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Der unvergessliche Hochzeitstag

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Frank Feldmann schaute verstohlen auf die Uhr. Schon kurz vor sechs. Ausgerechnet heute Nachmittag hatte der Direktor seine Abteilungsleiter zu einer Besprechung gebeten. Er saß wie auf Kohlen, denn er hatte seiner Frau hoch und heilig versprochen, pünktlich um 17.00 Uhr Feierabend zu machen. Schließlich hatten sie heute ihren ersten Hochzeitstag, und den wollten sie zünftig mit ihren besten Freunden feiern, aber nicht nur das, er hatte sich auch eine ganz tolle Überraschung ausgedacht. Monat für Monat hatte er eine stattliche Summe abgezweigt für eine Woche Urlaub auf den Malediven. Übermorgen sollte es losgehen. Heimlich hatte er mit ihrer Chefin den Urlaub für sie klargemacht. Er konnte es kaum erwarten, und er freute sich wie ein kleines Kind, in ihre staunenden, großen, dunkelbraunen Rehaugen zu schauen. Ja, er gab es gern zu, er liebte seine Frau noch genauso wie am ersten Tag.

Doch jetzt stöhnte Frank leise und malte Männchen. Er schaute aus dem Fenster auf den ZOB. Immer, wenn er den Omnibusbahnhof sah, musste er an seinen Großvater denken, der ihm immer wieder auf Bildern den alten ZOB in Flensburg gezeigt und gemeint hatte, dass der viel besser ausgesehen habe.

Keiner, auch er nicht, wagte es, den großen Boss an die Zeit zu erinnern. Wieder warf einen Blick auf die Uhr: halb sieben. Es war zum Auswachsen. Um sieben sollte die Party steigen.

„So, meine Herren, das wär’s wohl für heute. Wir sehen uns dann in der nächsten Woche. Ich wünsche Ihnen einen schönen Abend.“

Na endlich! Hastig packte er seine Unterlagen zusammen, nahm den Fahrstuhl und steuerte direkt das Parkdeck an. Er war schon an seinem Auto, da tippte ihm jemand auf die Schulter. Frank fuhr zusammen und drehte sich um.

„Tut mir leid Frank, ich wollte dich nicht erschrecken, aber ich brauche deinen Rat.“

„Muss das jetzt sein, Georg, ich habe heute meinen...“

„Es dauert nicht lange, Frank, ich muss mich heute Abend entscheiden, du weißt, die neue Abteilung, die mir der Alte angeboten hat.“

Frank sah in seine bittenden Augen und trotzdem, er wollte seine Frau nicht enttäuschen, aber der Kollege ahnte wohl schon etwas Ähnliches, denn er fuhr ein ganz großes Kaliber auf:

„Frank, weißt du noch, wie ich dir vor einem Jahr aus der Patsche geholfen habe, als du vom Alten abgemahnt werden solltest. Ich meine, du wolltest dich immer revanchieren. Jetzt wäre die Gelegenheit dazu.“

Frank kaute nervös auf der Unterlippe. Georg hatte natürlich genau den Nerv getroffen. Schließlich wäre er heute nicht da, wo er jetzt stand.

„Okay, wenn’s wirklich nicht zu lange dauert. Wollen wir hier bei mir im Auto...“

Es war kurz vor acht, als Georg zufrieden nickte.

„Danke, Frank, du hast mir sehr geholfen. Grüß bitte deine Frau von mir, und sie soll nicht zu arg mit dir schimpfen.“

Doch der nickte nur und startete den Wagen. Ihm war schon ganz schlecht, wenn er an seine tobende Heike dachte. Sie war nicht nur sehr hübsch, sondern auch sehr temperamentvoll. Blumen! Ja, Blumen mussten her. Die liebte sie über alles, je bunter, umso schöner. Jetzt kam es auf ein paar Minuten nicht mehr an, und außerdem konnte er von dem Laden aus anrufen, dass er aufgehalten worden war. Er hatte Glück, denn es war langer Einkaufstag. Er erwischte einen Kurz-Parkplatz in der Rathausstraße und hastete die Große Straße entlang bis zu dem Blumenladen, den er stets für Blumen für seine Frau bevorzugte. Reichlich genervt schlängelte er sich durch die Menschenmassen und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Vor ihm ging Uschi, die Frau seines Freundes Heribert. Sie lagen in Scheidung. Wenn sie sich nur nicht umdrehte...Frank wollte gerade kehrt machen, doch da war es bereits zu spät. Sie hatte ihn entdeckt.

„Frank, hallo, Frank, mein Lieber, dich schickt der Himmel.“ Die junge Frau fiel ihm um den Hals und schluchzte heftig. Franks Haltung versteifte sich. Er wollte sich nicht wieder die schmutzige Wäsche der beiden anhören, jetzt nicht!

„Uschi, Uschi, so hör doch!“ Doch sie hing an seinem Hals und hörte überhaupt nicht auf. Die Leute schauten schon zu ihnen herüber, und Frank lächelte gequält.

„Uschi, ich muss nach Hause, du weißt, Heike und ich...“

„Franki, du musst mir helfen, Heribert, dieser, dieser...“ und er hatte keine Chance, sich ihrem Gejammer zu entziehen. Es war kurz nach halb neun, als er ihr die letzten Tränen aus dem Gesicht gewischt und sich von ihr verabschiedet hatte.

Der Laden hatte natürlich schon geschlossen, und eine Telefonzelle konnte er weit und breit nicht entdecken, denn der Akku seines Handys war leer. Er hetzte zu seinem Auto zurück und fegte wie ein Wilder durch die Stadt. Mit quietschenden Reifen hielt er vor seinem Haus. Doch merkwürdig, es war alles so ruhig. Wollten sie ihn etwa überraschen?

An der Tür fand er einen Zettel. ‘Wir haben viel Sinn für Humor, aber für solch einen kaum! Eure Freunde’. Frank schloss auf und raste ins Haus. Leer! Die Tafel war festlich gedeckt, es spielte leise Musik. Seine Knie wurden weich. Er stürzte von Zimmer zu Zimmer und schrie ihren Namen, doch Heike war weg. Seine Gedanken überschlugen sich. Die Polizei, er musste die Polizei alarmieren. Er stand auf, und in diesem Moment klingelte das Telefon.

Heike klopfte unaufhörlich mit ihren Händen und Füßen gegen das Autoblech. Sie lag gefesselt in dem Kofferraum ihres Autos. Schreien konnte sie nicht. Ein breites Heftpflaster war über ihren Mund geklebt. Niemand hatte sie bisher gehört. Vor Verzweiflung schluchzte sie, und die Tränen kullerten über ihr vor Anstrengung gerötetes Gesicht.

Dabei hatte sie nur noch ein paar Kleinigkeiten besorgen wollen. Doch kaum war sie im Parkhaus ganz oben aus ihrem kleinen Flitzer gestiegen, war sie überfallen worden. Alles war rasend schnell gegangen. Die Gangster hatten ihre Handtasche mit dem Bargeld und der EC-Karte abgenommen, sie auf die Schnelle mit Klebeband gefesselt und in ihren Kofferraum geworfen. Heike hatte die Ganoven nicht einmal gesehen. Sie wusste nicht, wie lange sie so schon lag. Sie dachte an ihren Mann. Sicherlich würde der sich große Sorgen machen um sie. Sie kannte ihn genau und wusste, dass er sich für sie ein Bein ausreißen würde. Ihr wurde übel, wenn sie daran dachte, was sie sich für ihn ausgedacht hatte, heute an ihrem ersten Hochzeitstag. Eine Woche wollte sie mit ihm ganz allein sein und ihn verwöhnen, irgendwo auf einer einsamen Insel. Lange hatte es gedauert, bis sie in den unzähligen Katalogen etwas Passendes gefunden und gebucht hatte. Heimlich hatte sie von ihrem gemeinsamen Sparkonto Monat für Monat kleine Beträge geplündert und nun? Sie mobilisierte ihre letzten Kraftreserven und trommelte wie verrückt mit kleinen, zarten Fäusten gegen das Autoblech. Doch schnell war sie mit ihren Kräften am Ende. Vor allem wurde ihr die Luft knapp und die Angst, überhaupt nicht gefunden zu werden, schnürte ihr noch mehr die Kehle zu. Heike fing wieder an zu weinen, es war mehr ein leises Wimmern. Da, sie hielt inne. Sie hörte Schritte. Nochmals entwickelte sie fast übermenschliche Kräfte und machte ordentlich Krach. Sie keuchte vor Anstrengung, doch dann bekam sie keine Luft mehr.

Frank hastete durch die Etagen des Parkhauses in der Holmpassage. Suchend schaute er in die Runde. Noch vor wenigen Sekunden meinte er ein schwaches Klopfen gehört zu haben, aber nun war alles still. Er rannte weiter, und dann sah er ihn, den Wagen seiner Frau. Die letzten Meter nahm er im Laufschritt und riss die Kofferraumklappe auf, und im Licht der Neonbeleuchtung sah er die Silhouette von Heikes Kopf. Sie schien ohnmächtig.

„Heike, mein Schatz! Jetzt ist alles wieder gut!“

Er riss ihr das Klebeband vom Gesicht, befreite sie von ihren Fesseln und hob sie vorsichtig hoch. Heike schluchzte hemmungslos und krallte sich an Frank fest. Er streichelte ihr immer wieder über ihr tränennasses Gesicht. Beide wussten nicht, wie lange sie so schon standen, da löste sie sich langsam von ihm und schaute ihn mit verweinten Augen an.

„Ich frier’ so, mein Schatz, bring’ mich irgendwohin, wo’s warm ist, ja?“

Er überlegte kurz und dann fiel ihm eine kleine gemütliche Kneipe mit einem verschwiegenen Wirt ein.

Wenig später stießen sie beide mit einem Glas Wein an.

„Auf unseren Hochzeitstag, Liebling.“

Sie schmiegte sich ganz eng an ihn.

„Auf unseren Hochzeitstag, mein Schatz.“

Sie küssten sich leidenschaftlich.

Plötzlich richtete sie sich auf.

„Unsere Gäste, Frank, die hab’ ich total vergessen. Und überhaupt, wie hast du mich gefunden? Warst du bei der Polizei?“

Ihre Fragen überschlugen sich. Er lächelte und schüttelte den Kopf.

„Es wartet niemand auf uns, Liebling...“

„Aber...“

„Das ist eine lange Geschichte, Schatz, die erzähl’ ich dir später. Aber nun zu dir. Ja, ich wollte gerade die Polizei alarmieren, da klingelte das Telefon. Deine Räuber hatten wohl Mitleid mit dir, jedenfalls haben die mir gesagt, wo ich dich finden kann und...“

„So was gibt es heute noch? Ich kann das einfach nicht glauben.“

Frank nickte.

„Ja, ja, seltsam ist das schon, aber egal, wir haben uns wieder, und ich habe eine faustdicke Überraschung für dich, mein Liebling.“

„Und ich erst, mein Schatz. Komm, lass uns gehen. Ich kann es kaum erwarten.“

Beide schauten sich tief in die Augen und vergaßen für einen Augenblick ihre Umgebung.

Mord(s)-Geschichten zwischen Nord- und Ostsee

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