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Die Maschine

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Wer komponiert wohl den Vögeln ihre Lieder?

Dieses oder ähnliche Probleme mögen mich in diesem Augenblick bewegt haben, als ich vor mir im Fluss die kleine grüne Flasche entdeckte. Normalerweise wäre mir dieser Umstand gar nicht aufgefallen, heutzutage treibt allerhand Müll in den Flüssen, aber aus irgendeinem Grund zog diese Flasche meine Blicke auf sich.

Ich fragte mich, wer sie wohl in den Fluss geworfen hatte, vor allen Dingen, was hatte sie einmal enthalten?

Hatte?!

Erst jetzt sah ich, dass ein Gegenstand in der Flasche war. Ich suchte mir einen langen Ast, der irgendwo in der Nähe lag und versuchte damit, sie ans Ufer zu treiben.

Es gelang mir, sie in die Hand zu bekommen und da sah ich auch, dass der Gegenstand darin ein kleiner, zusammengefalteter Zettel war, der sogleich meine Neugier anzog.

Ich zog den verwitterten Korken aus dem Flaschenhals, zum Glück stand er ein wenig hervor, und versuchte, den Zettel herauszuschütteln.

Es gelang mir nicht.

Ich musste die Flasche an einem Stein zerschlagen, um an das Papier heranzukommen. Aus den Scherben hob ich es auf und entfaltete es.

Auf vergilbtem Papier konnte ich geradeso noch eine Zeichnung erkennen, die mit einem altertümlichen Zeichengerät, einer Feder oder ähnlichem, geschaffen worden sein musste. Ich konnte eine Art Uhrwerk erkennen, das mit allerlei Zugaben versehen worden war. Die Beschriftung der Zeichnung war aber erstaunlich gut zu lesen.

Ich packte den Zettel sorgfältig in die Tasche meiner Jacke, ging zum Parkplatz, auf dem mein Auto stand und fuhr damit nach Hause, in meinen Gedanken schon mit der Konstruktion des Gerätes beschäftigt. Verschiedene Worte des Planes liessen darauf schliessen, dass der Urheber der Zeichnung eine Art Zeitmaschine bauen wollte. Ob diese dann auch funktionierte, erfuhr man leider nicht. Allerdings konnte ich mich nicht der Illusion hingeben, dass der Konstrukteur sich in eine andere Zeit versetzt hatte. Das hörte sich zu sehr nach einer Science-Fiction-Geschichte an, die man um die Ecke kaufen konnte. Aber etwas musste dieses Gerät bewirken, das fühlte ich. Und was, das wollte ich herausfinden.

Als ich zu Hause angekommen war, legte ich das Papier zunächst in eine Schublade und vergass es. Erst nach ein paar Tagen fiel es mir zufällig wieder in die Hände und ich beschloss, die Apparatur nachzubauen. Ich besorgte mir nach und nach die dazu notwendigen Teile, was jedoch nicht ganz einfach war, da die Bezeichnung der einzelnen Bauteile auf der Zeichnung nicht den heute gebräuchlichen Namen entsprach.

Als ich die ersten Schwierigkeiten auf mich zukommen sah, wollte ich das Projekt aufgeben, doch der Gedanke an das geheimnisvolle Gerät wollte mich einfach nicht loslassen. Ich musste es einfach nachbauen. Vernunft war nie der Führer grosser Taten. So sagte ich mir jedenfalls.

Ganze Tage verbrachte ich in Bibliotheken und wälzte alte Bücher, mit deren Hilfe ich mir die Teile schliesslich besorgen konnte. Jetzt also konnte der Bau endlich losgehen.

Dem Leser dieser Zeilen mag es seltsam vorkommen, dass es mir jetzt erst an diesem Punkt unheimlich wurde. Aber erst jetzt wurde es mir tatsächlich richtig bewusst, dass ich den ersten Schritt zur Lösung des Geheimnisses getan hatte.

Ich nahm mir eine Woche Urlaub auf meiner Arbeitsstelle und verabschiedete mich von Freunden und Bekannten, denen ich gesagt hatte, dass ich ein paar Tage zur Erholung wegfahren würde. Mit klopfendem Herzen schloss ich mich in meiner Wohnung ein und begann mit der Arbeit.

Schräubchen für Schräubchen setzte ich zusammen und Rädchen für Rädchen. Genauso, wie es in dem Plan stand. Einiges musste gebogen werden, anderes erst zurechtgefeilt. Verschiedene Teile musste ich mir sogar ganz neu anfertigen, da sie so, wie ich sie gekauft hatte, nicht passten. Probleme bereiteten mir auch die elektrischen Bauteile, da ihr Zusammen bau eigentlich besondere Kenntnisse erforderte, die ich nicht besass. Aber nach einigem hin und her gelang mir auch das.

Endlich, nach fünf Tagen, war die Maschine fertig. Sie sah etwas unproportioniert aus und entsprach in ihren Massen nicht genau dem Plan, doch ein Kunstwerk schien sie mir allemal zu sein. Wie es der Zufall wollte, fiel gerade in diesem Moment ein Sonnenstrahl durch das Fenster auf mein Werk und liess es mit seinen polierten Messing- und Silberteilen in einem gespenstischen Glanz erstrahlen. Ich hielt es für ein gutes Omen.

Um die Maschine in Gang zu bringen, musste ich zunächst eine kleine Dampfmaschine, die daran angeschlossen war, zum Laufen bringen. Sie trieb einen kleinen Generator an, der für das Funktionieren der Maschine notwendig war. Als der Generator dann lief, wusste ich, dass es soweit war.

Ich nahm eine kupferne Kugel, die an einem Draht hing, in meine linke Hand und betätigte mit der rechten einen Hebel bis zum Anschlag, voller Erwartung, was nun geschehen würde.

Die ganze Apparatur fing plötzlich an zu rauchen, zu funken und zu zischen. Ein leichtes Kribbeln erfüllte meinen Körper. An das, was dann weiter geschah, kann ich mich nicht mehr erinnern, da ich ganz unerwartet das Bewusstsein verlor.

Ich erwachte erst wieder, als ich auf einer Wiese sass, die offenbar eine grosse Waldlichtung bildete.

Dunkle Wolken türmten sich über mir.

Da zuckte ein Blitz von oben, dem ein furchtbarer Donner folgte. Dicke Wassertropfen fielen vom Himmel, die mich augenblicklich bis auf die Haut durchnässten. Suchend sah ich mich nach einem Unterstand um, konnte aber ausser dem Wald, der die Lichtung umgab, nichts entdecken. In den Wald mochte ich nicht gehen, wusste ich doch, dass Bäume im Gewitter nicht ganz ungefährlich sind. Mir fiel ein, dass man in einem solchen Fall noch am sichersten war, wenn man sich, wie jetzt auf dem freien Feld, flach auf den Boden legte, um den Blitzen keinen Anziehungspunkt zu bieten.

Während das Gewitter über mir tobte, legte ich mich bäuchlings ins Gras und liess den Regen auf mich niedertrommeln. Meinen Kopf hatte ich in die Armbeuge gebettet und sog den würzigen Duft des Grases ein.

Irgendwie mochte ich Unwetter.

Vom Gewitter abgelenkt hatte ich ganz vergessen, darüber nachzudenken, wie ich eigentlich hierher gekommen war. Doch kam ich auch jetzt nicht dazu, denn plötzlich sagte eine Stimme hinter mir:

"Gewitter gibt es immer, wenn einer die Welten wechselt."

Als ich mich nach der Stimme umdrehte, sass eine Frau dort im Gras und lächelte mich an. Erschrocken zuckte ich zusammen. Ich hatte niemand kommen gehört. Allerdings hätte sich bei dem Platzregen ein Elefant unbemerkt an mich heranschleichen können.

Die Frau war barfuss, trug eine nasse Bluejeans und eine ebenso nasse, weisse Bluse - Wet-Look: ihre Brüste zeichneten sich deutlich ab. Die Haare waren dunkel und kurz und ihr Lächeln verengte zwei Augen, die so schwarz glänzten wie geschliffener Obsidian. Ich schätzte sie auf etwa Mitte dreissig.

"Was hast du da eben gesagt?"

"Ach, das ist jetzt nicht so wichtig. Das wirst du noch früh genug verstehen. Wichtig ist, dass es funktioniert hat und du jetzt hier bist. Ich freue mich."

"Das hört sich an, als hättest du mich erwartet!?"

Ich blickte sie ungläubig an.

"Natürlich, sonst wärst du doch jetzt nicht hier!", gab sie lachend zurück.

"Wie soll ich das verstehen?"

"Du bist hier, weil ich dir diese Flaschenpost zukommen liess und den Plan darin eigenhändig angefertigt habe. Ich wusste nur nicht, ob dich das überzeugen konnte, die Maschine zu bauen. Und ob du sie genauso bauen würdest, wie es in der Zeichnung stand. Wenigstens musstest du dich bemühen, sie so zu bauen. Das war sehr wichtig. Sonst wäre nämlich gar nichts passiert."

"Klar. Du verstehst wohl eine Menge von Elektrik und Mechanik!"

"Keine Spur! Die Teile der Maschine hab` ich irgendwo abgekupfert. Von diesen Dingen habe ich keinen blassen Schimmer. Moment mal, du glaubst doch nicht im Ernst, dass du mit dieser bescheuerten Maschine durch die Dimensionen reisen kannst!"

"Aber wie bin ich denn anders hierher gekommen??", sagte ich leise.

Langsam begann sich mir alles zu drehen. Ich bin verrückt, dachte ich. Irgendwas ist mit der verdammten Maschine schief gelaufen, und jetzt werde ich wahnsinnig.

"Hör` zu!", versuchte sie mich zu beruhigen, "Um dich hierher zu holen, brauchte ich irgend etwas, bei dem sich unsere Gedankenmuster überlagerten. Es konnte genauso gut ein Kochrezept sein. Aber bei der Maschine war ich mir fast sicher, dass du sie bauen würdest. Ich bin im Besitz einer Kopie des Plans und versuchte, mich darauf zu konzentrieren. Beim Bau des Dings hattest du auch nichts anders mehr im Kopf, deine Gedanken kreisten nur noch um die Elektrik.

Als du das Gerät dann benutztest, war das Gedankenmuster komplett. Unsere Gedanken ebenen hatten sich überlagert und - paff - war die Tür offen und du landetest auf der Wiese. Ich wusste genau, dass du hier auftauchen würdest und so hatte ich dich auch schnell gefunden. Das Gewitter war ein Nebeneffekt, eine Begleiterscheinung deiner Reise durch die Dimensionen.

Das wird für dich wahrscheinlich nicht leicht zu verstehen sein, aber nimm es einfach hin, es ist so und jetzt bist du hier."

"Aber warum ...?" Ich versuchte zu begreifen, was die Frau mir da gesagt hatte.

"Das warum werde ich dir besser später erklären. Ich zeige dir vorher das Land. Übrigens", sie reichte mir ihre Hand, "ich heisse Lilith."

"Carlo", murmelte ich etwas benommen, "nenn mich einfach Carlo."

"Ich weiss", lachte sie mich an. Und ihr Lachen klang wie die hinter den Wolken auftauchende Sonne.

Lilith

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