Читать книгу Ellodan - Hinter den Mauern - Ralph Kluge - Страница 3
Die Freunde
ОглавлениеEs war einmal ein kleiner Junge, - aber ...
Nein, die Geschichte fing eigentlich ganz anders an.
Es war einmal in einem ganz kleinen Dorf in einem ganz kleinen Land, irgendwo hinter den Bergen, dass ein schwarzes Kaninchen mit dem Namen Dudel aus seinem Stall weglief, um in der Welt etwas zu erleben.
Nicht, dass es schlecht behandelt worden wäre - nein, das nicht -, aber du musst verstehen, dass es in so einem Stall, der dazu noch mit Gittern verschlossen war, ganz schön langweilig war. Jeden Tag dieselbe Aussicht, derselbe Geruch, dasselbe Essen. Kurz und gut, alle Tage waren wie ein Tag.
Trotzdem, nicht jeder wäre weggelaufen in die weite, unbekannte Welt. Da gehört nämlich Mut dazu. Glaub mir, es ist gar nicht so einfach mit etwas aufzuhören, das man Gewohnheit nennen könnte und dafür etwas Neues, Ungewisses anzufangen. Wie gesagt, man muss schon ganz schön mutig sein, wie eben das schwarze Kaninchen Dudel.
Es kam ganz leicht aus seinem Gitterstall heraus. Wirklich, ganz einfach. Das musste schon ein besonders dummes Kaninchen sein, das den eisernen Riegel nicht öffnen konnte. Oder ein ängstliches. Eines, das sich nicht traute. Aber Dudel traute sich, er war nicht mehr ängstlich. Er schob den Riegel einfach hoch und - klack - sprang die Gittertür auf.
Dudel sprang aus seinem Stall auf die Wiese und blieb erstmal sitzen. Es war ein schöner Tag. Die Sonne schien und lachte und am blauen Himmel tanzten weisse Wattewolken, verzogen sich zu Gesichtern, verkleideten sich als Tiere. Tiere, wie du sie bestimmt noch nie gesehen hast - Wolkentiere. Und dann, in der Ferne, verschmolzen sie mit dem Horizont, Dudel war davon ganz begeistert.
Was würdest du tun, wenn du aus einem dunklen, langweiligen und dazu noch vergitterten Raum auf eine duftende, grüne Wiese fliehen könntest, Luft um dich, soviel du atmen kannst? Sonne, Himmel, Wolken.
Du würdest bestimmt zuerst stehen bleiben und tief durchatmen. Und dann? Dann würdest du loslaufen, springen, lachen, schreien. Laufen, bis du nicht mehr kannst.
Genau das tat Dudel. Er lief los, sprang, lachte, schrie.
Natürlich hätte nicht jeder hören können, dass er lachte und schrie, denn dazu muss man zuerst einen Stern geküsst haben (vorher wird kein Kaninchen mit dir reden!), doch konnte jeder sehen, dass er sich freute, wenn er nicht gerade blind war. Man muss nicht unbedingt in den Augen blind sein, viel häufiger sind die Menschen in den Herzen blind. Das siehst du daran, dass sie sich nicht freuen, obwohl sie lachen oder nicht trauern, obwohl sie weinen oder daran, dass sie an einer bunten, schönen Blume vorbeigehen, ohne sie anzuschauen, vielleicht sogar darauf treten. Also so ein Mensch hätte bestimmt nicht einmal bemerkt, dass Dudel sich freute. Er hätte auch nicht gesehen, wie die kleinen Feen um Dudel herum sprangen. Aber die Hauptsache ist, dass wir beide es wissen.
Er tanzte auf der Wiese und die kleinen Feen tanzten mit und sangen. Sie sangen so schön, wie es nur Feen können. Wie er so über die Wiese tanzte, war er bestimmt das glücklichste Kaninchen der Welt.
Der Meinung waren auch die alten Bäume, die am Rande der Wiese standen und sie lachten mit.
Während er sich freute, geschah es, dass der dunkle Stall, das Haus daneben und das ganz kleine Dorf in dem ganz kleinen Land verschwanden. Ganz langsam, wie durch Zauberhand. Wie das eben so passiert, wenn man glücklich ist und tanzt. Was, das hast du noch nicht ausprobiert? Du weisst nicht, dass du damit die Welt verzauberst? Du wirst es aber bestimmt gleich ausprobieren? Natürlich nur, wenn du glücklich bist!
Dudels Welt wurde zu einer riesigen Wiese mit bunten Blumen und schattigen Bäumen, klaren Bächen und glücklichen Tieren, kleinen Feen und Musik. Er tanzte weiter und weiter, bis er erschöpft ins Gras fiel und sich auf den Rücken drehte. Tief atmete er die duftige Luft ein und die Wolken winkten und lachten ihm zu. Er rollte sich durch das saftige Gras, vergnügt mit den Ohren wackelnd. Und dann ... und dann ... und ... und ... und ...
Einfach alles Schöne, was er so auf der Wiese machen konnte, tat er. Schliesslich kauerte er sich ins Gras, um ein wenig zu schlafen. War ja auch ganz schön anstrengend, sich soviel auf einmal zu freuen, besonders, wenn man es nicht gewohnt war. Aber zum Schlafen kam er nicht.
Denn plötzlich tauchte auf der Wiese ein kleiner Junge auf, ging auf Dudel zu und setzte sich neben ihn. Dudel lief nicht weg, denn wenn man so glücklich ist, hat man vor nichts mehr Angst, schon gar nicht auf so einer Zauberwiese. Der Junge setzte sich neben das Kaninchen auf den Boden und sagte:
"Hallo, ich bin Ruben."
Neugierig beäugte er den kleinen, fremden Jungen. Freundlich sah er aus und - lustig. Ja, lustig. Er hatte lauter Sommersprossen im Gesicht. Das ist bestimmt etwas sehr Schönes, aber Dudel hatte so etwas noch nie gesehen. Für ihn sah es lustig aus. Eine Stupsnase guckte zwischen wasserblauen Augen heraus und schöne, rote Haare zierten seinen Kopf. Er war eine durch und durch freundliche Erscheinung.
Dudel gefiel der Junge. Er räusperte sich und sagte:
"Hallo, ich heisse Dudel."
Und wenn ich dir sage, dass Ruben ihn verstanden hat, dann weisst du auch, dass er schon einen Stern geküsst haben muss. Ruben lachte ihn durch zwei Zahnlücken an und begann, ihn unter dem Kinn zu streicheln. Mmmmhh, das mochte Dudel sehr, das war schön. Er rückte ein kleines Stück näher zu dem Jungen und legte den Kopf auf dessen Bein. Die beiden fingen an, miteinander zu reden, als hätten sie sich schon Ewigkeiten gekannt.
Dudel erfuhr, dass Ruben als Waisenkind in einem Heim aufgewachsen war, wo es ihm aber gar nicht gefiel, bis ihn ein Zwergenkönig mitnahm ins Zauberland. Die Wiese, auf der die beiden sassen, gehörte nämlich zum Zauberland. Der Zwergenkönig aber musste in dringenden Angelegenheiten noch anderswohin und liess den Jungen schweren Herzens zurück. Das und noch viel mehr erfuhr er von Ruben, und der hörte sich natürlich auch Dudels Geschichte an. Da die beiden gut zusammen passten, beschlossen sie, gemeinsam durchs Zauberland zu reisen.
Z a u b e r l a n d - es gibt auch einen anderen, den richtigen Namen dafür, doch den darf ich dir nicht verraten. Den Namen dürfen wirklich nur die kennen, die dort ein- und ausgehen. Vielleicht treffen wir uns ja mal dort und dann verrate ich dir den Namen. Ganz bestimmt!
Aber - pssst! - das ist ein Geheimnis.