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WER WAR DAS?

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Schon in der Antike ist Diogenes der Held zahlreicher Anekdoten, die ihn als respektlos, frech, unverschämt, unanständig, unmoralisch, furchtlos, individualistisch, unabhängig, bedürfnislos, anspruchslos, selbstgenügsam, asketisch, aber auch stolz und selbstbewusst, geistesgegenwärtig, schlagfertig und gebildet darstellen. Sein Handeln ist unkonventionell und provozierend. Er soll auch eine außerordentliche Überzeugungskraft und ein gewinnendes Wesen gehabt haben. Seine Reden waren von einem magischen Reiz; er war wie ein wirklicher Zaubervogel (D. L. 6, 76).

Sein Vater war Finanzbeamter in Sinope und wurde aufgrund finanzieller Unregelmäßigkeiten in die Verbannung geschickt. Diogenes soll das delphische Orakel gefragt haben, was er nun tun solle. Er bekam zur Antwort, er solle die Münze (Nómisma) – was auch heißen kann: die Konvention – umwerten. Überliefert ist aber auch, dass Diogenes selbst Geld gefälscht habe. In Athen geriet er unter den Einfluss des Sokratesschülers Antisthenes, der ihn aber zuerst abwies. Doch Diogenes setzte schließlich durch, Antisthenes hören zu können. Denn er bewunderte ihn aufrichtig, während er andere prominente Zeitgenossen wie Platon und Aristipp verachtete.

Die Anekdoten über Diogenes hatten sehr wahrscheinlich einen wahren Kern. Das gilt etwa für die Nachricht, er sei auf See von Piraten entführt worden, habe aber trotz schlechter Behandlung sein Schicksal mit großer Würde und menschlicher Größe ertragen. In Kreta wurde er dann auf dem Sklavenmarkt zum Verkauf angeboten. (Es ist also im wirklichen Leben passiert, was der Satiriker Lukian mehrere hundert Jahre später in Szene gesetzt hat.) Als der Ausrufer ihn fragte, was er könne, soll er ohne zu zögern gesagt haben: „Menschen führen.“ Dann habe er auf einen vornehmen Mann namens Xeniades gezeigt und gesagt: „Verkauf mich an diesen da! Er braucht einen Herrn.“ Xeniades kaufte ihn tatsächlich und brachte ihn nach Korinth. Dort vertraute er ihm seine Kinder und seinen gesamten Haushalt an. Diogenes erfüllte seine Pflichten so gewissenhaft, dass sein Herr überall erzählte, mit Diogenes sei ein guter Geist in sein Haus eingezogen (D. L. 6, 74). Es wird weiterhin berichtet, er sei ein hervorragender Lehrer auf allen Fachgebieten gewesen. Er brachte den Kindern seines Herrn das Reiten, Schießen und die Anfangsgründe des Ringens bei. Außerdem mussten die Kinder vieles aus den Werken der Dichter und Geschichtsschreiber und aus seinen eigenen Schriften auswendig lernen. Er lehrte sie, möglichst einfach und bescheiden zu leben (D. L. 6, 30–31). Seine Anspruchslosigkeit war die natürliche Folge seiner Armut, die er als Flüchtling zu ertragen hatte. In diesen Zusammenhang gehört auch das Fass, in dem er wohnte.

Als man ihn einmal fragte, wie er zu dem Beinamen Hund gekommen sei, erwiderte er (D. L. 6, 60):

Für diejenigen, die mir etwas geben, wedle ich mit dem Schwanz, diejenigen, die mir nichts geben, belle ich an, und die Bösen beiße ich.

Diogenes nahm sich nicht nur den Hund, sondern auch andere Tiere zum Vorbild. Plutarch berichtet in seiner Schrift Wie man feststellt, dass man Fortschritte in der Tugend gemacht hat (77E-F), Diogenes habe einmal am Rande des Marktplatzes in seinen Mantel gerollt schlafen wollen und sich mit dem Gedanken gequält, warum er eigentlich ein so entbehrungsreiches Leben führe. Da soll eine Maus herangehuscht sein und mit den Krümeln seines Brotes gespielt haben. Daraufhin hellten sich – wie es heißt – seine Gedanken wieder auf, und er sagte zu sich selbst:

Was willst du denn Diogenes? Deine Brotreste sind für die Maus hier ein Festessen. Du aber, du edler, gebildeter Mensch, jammerst herum und beklagst dich darüber, dass du nicht betrunken auf weichen, gemusterten Polstern liegst?

Die berühmte Anekdote über die Begegnung zwischen Alexander dem Großen und Diogenes in der Nähe von Korinth mag erfunden sein, veranschaulicht aber eine vielfach bestätigte Eigenschaft des Philosophen: seine Unbestechlichkeit.

Als sich die Griechen auf dem Isthmos versammelt und beschlossen hatten, mit Alexander gegen die Perser zu Felde zu ziehen, wurde der Makedone zum Führer gewählt. Da kamen viele Politiker und Philosophen zu Alexander, um ihn zu beglückwünschen; er erwartete, dass auch Diogenes aus Sinope, der in der Gegend von Korinth lebte, dasselbe tun werde. Weil er sich aber überhaupt nicht um Alexander kümmerte und in einem Garten seine Ruhe genoss, ging dieser selbst zu ihm hin. Diogenes lag zufällig in der Sonne; er richtete sich nur ein wenig auf, als so viele Menschen zu ihm kamen. Er sah zu Alexander hinüber, der ihn freundlich begrüßte und fragte, ob er vielleicht irgendeinen Wunsch habe. Diogenes aber antwortete nur: „Ja, einen kleinen; geh mir ein bisschen aus der Sonne.“ Die Überlegenheit und die Größe dieses Mannes sollen Alexander so tief beeindruckt haben, dass er, während die Leute um ihn herum lachten und spotteten, nur sagen konnte: „Ja, wäre ich nicht Alexander, dann wäre ich Diogenes“ (Plutarch, Alexander 14).

Auch sein Tod war Anlass für unterschiedliche Legenden, die allesamt von großem Respekt vor diesem im wahrsten Sinne des Wortes ungewöhnlichen Menschen zeugen. Er soll an demselben Tag in Korinth gestorben sein wie Alexander der Große in Babylon (D. L. 6, 79). Über die Todesursache werden unterschiedliche Versionen verbreitet: So soll er einen Polypen roh verschlungen und daraufhin an einer Gallenkolik gestorben sein. Andere sagen, er habe sich einen Polypen mit einigen Hunden teilen wollen; im Streit darum hätten ihn die Hunde so tief ins Bein gebissen, dass er daran starb. Es wird auch erzählt, er habe Selbstmord begangen, indem er einfach die Luft anhielt oder sich selbst erstickte oder von einer Brücke stürzte. Erzählt wird auch, Diogenes habe einen rohen Ochsenfuß benagt und die Cholera bekommen; daran sei er mit etwa 90 Jahren gestorben. Ein ordentliches Begräbnis habe er immer abgelehnt. Er wollte vielmehr, dass man seinen Körper in einen Fluss werfe oder einfach irgendwo liegen lasse, sodass auch noch die Tiere etwas von ihm hätten.

Diogenes sagte, es werde eine hyrkanische Bestattung geben, wenn ihn Hunde zerreißen würden, oder eine baktrianische, wenn dies den Geiern überlassen bleibe: Wenn sich aber niemand an ihm zu schaffen mache, dann werde die Zeit die schönste Bestattung mit den einfachsten Mitteln ermöglichen, die es gibt: mit Hilfe von Regen und Wind (Stobaios 6, 55, 11).

Während Diogenes hiermit den Überlebenden jeden Aufwand für seine Bestattung ersparen und zum Ausdruck bringen wollte, dass einem einfachen Leben auch ein einfacher Tod entsprechen solle, greift er in der folgenden Nachricht den überflüssigen Luxus der Reichen an:

Diogenes sagte, die Reichen ließen sich schon lebendig verfaulen, indem sie sich in ihren Bädern aufweichen und in ihren Liebesorgien hinschmelzen würden. Wenn sie aber tot seien, dann reibe man ihre Leichen mit Duftmitteln oder Honig ein, damit sie nicht so schnell verfaulten (Stobaios 3, 6, 36).

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