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Am frühen Morgen eines winterlichen Föhntages geht der Blick über die Türme der Friedrichshafener Schlosskirche zu den Bergen des Bregenzerwaldes.

Friedrichshafen und sein Alpenpanorama

Privilegierte Lage am See

An der Uferpromenade von Friedrichshafen steht seit 1895 ein Gedenkstein für den schwäbischen Dichter Gustav Schwab (1792–1850). Sein 1827 erschienenes »Handbuch für Reisende und Freunde der Natur, Geschichte und Poesie« war der erste Bodensee-Reiseführer und der erste Meilenstein bei der touristischen Erschließung der Bodenseelandschaft. Schwab beschrieb darin »entferntere Überblicke über den See und das Gebirge am schwäbischen Ufer« sowie »Uebersichten und Landschaften unmittelbar am See«. Seine Beschreibung des Ausblicks von Friedrichshafen in diesem Kapitel war den Häflern (so nennen sich die Einwohner der Stadt) ein Denkmal wert:


Das Fährschiff Friedrichshafen auf dem Weg nach Romanshorn. Am Horizont die Bregenzer Bucht und die Bregenzerwaldberge.

»Wenn der Anblick von Mörsburgs alten Stein- und Felsenmassen die Seele des Wanderers zum Ernst und Nachdenken stimmt, so erheitert dagegen die freundliche Gestalt des jungen Friedrichshafens sein Gemüth, führt ihn zur willkommenen Gegenwart zurück, und heißt ihn von einem der glücklichsten Standpuncte des schwäbischen Ufers mit offenem, hellem Auge in die klare Flut sich tauchen, die hier, beinahe im Mittelpuncte der ganzen See-Länge, nach allen Richtungen hin in blaue Ferne ausstrahlt, und auf der einen Seite bis an die Mauern von Constanz sich wölbt, dessen Münsterspitze allein noch über den Wellen sichtbar bleibt, auf der andern Seite den Blick an dem alten Buchhorn und der Erdspitze Langenargens vorbei, hinüberlenkt bis zu dem breiten Horne, das den Strom des Rheins in das ruhige Becken des Sees ausgießt. Und zwischen diesen beiden äußersten Puncten welch ungehinderter Überblick der weiten Spiegelfläche und welche Beruhigung, wenn der Blick jenseits bei den Obsthainen Arbons und Rorschachs angekommen, die grünen weichen Hügel des Schweizerufers hinansteigt, um sich endlich über die schroffen Felsenwände des hohen Säntis, der gerade diesem Gestade Antlitz und Stirne entgegenhält, emporzuschwingen, bis er sich gesättigt in den blauen Himmel verliert.

Dies ist die herrliche Aussicht, die man von dem Balkon des reizenden Lustschlosses genießt, in welches König Wilhelm von Württemberg das Hauptgebäude des vormaligen Klosters Hofen seit wenigen Jahren umgeschaffen hat.«

Diesem ersten Loblied auf die besondere Lage Friedrichshafens und die Schau auf See und Berge folgten weitere.

Ein zweiter Gewährsmann ist Felix Dahn (1834–1912), der Verfasser des einst populären historischen Romans »Ein Kampf um Rom«, der regelmäßig seine Ferien in Friedrichshafen verbrachte. Hier entstand sein Roman »Bissula«, dessen Handlung im Jahr 378 n. Chr. ansetzt und die alemannische Besiedlung der Gegend als Rahmen hat. Die ersten Zeilen lauten: »Wer einmal zu Friedrichshafen am schönen Bodensee an klarem Augustabend die Sonne prachtvoll versinken sah hinter den Buchenwipfeln von Manzell, – wer die Fluten des Sees und die schneeigen Häupter der Alpen vom Säntis bis zu den Allgäuer Bergen erglühen sah in purpurnem Licht, während die Glockentöne des Ave Maria leise hinzittern über Wald, Wiesgrund und Wasser, – der wird seiner Lebtage das friedliche Bild dankbar tragen in seinen Gedanken.«

In seinen 1891 in vier Bänden erschienenen »Erinnerungen« erklärt er seine Vorliebe für Friedrichshafen: »Der waagrechte Blick in die Ferne beschwichtigt die Sehnsucht, die er zugleich immer wieder weckt. Deshalb schlug ich später auch am Bodensee mein Lager nie auf der südlichen, schweizer, sondern auf der nördlichen Seite zu Friedrichshafen auf, den See als Vorder- und Mittelgrund, die Alpenkette als Hintergrund zu gewinnen. Ebendeshalb ist auch der Blick von Friedrichshafen aus viel schöner als der von Lindau, wo man in schiefer Verschiebung des Bildes die Berge nur auf der linken Seite, nicht im Hintergrund, und auf der rechten Seite die nichtssagenden Flachufer hat.«


Die Fähre hat den Moleturm passiert. Friedrichshafen im Glanz der ersten Sonnenstrahlen.

In dem kurz vor 1900 erschienenen Führer »Der Kurort Friedrichshafen am Bodensee« von Hofrat Dr. Faber heißt es: »Friedrichshafen ist nicht nur unter allen Uferpunkten des Bodensees derjenige, von welchem aus der Blick in die Alpenwelt der umfassendste ist, sondern auch der See selbst macht in Friedrichshafen den großartigsten Eindruck, weil er in seiner größten Breite sich präsentiert und zugleich in seiner ganzen Länge von Bregenz bis Konstanz übersehen werden kann.« In der Tat zeigt der See von keiner anderen Uferstelle so eindeutig die meerartigen Anklänge seines Wesens, nirgends steht die Alpenkette ähnlich eindrucksvoll und instruktiv gestaffelt dahinter.

Dass Friedrichshafen um 1900 als Kurort bezeichnet wird, mag angesichts des heutigen Stadtbildes etwas irritieren, auch wenn der Tourismus einen wichtigen Faktor in der dynamischen Stadt darstellt. Sie ist vorrangig ein bedeutender Wirtschaftsstandort, als dessen schon fast mythischer Ursprung der Start des ersten Zeppelins am 2. Juli 1900 in der Friedrichshafener Bucht gilt.

Vorher war die Stadt ein idyllischer Ort, der seine Existenz als »Friedrichshafen« letztlich Napoleon verdankt. Durch dessen Länderzuteilungen kam Württemberg 1810 an den Bodensee und damit auch in den Besitz der kleinen ehemaligen Freien Reichsstadt Buchhorn und des benachbarten Klosterdorfes Hofen mit dem gleichnamigen Kloster, dessen barocke Zwiebeltürme das Wahrzeichen von Friedrichshafen sind. Per Dekret vereinigte König Friedrich I. von Württemberg die beiden Orte zu »Schloss und Stadt Friedrichshafen«. Sein Nachfolger Wilhelm I. ließ das 1803 aufgelöste Kloster von 1823 bis 1830 zu einem Schloss umbauen, das in der Folge als Sommerresidenz des Königshauses genutzt wurde. Durch die verkehrs- und handelspolitische Förderung der jungen Stadt nahm hier 1824 die Dampfschifffahrt auf dem Bodensee ihren Anfang und bereits 1850, auch weil der König mit der Eisenbahn anreisen wollte, war die durchgehende Bahnverbindung zwischen Friedrichshafen und Stuttgart fertiggestellt. Durch den Bahnanschluss erfuhr der Fremdenverkehr einen rasanten Aufschwung. Reisen war fortan nicht mehr ein Privileg der Reichen, auch das Bür gertum konnte sich nun Fahr ten an das Schwäbische Meer leisten. Friedrichshafen als Endpunkt der Bahn (die Seelinie nach Überlingen wurde erst 1901 eröffnet) hatte schnell den Ruf einer Kurstadt mit Badeanstalten, in denen auch me dizinische Angebote gemacht wurden.


Der Friedrichshafener Gondelhafen mit dem Turm der Nikolauskirche.

Schwabens schönste Meile

In den Jahren 1911 und 1912 wurden der Uferpark und die Uferstraße angelegt, die noch heute von den Gästen der Stadt als zweieinhalb Kilometer lange Flaniermeile genutzt werden. Doch auch die Bewohner der Stadt drängt es ans Wasser, weshalb es an schönen Tagen hier zu einem reizvollen Durcheinander von Urlaubern und Einheimischen kommt, mit saisonaler Verdichtung und entsprechend unterschiedlichem Durchmischungs grad. Das planlose Dahinschlendern ist die klassische Freizeitunternehmung in der Stadt, kaum jemand ist hier zielgerichtet unterwegs, nirgends begegnet man mehr zufriedenen, oft sogar glücklichen Menschen. Nicht allein der See macht den Reiz der Promenade aus, wie der Uferbereich vor der Stadt kurz und eindeutig genannt wird, es sind auch die Dinge, die der Mensch hier gestaltet hat: Der Park, die Häuserreihe mit den zum See hin offenen Arkaden, die Angebote der Freiluftgastronomie, der Ausblick vom Moleturm, der Hafenbahnhof, heute als Zeppelin Museum die vielbesuchte Hauptattraktion der Stadt, erbaut 1931–1933 im Bauhausstil, der mit ihm korrespondierende moderne Glasbau K 42 des städtischen Medienhauses direkt am Hafen und schließlich die ein- und ausfahrenden Schiffe, die einen Hauch von Ferne in die bunte Szenerie bringen.

Wer den großartigen Blick über den See ungestört genießen möchte, findet auf der Östlichen Uferstraße, direkt im Anschluss an den Hafen, ein ruhiges Spaziergangterrain und beschattete Ruhebänke. Wer die schönste Stelle am Häfler Seeufer sucht, muss sich ans westliche Ende der Promenade begeben. Hinter dem Graf-Zeppelin-Haus geht man 100 Meter die Olgastraße hinunter und kommt so zum ehemaligen Schlosshafen. Hafenbetrieb gibt es hier schon lange nicht mehr, geblieben ist eine zauberhafte Örtlichkeit, an der die Entwicklung der Stadt in den letzten 150 Jahren nahezu spurlos vorbei gegangen ist. Der Zauber beginnt schon auf den letzten Metern der Olgastraße, wenn man auf die Schlossparkmauer zugeht und der monumentale königliche Promenadesteg ins Bild kommt, der aus dem Park heraus über die Mauer in den See hineinragt. Der weitere Gang vollzieht sich zwischen der Schlossparkmauer und dem kunstvollen gusseisernen Steg, der die Begrenzung zum See hin bildet. Ganz unmittelbar ist man in eine mittelmeerische Atmosphäre eingetaucht, die sich an der weiten Platzöffnung am Ende des Wegs noch verstärkt, wenn man durch das prächtige Gitter in den Schlosspark hineinschaut, der verschwiegen und geheimnisvoll wie ein Zaubergarten aus einer Eichendorffschen Erzählung vor sich hinträumt (aber leider nicht zugänglich ist). Wegen der Entfernung zum Stadtzentrum und weil der Weg nicht weiterführt, ist es hier meist ruhig und man kann ungestört die besondere Ausstrahlung dieses Platzes, den schönen Blick auf die Altstadt und die Aussicht über die weite Seefläche auf die Alpenkette in sich aufnehmen.


Bauhaus in Friedrichshafen. Der denkmalgeschützte ehemalige Hafenbahnhof, heute das Zeppelin Museum.

In Friedrichshafen startet auch das Verkehrsmittel, das die Bergfreunde aus den Landstrichen nördlich des Sees am stilvollsten den Schweizer Bergen näherbringt: die Fähre nach Romanshorn. Am gegenüberliegenden Ufer hat man direkten Anschluss an das dichte Schweizer Bahnnetz, wo die Züge wundersamerweise keine Verspätungen haben und mit den Postbuslinien und den Bergbahnen optimal vernetzt sind. Dies ist eine ungemein genussreiche und erholsame Reisemöglichkeit und es ist verwunderlich, dass nicht viel mehr Menschen von dieser Reiseart Gebrauch machen. Glorreicher Abschluss der Bergfahrt ist dann die Passage über den See, wenn man Glück hat mit dem Blick zurück zum bestiegenen Berg und mit einem dem Ereignis angemessenen Getränk vor sich auf dem Tisch.

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