Читать книгу Wolf Hole Junction - Ralph Pape - Страница 5

Оглавление

Auf einer Schotterpiste holpert das Wohnmobil in südwestliche Richtung. Bald liegen die letzten Häuser hinter ihnen. Hier und dort noch ein kleines, einsames Anwesen, dann tauchen sie ein in eine wilde, trockene und heiße Einöde. Saguaro und Kandelaberkakteen sowie Mesquitebäume sind alles an Flora weit und breit. Dazwischen wachsen vereinzelt stachlige Büsche, die sogenannten Tumbleweeds. Der ausgetrocknete Teil der Pflanze löst sich von ihrer Wurzel und wird vom Wind durch die Landschaft gerollt. Diese Dinger findet man in jedem anständigen Western und Dean hat seine Freude daran. Die Halbwüste übt großen Reiz auf ihn aus.

In der Ferne liegen einige Tafelberge im Dunstschleier, wie verloren stehen sie in der heißen Ebene. Die dahinterliegenden Red Rocks erstrecken sich rechts vor ihnen bis zum Horizont. Die Weite und Einsamkeit der Landschaft ist atemberaubend, da sind sich Linda und Dean einig. Nur wenige grüne Kleckse sind in der rötlich gefärbten Wüstenlandschaft zu entdecken. „Wie ein wundervolles Gemälde!“, ruft Linda bei diesem Anblick und Dean nickt begeistert. Ab und zu sehen sie einen großen, schwarzen Vogel am Himmel kreisen. Es ist der seltene Kondor, der lautlos nach Beute Ausschau hält. Zwischen den spärlichen Kakteenblüten wirbeln Kolibris umher und laben sich am süßen Nektar. Hin und wieder huscht ein Roadrunner zwischen den Kakteen und Büschen hindurch. Diese flinken, fluguntauglichen Vögel begeistern Touristen ebenso wie Tierfilmer, denn sie sind die possierlichen Clowns in dieser Region.

Der Weg führt nun sanft bergab. In der Ferne zeigt sich sattes Grün, das sich bis zu einer Hügelkette erstreckt. Zwischen den Bäumen und Büschen windet sich ein Fluss, glitzert in der Sonne. Hier beginnt das Navaho-Reservat. Die Landschaft wechselt von der Sand und Geröllwüste, zu einer mit Agaven, knorrigen Wacholderbüschen und Mesquitebäumen bewachsenen, felsigen Hochebene Hier gedeihen Kakteen, mit den schönsten Blüten verschiedenster Art und Größe. Selbst Dean ist beeindruckt von der Farbenpracht in dieser sonst spärlich bewachsenen Einöde.

Die Schotterpiste endet, es beginnt ein kaum erkennbarer Pfad. Dean hat Mühe, das schaukelnde Gefährt unter Kontrolle zu behalten. Linda muss sich festhalten, um nicht hin - und her gerissen zu werden. Lose Gegenstände hinten im Wagen klappern. Eine wahrlich abenteuerliche Strecke ist das. „Und auf der Karte auch noch als Straße ausgewiesen“, murrt Dean. Endlich, nach etlichen Meilen, erreichen sie wieder flacheres Gelände. Trotz der aufgedrehten Klimaanlage rinnen Dean Schweißperlen übers Gesicht. Linda geht es nicht anders. Stöhnend und schwitzend klammert sie sich am Haltegriff fest, als Dean das Gefährt anhält. Ein verdächtiges Geräusch unter dem Wagen hat ihn alarmiert. Beide setzen ihre Hüte auf, um nicht gleich einen Hitzschlag zu erleiden, und steigen aus. Sogleich umfängt sie heißer Wind und wirbelt kleine Staubfahnen auf. Dean legt sich auf den Rücken und schiebt sich unter das Wohnmobil. Dann flucht er leise. Er hat sich die Finger am heißen Auspuff verbrannt. „Mist! Der Auspufftopf ist halb abgerissen. Der hält nicht mehr lange bei der Holperei. Wir müssen in die Stadt und ihn reparieren lassen. Verdammt noch mal. Und das in diesem Niemandsland!“ Ächzend kriecht er unter dem Wagen hervor, streift sich den Sand von den Händen und blickt missmutig drein. Linda bemüht sich, ihr Grinsen zu unterdrücken. Wie Dean da steht. Sich an den Ohren zupft und vor sich hin schimpft. So ist es immer, wenn er ein Problem hat. Das „an den Ohren zupfen“ ist seine Methode, über Probleme nachzudenken. „Ach Schatz, wir kommen doch bald wieder in die Stadt zurück!“, tröstet sie ihn. „Ich habe vorhin eine Werkstatt gesehen. Die richtet das schon. Solange wird das Teil ja noch halten!“ Dean verzieht das Gesicht zu einer komischen Fratze. „Hm ja. Muss ja. Hab keine Lust, jetzt wieder umzukehren. Also fahren wir weiter und hoffen, dass das Ding durchhält!“

Erfreulicherweise führt der Weg jetzt durch flaches, sandiges Gelände, sodass das Schaukeln aufhört. Mit einer riesigen Staubfahne hinter sich nähern sie sich langsam der Ghosttown Wolf Hole Junction. Wie auf Kommando singt Johnny Cash im Radio „Ghostrider in the Sky“. Linda rollt wieder mit den Augen und macht eine abwehrende Handbewegung. „Oh Gott, nicht schon wieder bitte. Ich kann es wirklich bald nicht mehr hören.“ Dann fügt sie lachend hinzu: „Wenigstens passt der Song ja zu dieser Situation. Wenn das mal kein böses Omen ist!“ Säuerlich grinsend steuert Dean das Gefährt um eine Anhäufung großer, roter Felsen herum. Dann durchfahren sie noch einen kleinen Canyon, an dessen Ende der Weg leicht ansteigt, bis sie sich mit einem Mal auf einer Hochebene befinden. Aus der wabernden Hitze erheben sich undeutlich die Umrisse verfallener, teils eingestürzter Hütten und Häuser. Als sie näher kommen, suchen zwei Kojoten das Weite und verschwinden zwischen den trockenen Büschen. Vor den ersten Hütten hält Dean an, sie steigen aus.

Eine gespenstische Stille herrscht, nur durchbrochen vom Säuseln des Windes. Hier und da knacken einige knochentrockene Büsche in der Hitze. Ein Tumbleweed rollt langsam über die lange Hauptstraße. Geisterhaft liegt die Ghosttown vor ihnen. Es ist ein kleiner Ort. Entlang der Mainstreet zählt Dean etwa zwanzig Häuser. Einige davon sind nach so vielen Jahren noch in erstaunlich gutem Zustand, andere wiederum in sich zusammengefallen. Windschief steht eine Kirche auf einer kleinen Anhöhe. So, als gehöre sie nicht wirklich zu diesem Ort. Ein Haus ist völlig ausgebrannt. Die schwarzen Balken ragen drohenden Fingern gleich in den wolkenlosen Himmel. Bizarr anmutend stehen die windschiefen Kreuze des Friedhofs abseits des Ortes. Nur noch wenige morschte Bretter zeugen von einer ehemaligen Umzäunung. Links von der Hauptstraße liegen steinerne Fundamente, auf denen einst Holzhütten gestanden haben. Zerborstene Balken und Bretter liegen kreuz und quer. Zwischen den Ruinen wirbeln kleine Staubteufel umher, als würden sie einen passenden Geistertanz aufführen.

Vor Linda und Dean quert eine Eidechse ihren Weg und entschwindet flugs in einer Spalte. Auf der Hauptstraße sind nur noch mit viel Fantasie Wagenspuren zu erkennen. Frachtwagen transportierten früher das silberhaltige Erz aus den Minen zur Weiterverarbeitung nach Tucson. Wolf Hole Junction scheint nur eine Zwischenstation gewesen zu sein. Nördlich von hier führt die Straße aus dem Ort heraus und verliert sich in der Weite der Landschaft. Vor Deans innerem Auge entsteht das Bild, wie Menschen geschäftig auf den hölzernen Gehsteigen hin und her eilten und Reiter und Frachtwagen auf der Mainstreet ihren Weg suchten. Wie aus den Saloons das Geklimper der Pianos und das Gegröle der Whiskey trunkenen Männer erklang. Das Leben in einer typischen Westernstadt. Gleich hinter der Stadt erheben sich die Red Rocks. Eine mit Schluchten durchzogene Felsenlandschaft. Bizarr und faszinierend anzusehen. Eine Landschaft, die nicht von dieser Welt zu sein scheint. Oasen aus sattem Grün bilden einen reizvollen Kontrast zu der rot-gelb bis orange gefärbten Halbwüste. Wie Dome und Kathedralen erheben sich majestätisch einige Tafelberge. An deren Geröllhängen wachsen Wacholderbüsche und die überall anzutreffenden Mesquitebäume. Die gesamte Landschaft ist geprägt durch eine Ansammlung von Tafelbergen, sandigen Hügeln, Felsspitzen und Steilwänden.

Deans innerer Film endet, denn heute ist in dieser Stadt alles verstummt. Kein Kindergelächter, das durch die Gassen tönt, keine Fußgänger, die beschwingt ihrer Wege gehen. Die Fensteraussparungen der Holzhäuser erinnern an leere Augenhöhlen. Es liegt gespenstische Ruhe in der Luft. Dagegen wirkt das Öffnen der Saloontür wie das Kreischen von Fingernägeln auf einer Schultafel. Es riecht muffig, als Linda und Dean den Raum betreten. Die Holzdielen ächzen unter ihren Schritten. In der Mitte des Saloons stehen – wie zufällig angeordnet – Tische und Stühle. Sie sehen aus, als wäre gestern noch an ihnen gelacht und gespielt worden, würde nicht ein dicker Staubfilm die Sitzflächen der Stühle und die Tischplatten bedecken. Spinnennetze spannen sich reichlich zwischen Stuhl- und Tischbeinen. Ein unheimlicher Ort, dessen Atmosphäre selbst bei Dean ein Frösteln erzeugt. Auch Linda ist schweigsamer als sonst und legt die Arme um die Schultern, als wenn es ihr kalt wäre. Ab und an fährt leise pfeifend ein Windstoß durch die Ritzen und glaslosen Fenster und wirbelt den Staub auf. Dann ist wieder totale Stille.

Linda und Dean verlassen das Haus und spazieren die Mainstreet hinunter. An einer der Fensterhöhlen bewegen sich die zerfetzten Reste einer Gardine. Ein Schild, das halb abgerissen an einem Vordach hängt, schaukelt quietschend im Wind. Drüben, auf der anderen Seite, klappert eine Tür in den rostigen Angeln, wenn eine Windböe sie erfasst. Staub und noch mehr Staub wird auf der Straße hochgewirbelt und verflüchtigt sich zwischen den Häuserruinen. Ein merkwürdiges, kaum wahrnehmbares Geflüster liegt in der Luft.

Wahrlich, eine Geisterstadt!

Das ehemalige Marshalbüro liegt fast in der Mitte des Ortes. An der verwitterten Schrift auf dem Schild ist es zu erkennen. Dean betritt vorsichtig den hölzernen Gehsteig und blickt durch das kaputte Fenster. Die Eingangstür ist verklemmt. Mit einem kräftigen Tritt fliegt sie aus dem morschen Rahmen und Dean geht hinein. Unter seinen Schritten knarren die alten Holzdielen, er muss aufpassen, nicht in eines der Löcher des maroden Bodens zu treten. Linda kommt neugierig und vorsichtig hinterher. Auf dem Schreibtisch liegen einige Steckbriefe und andere vergilbte Papiere. Über den Fußboden rollt eine leere Flasche, als Dean sie mit dem Fuß anstößt. Zerbrochene Tassen und Teller liegen herum. Ein Schrank, der auch schon bessere Tage gesehen hat, steht windschief in einer Ecke. Weiter hinten im Raum befindet sich eine Tür. Als Dean sie öffnet, knarrt sie und dicker Staub rieselt auf seinen Hut. Hier befand sich das Jail. Das Stadtgefängnis des Ortes. Die eisernen Türen stehen offen. Die vier Zellen sind mit je einer hölzernen Pritsche ausgestattet. Vergammelte Strohmatratzen liegen herum. Die eisernen Zellentüren stehen offen. Durch das einzige Fenster im Raum scheint die Sonne, in deren Strahlen die Staubkörnchen wie silberne Sterne funkeln.

Das Paar geht ins Büro zurück. Nachdem Dean den Dreck von den Dokumenten geschüttelt hat, studiert er die Steckbriefe. Finstere Gestalten sind darauf zu erkennen. Auf manche von ihnen waren zwanzig Dollar Kopfgeld ausgesetzt. Dean grinst erheitert. Auch Linda kann sich ein Kichern nicht verbeißen. „Na, viel können die nicht auf dem Kerbholz gehabt haben. Wahrscheinlich alles nur Hühner- und Eierdiebe. Gab es hier keine richtig harten Gesetzlosen?“ Dean lacht leise. „Nee, Schatz. Man stellt sich immer vor, dass die schlimmsten Revolverhelden und Banditen in solchen Städten herumgelaufen sind. Das sind Märchen. Sicher gab es die. Scheinbar war dieser Ort aber nicht von großer Bedeutung. Auch sind sich in diesem riesigen Land solche Männer ihr Leben lang nicht einmal begegnet. Drüben in Tombstone war es etwas anders. Na, die Geschichte kennst du ja selber. Mit Wyatt Earp, Doc Holliday und den Kampf am O.K. Corral. Obwohl das im Grunde auch nur eine kleine, unbedeutende Episode des Westens war. Die Geschichte wurde nur aufgebauscht und gewinnbringend vermarktet. Der Westen lebt halt von seinen Legenden.“ Linda nickt dazu. Als Lehrerin kennt sie sämtliche wahren und erfundenen Heldentaten des Wilden Westens genau. Neugierig betrachtet Dean jetzt einige Bilder an den Wänden. Sie zeigen ehemalige Honoratioren der Stadt. Auch Bilder von der Umgebung sind zu finden. Ein Ranchgebäude, dem man ansieht, dass die Besitzer nicht gerade am Hungertuch nagen mussten. Unter dem Bild ist in verschnörkelter Schrift zu lesen: „Bar T. Ranch. Besitzer Buck Anderson“. Amüsiert mit dem Kopf schüttelnd will Dean sich gerade zum Gehen wenden, als sein Blick in eine Ecke fällt. Dort liegt ein halb zerrissenes Stück Papier. Er hält inne, starrt gebannt auf den Namen, der gerade noch zu lesen ist:

Grandner.

Dean hebt das Papier auf und entfaltet es auf dem Schreibtisch. Da schon einige Stücke des Papiers fehlen, kann er nur entziffern:

Notice

...letzten drei Tagen sind auf der Bar T. Ranch

Bob Anderson

...ed Grandner und Brad Marlow...

...unerklärliche Weise verschwunden. Wer sie...

richten bitte an...Daniel Richards. Town Marshal

August 17th. 1886

Über dem Schriftstück sind die Abbildungen der drei Vermissten zu sehen. Dean schlägt das Herz plötzlich bis zum Hals. Aufgeregt winkt er Linda zu sich. „Na bitte! Ich habe doch gewusst, ich habe keine Halluzinationen, hier ist endlich ein Hinweis, an dem ich ansetzen kann.“ Dean spürt, wie ihn die Aufregung packt. „Lieber Himmel ... nach all den Jahren des Forschens und der Suche finde ich jetzt in diesem Nest eine erste Spur!“ Auch Linda blickt mit großen Augen auf das Schriftstück, das ihr Dean unter die Nase hält. „Hmm. Ja ... ist wirklich komisch! Aber bestimmt bist du nicht der Einzige mit diesem Nachnamen. Da gibt es bestimmt viele.“

Dean zupft wieder mal an seinem Ohr und verzieht das Gesicht. „Nein. Ich spüre es. Ich weiß, dass das hier mehr bedeutet als einen Zufall. Irgendwo in dieser Gegend liegt der Schlüssel für das Verschwinden meines Vaters und der Vorfahren. Die Verschollenen müssen etwas miteinander zu tun gehabt haben!“ Er macht ein nachdenkliches Gesicht. Linda merkt, wie es in seinem Gehirn arbeitet. „Wenn wir wieder nach Sahuarita kommen, werde ich mal den Sheriff dort fragen. Vielleicht weiß er etwas über diese Geschichte. Die Polizei hat doch immer die besten Informationen!“

Linda grinst dünn. „Wenn du meinst mein Schatz. Vielleicht hat das ja wirklich etwas mit deinen Vorfahren zu tun. Wer weiß das schon? Ein wenig nachforschen schadet ja nicht."

Dean räuspert sich. Seine Augen fangen zu leuchten an. „Könnte wirklich möglich sein. Ich fühle, dass wir hier auf einer heißen Spur sind. Auf meinen Instinkt konnte ich mich eigentlich immer schon verlassen. Es schadet ja nicht, nachzuforschen. Wir haben Zeit. Vielleicht kann ich jetzt endlich ein Geheimnis lüften! Ist doch schon merkwürdig, dass uns der Weg geradezu in diesen Ort geführt hat." Er steckt das Stück Papier ein und dann gehen beide nach draußen.

„Hörst du das?“ Lauschend bleibt Dean mitten auf der staubigen Straße stehen. Er meint, ein leises Getuschel zu vernehmen. So als ob sich eine Gruppe Menschen flüsternd unterhielten. Dazwischen ein merkwürdiges Wimmern und Raunen. Doch niemand ist zu sehen. Die Stadt ist ausgestorben. Das Wimmern, Tuscheln und Flüstern scheint aus jedem Haus zu kommen. Aus jeder Gasse. Ja, sogar in der hitzeflimmernden Luft scheint es sich zu verbreiten. Linda hält den Atem an und lauscht ebenso angestrengt. Sie schüttelt den Kopf. „Also ich kann nichts hören. Das ist nur der Wind, der durch die Ruinen weht. Der erzeugt manchmal eigenartige Geräusche. Komm...lass uns hier verschwinden.“ Dean schüttelt energisch den Kopf. „Ja ... alles Quatsch. War wohl wirklich nur der Wind. Ich höre und sehe auch schon Gespenster!“ Langsam gehen sie zum Wohnmobil zurück.

Es ist fast Mittag und die Hitze wird bereits unerträglich. Doch Linda möchte jetzt unbedingt in das Reservat fahren und einige ihrer Freunde dort besuchen, ehe Dean seinen Forschungen nachgeht. Er willigt ein. Jetzt im Schatten einiger Bäume zu sitzen und was Kühles zu trinken, wünscht auch er sich. Durstig nehmen beide einen großen Schluck aus der Wasserflasche, ehe sie weiterfahren. Und wieder geht es über eine ausgefahrene, knochentrockene Piste Richtung Süden. Das Geklapper des kaputten Auspuffs nervt Dean. Hoffentlich hält der noch eine Weile, denkt er nervös. Dann erweckt etwas anderes seine Aufmerksamkeit.

Links von ihnen, auf einem flachen Hügel und völlig freistehend, erblickt er einen alten abgestorbenen Baum. Er tritt so heftig auf die Bremse, dass es Linda nach vorne schleudert und sie fast aus ihrem Sitz gerissen wird. Sie will schon schimpfen, doch Deans beruhigende Geste lässt sie schweigen. Starr blickt Dean zu dem alten Baum hinüber. Kein Busch, kein sonstiges Gewächs ist weit und breit zu sehen. Nur dieser alleinstehende kahle Baum in der Weite der glühenden Landschaft. Seine wenigen knorrigen Äste heben sich drohend und schwarz gegen den blauen Himmel ab. Einer davon steht fast waagerecht vom Stamm ab und weist in Richtung der Ghost Town. Neugierig steigt Dean aus dem Wagen. „Wie ein Wegweiser in die Hölle“, flüstert er. „Ein komischer Anblick. Direkt unheimlich. Komm ... lass uns mal rübergehen!“ Langsam nähert er sich dem Baum. Nur widerwillig folgt ihm Linda.

Trotz ihres breitkrempigen Hutes hat sie das Gefühl, als würde ihr Schädel kochen. So stapfen sie durch den heißen Sand hinüber zu dem einsamen Baum. Je näher sie kommen, desto stärker beschleicht Dean ein beängstigendes, unruhiges Gefühl. So etwas hat er noch nie erlebt. Auch eine derart bedrückende, fast gespenstische Atmosphäre hat er noch nie verspürt. Von dem Baum verbreitet sich eine seltsame Aura. Bizarr und unwirklich steht er in der einsamen Landschaft.

Und plötzlich ist wieder das Wispern und Flüstern zu hören, das er schon in der Geisterstadt vernommen hat. Die kleinen Windhosen, die eben noch in der Nähe tanzten, sind plötzlich verschwunden. Totenstille herrscht. Nicht das kleinste Geräusch ist zu hören. Sogar der sanfte Wind ist verebbt. Es ist, als ob die Natur ihren Atem anhielt. Dieser komische Baum ist tatsächlich rabenschwarz. So, als wäre er total ausgebrannt. Jetzt erkennt Dean auch den Steinhügel, der am Fuß des Baumes liegt. „Sieht aus, wie ein Grab!“ Er blickt gebannt auf den Steinhaufen, kneift die Augen zusammen und murmelt: „Aber kein Kreuz oder Hinweis, wer hier begraben liegt. Falls es ein Grab ist.“ Linda geht langsam um den ominösen Baum herum. Blickt an ihm hoch und stutzt. „Sieh mal Dean! Der Ast dort. Sieht aus, als wenn dort etwas daran gescheuert hätte. Eine helle Stelle an der Rinde. Vielleicht ein Strick oder ähnliches." Jetzt blickt auch Dean zu dem knorrigen Ast hoch. Er verzieht nachdenklich das Gesicht und knubbelt wieder am Ohr. Tatsächlich, da hat etwas daran gescheuert. Ein heller Streifen ist zu erkennen. Eigentlich unmöglich. Der Baum steht bestimmt schon hundertfünfzig Jahre oder länger dort. Dean stemmt sich gegen den Stamm, versucht zu rütteln. Doch er steht fest wie ein Fels in der Brandung. Keinen Zentimeter bewegt er sich. „Der hätte bei dieser Trockenheit und Hitze schon längst umfallen müssen“, bemerkt er kopfschüttelnd. „Sieh dich um. Hier im Umkreis standen noch einige Bäume. Jetzt liegen dort hinten nur noch bleiche, verdorrte Überreste herum. Wieso steht ausgerechnet dieser noch?“ Darauf kann auch Linda keine Antwort geben. Dean bückt sich und untersucht die Steine zu seinen Füßen. Vorsichtig nimmt er einen nach dem anderen von dem Haufen und legt ihn beiseite. Darunter ist nur trockener, sandiger Boden. Vorsichtig buddelt Dean weiter.

Urplötzlich fließt der Sand beiseite, als wäre er Wasser und ein Totenschädel taucht aus dem Boden auf. Die weit geöffneten Kiefer scheinen ihn anzuschreien. Vor Schreck zuckt Dean zurück. Ihm wird schwindlig. Eine dumpfe Beklommenheit befällt ihn. Sein Herz rast und dann hört er eine hohle und kratzende Stimme, die tief in sein Gehirn dringt.

„Du wirst der Nächste sein. Du bist verflucht. Ich werde kommen um dich zu holen. Sei bereit mir zu dienen!“

Wie aus einer Blechtonne gesprochen ertönt diese unheimliche, von Flüstern und Wimmern begleitete Stimme. Ein anschwellendes Dröhnen und Hämmern macht sich in Deans Schädel breit. Dazu kommt ein stechender Schmerz. Als würde jemand ein Messer in sein Gehirn bohren. Er schreit laut auf. Fasst sich mit beiden Händen an den Kopf. Und trotz der Hitze spürt er eine eisige Kälte. Eine Gänsehaut überzieht seinen Körper. Das Dröhnen in seinem Kopf nimmt zu. Schreckliche Bilder durchziehen seinen Geist und ehe Linda bei ihm ankommt, fällt er in eine tiefe Besinnungslosigkeit.

Wolf Hole Junction

Подняться наверх