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Pilot sucht Landung

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So stand es eines Tages bei mir in einer angekommenen Mail und das dazugehörige Profil las sich wirklich außerordentlich gut: Ansehnlicher, schlanker, 1,90 m großer Mann, Pilot bei der Lufthansa, kurz vor dem Ruhestand, sucht eine Frau, bei der er für den Rest des Lebens dauerlanden kann. „Dein Profil und Dein Bild gefallen mir ganz gut, liebe Ramona und ich möchte Dich sehr gerne kennenlernen“, schrieb er kurz und knapp. Leider war kein Bild dabei, aber ich war trotzdem keineswegs abgeneigt, zumal ich ganz nahe am Flughafen wohnte und es ja in Aussicht stand, dass er bald in Ruhestand gehen würde und so viel ich wusste, gehen Piloten schon mit Mitte 50 in den Ruhestand. Ich antwortete ihm also und bekundete auch mein Interesse an ihm, berichtete auch sogleich, dass ich nahe am Flughafen wohnen würde und wir uns vielleicht einmal spontan dort treffen könnten. Es ging sehr schnell mit der Antwort und er schrieb, dass er aber momentan keine Route nach Köln, sondern nur nach Düsseldorf hätte und wir uns vielleicht einmal spontan nach einer Landung irgendwo in der Mitte zwischen Köln und Düsseldorf an einer Raststätte treffen könnten. Das fand ich zwar sonderbar, aber ich war so neugierig auf ihn und auch auf sein Aussehen, dass ich dem zustimmte. Er bat mich um meine Telefonnummer, damit er mich dann auch anrufen und sich mit mir verabreden könne und ich gab sie ihm nach einigen Überlegungen, weil alles sehr vertrauenswürdig klang. Ein Lufthansapilot gehört doch eigentlich nicht zu der Sorte Betrüger oder Verbrecher, oder? Es vergingen ein paar Tage und er rief mich zwischendurch auch tatsächlich mindestens dreimal an. Er hatte eine sehr männliche Stimme, die mein Herz berührte, und berichtete, dass er momentan leider sehr viel Arbeit hätte und auch noch zusätzlich für kranke Piloten einspringen müsse, aber sicher bald ein paar Stunden zwischendurch frei hätte und wir uns endlich treffen könnten.

Einmal rief er aus Frankfurt an, dann aus Stockholm, Wien, München und endlich aus Düsseldorf, mit der Idee zum spontanen Treff. Es war allerdings schon 20:00 Uhr abends und ich hatte mir eigentlich vorgenommen, mich nie mit einem Mann beim ersten Treffen irgendwo in der Dunkelheit zu treffen, aber sein Beruf weckte nun einmal großes Vertrauen in mir und ich stimmte zu, mich mit ihm an einer Raststätte zwischen Düsseldorf und Köln zu treffen, um ihm zumindest einmal in die Augen zu schauen und festzustellen, ob wir uns wirklich sympathisch sind. Viel Zeit hatte er angeblich nicht, weil er schon um Mitternacht wieder weiterfliegen musste.


Damals besaß ich noch ein schickes und vor allem schnelles Auto, ein Erbstück meines verstorbenen Mannes, und es war für mich kein Problem, in nur 30 Minuten an dem vereinbarten Rastplatz zu sein. Ein ebenso schicker Sportwagen einer anderen Marke kam um die Ecke und es entstieg ihm ein optisch absoluter Traummann! Tatsächlich so groß in seiner Statur, dazu schlank, aber nicht dürr, in meinen Augen perfekt gebaut, fast modellhaft! Dunkelblau gekleidet, eben die typische Lufthansafarbe, wie ich so von meinen Flügen mit dieser Gesellschaft in Erinnerung hatte. Ich war platt! Dazu das Aussehen dieses Mannes! Man kann es nicht wirklich beschreiben, so schön im wahrsten Sinne des Wortes war er und ich bekam sofort Schmetterlinge im Bauch, von denen ich schon geglaubt hatte, sie wären für immer bei mir weggeflogen.

Galant führte er mich zur Raststätte und entschuldigte sich sogleich für den nicht so schönen ersten Treffpunkt, aber mir war in diesem Moment alles egal, so attraktiv fand ich ihn und so hingerissen und überwältigt war ich von seiner eindrucksvollen Präsenz! Wir tranken also Kaffee und schauten uns dabei tief in die Augen. Es war einfach wunderbar und Jens, wie er hieß, fand mich angeblich ebenfalls anziehend und sexy wie er sagte, was bei einem solchen Prachtexemplar von Mann der reine Balsam für meine Seele war! Er suchte auch ein bisschen meine Nähe und trat sehr nahe an mich heran, legte sogar seinen Arm um meine Taille und es ging wie ein Stromschlag durch meinen Körper, so anziehend fand ich ihn. Ich hatte natürlich nichts dagegen, denn ich war wirklich „hin und weg“. Anders kann man es wirklich nicht ausdrücken oder vielleicht mit „Liebe auf den ersten Blick“?

Nun denn, wie es auch sein mochte, er hatte ja leider nicht viel Zeit und verabschiedete sich schon kurz nach dem Kaffee wieder Richtung Flughafen, versprach mir aber, mich bald wieder sehen zu wollen. Er küsste mich sogar ganz sanft zum Abschied und ich war wie in Trance! So in angenehmen Gedanken versunken und auf Wolke 7 schwebend fuhr ich prompt eine falsche Strecke zurück und brauchte jetzt die doppelte Zeit wie auf dem Hinweg. Egal, der Mann war es wert, einen Umweg von mindestens 100 Kilometer in Kauf zu nehmen und Ihr könnt glauben, dass ich noch nie so schöne Träume gehabt habe, wie in der darauf folgenden Nacht!

Es verging eine Weile, nicht ohne ab und zu mal einen netten Anruf von irgendeinem Flughafen in Europa zu bekommen, an dem er gerade gelandet war und angeblich bald schon wieder weiterfliegen musste. Ich hatte mich zu keinem Zeitpunkt über die Anzahl seiner doch offensichtlich sehr vielen Flugstunden gewundert, die immens gewesen sein müssen und ich hatte mal gehört, dass es eigentlich doch gar nicht erlaubt ist, dass ein Pilot so viele Stunden an einem Stück fliegen darf, oder? Wie dem auch sei, es kam der ersehnte Anruf, dass er mich endlich in Köln besuchen könne und er auch ein paar Stunden Zeit hätte. Er würde mich gerne in meinem Haus besuchen kommen. Nun, das habe ich bisher auch nie gemacht, nämlich einen neuen Bekannten so schnell nach Hause hin eingeladen, aber ich war ja so verliebt und konnte es kaum erwarten, ihn wiederzusehen, dass ich dem zustimmte, zumal es auch am hellichten Tag sein würde. Dazu ein Lufthansapilot! Da brauchte man doch wirklich keine Bedenken haben, oder doch? Ich lud ihn also zum Mittagessen ein und bereitete ein exquisites, aber unkompliziertes Mittagsmahl vor, denn ich wollte ja nicht die ganze Zeit in der Küche stehen, sondern meinen Traummann endlich ein bisschen näher kennenlernen.

Da kam er dann endlich, diesmal mit einem anderen Auto, einer Limousine, sonderbar! Na ja, als nicht schlecht verdienender Pilot konnte man sich ja schließlich zwei Autos leisten! Einen Sportwagen und eben eine Limousine, was gab es daran zu kritisieren oder überhaupt darüber nachzudenken? Ich brauche wohl nicht zu schreiben, wie schön der Mittag bei mir war. Es war für mich ein wunderbarer Tag, obwohl es draußen in Strömen regnete und der Wind pfiff, aber ich sah alles wie durch eine rosarote Brille. Ich war inzwischen wirklich verliebt in ihn und es gab momentan für mich nur noch den Einen und den wollte ich erst einmal nicht mehr so schnell verlieren! Ich beschloss sogar, mich in der Internetbörse abzumelden, weil ich ja jetzt meinen Traummann gefunden hatte und ich hatte den Eindruck, dass Jens mich ebenso gerne mochte. Leider ging die hochjauchzende Mittagsstunde viel zu schnell vorbei und Jens teilte mir mit, dass er jetzt schon wieder nach Düsseldorf müsse und dann eine harte Woche mit vielen Flugrouten vor sich habe und er sich danach wieder melden würde. Traurig war ich schon, aber es war ja ein baldiges Ende seiner Berufslaufbahn in Sicht und dann würde ich meinen Traummann vielleicht für eine längere Zeit oder gar für immer bei mir haben, oder?

Er rauschte mit seinem Auto davon und ließ mich mit ein bisschen Liebeskummer, aber trotzdem überglücklich, weil ich ihn überhaupt gefunden hatte, zurück. Ich würde ihn ja bald wiedersehen und dann würde es umso schöner werden!

Da klingelte das Telefon und riss mich aus meinen Liebesträumen: „Hier ist Constanze, darf ich mal eben rüberkommen? Ich muss Dich etwas fragen.“ „Natürlich Constanze“, sagte ich und dachte auch sofort, dass ich ihr jetzt von meiner neuen Errungenschaft erzählen wollte, denn Constanze war meine beste Freundin und wohnte nebenan und ich hatte ihr bisher noch nichts von meinem gefundenen Glück berichtet und jetzt war es höchste Zeit dazu, ihr den Mund ein bisschen wässrig zu machen, denn sie war ja selber auf der Suche nach einem Mann und im selben Portal wie ich angemeldet. „Hattest Du Besuch, liebe Ramona?“ „Ja, ich habe endlich meinen Traummann gefunden, liebe Constanze und wir trinken jetzt ein Gläschen Champagner darauf!“ „Warte erst einmal ab, liebe Ramona! Vielleicht schwindet nämlich gleich deine Euphorie?“ Ich konnte mir überhaupt nicht vorstellen, was Constanze meinte und war schon sehr gespannt! „Setze Dich erst einmal hin, liebe Ramona, sonst fällst du sowieso auf deinen Allerwertesten. Ich habe das Auto Deines Besuchers und angeblichen Traummannes vor Deinem Haus gesehen und auch das Nummernschild, welches mir mehr als bekannt vorkam! Ich habe meinen Exmann angerufen (ihr Exmann war ein reicher Unternehmer, der Geschäfte in ganz Deutschland tätigte) und ihn nach dem Nummernschild seines Geschäftsautos gefragt und es deckte sich mit meinen Angaben, nämlich dem Nummernschild vor Deiner Haustür! Es war also das Geschäftsauto meines Exmannes!“ „Wie soll ich das verstehen, liebe Constanze?“ Bei mir war immer noch nicht der Groschen gefallen. Nun, Constanze war Rechtsanwältin und hatte natürlich immer schon ein Gespür für krumme Geschichten und auch ein besonders wachsames Auge, aber warum hatte „mein“ Pilot das Auto ihre Exmannes???

Es klärte sich schnell auf und Constanze berichtete mir aus dem Leben ihres Exmannes und dass er schon des Längeren einen „Mann für alle Fälle“ angestellt hätte, der ihn zu seinen Geschäftsterminen durch ganz Deutschland fahren, seinen Rasen mähen, seine Einkäufe erledigen, ihn in sein Sommerhaus auf Sylt fahren und andere Sachen, die nötig wären, erfüllen würde. Ihr Exmann wüsste auch ganz genau, dass dieser Angestellte die Masche hätte, sich immer wieder im Internet als Pilot auszugeben, um sich an für ihn reich anmutende Frauen heranzumachen und vielleicht nebenbei eine schöne Zeit zu haben oder mit tollen Geschenken überhäuft zu werden. Auf diese Weise wäre er schon zu einer Rolex und anderen teuren Dingen gekommen, denn auf sein gutes Aussehen wären schon viele hereingefallen und den Beruf als Pilot nahmen ihm auch alle ab, weil er genauso ja auch aussehen würde und somit durchaus glaubwürdig erscheinen würde. Es würde ihren Exmann auch nicht stören, denn er wäre in seiner Arbeit zuverlässig und hätte sowieso wenig Freizeit, weil er ihn laufend und fast rund um die Uhr benötigen würde. Jetzt war mir klar, warum Jens immer so wenig Zeit hatte und mir Geschichten von Pilotenvertretungen vortäuschte.

Ich brauchte jetzt einen doppelten Schnaps und Constanze trank zum Trost einen mit mir mit! Da war er schnell wieder zerronnen, der Traum von meinem Supermann und ich nannte ihn von diesem Moment an nur noch meinen „Bruchpiloten“, wenn das Thema noch mal auf ihn kam. Eigentlich sehr schade, denn wenn ich überlege, wie charmant er war, wie gut er aussah und wie oft er angerufen hatte und meine Herz verzauberte, ich glaube, ich hätte ihn auch gerne als Freund gehabt, wenn er sich als „Mann für alle Fälle“ geoutet und zu seinem Beruf gestanden hätte, aber er hatte es ja auf sehr reiche Frauen abgesehen und war auch nur deswegen zu mir nach Hause gekommen, um mein Haus zu sehen und ob ich zu der Sorte Frauen gehören würde, die ihm vielleicht auch teure Geschenke machen könnte und dazu gehörte ich nun einmal nicht und unter diesen Umständen und wirklich auch schlechten Absichten hätte ich ihn auch nicht gewollt. Also, große Vorsicht ist geboten, wenn sich ein Pilot bei Ihnen meldet! Es ist vielleicht besser, auf Nummer Sicher zu gehen und bei der Fluggesellschaft nachzuhorchen, ob es einen solchen namentlich auch gibt?

Nach diesem Erlebnis hatte ich eigentlich genug von dieser Berufssparte und Ihr glaubt es kaum, aber nicht lange danach kam doch tatsächlich erneut eine Mail herein, diesmal mit der Überschrift: Bruchpilot möchte in einem sicheren Hafen landen. Nein, um Gottes Willen, nicht schon wieder solch eine Enttäuschung, war meine erste Reaktion! Dem würde ich es zeigen und nicht noch einmal auf solch eine Schummelei hereinfallen! Ich schrieb ihm ziemlich forsch und ein bisschen schnippisch zurück und fragte ihn, ob er auch kurz vor dem Ruhestand stünde und wie denn sein Flugplan so im Allgemeinen aussähe? Laufend Vertretungen für andere kranke Piloten? Wenig Freizeit übrig für längere Treffs? „Nein, im Gegenteil, schöne Frau! Ich habe sehr viel Zeit und überhaupt gibt es da ja Grenzen der beruflichen Belastbarkeit, gerade in unserem Beruf und in meiner Berufssparte darf man nur eine gewisse Anzahl Stunden am Stück fliegen und danach hat man immer sehr viele Stunden frei bis zum nächsten Einsatz. Ich habe meinen Flugplan für die ganze nächste Woche schon vorliegen und wir können uns gerne morgen Nachmittag einmal treffen. Ich brauche erst übermorgen gegen Mittag wieder loszufliegen und bin ganz in ihrer Nähe, nämlich am Flughafen Köln-Bonn für die Flugbereitschaft tätig.“

Ha, jetzt hatte ich ihn am Schlafittchen, denn mein Sohn arbeitete dort während seines Zivildienstes und war genau an dieser Flugbereitschaftsstelle bei den Flugzeugen beschäftigt. Es war natürlich ein Leichtes, das von ihm überprüfen zu lassen und dann könnte ich ihm schon die Leviten lesen, falls er geschummelt hatte. Nun, es war nicht zu glauben, aber diesmal hatte ich tatsächlich einen echten Piloten an der Angel!

Nun, ich habe „Mr. Right“ auch kennengelernt und einen wirklich netten Nachmittag mit ihm verbracht, aber die Schmetterlinge kamen diesmal leider nicht zurückgeflogen, vielleicht auch, weil er mir eröffnete, dass er noch zwei kleine Kinder mit einer wesentlich jüngeren Frau hatte, auch noch nicht geschieden war und das auch nicht vorhatte, obwohl er getrennt von ihr lebte und das auch so aus wirtschaftlichen und verantwortungsbewussten Gründen seiner Familie gegenüber beibehalten wollte. Nun, das passte leider überhaupt nicht in meine Lebensvorstellung und Zukunftsplanung hinein, aber trotzdem war er ein sehr netter und charmanter Mann, mit dem ich heutzutage noch mal ab und zu telefoniere. Er lebt immer noch alleine, die Kinder sind inzwischen schon in der Schule und er ist immer noch verheiratet. Na ja! Jedem das Seine!

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