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Das Nibelungenlied als Wanderführer

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Uns ist in alten maeren wunders vil geseit

von helden lobebaeren, von grôzer arebeit,

von froeuden hôchgezîten, von weinen und von klagen,

von kuener recken strîten muget ir nu wunder hoeren sagen.

Viel Wunderdinge melden die Mären alter Zeit

von preiswerten Helden, von großer Kühnheit,

von Freud und Festlichkeiten, von Weinen und von Klagen,

von kühner Recken Streiten mögt ihr nun Wunder hören sagen

So beginnt das Nibelungenlied, im 19. Jahrhundert zum Nationalepos der Deutschen erhoben.

Als ich den Entschluss fasste, den Weg der Nibelungen nachzuwandern, kannte ich zwar die Geschichte von Siegfried, Kriemhild und den Nibelungen, aber Einzelheiten über deren Route zu Attilas Burg in Ungarn wusste ich nicht. Deshalb begann ich mich in die Literatur des Nibelungenlieds einzuarbeiten.

Es mangelt beileibe nicht an Beiträgen zum Nibelungenlied: Historiker haben versucht, es in einen geschichtlichen Zusammenhang zu bringen, Dichter haben es zu Romanen verarbeitet und Richard Wagner hat daraus die bombastische Operntetralogie Der Ring des Nibelungen geschaffen.

Das Nibelungenlied wurde von Kaiser Wilhelm II. und seinen Zeitgenossen sowie anschließend in der Weimarer Republik ideologisch missbraucht, und es wundert nicht, dass die Führer Nazideutschlands genauso gehandelt haben. Dabei hat sich Hermann Göring besonders hervorgetan. Kurz vor Kriegsende gab es dann, gewissermaßen als letztes Aufgebot, eine SS-Panzer-Grenadier-Division namens Nibelungen, die ihrer Vernichtung nur durch Kapitulation entging. Nicht vergessen sollte man das Führerhauptquartier Siegfried (vorher Hagen) in Pullach bei München, dem späteren Sitz des Bundesnachrichtendienstes.

Als Wanderführer scheint das Nibelungenlied bislang nicht gedient zu haben. Zwar hat schon 1929 Robert Sommer das Buch Die Nibelungenwege von Worms über Wien zur Etzelburg herausgebracht, dessen dritten Teil er als Wanderbuch bezeichnet. Er untersucht in diesem Buch im Detail die mögliche Route der Nibelungen auf der Basis topografischer Gegebenheiten, von Römerstraßen und sogenannten Rennwegen, die früher durch Deutschland verliefen. Aber der Autor schreibt, dass die Entfernungen für eine Wanderung zu groß seien und empfiehlt deshalb die Benutzung der Eisenbahn oder der Kraftpost (seinerzeit die Buslinie der Post). Das Kulturgeschichtliche Wanderbuch Die Nibelungenstraße von Oskar Vinzenz Ludwig aus dem Jahre 1927 beschränkt sich auf die Orte und Sehenswürdigkeiten entlang der Donau zwischen Passau und Hainburg und enthält keine Aussagen zur Route der Nibelungen. Julius Kolb beschreibt in seinem Buch Vom Rhein zur Donau. Auf den Spuren der Nibelungen die im Nibelungenlied erwähnten Orte und gibt an, auf welcher Autobahn oder Bundesstraße man am besten dorthin kommt. Für meinen Zweck, den Weg der Nibelungen, so wie im Nibelungenlied beschrieben, entlang zu wandern, konnte ich daraus keine nützlichen Informationen gewinnen. Ich habe deshalb zunächst zahlreiche Nibelungenbücher gelesen (einige davon sind im Literaturverzeichnis aufgeführt), aber es hätte eigentlich genügt, nur die Simrock’sche Übersetzung zu studieren, um mein Vorhaben planen zu können. Obwohl die im Nibelungenlied enthaltenen Wegbeschreibungen streng betrachtet teils nicht korrekt sein können, habe ich sie wörtlich genommen. Alles andere wäre vergebliche Liebesmüh, denn die Nibelungen, die es so überhaupt nicht gegeben hat, haben ja keine Spuren hinterlassen. Will man anhand des Nibelungenlieds dem Weg der Nibelungen folgen, so ist dies ab Plattling an der Donau kein Problem. Das Nibelungenlied enthält von dort an eine recht genaue Wegbeschreibung. Ganz anders ist es hinsichtlich der Strecke zwischen Worms und der Donau. Dort weist das Nibelungenlied als Wanderführer große Lücken auf. Auch Robert Sommer konnte in seinem Buch zu diesen Streckenabschnitten keine brauchbaren Hinweise geben. Deshalb habe ich hierfür eine Route nach eigenem Gutdünken gewählt.

Das Nibelungenlied muss in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts nach Christus spielen, denn es gilt als historische Tatsache, dass König Gunther 436 (oder 437) nach Christus zusammen mit dem Großteil der Burgunden (Nibelungen) von hunnischen Hilfstruppen des römischen Heermeisters Aëtius niedergemacht wurde. Für diesen Sieg wurden allerdings nicht die Hunnen geehrt, sondern Aëtius, den Rom auf einer Bronzestatue als » … peremptisque Burgundionibus« (» … Vernichter der Burgunden«) feierte. Und der Hunnenkönig Attila (Etzel) hauchte nach der Hochzeit mit der Germanin Hildike (Ildiko) 453 nach Christus sein Leben aus. Angeblich war daran übermäßiger Alkoholgenuss in der Hochzeitsnacht schuld. Es kann aber auch ganz anders gewesen sein.

Wenn man den Weg der Nibelungen in diese Zeit verlegt, dann bleibt es nicht aus, dass man oft auf die Römer bzw. deren Hinterlassenschaften stößt. So auch bei meiner Wanderung. Dies ist der Grund dafür, dass ich mich bei den Vorbereitungen zu meinem Unterfangen auch mit Literatur über den Limes beschäftigt habe.

Wenn ich in diesem Buch auf das Nibelungenlied zu sprechen komme, dann so, als würde es sich darin um reale Personen und Ereignisse handeln. Ortsnamen verwende ich in ihrer heutigen Form. Ihre Entsprechungen im Nibelungenlied sind in Klammern wiedergegeben.

Nibelungenweg

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