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Kapitel 2

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Die Nacht hatte sich ausgebreitet.

Man sah die Hand kaum noch vor Augen. Der Mond schenkte zwar ein wenig Licht, aber ohne Fackeln blieb es fast unmöglich, schnell vorwärts zu kommen.

Wir hatten das Ziel trotzdem im Eiltempo erreicht.

Rogér stand mit ungefähr 100 Männern auf der baumlosen Fläche vor Vallettas Stadttoren. In einem Kraftakt waren die Kämpfer seines Versteckes unserem Ziel entgegenmarschiert. Nun wartete die Truppe auf Arnaud und dessen Ritter, die nach Auskunft ihres Boten bald anrücken würden. Zudem fehlten die alten Gefolgsleute meines Vaters, die sich gesammelt als Gruppe einfinden sollten.

Aus der Ferne hörte man das gleichmäßige Getrappel marschierender Füße und näherkommender Pferde.

Unsere Kundschafter behielten Recht. Die über die Insel verstreuten Anhänger Raimunds zogen heran. Im schwachen Mondlicht sammelten sich schließlich an die 300 Getreue. Viele von ihnen trugen Rüstungen, die noch aus der Zeit des zweiten Kreuzzuges stammten!

Dazu trafen etwas mehr als 50 Bogenschützen ein. Ich nahm ihr Erscheinen dankbar zur Kenntnis. Diese Waffenführer hatten zwar weithin den Ruf, kaum mehr als unverzichtbare Hilfstruppen darzustellen, aber hier würden sie so wichtig wie jeder andere Mann sein. Ungeachtet dessen überwog blankes Erstaunen. Unter den Versammelten gab es kaum Bauern. Stattdessen standen Krieger vor uns!

Zumindest in Hinsicht auf Erfahrung und Bewaffnung der Ankömmlinge mussten wir keine Sorge haben.

Diesmal ignorierte Kilian meine Verwunderung. Er begrüßte stattdessen leise den Anführer und wies ihn in die Situation ein. Der Mann fragte nicht viel, sondern erteilte mit wenigen Handbewegungen Anweisungen. Seine Kämpfer folgten sofort und änderten ihre Aufstellung. Nahtlos fügten sie sich in die vorhandenen Angriffsreihen ein und warteten auf Befehle. Mein Gesicht zeigte unverhohlene Verblüffung. Was hatte ich da gerade beobachten können? War das wirklich nur die erwartete zusätzliche Unterstützung?

Wohl kaum. Es wirkte eher wie der geübte Antritt einer gut geschulten Einheit. Taktische Übungen dieser Qualität beherrschten keine einfachen Bauern!

Sollten wir mehr Aussicht auf Erfolg haben als angenommen?

Nicht lange, und auch de Moncadrieux rückte an. Man bemerkte keinerlei Anstrengung, das Nahen zu verheimlichen. Derartiges wäre bei der Größe des Heeres auch unmöglich gewesen. Seine Männer bildeten einen weiten Ring aus Kämpfern vor den Stadtmauern Vallettas, die die Landseite der Stadt schützten. Ich hatte noch nie dermaßen viele Soldaten auf einmal gesehen, dazu so dicht gedrängt.

Auch diesmal kamen mir Zweifel. Das waren auf keinen Fall abgehalfterte Krieger oder einfache Kreuzfahrer! Die fielen üblicherweise in ungeordneten Scharen wie Heuschrecken ein und hatten Kinder, Frauen und Arme in ihren Reihen. Es waren wilde, zusammengewürfelte Haufen, die sich oft wie Tiere aufführten und nicht selten mit dem Hungertod rangen. Hier dagegen existierte sogar eine kleine Rittereinheit mitsamt Knappen und Dienern, dazu Hilfstruppen und Bogenschützen. Selbst ein Tross folgte. Arnauds Männer waren aufgebaut und straff organisiert wie ein reguläres Heer. Die einzelnen Teile wirkten sichtbar eingespielt und bewegten sich mit äußerster Ruhe.

Die Überlegung, 1500 Kämpfer aus Outremer mit einem erfahrenen Führer beim Kampf gegen Henry de Fontes neben uns zu haben, ließ mich insgeheim schon an Elisabeth denken. Wohl nur nach einem Sieg gäbe es ein Wiedersehen.

Ansonsten …

Der maltesische Adelige schlenderte herüber und begrüßte Rogér und mich äußerst herzlich. Den Anführer der dazu gestoßenen Truppe sprach er wie einen Vertrauten an, und der Mann antwortete genauso.

Welchen Hintergrund hatte dies?

Ein altbekanntes Gefühl stieg hoch – man hatte mir wieder nicht alles erzählt!

Im selben Moment drehte sich Elisabeths Vater herum.

»Falko, bevor Ihr fragt, wir kennen einander aus einer Zeit gemeinsamer Schlachten. Lösen die vielen Älteren in diesen Reihen jedoch bei Euch kein Erstaunen aus? Auch ihnen ist eine einzige Vergangenheit gemein. Sie stehen ein für das gleiche Ziel und fühlen das gleiche Feuer in sich – Rache. Die jungen Männer mögen schneller sein, aber sämtliche anderen dürsten nach Vergeltung! Eine solche Zusammensetzung macht die Einheit fast unbesiegbar. Ihr werdet sehen!«

Unvermittelt wandte sich de Moncadrieux erneut Rogér zu. Die Besprechung des Angriffs dauerte nicht lange. Jeder Kämpfer wusste scheinbar schon von vornherein, was er zu tun hatte. Daher wohl auch die unabgesprochene Aufstellung der Männer vorhin.

Die Vergangenheit schien in die Gegenwart gekommen zu sein, zumindest, was diese Getreuen betraf!

1950 Soldaten warteten auf ihren Einsatz.

350 alte Gefährten Raimunds, darunter 50 Bogenschützen, hatten sich mit 100 von Rogér vereinigt. Dazu kamen 1500 Kreuzritter unter Arnauds Kommando.

Welch ein Heer gegen den Statthalter!

Dann lag der gegnerische Wachwechsel lange genug zurück. Die Aufpasser des Statthalters würden nun genug mit ihrem Kampf gegen die Müdigkeit zu tun haben. Einige leise Anweisungen, und unsere Männer waren bereit. Langsam rückten wir vor. Vorher schossen die Bogenschützen sämtliche Wachen von den Wehrgängen und Türmen. Ihre Pfeile trafen leise und genau. Schemenhaft konnte man sehen, wie die Feinde von den Zinnen fielen. Schnell wurden Seile mit Wurfankern hochgeworfen. Einige von Arnauds Kreuzfahrern kletterten die Mauern hoch. Sie sollten auf Leben und Tod wenigstens ein Tor von innen öffnen.

Rogér und ich verharrten noch. Jeder Augenblick, in dem weitere Krieger hinter die Stadtmauern gelangten, zählte. Nur mit ihrer Hilfe vermochten unsere versammelten Truppen ohne größere Verluste in die Stadt einzudringen. Ein direkter Angriff würde selbstmörderisch sein, und wir wollten diese letzte Möglichkeit so weit wie möglich aufschieben.

Die Bogenschützen standen weiterhin bereit und warteten auf mögliche Ziele, aber außer unseren Kämpfern bewegte sich niemand mehr auf den Mauern. Entweder konnten sie nun die Torflügel entriegeln oder aber die Zinnen würden gleich voll besetzt sein mit Verteidigern des Statthalters!

Lange Momente vergingen. Der Kreuzritter hatte längst das Schwert gezogen, bereit, das Signal zum Sturm zu geben. Rogér hielt neben mir und umklammerte die ledernen Zügel seines Pferdes, als wolle er so die innere Anspannung abbauen. Das Warten wurde immer unerträglicher.

Dann endlich öffneten sich die Tore. Unsere Männer hatten die Oberhand behalten!

De Moncadrieux setzte sich an die Spitze seiner Kreuzfahrer und zog zuerst in die Stadt ein, da er die Hauptlast beim Angriff auf den Statthalterpalast tragen würde. Rogér folgte mit sämtlichen anderen Kriegern. Vorher ermahnte der alte Gefährte mich abermals, hier zu verharren und den Kämpfen fernzubleiben. Als Anführer des gesamten Heeres dürfe mir auf keinen Fall etwas zustoßen. Meine Gefangennahme durch die Feinde sei mit einem Ende jeglicher Pläne gleichzusetzen! Was in diesen Momenten scheinbar mit einem Gesichtsverlust gleichkäme, wäre jedoch lebenswichtig für unser Hauptziel!

Ein grimmiges Schweigen blieb die einzige Antwort. Elisabeths Vater hatte kurz vorher den gleichen Vortrag gehalten. Zur Sicherheit ließen sie 50 Reiter zurück, nicht ohne zu betonen, dass der wichtigste Teil des gesamten Heeres bei mir bliebe – die besten Berittenen als Reserve. Ich war anderer Ansicht …

Die Aufheiterungsversuche der zurückgebliebenen Männer scheiterten kläglich. Gemeinsam sahen wir dem Abmarsch unserer Kameraden zu. Den Gesichtern der anderen nach zu urteilen, wären sie auch gerne vorne mit dabei gewesen. So aber beschieden wir uns und warteten auf einen Notfall, der auf keinen Fall eintreten würde. Zu genau war alles geplant, zu erfahren die vereinigten Kämpfer. Wahrscheinlich riefe man meine Einheiten erst zur Teilnahme an den Siegesfeiern!

Fast lautlos drangen ungefähr 1850 Soldaten in die Stadt ein. Diese schien fast zu klein zu sein, um sämtliche Eindringenden aufzunehmen, doch der Eindruck täuschte. Valletta war schachbrettartig angelegt worden. Außer einem riesigen Kasernenplatz direkt hinter den Stadttoren gab es keine freien Flächen innerhalb seiner steinernen Grenzen. Die große Anzahl an Straßen und Gassen konnte allerdings mehr Menschen verkraften, als man auf den ersten Blick erahnte.

Rogérs Fußtruppen hatten die Tore erreicht, während de Moncadrieux mittlerweile mit seiner Armee vollständig dahinter verschwunden war. Der Mann zu meiner Rechten schoss einen Brandpfeil ab – das verabredete Zeichen für Broderik. Er sollte daraufhin vom Hauptquartier der Templer aus auf den Statthalterpalast zustoßen. De Moncadrieuxs Reiter würden nun das Gleiche tun. Es kostete große Beherrschung, nicht hinterher zu stürmen. Natürlich hatte mich die Kampfeslust ebenfalls gepackt. Gleichzeitig bahnten sich zu viele dunkle Gedanken ihren Weg, um ruhig zu bleiben. Ohne Henry de Fontes und Malik al Charim lebte meine Familie noch. Raimund hätte den Kerker nie kennengelernt, und genauso wenig wäre sein Sohn als Waise auf der Flucht von Tür zu Tür weitergereicht worden!

Rachegelüste hatten sich vollends ausgebreitet …

Verhältnismäßig schnell verschwanden sämtliche Soldaten hinter den Mauern. Meine Bogenschützen rückten ein Stück vor. Für den Nahkampf ungeeignet, musste man sie bei einem direkten Angriff zurückhalten, um Verluste zu vermeiden. Trotzdem wollte ich die Gruppe näher am Geschehen wissen, sollte etwas Unerwartetes passieren.

Welche Narretei! Dumme Gedanken eines zurückgewiesenen Anführers!

Vor den Mauern bekamen wir nichts vom Geschehen in der Stadt mit. Selbst der Wind wehte keinen Laut herüber.

Einige Zeit verging, und die Spannung wurde unerträglich.

Wahrscheinlich stürmten Arnauds Reiter und Broderik gerade de Fontes´ Palast, während die Truppen des Kreuzfahrers Valletta besetzten und Rogér die Gefangenen zusammentrieb!

Dann war es vorbei mit der Beherrschung. Einfach vorwärts, mit den verbliebenen Reitern in die Stadt hinein und in den Kampf eingreifen!

Wie sollte sonst mein endgültiger Gesichtsverlust vor den vereinten Truppen vermieden werden können? Ein Anführer gehörte in der Schlacht zu seinen Soldaten und nicht in den Hintergrund, auch wenn es die Situation erforderte. Ich war kein alter Mann wie Arnaud oder Rogér, und die hatten sich ihre Namen wohl kaum durch bloßes Zusehen verdient!

Überdeutlich platzte ein entschlossener Befehl an die verblüfften Reiter aus mir heraus. Wir galoppierten los. Alle fühlten sich deutlich unwohl. Obwohl oberster Anführer, hatte ich genau entgegen der strikten Vorgaben befohlen. Trotzdem folgten sie ohne Murren.

Schnell erreichten wir die Stadttore und würden gleich auf dem großen Platz dahinter eine der Straßen zur Stadtmitte nehmen. Anschließend ein kurzer, scharfer Ritt, und schon stieße meine Gruppe zu Broderik und den Truppen am Statthalterpalast!

Siegessicher durchquerten wir das offene Stadttor – und rissen erschüttert die Pferde zurück.

Direkt hinter den Mauern bot sich uns ein entsetzlicher Anblick. Mehr als ein Drittel der vereinigten Kämpfer Rogérs lag tot auf dem gesamten Platz verteilt. Nirgendwo fand sich eine Stelle ohne Gefallene!

Fassungslos überschlug ich die Männer. Es gab noch ungefähr 260 Überlebende!

Was war passiert? Meine Reserve hatte doch der Besetzung der Mauern und dem ungehinderten Einmarsch des Heeres zugesehen!

Ein vielfaches Zischen und die lauten Schreie Schwerverletzter rissen mich aus den Gedanken. Feindliche Bogenschützen überzogen die Reste der Truppe von den Dächern und Fenstern der umliegenden Häuser aus mit Pfeilen. Unsere Soldaten waren an verschiedenen Stellen des Platzes von Fußtruppen eingekesselt worden und kämpften verzweifelt um ihr Leben. Wahllos hatten sie sich unter den Angriffen zusammengeschlossen, ohne jede Ordnung. Ein letztes Aufbäumen …

Rogér war nirgendwo zu sehen. Auch nach Unterführern suchte ich vergeblich. Vermutlich hatte man sie zuerst umgebracht, um die kopflosen Einheiten leichter vernichten zu können. Ebenso blieben de Moncadrieux und seine 1450 Krieger verschwunden.

Hatte jemand unser Vorhaben einem großangelegten Verrat geopfert? Es musste so sein, wenn hier ausschließlich Rogérs Gefährten abgeschlachtet wurden!

Zweifellos war Arnaud der Verräter, von dem Broderik gesprochen hatte!

Was, wenn die Templer ebenfalls Verrat übten und gar nicht erst kämpfen wollten?

Es blieb keine Zeit für weitere Überlegungen. Längst hatten de Fontes´ Soldaten die Neuankömmlinge bemerkt. Ihre Bogenschützen deckten meine Gruppe mit Geschossen ein, während gegnerische Fußtruppen vorrückten. Ich musste sofort reagieren, wenn wenigsten noch einige Männer gerettet werden sollten!

Nach einem deutlichen Wink an die Reiter galoppierten alle direkt aus der Stadt, wie bei einer überhasteten Flucht. Ein einziger Aufschrei ging durch die Gruppen der Überlebenden. Sowohl unser Auftauchen wie auch die anschließende Reaktion war von ihnen beobachtet worden. Dieser Akt der Feigheit würde jeglichen Lebenswillen endgültig brechen!

Wir preschten weiter. Sofort folgte ein großer Trupp feindlicher Berittener. Im gestreckten Galopp ging es weit auf die offene Fläche vor der Stadt, wo die Gefährten sich schlagartig fächerförmig auseinanderzogen. Nach einer abrupten Wendung auf beiden Seiten entstand daraus plötzlich ein geschlossener Kreis mit den Verfolgern in seiner Mitte.

De Fontes´ Soldaten saßen in der Falle!

Blanker Hass hatte längst jeden meiner Kämpfer ergriffen. Obwohl deutlich in der Unterzahl, fielen die 50 Reiter regelrecht über die Eingekreisten her. Diese hatten der geballten Wut bald nichts mehr entgegenzusetzen. Niemand ließ Gnade walten nach dem in der Stadt Gesehenen.

Während wir de Fontes´ Soldaten erbarmungslos niederschlugen, eilte einer meiner Gefährten weiter, um unsere Bogenschützen heranzuholen. Sie wurden dringend in der Stadt gebraucht, sonst waren Rogérs Männer verloren!

Die Nachricht des Boten ließ den Trupp umgehend loslaufen. Durch das offene Stadttor konnte er nicht hinein, ohne sofort umzukommen. Also blieb allein der Weg über die Mauern, die Seile hoch. Von den Wehrgängen aus mussten anschließend die feindlichen Truppen dezimiert werden, die den Überlebenden so schwer zu schaffen machten. Allerdings brauchten die Helfer dabei selbst Unterstützung. Meine Krieger würden ihnen noch vor ihrem Eintreffen in der Stadt einen Vorteil verschaffen!

Im Galopp ging es zurück. Hoffentlich hatten die Eingekreisten bis jetzt durchgehalten!

Meine Berittenen stürmten erneut durch das offene Stadttor.

Die Verluste der Kämpfer hinter den Mauern hatten sich vergrößert. Als wir plötzlich wieder auftauchten, schien ein Ruck durch die Überlebenden zu gehen. Sämtlichen Feinden hingegen stand die Überraschung ins Gesicht geschrieben. Die gegnerischen Bogenschützen brauchten zu lange, bis sie uns mit Geschossen überzogen. Ihre Pfeile hielten niemanden auf – noch nicht …

Wir sprengten ohne sichtbares Zeichen auseinander. Die Hälfte der Männer hielt auf die Mauern links und rechts des Stadttores zu. Kurz vorher sprangen sie von den Pferden und rannten die Treppen hinauf. Unter allen Umständen mussten die nächstgelegenen Aufgänge gesichert und möglichst viele Schützen beseitigt werden. Nur dann konnten unsere eigenen Fernkämpfer von außen die Seile hochklettern!

Einige Reiter starben schon auf den ersten Stufen, doch die meisten schafften es bis auf die Wehrgänge. Sofort stürzten sie vor und beseitigten auch die weiter entfernten Schützen. Zudem wurden die beiden Türme besetzt, die das Tor einfassten. Kurz darauf kletterten die ersten Helfer über die Stadtmauer. Währenddessen galoppierte ich mit den anderen 25 Reitern frontal in eine massive Ansammlung der Feinde hinein. Die hatte eine große Gruppe Überlebender völlig eingekreist. Unser Vorstoß riss eine deutliche Bresche in die Reihen der Gegner, ohne jedoch ihre Gegenwehr brechen zu können. Plötzlich sackten einige Sarazenen von Pfeilen getroffen zusammen. Meine Bogenschützen – sie hatten es geschafft und die Stellungen auf den Mauern neben dem Tor eingenommen!

Wir nutzten den Moment und vereinigten uns mit den Angegriffenen. Ich befahl die Rückkehr zum Stadttor. Dort konnten wir den anderen Kriegern bei der Verteidigung der Wehrgänge helfen. Den Bogenschützen durfte nichts passieren, sonst waren wir verloren!

Mit dem Erreichen des hölzernen Einlasses verteidigten meine Reiter die Aufgänge, alle anderen hasteten hinauf. Die Krieger auf Wehrgängen und Türmen hatten deutliche Verluste erlitten. Immer mehr Feinde drängten heran und versuchten, die Stufen zu besetzen. Kam auch nur ein einziger naher Aufstieg in die Hand der Soldaten de Fontes´, war die Niederlage ebenfalls unabwendbar!

Unsere versammelten Kämpfer hielten sich besser als erwartet. Die Reiter bremsten den schlimmsten Ansturm bereits vor den ersten Stufen, und die Krieger dahinter verteidigten jede Fußlänge mit ihrem Leben. Vereint standen sie langsam immer sicherer. Dann gehörte der Durchlass uns. Somit war der Fluchtweg gesichert!

Die Feinde begannen deutlich zu wanken. Wenn wir jetzt nachsetzten, ließ sich eine fast völlige Niederlage in einen fulminanten Sieg verwandeln!

Ich ließ ein Signal geben, und jeder zweite Soldat kam herüber zu mir. Gemeinsam machten wir gezielt Jagd auf sämtliche Gegner in der Nähe. Die Wut meiner Männer schien grenzenlos. Jeder wollte Rache für die Gefallenen. Bald entstanden immer größere Lücken in den Reihen der Angreifer auf dem Platz.

Die letzten Anhänger des Statthalters flohen irgendwann ins Innere Vallettas.

Der Sieg gehörte uns!

Die Männer jubelten. Kaum jemand hatte wohl damit gerechnet, dem Tod zu entkommen. Der Platz war übersät mit Toten und Verletzten. Trotzdem lebten noch ungefähr 200 von ehemals 400 Kämpfern. Die alten Gefährten Raimunds und Rogérs Männer hatten einen hohen Preis gezahlt. Ich übersah die verbliebene Truppe. 280 Kämpfer insgesamt – 200 Überlebende, 30 meiner Reiter und 50 Schützen. Letztere beklagten keinerlei Verluste.

Wenig genug!

Vielleicht fanden wir noch weitere Verletzte auf dem Schlachtfeld …

Beinahe hätte es ein totales Massaker gegeben. Der bereits besiegelte Tod der Überlebenden des Hinterhaltes war jedoch allein durch das Eingreifen meiner kleinen Reserve abgewendet worden!

Während der Suche nach Verwundeten schleppten Helfer einen bei den Kämpfen schmerzlich Vermisst heran – Rogér! Jemand hatte ihn bewusstlos zwischen den Toten gefunden, mit einer tiefen Wunde unter dem gespaltenen Helm. Böse niedergeschlagen, war er wohl seit dem Eindringen in die Stadt bewusstlos gewesen. Große Überraschung machte sich breit, als der alte Anführer nun blutüberströmt und schwankend zwischen den Erschöpften stand. Mühsam versuchte er, seine Gedanken zu ordnen.

Arnaud und Broderik blieben nach wie vor verschwunden. Wieder stieg Wut in mir hoch, aber dafür blieb jetzt kein Platz. Meine Männer lebten – das allein zählte in diesem Moment!

Sie mussten sämtliche Waffen auf dem Platz einsammeln und mitnehmen. Ich achtete strikt auf die Ausführung des Befehles. Unterschwellig kam Freude auf. Einen Teil der Kämpfer gerettet, die Feinde besiegt und mein erstes Kommando erfolgreich beendet, auch wenn es kein erteiltes war!

Trotzdem – wir hatten noch nichts gewonnen!

Alle konnten ausruhen, während ich mir Bericht erstatten ließ.

Beim Einzug der Soldaten Rogérs zusammen mit denen des Kreuzritters lag die Stadt ruhig vor ihnen.

Unsere Krieger schienen die Wehrgänge komplett besetzt zu haben. De Moncadrieuxs Einheiten rückten geschlossen zuerst ein. Auf dem Weg zum Statthalterpalast führte er sie weit in die Stadt hinein. Als die letzten der insgesamt 1850 Kämpfer die Stadtbefestigungen durchquert hatten, brach plötzlich ein mörderisches Inferno los. Überall erhoben sich Soldaten des Stadthalters. Auf jedem Dach, hinter jeder Mauer hatten sie gewartet. Arnauds Heer war komplett eingekesselt und einem regelrechten Kreuzfeuer ausgesetzt. Pfeilhagel sorgten sofort für große Verluste. Den großen Platz direkt hinter dem Tor riegelten die Feinde völlig ab, und so saßen auch Rogérs Gefolgsleute in der Falle. De Moncadrieuxs Kreuzfahrer, die schon tief in der Stadt waren, wurden von den nachfolgenden Kämpfern abgeschnitten. Hinter ihnen blockierten brennende Ochsenkarren den Weg. Rogérs Männer blieben zurück und wurden sofort von de Fontes´ Fußtruppen angegriffen. Auch sie deckte man pausenlos mit Pfeilsalven ein.

Wir waren erwartet worden. Unser ungehindertes Eindringen in die Stadt musste Bestandteil eines perfekten Hinterhaltes gewesen sein!

Für die beiden Anführer gab es noch eine andere böse Überraschung. Nicht allein Gefolgsleute des Statthalters standen ihnen gegenüber – bei der Mehrzahl der Gegner handelte es sich um Araber! De Fontes´ Verstärkungen waren bereits eingetroffen, ohne dass wir ihre Anwesenheit auf Malta bemerkt hatten!

Zusammen mit den Truppen des Stadthalters metzelten die Sarazenen unser Heer dahin. Dessen Großangriff schien beendet, bevor er überhaupt begonnen hatte.

Rogérs Gefährten verteidigten sich ohne jegliche Deckung so gut wie nur möglich. Die Angreifer blieben deutlich in der Überzahl. Zuerst brachte man unsere Anführer um. Anschließend wuchsen die Verluste der führerlosen Krieger umso schneller.

Arnauds Einheiten machte währenddessen ein anderes Problem zu schaffen. In den engen Straßen Vallettas blieb kaum ein richtiger Kampf möglich. Zu dicht standen die schwerbewaffneten Kreuzfahrer zusammen. Sie behinderten sich gegenseitig und hatten keinen Platz, die wütenden Vorstöße abzuwehren. Da die Fußsoldaten nicht die Flanken der Kolonne deckten, sondern verteilt mitliefen, führte fast jeder Angriff auf die schwerfälligen Ritter zum Erfolg. De Moncadrieuxs Männer wehrten sich verzweifelt, aber ohne wirklichen Erfolg. Ihre Verluste nahmen immer mehr zu. Verzweifelt versuchten Ritter und einfache Kämpfer, sich voneinander zu lösen Es gab jedoch keine Möglichkeit zum Ausweichen. Auch der Aufbau einer Verteidigungsformation gelang nicht. Zudem scheiterten Arnauds Versuche, Rogérs Eingekesselten zu helfen, kläglich. Gleichzeitig nahmen die Attacken von den Dächern und Mauern ständig zu. Seine komplette Nachhut wurde vernichtet.

Zurück konnten das Heer nicht mehr. Allein der Weg weiter in die Stadt hinein schien Rettung zu versprechen. Der Kreuzfahrer entschied sich für die einzige Möglichkeit. Seine Truppen würden versuchen, um jeden Preis zu den Templern vorzustoßen. Sollten sie wirklich umkommen müssen, dann wenigstens nicht in den schmalen Straßen und Gassen. Hier schlachtete man das gesamte Heer nach und nach ab!

Inmitten dieser verzweifelten Situation warnte ihn ein maltesischer Einwohner. Arabische Einheiten hätten in der Zwischenzeit die Templerkomturei angegriffen und stünden auch dort kurz vor dem Sieg!

Elisabeths Vater blieb trotzdem bei dem gefassten Plan. Mit einer Flucht nach vorne rechneten die Gegner am allerwenigsten!

Der Ausbruch gelang. De Moncadrieuxs Truppen strömten sofort weiter, tiefer in die Stadt hinein. Nun gab es auch endlich mehr Raum zur Verteidigung.

Ganz Valletta schien in feindlicher Hand zu sein!

Raimunds Freund schickte einen Mann zurück zum Platz, um Rogér zu informieren. Wenn er den Gefährten schon nicht helfen konnte, sollten diese wenigstens durchhalten. Vielleicht konnte er mit den Mönchsrittern zurückkommen.

Kurz darauf trug man den Boten schwer verletzt heran. Die Nachricht hatte den alten Gefährten meines Vaters trotzdem erreicht.

Rogérs Krieger waren völlig eingeschlossen worden. Eine erdrückende Übermacht stand ihnen gegenüber. Sie erlitten fürchterliche Verluste. Deutlich mehr als 100 Kämpfer hatten die Angreifer bereits massakriert. Bald schon würden sie ihr Werk endgültig vollendet haben …

Wie aus heiterem Himmel erfolgte dann der Reiterangriff meiner Gefährten.

Ich unterdrückte mein Erstaunen.

Hatte der Kreuzritter nur einem Verbündeten helfen und wenigstens einen Teil unserer Streitkräfte durch eine Flucht nach vorne retten wollen? War er doch nicht der Verräter, für den ich ihn hielt?

Es würde sich zeigen …

Wir mussten unbedingt handeln!

Bereits wenige Worte ließen die überlebenden Krieger zusammenkommen. Viele von ihnen waren aufs Äußerste erschöpft oder verwundet, doch jetzt stand allein das blanke Überleben im Vordergrund!

Zur Komturei der Templer!

Sollten sowohl Broderik als auch Arnaud Verräter sein, hätten sie hier wie dort leichtes Spiel mit uns. Dazu zeigte sich meine Reserve zu sehr geschwächt und in der Unterzahl. Ich konnte mich jedoch nicht einfach zurückziehen und so unsere Sache verraten!

Alles Weitere hing davon ab, Klarheit zu bekommen. Blieben die beiden den gemeinsamen Zielen weiterhin treu, hätten sie Hilfe vielleicht bitter nötig. Ansonsten ginge die Unterstützung für meinen Großvater später in Outremer hier endgültig unter!

Rücksichtslos trieb ich die Männer vorwärts. Bis zu unserem Ziel stand ein ganzes Stück strammen Marsches bevor.

Die Komturei lag am entgegengesetzten Ende Vallettas, unmittelbar an der Stadtmauer.

Absichtlich wählten wir den Weg direkt durch die Stadt, Arnaud hinterher. Möglicherweise waren die Kreuzfahrer irgendwo steckengeblieben und brauchten Hilfe!

Die besten Fußkämpfer liefen außen und deckten die Seiten mit großen Schilden. Unsere Bogenschützen marschierten dagegen innen, inmitten einer massiven Absicherung. Zusätzlich hatte ich Vor- und Nachhut verstärkt, um weitere große Verluste zu vermeiden.

Schnell zeigte diese Formation Wirkung. Dauernd holten unsere Schützen Feinde von den Dächern, ohne dass die für ernsthafte Behinderungen sorgen konnten. Selbst Übergriffe kleinerer Gruppen aus Seitengassen und Nebenstraßen heraus schüttelten wir ab wie ein nasser Hund den Regen.

Meine Truppe stieß ohne größere Probleme vor. Die Vorhut musste zwar immer wieder Barrikaden durchbrechen, doch ich hielt das Marschtempo unverändert hoch.

Bislang blieben Arnaud und seine Krieger nach wie vor wie vom Erdboden verschluckt.

Die äußeren Stadtviertel Vallettas rückten näher.

Eine Straße weiter hatten wir plötzlich Qualmgeruch in der Nase. Kurz darauf konnte man in einiger Entfernung schwarze, große Wolken zwischen den Häusern aufsteigen sehen. Ich ahnte, woher sie kamen. Trotzdem wurde das Tempo beibehalten. Meine erschöpften Gefährten brauchten die letzten Kraftreserven für die bevorstehende Schlacht.

Kaum war unser Ziel in Sicht, stoppten wir abrupt. Es bot sich ein bedrückender Anblick. Ich hatte Arnaud de Moncadrieux und Broderik zu kurz getan!

Direkt vor dem Zentrum der Tempelritter lag ein riesiger Exerzierplatz. Hier fand sonst der größte Markt der Insel statt. Jetzt zeigte er sich vollgestopft mit kämpfenden Männern. Überall dominierten die brombeerfarbenen Fahnen und Umhänge der Truppen des Statthalters sowie die bunten Banner der Araber!

Innerhalb der stark befestigten Komturei stieg an mehreren Stellen Qualm auf. Ihre Mauern waren voll besetzt mit Verteidigern, die sich mühten, Wurfanker und angelegte Leitern zu beseitigen. Sie kippten Pech und siedendes Öl hinunter, während die Sarazenen mit einem Rammbock das Tor einzudrücken versuchten. Feindliche Bogenschützen schickten Hagel von Brandpfeilen gegen das Bollwerk. Gleichzeitig versuchten die Mönchsritter ihrerseits, die Übermacht mit Pfeilsalven und Steinbrocken aufzuhalten.

Auf dem Platz schlugen unzählige Kämpfer aufeinander ein. De Moncadrieuxs Truppen umfassten bei ihrem Eindringen in die Stadt 1450 Männer, dazu kam ein deutlich stärkerer Gegner. Hier mochten weit über 3000 Krieger versammelt sein!

Dann endlich sah ich Arnauds Banner – weit entfernt von der Komturei. Eine Entlastung der Ordensritter durch seine Kräfte hatte es bisher nicht gegeben. Das Zeichen des Maltesers wehte inmitten des eigenen Heeres, blieb jedoch ständig in Bewegung. Entweder war der Ritter auf der Flucht, oder er versuchte verzweifelt, die Männer anzutreiben und näher an das belagerte Bollwerk heranzubringen. Seine Soldaten schienen große Verluste erlitten zu haben. Etliche der vor dem Eindringen in die Stadt stolz hoch gehaltenen Fahnen konnte man nirgends mehr erkennen.

Die Sarazenen führten einen Kampf an zwei Fronten. Ihre Kräfte schienen ausreichend genug, um die Komturei und die Kreuzritter gleichzeitig erfolgreich zu bedrängen. Sämtliche umliegenden Gebäude waren zudem mit Bogenschützen besetzt, und aus den angrenzenden Straßen rückten weitere Einheiten gegen Arnauds Heer vor. Man nahm den Eingeschlossenen bewusst jeden Raum für einen freien Kampf, den sie mit ihrer schweren Panzerung und vollen Bewaffnung dringend brauchten. Die Krieger waren dem Untergang geweiht!

Der letzte Trumpf der geschrumpften Armee blieben die Templer. Sie hatten unbedingt aus dem belagerten Hauptquartier herauszukommen!

Unsere Handvoll Männer musste bis dahin helfen – so lächerlich es mir auch vorkam …

Ich besprach mich kurz mit Rogér, der seine Sinne mittlerweile wieder beisammen hatte.

Wir würden die gleiche Taktik wie auf dem Platz am Stadttor benutzen. Meine 30 Reiter sollten zusammen mit mir in einem Keil zwischen die Feinde stoßen und die entstehende Überraschung ausnutzen. Währenddessen hatten sie sich Arnauds Truppen zuzuwenden. Die Fußsoldaten unter Rogér würden direkt folgen und die Bresche hinter den Berittenen vergrößern. So konnten wir vielleicht nicht nur die Schlacht beeinflussen, sondern zusätzlich die Komturei entlasten. Entscheidend bei sämtlichen Überlegungen blieb die Erwartung, dass die Ordensritter die Situation erkannten und uns im Gegenzug sofort mit einem Ausfall beistanden. Ansonsten würde die gesamte Gruppe von der Menge der Sarazenen wie zwischen Mühlsteinen zerrieben werden. Auch Arnaud und Broderik wären dann endgültig dem Tode geweiht!

Hatte ich Angst oder Aufbegehren von den Gefährten erwartet, belehrten sie mich umgehend eines Besseren. 200 überlebende Soldaten Rogérs, 30 Reiter und 50 Schützen sahen mir offenen Blickes entgegen. Trotz der Erschöpfung durch die bereits hinter ihnen liegenden Kämpfe gab es kein einziges mutloses Gesicht. Alle blieben fest entschlossen, zu siegen oder mit den anderen zu sterben. Diese alten Wegbegleiter Raimunds waren aus einem harten Holz geschnitzt!

Die 50 verbliebenen Bogenschützen erhielten ebenfalls eine Einbindung in den bevorstehenden Angriff. Kleine Gruppen der regulären Krieger sollten mit ihnen zusammen die umliegenden Häuser besetzen und die Feinde dort beseitigen. Die Schützen hatten anschließend bei unserem Vorstoß für Entlastung zu sorgen, während ihre Begleiter sie bewachten. 25 Gruppen machten sich alsbald auf den Weg. Jeweils zwei Fernkämpfer wurden von vier Männern abgesichert. Diese Einheiten und die Berittenen abgerechnet, blieben Rogér somit noch ungefähr 100 schwer bewaffnete Soldaten, Verwundete nicht einbezogen. Jedem war bewusst, dass möglicherweise von uns das Überleben sämtlicher Truppen auf dem Platz abhing!

Wir warteten. Bald folgten die verabredeten Zeichen – unsere Männer hatten sämtliche umliegenden Häuser von Sarazenen geräumt und Position bezogen. Sie würden mit dem Beschuss beginnen, sobald ich mit den Gefährten anritt. Auf dem Platz schien niemandem aufzufallen, dass das Sperrfeuer aus den Gebäuden plötzlich ein Ende hatte.

Ich gab Rogér den Hund mit einem Strick an die Hand. Das Tier verhielt sich wie toll, aber dies blieb die einzige Möglichkeit, meinen Freund nicht noch mehr zu gefährden. Bei dem bevorstehenden Reiterangriff käme er mit Sicherheit um. So aber sah ich ihn vielleicht wieder, wenn wir die Schlacht gut überstanden hatten …

Die Keilformation wurde gebildet.

Unsere Pferde gingen schnell in den gestreckten Galopp über. Kurz vor dem Aufeinandertreffen erfolgte das Senken der Lanzen. Trotz des Schlachtenlärms hörten viele Gegner den Hufschlag.

Zu spät!

Der Aufprall war fürchterlich. Meine 30 Gefährten preschten ungebremst in die dichte Masse der Feinde und schlugen eine tiefe Schneise mitten hindurch. Mit der gleichen Wucht ging es weiter hinein, in Arnauds Richtung. Die meisten Lanzenspitzen waren abgebrochen, aber auch die langen Stümpfe blieben tödliche Waffen. Auf mein Zeichen griffen wir zu den Morgensternen und hielten grausame Ernte.

Bis zur Mitte des Platzes lagen bereits über 100 Feinde in ihrem Blut. Erschüttert bemerkten die Gegner das Gemetzel. Die ersten drängten für einen Moment weg von den vorstürmenden Pferden, doch dann schloss sich die Menschenmenge wieder. Jeglicher Angriffsschwung kam abrupt zum Erliegen. Trotzdem forderte der Ansturm in dem Gedränge viele Opfer, denn die Pferde rissen alles um, was vor ihnen stand. Wir trieben sie weiter vorwärts, aber die Sarazenen hatten sich darauf eingestellt. Mit jedem Galoppschritt nahm ihr Hauen und Stechen zu. Kein Arnaud kam heran, kein Broderik ließ sich blicken! Wir waren auf diesem großen Schlachtfeld allein und würden es nicht schaffen!

Rogér hatte unsere Not gesehen. Rücksichtslos ließ er die Soldaten rennen, um schneller helfen zu können. Während sich die Feinde noch auf meine Reiter konzentrierten, nutzten seine Fußtruppen den Moment. Erbarmungslos halfen uns die Gefährten aus der tödlichen Umklammerung, trotz schlimmer Angriffe von allen Seiten. Gleichzeitig versuchten die Bogenschützen, aus den Gebäuden heraus jegliche Bewegung zu unterstützen. Erneut trieben wir die Pferde an. Nur weiter – tief in die gegnerische Menge hinein, de Moncadrieux entgegen!

Ohne den wuchtigen Attacken etwas entgegensetzen zu können, erlitten die Sarazenen erneut Verluste. Ihre Lücken schlossen sich zwar schnell wieder, aber der gezeigte Mut beeindruckte sie unübersehbar. Kurz wirkte es, als hätten Kreuzfahrer und Templer die neue Unterstützung endlich bemerkt. Die Gegenwehr der Verbündeten wuchs sichtbar. Vielleicht verstanden sie den Vorteil, den ihnen dieses unverhoffte Eingreifen verschaffte!

Immer mehr Araber lösten sich aus dem Ansturm gegen Kreuzritter und Komturei, um der neuen Gefahr zu begegnen. Auch in Arnauds Einheiten kam Bewegung. Langsam suchten die Bedrängten ebenfalls den Weg vorwärts. Unser Plan war aufgegangen!

Nun lag es an den Mönchskriegern, die neue Situation zu nutzen. Allein ihr Ausfall würde das Blatt wenden!

Rogérs Fußtruppen waren abgedrängt worden.

Die 100 Männer kämpften jetzt wieder ein ganzes Stück entfernt und hatten die ersten Verluste. Wir mussten sie unbedingt erreichen. Mit zwei getrennten Gruppen würden die Gegner sonst leichtes Spiel haben!

Meine Reiter gaben den Tieren die Sporen. Kurz darauf bremste uns eine undurchdringliche Wand aus Schilden, Schwertern und Menschen. Der Aufprall ließ die meisten stürzen. Bereits im Fallen schlugen die Feinde auf sie ein. Plötzlich riss eine Welle von Pfeilen aus sämtlichen Richtungen die umstehenden Angreifer weg. Es gab ein wenig Platz. Meine Überlebenden standen mühsam auf, während ihnen ein zweiter Pfeilhagel weiteren Raum verschaffte. Die Rücken zueinander gedreht, inmitten verletzter und um sich schlagender Pferde, versuchten sie nicht unterzugehen. Wo blieben die Ordensritter? Die Verteidiger hatten doch von den Mauern herab alles mitangesehen!

Außer mir waren noch drei Reiter im Sattel geblieben. Jeder Versuch, die Tiere erneut anzutreiben, erstarb. Die Sarazenen hatten uns dermaßen dicht eingeschlossen, dass die Tiere nicht einmal mehr steigen konnten. Auch wir wurden nun heruntergestochen. Eine Lanze streifte den linken Oberarm, durchdrang das Kettenhemd und hob mich regelrecht aus dem Sattel. Schon bevor der Schmerz einsetzte, schoss der Gedanken an meinen Vater hoch. Er und mein Großvater müssten ihren Kampf um Freiheit und Recht allein zuende bringen müssen. Ich dagegen würde meine Mutter wiedersehen!

Ein innerliches Lächeln stieg auf …

Bäuchlings schlug ich auf dem Boden auf. Der harte Aufprall drückte die Luft unbarmherzig aus der Lunge. Trotzdem tasteten die Finger nach dem Schwert. Währenddessen prasselten zahllose Schläge von oben herab. Unwillkürlich drehte ich mich sofort auf den Rücken und riss die Waffe zum Schutz quer über den Oberkörper. Eine Mannslänge höher gab es keinen Himmel mehr, nur hasserfüllte Gesichter. Sie würden mich totprügeln!

Die Feinde setzten unentwegt nach, doch ihnen blieb kaum Platz. Zu sehr drängte und schob die kämpfende Menge. Das war mein Glück. So konnte niemand einen gezielten, tödlichen Hieb anbringen. Plötzlich brach einer der Angreifer zusammen. Er fiel mit einer gefleckten Masse im Nacken vornüber.

Mein Hund!

Lautes Knurren drückte sich durch den Schlachtenlärm, während das Tier den strampelnden Gegner kampfunfähig machte – auf meiner Brust. Ich versuchte, es irgendwie vor herabkommenden Hieben zu schützen. Ein mühevolles Unterfangen, denn der Tote ließ sich nicht abwälzen, und der Hund schnappte bereits nach einem weiteren Gegner. Dabei schrien zwei Sarazenen über uns auf und fielen vornüber, ebenfalls auf mich. Der Versuch, einzuatmen, erstarb in einem kurzen Röcheln. Lang auf dem Boden liegend, inmitten stampfender Beine, mit drei Toten auf der Brust, schossen Panik und das Gefühl hoch, zu ersticken. Mir schwanden die Sinne. Einen Moment später zog jemand die leblosen Körper weg. Schwer atmend wurde ich auf die Füße gestellt, zu jeder Abwehr unfähig. Nur langsam klärte sich der Blick wieder. Mitten im Getümmel jaulte der Hund vor Freude und sprang an mir hoch. Daneben stand Rogér, flankiert von einigen Gefährten mit blutigen Waffen.

Die Fußkämpfer hatten wieder aufgeschlossen!

»Noch nicht sterben, Freund! Wir brauchen Euch!«

Dann kam die Erinnerung zurück.

»Meine Reiter?«

Raimunds alter Freund deutete mit der Hand auf zwei Verwundete einige Schritte entfernt.

»Alle anderen haben es nicht geschafft!«

Die Berittenen waren ausschließlich Arnauds Gefolge zuzurechnen. Tapfere Ritter, die bei dem letzten Angriff bereits mit dem Tod gerechnet hatten!

Die nächsten Sarazenen stürzten heran. Inmitten der Angriffe bildeten unsere Männer hastig zwei ineinander liegende Kreise. Sie standen Schild an Schild.

Eilig rechnete ich die Überlebenden zusammen. Rogér hatte in den vergangenen Jahren ganze Arbeit bei der Ausbildung der Krieger geleistet. Seine Elitesoldaten verzeichneten lediglich zwei Tote, die anderen Gefährten insgesamt nur 16. Die 30 Reiter lebten nicht mehr. 50 Bogenschützen und 100 Mann zu ihrem Schutz saßen in den umliegenden Häusern. Bei 18 Umgekommenen unter seinen Anhänger blieben noch 82 Kämpfer übrig!

Arnaud führte sicherlich ungeachtet der Verluste weiterhin deutlich mehr als die zehnfache Anzahl an. Die Truppen des Kreuzritters waren wieder zum Stehen gekommen. Wütend hatten die Feinde sie erneut eingeschlossen und jegliche Vorwärtsbewegung erstickt. Welche Fehler diese Einheiten auch machten – so würden alle sterben!

Wenn Rogérs und meine bisherigen Bemühungen sowohl von Kreuzrittern als auch Templern weder in ihrem noch unserem Sinne genutzt wurde, dann war es nun vorbei mit der Unterstützung! Längst hatten wir genug mit dem eigenen Überleben zu tun und konnten keine weitere Hilfe mehr leisten!

»Nehmt ihn! Ihr seid nicht nur hier unersetzlich, sondern auch später im Heiligen Land!«

Kraftvoll warf Rogér mir einen großen Schild zu, den er vom Boden aufgehoben hatte. Die Araber drängten und schoben vorwärts – bisher ohne Erfolg. Wir standen mit dem Hund in der Mitte des inneren Kreises und führten die Krieger lauthals. Diese schützten sich gegenseitig, und so konnten die Gegner niemanden aus dem äußeren Ring herausschlagen. Die Sarazenen zogen daraufhin noch mehr Kräfte zusammen. Anscheinend wollten sie eine weitere Front neben den Kreuzrittern und den Templern endgültig unterbinden!

Der Druck wurde größer. Deutlich wankte der äußere Kreis unter der Anstrengung. Sämtliche Verteidiger benahmen sich äußerst geschickt. Der erste Ring wehrte die Angriffe ab, während die Krieger dahinter schnelle Vorstöße aus der Tiefe der Formation führten. Rogér mischte aus dem Kreisinnern heraus ständig mit. Grob riss ich ihn zurück.

»Hört auf damit! Wenn die Gefährten wanken, ist Euch der Tod gewiss bei derartigen Vorstößen! Ihr sollt die Männer in Outremer ebenfalls führen!«

Schlagartig wurde er ruhig, als stünden wir allein auf einem Marktplatz anstatt inmitten eines mörderischen Getümmels.

»Falko, ist noch immer nicht deutlich geworden, mit wem wir hier kämpfen? Ihr befindet Euch unter den besten Männern, die Raimund je hatte! Selbst bei den Arabern oder Ritterorden finden sich keine gleichwertigen Krieger! Sie sind nicht mehr jung, aber bis heute nie geschlagen worden. Früher nannte man einige von ihnen die »Unbesiegten"!«

Das war die fehlende Erklärung!

Die eingespielten Manöver, die flüssigen Bewegungen – hier stand die Truppe meines Vaters aus seiner Zeit vor dem Ordensbeitritt! Sie hatten ihm über mehr als zwei Jahrzehnte lang die Treue gehalten und zeigten sich nun in ihrer ganzen Stärke!

Es gab weder hektische Bewegungen noch überstürzte Reaktionen bei den heftigen Angriffen. Schier unendliche Erfahrung glich fortgeschrittenes Alter völlig aus. Jeder Handgriff saß, und die Verteidigung blieb absolut tödlich. Ihr Zusammenspiel war einzigartig!

Das Anrennen der Sarazenen nahm nicht ab.

Dieser Kampf schien bereits Ewigkeiten anzudauern. Auch wir hatten jetzt Verluste, denn der Druck wuchs stetig. Immer wieder musste ein Krieger in den äußeren Verteidigungsring rücken, um eine Lücke zu füllen. Die Gefährten waren am Ende, aber noch hielten sie durch. Zumindest Broderik hätte längst erscheinen müssen. Von den Mauern konnte man jede Einzelheit des Geschehens zweifellos gut erkennen. Wieso verging so viel Zeit, ohne dass die Templer einen Ausfall unternahmen? Wir hatten doch wohl genügend Feinde auf uns gezogen, um den beiden anderen Gruppen ausreichende Entlastung zu verschaffen! Und nun wurden meine Soldaten hier aufgerieben, nur weil Kreuzfahrer und Ordensritter zur Hilfe unfähig oder zu feige waren!

Die Bogenschützen lichteten die Reihen der Angreifer weiterhin erbarmungslos. Ohne sie wären wir längst verloren gewesen. Plötzlich sah man auf einigen Dächern Handgemenge. Der Gegner versuchte, unsere Schützennester zu beseitigen!

Unruhig sahen meine Gefährten immer wieder in die Höhe. Etwas später zischten wieder aus allen Häusern ungehindert Pfeile herunter auf den Platz. Die Sarazenen hatten ihr Ziel nicht erreicht!

Hier unten schienen sie daraufhin weitere Kräfte auf die Verteidigungsringe zu konzentrieren. Erneut wankte der Außenkreis deutlich unter dem Druck. Nun wurde deutlich, welch großer Vorteil sich durch die eingesammelten Waffen ergab. Anstatt wie die meisten Krieger auf den Schlachtfeldern irgendwann unter Mangel zu leiden, waren wir übermäßig gut ausgerüstet und vermochten weiterhin gegenzuhalten.

Längst verschwendete ich keinen Blick mehr hinüber zu den Kreuzfahren oder den Templern. Die Zeit schien endlos und doch stehengeblieben zu sein. Seit gefühlten Ewigkeiten gab es lediglich einen alles beherrschenden Gedanken. Wir waren allein und blieben es wohl auch! Allein die Bogenschützen und deren Leibwachen verlängerten unser Überleben weiterhin …

Ich dachte einen Moment lang an bloße Einbildung, als man Pferde herangaloppieren hörte.

Die Templer eilten uns doch noch zu Hilfe!

Etwa 100 Reiter, darunter vielleicht 40 Ritter, schlugen sich den Weg frei zu Arnauds Männern. Eine zweite Gruppe mit Broderik an der Spitze hielt kurz darauf direkt auf uns zu, ungefähr so stark wie die erste. Der Orden schickte seine Hauptmacht, um zu helfen!

Zu der Komturei gehörten ungefähr 100 Ritter. Davon 80 hier auf dem Schlachtfeld zu sehen, bedeutete die größtmögliche Hilfe, die man gewähren konnte, während gleichzeitig die Sarazenen weiter die Mauern berannten!

Schlagartig schien sich hier alles zum Guten zu wenden. Die Feinde bekamen jetzt große Probleme, auch wenn sie nach wie vor stark in der Überzahl blieben.

Es konnte nicht sein!

Sie hatten eine kleinere Truppe bei den Stadttoren Vallettas fast aufgerieben, eine große Streitmacht aus Kreuzfahrern nahezu niedergerungen und dann die Templer in ihrem Hauptquartier beinahe besiegt. Der Sieg war zum Greifen nah. Und nun diese Wendung!

Erst griff eine Gruppe Überlebender an den Stadttoren in die Schlacht ein. Und jetzt mischten auch die bedrängten Elitekämpfer, die kaum ihre brennende Komturei zu schützen vermochten, hier auf dem Platz mit!

Unsere Unterstützung nutzte den aufkommenden Schrecken. Beide Gruppen ritten in Keilformation in die Gegner hinein. Mit brachialer Gewalt verschafften sich die Einheiten Platz. Die Sarazenen begannen zu wanken. Ich hatte den Eindruck, als sei das Hauptziel der Templer nicht der Tod ihrer Gegner. Stattdessen verletzten sie möglichst viele von ihnen. Ein Soldat, der sich um Verwundete kümmern musste, band freie Kräfte und konnte schlechter angreifen …

Die Arnaud zu Hilfe kommenden Mönchsritter verschafften den Kreuzfahrern deutlich Luft. Diese versuchten nochmals, aus der tödlichen Umklammerung zu entkommen und drängten mit aller Macht weiter auf den Platz, herüber zu uns.

Rogér und ich achteten währenddessen weiterhin nur auf die eigene Verteidigung. Bis jetzt blieb unklar, zu wessen Gunsten sich der Kampf endgültig entwickelte. Unsere Helfer rissen die Reihen der Araber um die Kreise herum auf und sorgten für Angst und Schrecken.

Broderik griff weiterhin erbarmungslos an. Er ritt mit den Templern und doch ständig vor ihnen – unentwegt dort, wo die Gefahr am größten schien. Wollte der Mann seinen Tod regelrecht provozieren? Niemand sonst legte es bewusst darauf an, das Schicksal dermaßen zu reizen. Mir gegenüber war er immer kühl und berechnend aufgetreten wie jemand, der jeden Schritt im Voraus plante. Und nun solch ein lebensmüdes Vorgehen!

Rogér stieß mich an. Der alte Freund meines Vaters hatte meine Blicke gesehen.

»Wundert Euch nicht! Der Templer hat triftige Gründe. Lasst ihn gewähren! Führt Ihr dagegen die Krieger weiter so klug wie bisher!«

Mehr und mehr Sarazenen fielen – zu wuchtig blieben die Angriffe der Mönchsritter und Kreuzfahrer. De Moncadrieuxs Soldaten drängten weiter heran und hatten uns fast erreicht. Schließlich brachen die Kreuzritter endlich zu uns durch. Gleichzeitig vereinigten sich auch die beiden Gruppen der Tempelritter. Sie hatten ungefähr 50 Gefolgsleute verloren. Anstatt jedoch ebenfalls zu uns vorzustoßen, bildeten die Retter einen großen Halbkreis, dessen offene Seite die Mauern der Komturei begrenzten. Die Lücken zwischen den einzelnen Reitern füllten Arnauds Einheiten hastig aus. In seinem Innern befanden sich die überlebenden Sarazenen. Schnell zog sich die tödliche Umklammerung zu. Die Eingeschlossenen machten keinerlei Anstalten, aufzugeben. Mit einem Aufschrei aus zahllosen Kehlen stürzten sie los. Ihre Feinde nahmen die Aufforderung mit einem vielstimmigen Aufschrei an.

Während des erbarmungslosen Ringens wanderte die Sonne vielleicht vier Handbreit weiter. Dann war dieser Kampf wie die vorhergehende Schlacht beendet.

Wir hatten endgültig gesiegt!

Langsam sammelten sich unsere Soldaten und suchten den Platz nach eigenen Verwundeten ab.

Verletzten Gegnern gegenüber gab es keinerlei Gnade. Zu tief saß der Hass nach den Ereignissen in der Stadt. Ich war mir sicher, dass beide Seiten nach einem Sieg so gehandelt hätten. Trotzdem blieb mehr zurück als ein fader Beigeschmack.

Noch nie hatte ich solch ein Gemetzel erlebt!

Mir war speiübel. Im Kloster versuchte man ständig Menschlichkeit zu leben. In der Welt draußen dagegen überlebte man nur um jeden Preis oder starb schnell!

Andererseits gab es keinen Grund zur Trauer.

Eine fast sichere Niederlage war in einen Sieg verwandelt worden. Eigentlich hätten hier über 1800 Christen liegen müssen. Außerdem hatten wir die Komturei der Templer vor der Vernichtung bewahrt. Und Maltas Übernahme durch ein arabisches Heer war ebenfalls verhindert worden!

Ich blieb unendlich stolz, dass meine Reserve in der Stadt dermaßen viel bewirkt hatte.

Rogér schickte einige Männer über das Schlachtfeld.

Trotz intensiver Suche waren weder der Statthalter noch der Anführer seiner Verbündeten unter den Gefallenen zu finden. Elisabeths Vater sandte eine große Gruppe Soldaten zum Hafen Vallettas, um ihn abzuriegeln. Unabhängig davon würden wir unseren ursprünglichen Plan fortführen – den Sturm des Statthalterpalastes. Vielleicht hatte sich Henry de Fontes dort verschanzt, wenn er nicht schon längst geflohen war!

Einige überlebende Angreifer wurden herangeführt und umgehend ausgefragt. Nur zögernd berichteten sie, wie dieser unglaubliche Hinterhalt hatte entstehen können.

Saladins Verstärkungen waren in der Nacht vor unserem Angriff mit Schiffen über das Meer gekommen.

Außer Sichtweite setzten sie unzählige kleine Boote vor der Insel ab. Im Schutz der Dunkelheit gingen die Feinde an den felsigen Strandstreifen hinter dem Statthalterpalast an Land. Kein Inselbewohner hatte etwas bemerkt.

Wie aus dem Nichts tauchten die Eindringlinge auf und besetzten Valletta. Die gesamte Stadt wurde anschließend von Henrys Truppen abgeriegelt, während die Sarazenen den Hinterhalt vorbereiteten. Vor den geöffneten Toren konnte man nichts erkennen, da das tägliche Leben scheinbar wie immer ablief. Die Bewohner Vallettas vermochten niemanden zu warnen, weil der Statthalter sie mit der drohenden Ermordung ihrer Familien zum Schweigen brachte.

Unsere Männer liefen in eine perfekte Falle.

Eigentlich sollten die Araber erst später eintreffen, aber das Heer war überraschend schon eher aufgebrochen. Warum, vermochten die Gefangenen nicht zu sagen.

Erstaunlich – kaum zogen wir die eigenen Kämpfer zusammen, erschienen die Sarazenen plötzlich unmittelbar vor uns am Ziel.

Wieder das Werk eines Verräters! Möglicherweise desjenigen, von dem Broderik gesprochen hatte? Jemand schien genauestens über jeden Schritt informiert zu sein und versuchte, uns endgültig zu vernichten!

Der Unbekannte war sogar in der Lage, eine Armee von 1000 Feinden schnell und unerkannt nach Malta kommen zu lassen, um den Angriff auf de Fontes zu vereiteln!

Diesmal hatten wir Glück gehabt …

In Gedanken ging ich wieder und wieder sämtliche Personen in meinem Umkreis durch, ohne einen Hinweis zu finden. Wer auch immer es sein mochte – der Unbekannte hatte eine perfekte Tarnung und machte keinerlei Fehler!

Trotz aller Widrigkeiten änderte sich nichts an unserem Vorhaben.

Die Verwundeten blieben zurück; Vallettas Ärzte und die der Ordensritter nahmen sie in ihre Obhut. Alle anderen machten sich marschbereit. Sollte Henry nicht längst schon geflohen sein, durfte er keine Möglichkeit zu weiteren Vorbereitungen bekommen!

Die Krieger marschierten in drei Gruppen. Arnaud durchsuchte den größten Teil der Stadt, Broderik und ich die anderen.

Der Unterdrücker musste endlich gefunden werden! Wenn wir ihn jetzt nicht unschädlich machten, würde er sämtliche Bewohner Maltas umbringen, die auch nur den leisesten Hauch fehlender Treue zeigten. Zudem war dann jeder Templer auf der Insel endgültig seiner Vernichtung sicher, von de Moncadrieux und dessen Familie ganz abgesehen.

Es musste nun endgültig ein Ende haben!

Die Straßen Vallettas blieben menschenleer.

Vor dem Areal des Statthalters erfolgte die Vereinigung unserer Truppen. Sie stürmten die unbesetzten Tore und schwärmten aus. In dem weitläufigen Gelände konnte sich der Gesuchte überall versteckt halten. Wir drehten jeden Grashalm um, doch die Suche blieb erfolglos. Nirgendwo eine Spur des Gesuchten …

Die Männer zogen weiter, de Fontes´ Sitz entgegen. Direkt vor den Treppen zum Palasteingang hatte sich eine Gruppe seiner Gardisten verschanzt. Vielleicht 30 Elitesoldaten starrten uns angespannt hinter einer Barrikade aus Fässern, Brettern und umgekippten Pferdekarren entgegen. Sie hatten gar nicht erst versucht, das große Gelände oder die Mauern zu sichern. Ich schickte einen Unterhändler hinüber. Diese Verteidiger konnten nur verlieren und in einem sinnlosen Gemetzel untergehen!

Nach kurzer Beratung streckten die Leibwächter die Waffen und ließen sich gefangen nehmen. Ich atmete auf. Wir hatten keinen Krieger verloren und außerdem Informanten gewonnen!

Unsere Männer durchsuchten erfolglos den Palast und die Wirtschaftsgebäude. Der Statthalter und der Anführer seiner Verbündeten waren geflohen!

Broderik sandte Boten zu unseren Anhängern überall auf der Insel. Es durfte keine Möglichkeit ungenutzt bleiben, de Fontes doch noch auf Malta in die Hände zu bekommen!

Arnaud befragte währenddessen die gefangenen Gardisten. Ihr Anführer brach das Schweigen erst, als ihm ein Verhör unter der Folter drohte. Er berichtete von einem Boten, der Henry über die verfrühte Ankunft der Verbündeten informierte. De Fontes tobte vor Wut und versetzte dann seine Soldaten in Kampfbereitschaft. Zeit für Vorbereitungen blieb kaum, weil er mit so etwas nicht gerechnet hatte.

Am Morgen des folgenden Tages vereinten sich die Feinde und besetzten Valletta. Allein Vertraute Henrys verließen die Mauern, um einen normalen Eindruck aufrecht zu erhalten. Erst abends schloss man wie üblich die Tore. Im selben Augenblick allerdings wurden in der gesamten Stadt Vorbereitungen gegen den bevorstehenden Angriff getroffen. Dann warteten de Fontes´ Truppen auf die Gegner, mit deren Eintreffen man im Morgengrauen rechnete.

Mehr wusste der Gardist nicht, da ihm der Zugang zum Kreis der engsten Vertrauten fehlte.

Wir mussten auf die Rückkehr unserer Reiter warten, die auf der Insel unterwegs waren.

In der Zwischenzeit bereiteten Broderik und der Kreuzritter endgültig einen neuen Abschnitt in Maltas Geschichte vor. Sie besetzten den Palast des Statthalters dauerhaft mit Soldaten. Truppen durchkämmten Valletta und nahmen jeden bekannten Anhänger des Unterdrückers gefangen. Die Besitztümer Henry de Fontes wurden mit sofortiger Wirkung beschlagnahmt, alle persönlichen Gefangenen freigelassen. Sämtliche Erlasse wurden annulliert und die Kopfsteuer zurückgenommen. Zudem ließ Broderik meine Verfolgung als Urheber des Überfalls auf das Kloster in Souviommes aufheben. Er erklärte jegliche Vorwürfe für nichtig.

Büsten und Denkmäler des Menschenschinders in der Hauptstadt wurden zerstört, entsprechende Fahnen und Banner abgenommen. Die Menschen sollten spüren, dass die Unterdrückung ein Ende hatte!

Außerdem wurde Arnaud de Moncadrieux vollständig rehabilitiert und erhielt sämtliche Besitztümer zurück. Man gestattete dem Kreuzritter ab sofort wieder das Tragen seiner Farben und des eigenen Wappens. Auch offiziell war der Name des Maltesers somit von jeglicher Schuld befreit.

Der noch einzusetzende neue Statthalter würde jede dieser Entscheidungen bestätigen, sobald er seine Stellung eingenommen hatte.

Wichtig für jedwede Handlung war Broderiks Mitwirken.

Das Schicksal hatte uns dabei günstig bedacht, ohne dass Freude darüber aufkam. Bei dem Kampf um die Komturei war der Seneschall, der Vertreter des Großmeisters, umgekommen. Raimunds Freund übernahm als Komtur Maltas wieder die Führung der Templer auf der Insel. Ungeplant, aber im rechten Moment hatten wir einen mächtigen Verbündeten bekommen, auch wenn der nach dem Kampf deutliche Verluste beklagen musste. Sein Wort als Vertreter eines der mächtigsten christlichen Orden besaß jedoch nicht nur weiterhin Gewicht, sondern konnte uns den Weg bei der Machtübernahme ebnen. Nach außen hin baten wir ihn offiziell um Hilfe. So stünden uns die Templer auch später noch zur Seite!

Seine Zustimmung als oberster Anführer der Mönchsritter auf Malta zeigte deutlich, dass die Mönchsritter die neue Regentschaft unterstützten. Die Herrscher in Europa könnten den Machtwechsel folglich nicht als simplen Aufstand abtun und die alten Verhältnisse einfach wieder herzustellen versuchen. Ein fremdes Eingreifen aus dem Okzident war das Letzte, das uns fehlte!

Alles Weitere würde sich finden, aber es brauchte Zeit.

Dann kamen die Reiter zurück.

Überall auf der Insel waren die Umwälzungen in vollem Gange. Die Malteser wollten nach den langen Jahren der Unterdrückung einen neuen Anfang und wirkten mit, wo sie konnten, ohne auf helfende Ritter zu warten. An manchen Orten wurden sofort nach Bekanntwerden der Neuigkeiten die Anhänger de Fontes umgebracht.

Die anderen Nachrichten klangen weniger gut. De Fontes hatte kurz vor unserer Besetzung des Hafens ein Schiff bestiegen, zusammen mit einem Großteil seiner Leibgarde und vielen Elitesoldaten. Der bestochene Kapitän legte sofort ab. Ein stellvertretender Hafenmeister hatte gehört, wie zwei Leibgardisten über den Hafen Hanbar sprachen. Der Statthalter floh direkt zu seinem Verbündeten Malik al Charim – nach Outremer!

Mein Hals schnürte sich zu. Hanbar lag ein gutes Stück links unter Gaza, das man erst kürzlich kampflos an Saladin übergeben hatte. Dies war ein Teil des Preises für die Freilassung des Großmeisters der Templer, Gerhard von Ridefort. Nach der Niederlage von Hattin hatten ihn die Feinde festgesetzt, doch der oberste Ordensritter erkaufte das Ende der eigenen Gefangenschaft rücksichtslos.

Gaza wurde sofort ein wichtiger feindlicher Stützpunkt. Hanbar hingegen, eher unscheinbares großes Dorf denn kleine Stadt, hatte es bisher allerdings perfekt verstanden, Neutralität zu bewahren und unbesetzt zu bleiben. Wahrscheinlich fußte die genossene Freiheit hauptsächlich auf den hohen Zahlungen, die die Einwohner an Saladin leisteten. Der Sarazene, oft in Geldnot wegen der hohen Kosten für sein Heer, nutzte die sprudelnde Geldquelle auch weiterhin. Der Ort entwickelte sich schnell zu einem Zentrum für Schmuggel und Handel, aber auch als wichtigste nahe Anlaufstelle für jeden, der keinen moslemischen Hafen anlaufen wollte oder konnte. Selbst kleine christliche Einheiten wurden im Schutze der Nacht verschickt oder angelandet. Wie lange noch, wusste niemand …

Sowohl Gaza wie Hanbar lagen Matlahat am nächsten, wenn es um das Heranbringen von Kriegern gegen das Tal ging!

Malik al Charim und Henry de Fontes zusammen gegen Vater und Großvater!

Raimund und Nurim mussten unbedingt gewarnt werden – sie waren ahnungslos! Außerdem wussten die beiden bislang nichts von einem Verräter in ihren Reihen!

Am liebsten hätte ich das nächste Schiff ins Heilige Land genommen. Doch genau da lag die Schwierigkeit. Ich konnte unmöglich alles hier zurücklassen. Man hatte mich zum Anführer der Truppen bestimmt, die meinen Angehörigen helfen sollten. Wenn ich jetzt ging, lösten sie sich auf. Ohne diese Unterstützung jedoch waren sämtliche Verwandten der sicheren Vernichtung ausgesetzt!

Eine fehlende Warnung bedeutete für die gesamte Familie jedoch auch den Tod!

Schweren Herzens fiel schließlich die Entscheidung, zu bleiben und erst nach Klärung der Angelegenheiten auf Malta überzusetzen.

Zunächst hatte auf der Insel alles wie geplant geregelt zu werden. Ich war hier der verlängerte Arm Raimunds, und dabei blieb es. Ein anderer musste ins Heilige Land übersetzen!

Bald war ein zuverlässiger Mann unter Rogérs Leuten gefunden, der sich sofort mit einer Botschaft auf den Weg machte. Er hatte Passierscheine für Outremer bei sich, um nach der Überfahrt nirgendwo Zeit zu verlieren. Hoffentlich würde der Bote rechtzeitig ankommen, bevor Henry de Fontes weiteres Unheil stiftete.

Die Verräter gingen mir unentwegt durch den Kopf. Es mussten mindestens zwei sein, die hüben wie drüben Unheil stifteten. Anders war dies kaum möglich.

Wer kam hier auf Malta in Frage? Nur die engsten Beteiligten – Broderik, Kilian, Arnaud, und vielleicht noch Rogér. Niemand sonst hatte Zugang zu Plänen und Informationen.

Elisabeth? Ausgeschlossen!

Bei dem Gedanken an de Moncadrieuxs Tochter brannte sofort wieder mein inneres Feuer. Obwohl zwischen uns lediglich ein kurzes Stück Weg lag, konnte ich doch die Truppen unmöglich verlassen, um sie zu sehen. Also blieb im Moment nur das Vertrauen darauf, dass die Geliebte mit Hilfe Arnauds und der Templer alles unbeschadet überstanden hatte. Hoffentlich waren ihre Gefühle mir gegenüber in der Zwischenzeit nicht erloschen!

Bevor die trüben Gedanken sich weiter verselbstständigten, drehte ich mich zu meinem Hund herum. Der hatte die Kämpfe schadlos überstanden, entfernte sich aber seitdem überhaupt nicht mehr von mir. Als ich über seine Flanke strich, folgte als Antwort ein tiefes, freudiges Grollen.

Anschließend sah ich nach dem Pferd. Es hatte wie der Hund bisher alles mitgemacht und überlebt, selbst die Angriffe in Keilformation. Der Wallach war mir zu sehr ans Herz gewachsen, als dass ich ihn bei den kommenden Auseinandersetzungen verlieren wollte. Also galt ihm vorerst unbedingte Schonung.

Meine Gedanken sprangen weiter. Die anstehenden Auseinandersetzungen – es wurde Zeit!

Ich schickte nach Arnaud, Broderik und Rogér.

Kämpfe und Wahrheiten

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