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In der ersten Phase der Tschistka wendete sich Stalin gegen die Partei- und Staatsführung der UdSSR. Während großer Schauprozesse, von denen vor allem die vier Moskauer Schauprozesse bekannt geworden sind, wurden viele Prominente abgeurteilt.

Drei der Moskauer Prozesse fanden unter den Augen der Öffentlichkeit statt, lediglich eine Verhandlung trug des Status eines nicht öffentlichen Militärgerichtstribunals.

Nach den Moskauer Prozessen war von jenen sechs Politikern, die in Lenins Testament Erwähnung fanden, nur noch Stalin selbst am Leben. Jedwede tatsächliche oder vermeintliche Opposition in der Führungsspitze von Staat und Partei wurde durch die Gerichtsurteile endgültig ausgeschaltet.

Obwohl es nie öffentlich zugegeben wurde, war dennoch erkennbar, dass Stalin selbst bei allen Prozessen im Hintergrund Regie führte und die Fäden zog.

1936 hatte Andrei Wischinsky schließlich Nikolai Krylenko als Generalstaatsanwalt und Chefankläger abgelöst.

Für Wischinsky, der rhetorisch brillant war und verbal auf die Angeklagten einschlug, reichten Geständnisse absolut aus, um die Schuld von Angeklagten hinreichend zu beweisen.

Dass viele dieser Geständnisse unter der Folter zustande gekommen waren, spielte dabei keine Rolle. Seine Plädoyers waren jedoch nicht nur durch rhetorisches Können, sondern auch durch Grobheiten und Beleidigungen gegenüber den Angeklagten charakterisiert. Sein Auftreten bei den Moskauer Prozessen machte ihn derart legendär, dass das Deutsche Reich Roland Freisler als Zuhörer in Gerichtsverfahren entsandte, in denen Wischinsky als Ankläger auftrat.

Kernstück jeder Anklageschrift war der von Wischinsky jeweils pauschal erhobene Vorwurf, die angeklagten Bürger hätten eine Verschwörung mit Trotzki oder anderen Agenten des kapitalistischen Auslands gebildet, um die Sowjetunion dadurch zu unterminieren. Dies rechtfertigte stets eine Anklage und Verurteilung nach dem § 58 des sowjetischen Strafgesetzbuches.

Bei der Identifizierung der angeblichen Hintermänner und Strippenzieher dieser Verschwörungen war Wischinsky dann flexibel. Mal kam das Deutsche Reich in Frage, dann wiederum Großbritannien.

Die Beweise lieferte das NKWD durch Geständnisse, die unter der Folter erpresst worden waren. Materielle Beweise für die behaupteten Verbrechen wurden dem Gericht zu keinem Zeitpunkt vorgelegt.

Offenkundige Widersprüche in der Beweisführung der Anklage interessierten niemanden. Im Rahmen der Moskauer Prozesse wurden im Einzelnen folgende Gerichtsverhandlungen geführt:

Der erste Prozess fand statt gegen das sogenannte trotzkistische-sinowjewistische Zentrum, auch bekannt als der Prozess der 16. Er wurde geführt vom 19. bis zum 26. August 1934 und richtete sich gegen die Angeklagten Grigori Sinowjew und Lew Kamenew, Iwan Smirnow und Sergei Mratschkowski sowie 12 weitere Funktionäre.

Der zweite Prozess brandmarkte das angeblich sowjetfeindliche trotzkistische Zentrum. Er nannte sich auch der Prozess der 17. Vom 23. bis 30. Januar 1937 wurden hier Georgi Pjatakow und Karl Radek, Grigori Sokolnikow und Nikolai Muralow sowie Leonid Serebrjakow und 12 weitere Funktionäre angeklagt.

Der nächste Prozess war ein nicht öffentlicher Militärgerichtsprozess, der im Juni 1937 gegen Marschall Tuchatschewski sowie gegen 7 weitere hochrangige Offiziere der Roten Armee stattfand. Dieser Prozess galt als staatlich angeordnete Enthauptung der Roten Armee.

Der dritte Prozess, nun wiederum öffentlich, fand vom 2. bis 13. März 1938 unter der Bezeichnung Prozess gegen den Block der Rechten und Trotzkisten oder Prozess der 21 gegen Alexei Rykow und Nikolai Bucharin, Nikolai Krestinski und Genrich Jagoda, Christian Rakowski und Wladimir Iwanow sowie gegen 15 weitere Funktionäre statt.

50 der insgesamt 66 Angeklagten wurden zum Tode verurteilt und erschossen, 16 weitere erhielten Gefängnisstrafen.

Alle Todesurteile wurden üblicherweise durch Genickschuss vollstreckt. Hierbei wurde dem Verurteilten eine Feuerwaffe direkt ins Genick gehalten.

Die dabei traditionell verwendete Waffe war der von Henri-Léon Nagant in Belgien entwickelte Revolver Nagant M1895.

Bereits 1895 hatte das zaristische Militär diese ursprünglich in Lüttich gefertigte Waffe eingeführt, obwohl sie zu diesem Zeitpunkt bereits als technisch veraltet galt. Zar Nikolaus II., der über besonders enge Beziehungen zu Belgien verfügte, ließ nicht nur alle Rechte für die Herstellung, sondern auch die dafür benötigten Maschinen aufkaufen. Der Nagant M1895 wurde die offizielle Dienstwaffe der zaristischen Armee und der Polizei.

Der Nagant verfügte über eine gravierende technische Besonderheit, die ihn grundsätzlich von anderen Revolvern unterschied. Beim Abfeuern der Waffe wurde der kleine Spalt zwischen Trommel und Lauf vollständig geschlossen, so dass der Nagant M1895 dadurch gasdicht war.

Die Waffen wurden in den Fabriken von Ischewsk und Tula von 1895 bis 1945 gefertigt.

Die Waffe war 235 mm lang und 140 mm hoch. Die Lauflänge des vierzügigen Laufes mit Rechtsdrall betrug 114 mm, das Gewicht 0,79 kg. Die Trommel fasste jeweils 7 Patronen des Kalibers 7,62 x 38 mm R. Eine Kadenz von bis zu 14 Schuss je Minute war theoretisch möglich.

Der Nagant-Revolver konnte besonders wirksam schallgedämpft werden, da der Trommelspalt beim Brechen des Schusses vollständig geschlossen wurde und das Geschoß zudem nicht die Überschallgeschwindigkeit erreichte.

Die Mündungsgeschwindigkeit eines aus dem Nagant-Revolver abgefeuerten Geschosses lag unterhalb von 280 Metern pro Sekunde.

Daher wurden besonders einige derjenigen Waffen, die von den Spezialkommandos des NKWD geführt wurden, mit Schalldämpfern ausgerüstet.

Die mit der Durchführung der Hinrichtungen beauftragten Personen kostümierten sich dazu wie die Metzger, indem sie Gummistiefel anzogen und braune Gummischürzen anlegten.

Eine beliebte Hinrichtungsstätte war der am Stadtrand von Moskau gelegene Schießplatz von Butowo.

Tatsächlich richteten sich alle Schauprozesse mehr oder weniger direkt gegen den nicht mehr anwesenden Leo Trotzki.

Der Zwist zwischen Stalin und Trotzki resultierte aus ihrem Kampf um die Macht und aus der Kritik, die Trotzki in seiner für ihn typischen überheblichen und arroganten Weise übte. Diese Kritik Trotzkis bezog sich schon im Jahre 1924 auf den damals überall aufkeimenden russischen Nationalismus sowie auf die wuchernde Bürokratie.

Lenin hatte Trotzki kritisiert, ihn aber zeitgleich auch als den fähigsten Mann im ZK bezeichnet, was ihn zum schärfsten Rivalen Stalins machte.

Nach Lenins Tod begann Stalin, unterstützt von Sinowjew und Kamenew, Trotzki zielgerichtet zu verdrängen. Dies geschah zunächst dadurch, dass Lenins Testament, in welchem er Stalin als zu grob bezeichnet hatte, weder gedruckt, noch anderweitig in der Öffentlichkeit verbreitet werden durfte. Dennoch berief sich Trotzki in seinen Schriften gerade auf dieses Testament und die darin enthaltene offene Kritik Lenins an Stalin.

Seit Oktober 1923 griff Trotzki nunmehr das inzwischen von Stalin dominierte Zentralkomitee der KPdSU an, was zu heftigsten Reaktionen führte. Nach Lenins Tod im Jahre 1924 brach der Machtkampf zwischen Lenin und Stalin nunmehr offen aus.

Der XV. Parteitag der KPdSU zeigte bereits, dass sich Trotzki in der Opposition befand und damit vollständig isoliert war.

Stalin hatte sich mit seiner Theorie vom Sozialismus in einem Land durchsetzen und den Apparat und die Bevölkerung an sich binden können, während der isolierte und verleumdete Trotzki sich noch immer auf die Traditionen des Marxismus, auf die Vorhaben der Weltrevolution und der Arbeiterdemokratie berief.

Auf Betreiben Stalins verlor Trotzki schließlich 1925 sein Amt als Kriegskommissar und wurde zu untergeordneten Tätigkeiten im Staatsdienst eingesetzt. Er wurde als Abweichler, Verräter und jüdischer Verschwörer denunziert, seine Schriften galten als ketzerisch. Stalin ließ Trotzki auf allen relevanten Fotografien tilgen und die offizielle Geschichtsschreibung begann damit, Trotzkis Rolle in Oktoberrevolution und Bürgerkrieg zu leugnen.

1926 wurde Trotzki zunächst aus dem Politbüro und 1927 aus der KPdSU ausgewiesen. 1928 erfolgte seine Verbannung nach Kasachstan. Von hier wies man ihn in die Türkei aus.

Der türkische Staat unter Atatürk gewährte Trotzki politisches Asyl. Nachdem ihm 1932 die sowjetische Staatsbürgerschaft offiziell aberkannt worden war, setzte nun seine Verfolgung durch die GPU ein.

Da Trotzki sich weiterhin vor allem in der Bekämpfung des Faschismus politisch engagierte und die Gründung einer vierten kommunistischen Internationale anstrebte, stellte er für Stalin auch im Exil eine ernst zu nehmende Gefahr dar.

Nachdem ihm zunächst von der französischen Regierung Asyl gewährt worden war, wurde ihm mitgeteilt, dass er in Frankreich nicht länger erwünscht sei. Über Norwegen reiste Trotzki nach Mexiko aus.

In Mexiko organisierte Trotzki 1937 einen Gegenprozess zu den Moskauer Schauprozessen. Eine hier unter dem Vorsitz des amerikanischen Philosophen und Pädagogen John Dewey tagende Kommission, die sogenannte Dewey Commission, untersuchte die in den Moskauer Prozessen von Wischinsky gegen den abwesenden Trotzki erhobenen Vorwürfe und konnte sie vollständig widerlegen.

Väterchens Misstrauen. Die Welt des Josef Stalin

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