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SO PRÜFEN SIE GEBRAUCHTE KAMERAS
ОглавлениеDie wichtigste Eigenschaft, die Ihre neue Kamera vor allen anderen haben soll, ist ihre einwandfreie und dauerhafte Funktionsfähigkeit. Für Informationen über klassische Kameras ist das Internet eine gute Quelle. Dort finden Sie in den meisten Fällen auch Aufschluss darüber, welche bekannten technischen Schwachstellen einzelne Modelle haben können.
Da es nach wie vor Werkstätten gibt, die in der Lage sind, ältere Kameras zu reparieren, muss der preiswerte Ankauf einer defekten Kamera kein Fehler sein. Ärgerlich wird es aber, wenn der Fotoapparat beim Kauf bereits kostspielig war und die Reparatur ihn nochmals übermäßig verteuert und sich im schlechtesten Fall dann herausstellt, dass er gar nicht mehr in Stand gesetzt werden kann. Elektronisch gesteuerte Kameras sind oftmals aus Mangel an Ersatzteilen nicht mehr zu retten, rein mechanisch funktionierende hingegen schon, weil es bei vielen von ihnen mit ein wenig Justage, Reinigung und Schmierung an den richtigen Stellen bereits getan ist. Mechanische Kameras werden öfter durch seltenen Gebrauch und den daraus resultierenden verharzten Fetten unbrauchbar als durch Überbeanspruchung.
Vergessen Sie auch nicht, dass viele der in Frage kommenden Kameras mittlerweile zwischen 20 und 50 Jahre alt sind und nicht allen das Altern gut bekommen ist. Bei einem Neukauf sollte naturgemäß alles funktionieren. Bei einer gebrauchten Kamera müssen Sie hingegen ihre Funktion überprüfen, und das ist gar nicht so kompliziert.
Grundsätzlich sollen sich alle Einstellelemente leicht und spielfrei bewegen lassen. Bei Kameras mit einem Balgen darf dieser nicht löchrig oder spröde sein. Mit geöffneter Kamerarückwand überprüfen Sie, ob der Verschluss unbeschädigt ist und sich bei allen Belichtungszeiten plausibel öffnet und schließt. Das Objektiv muss, auf unendlich eingestellt, weit entfernte Objekte im Sucher scharf wiedergeben. Der Sucher selbst sollte klar und sauber sein. Mit eingelegter Batterie müssen alle Anzeigen im Sucher funktionieren und eventuell vorhandene Automatikeinstellungen das machen, wofür sie gedacht sind. Vor dem Einlegen einer neuen Batterie schauen Sie nach, ob das Batteriefach sauber ist. Manch vergessene Batterie befindet sich darin seit Jahrzehnten und ist mit der Zeit ausgelaufen, was zu verschmutzten oder korrodierten Kontakten führt. Bisweilen ist dies durch eine einfache Reinigung zu beheben, oft bewirkt es bei der Kamera aber einen Totalschaden. Einige Fotoapparate benötigen Batterien, die heute nicht mehr erhältlich sind. Rein mechanische Modelle lassen sich im Gegensatz zu den elektronischen unter Verzicht auf den eingebauten Belichtungsmesser auch ohne Batterie benutzen. Mehr Spaß macht es allerdings, wenn alles funktioniert wie vorgesehen. In diesem Fall müssen Sie sich dann nach einer Adapterlösung umsehen oder die Kamera in einer Fachwerkstatt für die Nutzung moderner Batterie umbauen lassen. Alternativ zu den verbotenen, auf Quecksilber basierenden Batterien gibt es mittlerweile Zink-Luft-Batterien mit der entsprechenden Spannung und in der richtigen Größe wieder neu zu kaufen.
Abbildung 1.2: Den Lamellen dieses Verschlusses ist nicht mehr unbedingt zu vertrauen.
Unbedingt prüfen sollten Sie – so vorhanden – den Zustand der Lichtdichtungen im Bereich der Rückwandklappe. Bei Spiegelreflexkameras betrifft dies zusätzlich den Spiegeldämpfer (ein kleiner Streifen aus Schaumstoff unterhalb der Mattscheibe, an den der hochgeklappte Spiegel anschlägt). Diese Teile bestehen häufig aus einem Schaumstoffmaterial, das mit den Jahren schmierig-klebrig oder bröselig werden kann und ausgetauscht werden sollte. Ein sich auflösender Spiegeldämpfer kann zu einer hässlichen und nur schwer zu reinigenden Verschmutzung des Spiegels oder der Mattscheibe führen. Das ist unschön, mitunter störend, wirkt sich aber nicht auf die Bilder aus. Im Bereich der Rückwand kann eine fehlerhafte Lichtdichtung allerdings zu einem Lichteinfall führen, der den Film verschleiert oder komplett unbrauchbar macht. Je neuer eine Kamera ist, desto seltener wird dieses Problem auftreten. Kameras aus den 70er oder 80er Jahren leiden aber fast alle darunter. Glücklicherweise lassen sich diese Schaumstoffteile mit etwas Geschick selbst auswechseln. Für viele Modelle können Sie im Internet bereits passend geschnittenen Ersatz kaufen, und zahlreiche Kamerawerkstätten übernehmen für einen meist überschaubaren Betrag diese Arbeit für alle, die sie sich nicht selbst zutrauen.
Abbildung 1.3: So sieht ein intakter Spiegeldämpfer aus.
Wenn die ersten Prüfungen bereits ein gutes Bild vom technischen Zustand einer Kamera ergeben, machen Sie die abschließenden Tests mit einem eingelegten Film, der ruhig alt und abgelaufen sein kann. Überprüfen Sie zuerst den korrekten Verschlussablauf, indem Sie mit den meisten zur Verfügung stehenden Verschlusszeiten ein Bild machen – also von der kürzesten Zeit bis zur 1/8 Sekunde.
Längere Belichtungszeiten als diese können Sie bei geöffneter Rückwand ganz gut ohne Film testen, denn ab der 1/8 Sekunde sind die Abläufe so langsam, dass auch Ihre Augen noch mitkommen.
Das Bildfeld sollte sich komplett öffnen, tut es das nicht, liegt ein Problem mit dem Verschluss vor. Mit diesen Testbelichtungen prüfen Sie gleichzeitig die Präzision der Scharfeinstellung: Fotografieren Sie mit möglichst weit geöffneter Blende Gegenstände aus kurzer, mittlerer und großer Distanz. Das zeigt Ihnen, ob die im Sucher eingestellte Entfernung tatsächlich mit der im Bild festgehaltenen übereinstimmt und ob ein gegebenenfalls vorhandener Autofokus ordnungsgemäß funktioniert.
Nach der Entwicklung betrachten Sie den Testfilm auf einem Leuchtkasten oder halten ihn gegen ein Fenster. Vergrößerungen oder Scans sind nicht nur überflüssig, sondern sogar kontraproduktiv, da eine sichere Beurteilung nur am Negativ selbst möglich ist. Alle Negative sollten korrekt belichtet sein und immer den gleichen Abstand zueinander haben, ohne sich zu überlappen.
Einen Fremdlichteinfall erkennen Sie daran, dass der Film auch außerhalb des eigentlichen Bildes, im Bereich seiner Perforation, Belichtungsspuren zeigt. Dies deutet auf defekte Lichtdichtungen der Rückwand hin.
Ungleichmäßigkeiten oder Abschattungen ausschließlich im Bereich des Negativs selbst deuten auf einen fehlerhaften Verschlussablauf hin.
Abbildung 1.4: Dieser Negativstreifen zeigt die Schäden eines Lichteinfalls, der auf eine defekte Rückwanddichtung zurück zu führen ist.
Zur Beurteilung der Schärfe der Testnegative benutzen Sie am besten einen sogenannten »Fadenzähler« (das ist eine kleine Lupe mit Standfuß, wie sie auch auf dem Buchcover abgebildet ist). Alternativ können Sie auch das Standardobjektiv der Kamera nehmen. Die Schärfe sollte genau auf dem beim Fotografieren eingestellten Punkt liegen. Ist dem nicht so, ist das Suchersystem dejustiert. Dieser Defekt findet sich oft bei Sucherkameras, manchmal können davon aber auch Spiegelreflexkameras betroffen sein. Finden sich auf Ihren Testnegativen keine Auffälligkeiten, können Sie davon ausgehen, dass alles in Ordnung ist.
Abgesehen davon ist der Kamerakauf reine Geschmackssache und hängt sehr stark von persönlichen Vorlieben ab. Wenn eine Kamera Ihnen optisch gefällt und sich gut anfühlt, sollte das in Ihre Kaufentscheidung einfließen – wirklich gute Produkte haben auch immer ein gutes Design. Entscheidend ist der technische Zustand. Ein bekannter Markenname ist kein Schutz vor Fehlfunktionen, hat aber im Falle einer Reparatur mitunter den Vorteil, dass ein Defekt eher behoben werden kann oder ein Ersatzteil leichter zu finden ist als bei einem selten produzierten Exoten. Trotzdem: Es finden sich heute noch zuverlässig arbeitende Kameras von weniger bekannten, heute schon fast vergessenen Herstellern und ganze Baureihen namhafter Marken, die nicht mehr richtig funktionieren.
Das Alter einer Kamera spielt eine geringere Rolle als ihr regelmäßiger Gebrauch. Eine Kamera, die seit 50 Jahren immer wieder benutzt wurde, ist vermutlich in einem besseren Zustand als ein seit 20 Jahren unbenutztes Exemplar. Verantwortlich dafür sind Schmierfette, die bei seltener Benutzung aushärten und verharzen und dadurch die Funktionsabläufe der Kameramechanik empfindlich stören können.
Aus diesem Grund sind auch Kameras, die nach muffigem Keller riechen, mit äußerster Vorsicht zu genießen. Derartige Bedingungen sind zur Lagerung eines Präzisionsinstruments sehr ungünstig, zudem fördert das Klima vieler Keller die Entstehung von Pilzen, die gerne und irreversibel die Glasflächen von Objektiven und Kameras angreifen und beschädigen.