadiums. Auch die EEG-Kurven ähneln jetzt denen eines Wachzustands. Desgleichen brauchen Ihre grauen Zellen jetzt genauso viel Energie, wie wenn Sie wach sind. Nun wechseln REM- und Non-REM-Phasen ständig ab: pro Nacht drei- bis fünfmal.
Der wichtigste Abschnitt der Nachtruhe liegt in den ersten drei bis vier Stunden nach dem Einschlafen. In den darauffolgenden Schlafzyklen beginnt sich Ihr Körper langsam aber sicher wieder auf den Tag einzustellen. Nach und nach taucht Ihr Gehirn aus den Tiefen der Traumwelt auf. In den Schlafstadien I und II hören wir dann auch den Wecker. Das Aufstehen fällt jetzt nicht mehr schwer.
Träume
Auch wenn Sie sich nicht jeden Morgen daran erinnern können: Sie haben mit Sicherheit in der vergangenen Nacht geträumt. Neue technische Verfahren ermöglichen es Schlaf- und Traumforschern, die Vorgänge im Gehirn zu entschlüsseln. Es beginnt mit dem Einschlafen, eine Phase, in der Träume der Non-REM-Phase zum Teil noch logisch nachvollziehbar zu sein scheinen. An diese Träume können Sie sich morgens jedoch nicht mehr erinnern. Die Träume der REM-Phase dagegen, die gegen Morgen immer intensiver werden, können sehr bunt, verwirrend oder fantastisch sein. Um sie zu deuten, gelten Traumsymbole unter Neurowissenschaftlern als wenig hilfreich.
Die Theorie Sigmund Freuds, dass Träume Ausdruck von verschlüsselten Trieben seien, die in kodierten Botschaften und Bildern dargestellt wären, um das Bewusstsein zu schützen, gilt als überholt. Die Traumdeutung basiert laut neuerer Forschung daher auf keinerlei wissenschaftlicher Grundlage. Schließlich sollte jeder Traum immer im Zusammenhang mit der Person des Träumers, seiner Biografie und seiner Gefühlswelt gesehen werden. Gelegentlich kann das Kino im Kopf aber wichtige Hinweise geben, wenn es darum geht, private Probleme zu lösen oder sich und seine Bedürfnisse besser wahrzunehmen. Zu diesem Zweck kann ein Traumtagebuch durchaus einen guten Zweck erfüllen.
Schlafforscher stellten darüber hinaus fest, dass im Traum durchaus die Lösung für kniffligere Probleme gefunden werden kann. Wenn Sie sich vor dem Einschlafen intensiv mit dem Problem beschäftigen und Ihre Träume mit der Lösung beauftragen, kann sich tatsächlich einiges tun. Im Traumschlaf assoziieren Ihre grauen Zellen frei, da die Bereiche für logisches Denken und Zeitgefühl im Frontalhirn ausgeknipst sind. Auch ist jetzt eine andere Kategorie von Nervenbotenstoffen am Werk, die das visuelle Zentrum im Gehirn aktivieren.
Der bedeutendste Wissenschaftler der Traumforschung der letzten dreißig Jahre, Allan Hobson von der Universität in Harvard, betonte, dass es sich bei Trauminhalten nicht um verschlüsselte Botschaften handelt. Das Gehirn interpretiert sie nur im Schlaf nicht richtig. Dabei ist kein Traum je sinnlos oder unwichtig. Er spiegelt immer das, was uns zur Zeit am meisten beschäftigt. Das kann in Form von Albträumen sein, in denen man starke Gefühle von Wut oder Angst erlebt. Oder man träumt von etwas, was einen nicht loslässt. Das kann eine Prüfung, eine bevorstehende Operation oder eine schöne Frau sein. Das Gehirn löst dabei Probleme, die sich im Lauf des Tages konstellierten, empfindet durch die Stärke der Emotionen die Situationen aber durchaus als realistisch. Im Schlaf werden alle dazugehörigen Informationen erneuert, organisiert und strukturiert.
Zudem ist das limbische System, eine Gehirnregion, die für unsere Gefühle zuständig ist, höchst aktiv. Bei besonders belastenden Erlebnissen kann das dazu führen, dass sich bestimmte Träume über eine gewisse Zeit immer wiederholen. Im Traum können auf diese Weise alle möglichen Probleme verarbeitet werden, was dann die Aufgaben des Wachbewusstseins erleichtert – und das ein Leben lang. Allan Hobson ist sich sicher, dass Traumbewusstsein und Wachbewusstsein nicht miteinander konkurrieren, sondern sich ergänzen.
Was bedeutet das für Sie? Halten Sie zur Sicherheit ein Notizbuch auf Ihrem Nachttisch bereit. So können Sie geniale Ideen gleich nach dem Aufwachen notieren. Von zahlreichen Künstlern und Kreativen ist schließlich überliefert, die besten Ideen seien ihnen beim Träumen gekommen.
Wie viel Schlaf braucht der Mensch?
Jeder Mensch schläft anders. Das betrifft das individuelle Schlafbedürfnis, die Schlafdauer und auch die Schlafqualität. Alter und Lebensstil bilden sich ebenfalls in unserem Schlaf ab. Ob Sie ein Frühaufsteher oder ein Langschläfer sind, hängt von all diesen Faktoren ab. Das sollten Sie auch nicht verändern wollen, denn Ihre innere Uhr tickt, wie sie tickt. Grundsätzlich ist der Mensch darauf gepolt, am Tag aktiv zu sein und in der Nacht zu ruhen. Deshalb bedeutet zum Beispiel Nachtarbeit eine körperliche Höchstleistung, die keineswegs unserem biologischen Programm entspricht. Menschen mit Schichtarbeit befinden sich in einer Art Dauer-Jetlag.
Schlafbedürfnis und Lebensalter
Die verschiedenen Schlafphasen, die wir durchlaufen, lassen sich bereits sehr früh feststellen. Ein Embryo im Mutterleib durchläuft dieselben Phasen wie ein erwachsener Mensch, jedoch sind die Phasen unterschiedlich stark ausgeprägt. Da die Kleinen abgeschottet vom Tageslicht im Mutterleib schlummern, ist ihre innere Uhr noch nicht so getaktet wie bei einem einjährigen Baby. Die Hälfte des Tages bzw. der Nacht verbringen Ungeborene deshalb im REM-Schlaf.
Nach dem ersten Lebensjahr hat sich dann bei den meisten Kindern ein Schlaf-Wach-Rhythmus eingespielt. Allerdings brauchen Kleinkinder meist noch bis zur Kindergartenzeit einen Mittagsschlaf, um sich von den anstrengenden Lernerfahrungen zu erholen. Die Schlafphasen von Kleinkindern sind im Übrigen weniger tief als die von älteren Kindern. Erst ab etwa dem fünften Lebensjahr gleicht sich der Schlafrhythmus langsam dem eines Erwachsenen an. Und erst mit Erreichen des 18. Lebensjahres sind auch die Traumphasen so lang wie bei einem Erwachsenen.
Vielleicht wissen Sie aus eigener Erfahrung, dass der Schlafbedarf je nach Wachstums- oder Altersphase ab- oder zunimmt. Während Kindergarten- und Schulkinder auch am Wochenende gerne richtig früh schon putzmunter sind, kommen Teenager kaum vor 11 Uhr morgens aus den Federn. Die Pubertät ist ein körperlich und seelisch anspruchsvolles Entwicklungsprogramm. Nur wird das dafür nötige Wachstumshormon in hohen Konzentrationen ausschließlich in der Tiefschlafphase ausgeschüttet. Die Melatonin-Ausschüttung erreicht bei Teenagern zwei Stunden später als bei kleineren Kindern ihren Höhepunkt, weshalb sie erst relativ spät müde werden, das Schlafhormon länger im Körper kursiert und für tiefe Träume am frühen Morgen sorgt.
Demnach ist frühes Zubettgehen für Heranwachsende eine Zumutung, frühes Aufstehen allerdings auch, wenn um 8 Uhr bereits die Schule beginnt. Schlafforscher mahnen deshalb insbesondere für Heranwachsende einen physiologisch passenden Unterrichtsbeginn an. Vorteil des Ganzen: Weil man erst relativ spät müde wird, fällt es in jüngeren Jahren leichter, sich einmal eine Nacht um die Ohren zu schlagen.
Bei gesunden Erwachsenen mit einem ausgeglichenen Lebensstil dauert der Schlaf genauso lang, wie er für sie stimmt. Schlafforscher gehen von einer Mindestschlafdauer von etwa sechs Stunden mit vier Zyklen à 90 Minuten aus. Besser ist auf jeden Fall eine Nachtruhe von etwa sieben bis acht Stunden mit fünf Zyklen à 90 Minuten. Wer hingegen länger schläft, erhöht das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Entscheidend ist immer, wie gut ausgeschlafen Sie sind und wie fit Sie in den Tag starten. Ein Kurzschläfer kann dabei genauso gut abschneiden wie ein Langschläfer. Schlafforscher sind der Meinung, dass Kurzschläfer einfach effektiver schlafen.
Mit zunehmendem Alter nimmt das Schlafbedürfnis leicht ab. Braucht ein Vierzigjähriger noch etwa sieben bis acht Stunden Schlaf, so kommt ein Achtzigjähriger auch gut mit sechs Stunden Nachtruhe aus. Im Alter verkürzen sich die Tiefschlafphasen und Senioren werden wieder früher wach. Die Schlafqualität kann sich ebenfalls ändern. So dauert das Einschlafen mitunter etwas länger. Durch hormonelle Veränderungen im Verlauf der Wechseljahre schlafen Frauen oft weniger, haben Einschlafschwierigkeiten oder beginnen bisweilen zu schnarchen. Letzteres ist auf die Veränderung der Bindegewebsstruktur zurückzuführen, was auch die Muskulatur im Hals-, Nasen- und Ohrenbereich betrifft.
Von Lerchen und Eulen
„Der frühe Vogel fängt den Wurm“, heißt es für die einen. „Der frühe Vogel kann mich mal“ für die anderen. Zwischen Frühaufstehern, die bereits frühmorgens munter sind, und Langschläfern, die um diese Zeit längst noch nicht ansprechbar sind, liegen Welten. Doch wie kommt der Unterschied zwischen diesen beiden Typen zustande? Ursächlich verantwortlich für die Ausprägung dieser beiden unterschiedlichen Typen sind die Gene. Zahlenmäßig dominiert dabei der Normaltyp, auf Platz zwei liegen die sogenannten Eulen und auf Platz drei die Lerchen.
Letztere springen beim ersten Sonnenstrahl aus den Federn, werden abends aber früher müde. Eulen hingegen laufen erst später am Tag zur Höchstform auf. Ihre Cortisol-Ausschüttung findet später statt, dafür haben sie längere Reserven bis in den späten Abend hinein. Die aktivste Tageszeit sind wie bei den echten Eulen und Uhus der Abend und die Nacht. Frühdienst macht ihnen schwer zu schaffen. Dafür tickt bei Eulen die innere Uhr langsamer als normal, und zwar im 25-Stunden-Rhythmus. Bei Lerchen geht hingegen alles schneller und ihr Tag ist schon nach 23 Stunden beendet.
Chronobiologen warnen heute vor unphysiologischen Arbeitszeiten – insbesondere für Eulen-Typen. Statt auf die eigentlichen Bedürfnisse ihres Körpers zu hören, müssen sich die unterschiedlichen Chronotypen an Vorgaben gewöhnen, die ihrer inneren Uhr zuwiderlaufen. Auf Dauer macht dies krank. Laut dem Chronobiologen Till Roenneberg befindet sich fast die Hälfte der Menschen in Mitteleuropa im sogenannten sozialen Jetlag. Das schadet den Betroffenen wie den Unternehmen. Wer am Wochenende das Schlafdefizit, das sich von Tag zu Tag ansammelt, nicht ausgleichen kann, schadet seiner Gesundheit und seinem Wohlbefinden. Doch wie funktioniert das genau? Kann man sich nicht an das eine oder andere gewöhnen?
Gesichert ist, dass man seinen eigenen Chronotypen nicht ändern bzw. sich nur bedingt an einen anderen Rhythmus gewöhnen kann. Das ist genetisch abhängig. Um auf Dauer tagsüber fit und konzentriert zu sein und gute Leistungen zu bringen, sollten die Arbeitszeiten in etwa der eigenen inneren Uhr angepasst werden. Über die Lebensspanne hinweg verändert sich die innere Taktung. Während kleine Kinder und Senioren Lerchen sind, deren innere Uhr sie früh aus dem Bett scheucht, sind Jugendliche klassische Eulen und kommen frühmorgens kaum aus den Federn. Erst ab dem 20. Lebensjahr normalisiert sich dies auf den genetisch vorgegebenen Chronotypen.
Wer auf diese innere Taktung bewusst Einfluss nehmen möchte, braucht auf jeden Fall mehr Licht und zwar mehr als eine 100-Watt-Birne. Gemessen wird die Helligkeit in Lux. In Innenräumen erreichen wir oft nur eine Helligkeit von 100 bis 200 Lux. Draußen ist es aber selbst an bewölkten Tagen 10.000 Lux hell, bei Sonnenschein sogar mehr als 100.000 Lux. Sogenannte Lichtduschen mit 10.000 Lux können im Winter auf die Sprünge helfen. Ein Lichtwecker, der einen Sonnenaufgang simuliert, kann für Morgenmuffel eine gute Alternative zum Quarzwecker sein.