Читать книгу Männer per Mausklick - Ramona Rick - Страница 6
Dr. Roberto Gonzales Lopez
ОглавлениеDas Telefon klingelte schon zum 5. Mal! „Hier ist Roberto, wie geht es Dir? Ich wollte nur mal Deine Stimme hören!“
„Mir geht es noch nicht besser, Roberto“, krächzte ich in den Hörer, ein bisschen übertrieben und hoffte dabei, dass er nicht erneut seine Hilfe und sein Kommen anpreisen würde. Kaum gedacht, ertönte schon seine ziemlich hohe, ein wenig eingerostete Stimme mit seinem ausländischen Dialekt: „Meine Liebe, ich kann doch kommen und Dich untersuchen und Dir neue Medikamente verschreiben und überhaupt weißt Du, dass ich Dir gerne helfe und sowieso gerne mit Dir zusammen sein möchte. Du musst wissen, es könnte sich auf Dein Herz, auf Deine Nieren oder sogar auf die Gelenke auswirken und das möchte ich doch nicht, Du weißt …“ „Bitte Roberto, mir geht es nicht gut und ich kann nicht so viel sprechen und melde mich heute Abend mal bei Dir. Ich war heute schon ganz früh beim Hausarzt und habe genug Medikamente im Haus! Lieb von Dir, aber ich möchte jetzt nicht mehr sprechen, weil mir sonst der Hals wieder den ganzen Tag weh tut. Bitte entschuldige mich deshalb. Bis heute Abend! Tschau!“ Anscheinend war der Brief von mir noch nicht angekommen, sonst wäre er sicherlich nicht so freundlich am Telefon gewesen.
Roberto war Doktor der Medizin, genau genommen Internist und ehemaliger Chefarzt des Krankenhauses Dortmund und ich habe ihn in der Zeitung entdeckt! Genau genommen in den Kontaktanzeigen, die ich seit einem halben Jahr verschlinge und die mein Leben total verändert und durcheinandergebracht haben.
„Hoch angesehener Akademiker mit Charakter, Format und Qualitäten, finanziell gesichert und mit viel Freizeit, sucht für gemeinsame, schöne Zukunft schlanke bildhübsche Dame, gerne blond, 50-55 Jahre, mit Niveau, der Liebe, Treue und Ehrlichkeit wahre Werte sind. Bild wäre nett“, so stand in der Zeitung und ich konnte nicht widerstehen, darauf zu antworten und den Traum von einem Mann kennenzulernen. Über das Alter waren keinerlei Angaben gemacht und ich stellte mir einen stattlichen, großen und natürlich sehr gut aussehenden Mann im besten Mannesalter hinter diesen Zeilen vor. Ich schrieb also in meinem besten Stil, denn Schreiben war schon immer ein geheimes Hobby von mir und machte mir den Riesenspaß und hing ein nicht mehr ganz aktuelles, aber wunderschönes Foto von vor mindestens einem Jahr an, auf dem er mich, auf einem Auto sitzend und in einem knappen und kurzberockten, sexy Kleid betrachten konnte. Obwohl inzwischen schon 55 Jahre alt, denke ich mal sagen zu können, dass ich noch eine gut aussehende Frau bin und vor allem immer noch wesentlich jünger aussehe. Ansonsten hätte ich auch kein ein Jahr altes Foto gewählt, was unfair wäre und auch eine Vorspiegelung falscher Tatsachen, falls man inzwischen ganz anders aussehen würde! Es folgte eine prompte Reaktion, drei Tage nach meinem Versand! „Hier ist Dr. Roberto Gonzales Lopez, ich bin von Beruf Arzt, genau genommen Chefarzt und komme aus Lateinamerika.“ „Aus welchem Land denn da?“ „Ach wissen Sie, es gibt so viel zu erzählen, was man gar nicht alles am Telefon machen kann und überhaupt bin ich so begeistert von Ihrem Schreiben und dem Foto, dass ich Sie schnellstens kennen lernen möchte. Ich möchte Sie gerne zum Essen einladen und schlage auch direkt schon morgen vor und dann erzähle ich Ihnen meine ganze Geschichte. „Das geht nicht, weil ich sehr erkältet bin und mich nicht wohl fühle.“ „Ich biete Ihnen meine Dienste als Arzt an und komme gerne vorbei und untersuche sie. „Nein, das möchte ich nicht, bitte verstehen Sie das, zumal ich Sie noch gar nicht kenne“ „Ja das respektiere ich natürlich, aber Sie müssen unbedingt etwas einnehmen und zwar schlage ich …“ Roberto redete mindestens 30 Minuten auf mich ein und ich dachte schon, dass ich so einem Besserwisser aufgeflogen bin, aber sein Beruf ließ dann doch so einiges entschuldigen und sicherlich wollte er sich auch ein bisschen interessant machen und wie toll er wäre und dann siegte doch meine ursprüngliche Neugier nach dem Traummann, nach dem ich immer noch auf der Suche war und ich versprach, die Medizin, die er mir empfahl, zu besorgen und drei Tage später dann auch mit ihm essen zu gehen.
Seine Freude darüber konnte er nicht verbergen und von diesem Moment an rief er jeden Tag mindestens zweimal an, um sich nach meinem Befinden zu erkundigen.
Samstag! Gesund war ich trotz des befolgten, angeblich hundertprozentig wirkenden und langjährig erprobten Medikamentes noch immer nicht, aber es war spannend und ich wollte den „Supermann“ nun endlich kennenlernen! Genauso lange, wie sein Gesundheitsvortrag am ersten Gesprächstag, erklärte er mir dreimal hintereinander den Weg zu seinem Anwesen, denn es war geplant, dass wir von dort zum Essen fahren würden. War er vielleicht doch der Besserwisser, wie ich beim ersten Telefongespräch geglaubt hatte? Denkt er, die Frauen sind zu dumm, eine Adresse zu finden? Na ja, je nachdem, aus welchem lateinamerikanischen Land er kommen würde, hätten die Frauen sowieso nichts zu sagen. Aber er ist ja ein gebildeter Lateinamerikaner! Und lebt schon lange in Deutschland! Aber hat er auch hier studiert? Ist er vielleicht ein Macho?
Der Weg führte mich am Stadtpark vorbei und an den Gegenden und Stadtteilen, wo man nicht mehr so viele Kleinwagen entdecken konnte und meine Erwartungshaltung stieg allmählich ins Immense. In meinem Traum sah ich schon eine wunderschöne, im großzügigen Stil erbaute Villa mit mindestens 250 qm und drei Garagen vor mir und wäre beinahe beim Träumen in einer Sackgasse gelandet. Sicher ist er Mexikaner! Als ich in Mexiko City war, habe ich dort das Nobelviertel mit seinen Prachtbauten besichtigt und die Villen waren eindrucksvoll. Oder aus Puerto Rico, dem wunderbaren Land mit seiner vielfältigen Pflanzen- und Tierwelt, in welches ich unbedingt noch einmal reisen wollte – vielleicht könnte ich schon bald mit ihm dorthin reisen!??
Jetzt noch zwei Straßen, aber hier waren nur Mietskasernen! Was muss das für die armen Leute doch hart sein, neben solchem Wohlstand zu wohnen! Nachtgallenweg! Er fing ja schon hier an! Und der Klang des Namens! Da konnten doch keine Mietskasernen stehen! Er muss unendlich lang sein, denn ich kann jetzt kleine Reihenhäuser entdecken, wenigstens schon eine kleine Steigerung! Gleich würde der absolute Kontrast kommen, nur noch eine Straße! Auch Reihenhäuser!!! Tatsächlich Reihenhäuser!!! Aber nicht im neuesten Stil, nein, schon ziemlich verwohnt und renovierungsbedürftig! Vielleicht gibt es ja noch einen anderen Nachtigallenweg? Nein, natürlich nicht!
Am Liebsten wäre ich schnurstracks nach Hause gefahren, aber da erschien schon eine Gestalt am Eingang Nr. 49. Heller, gepflegter, seidig glänzender Anzug, Schlips und Kragen, alles Dinge, die ich, das muss ich schon sagen, sehr bei einem Mann schätze, aber … er sah nicht sonderlich groß aus und sein Gesicht konnte ich vom Auto aus auch noch nicht gut erkennen, nur, dass er kein Farbiger war und das tröstete mich sehr, weil ich in der letzten Nacht von einem farbigen Kolumbianer geträumt hatte und Kolumbien gehört ja schließlich auch zu den lateinamerikanischen Ländern. Natürlich habe ich überhaupt nichts gegen Farbige, aber zu meiner Vorstellung vom neuen Lebenspartner gehörte nun einmal gedanklich ein weißer Mann. Ich stieg aus und er kam sofort auf mich zu mit überaus höflicher Geste. „Ich bin Roberto und Du bist die Ramona“, sagte er mit seinem schon sehr ausländischen Dialekt. Ich hatte keine hohen Schuhe an und musste schon ein bisschen auf ihn herunterschauen – höchstens 1,66 m groß von Statur, wo ich doch kleine Männer nicht sonderlich für mich in Betracht zog! Und sein Gesicht? Ich denke mal auf den ersten Blick: Mitte bis Ende 60! Aber mit warmherzigen und wirklich wunderschönen Augen! Nach meiner letzten Scheidung habe ich mir geschworen, nie wieder mit einem wesentlich älteren Herrn liiert sein zu wollen und 60 Jahre war schon meine magische Grenze geworden und jetzt das!!! Aber sein Charme ließ im Moment diese Gedanken etwas verdrängen. „Ich habe schon mein Auto herausgeholt und wir können gleich abfahren.“ Eine nagelneue Limousine, blank geputzt und mit wunderschönen beigen Ledersitzen verführte mich zum Einsteigen und galant, wie er war, öffnete er mir die Beifahrertür. Ruck! Den Motor abgewürgt! Na ja, so etwas kann jedem passieren, aber der sicherste Fahrer war er trotzdem nicht in meinen Augen. Es dauerte länger, bis wir das Restaurant gefunden hatten und wir brauchten eine lange Zeit, um in eine Parklücke, die für zwei Autos gereicht hätte, einzuparken. Ich habe ihn noch einweisen wollen, aber da merkte ich, dass er mir nicht so sehr vertrauen wollte, denn er überzeugte sich selber durch Aussteigen von den Parklückenverhältnissen. Das Lokal, in welches er mich führte, war schon exzellent, das muss man sagen. Ein Italiener vom Feinsten und der Fisch, den wir aßen, es war Loup de Mare und Dorade in Weißwein gedünstet, mit einer Beilage aus gerösteten kleinen Kartöffelchen und zartem Gemüse, ließ mich einen Moment lang sein Alter vergessen. Herzchirurg wollte er werden und er kam, und das verschlug mir fast die Sprache, aus Peru – ein echter Peruaner! Er hätte in seinem Heimatland Biologie studiert und dann in Deutschland Medizin, am Krankenhaus gearbeitet, schnell Oberarzt und schließlich Chefarzt geworden. „Du bist doch nicht mehr berufstätig, oder“, fragte ich. „Doch, ich mache noch ärztliche Gutachten, kann mir die aber sehr gut zeitlich einteilen, so dass ich viel Freizeit übrig habe. Ich liebe meinen Beruf und bin sehr stolz auf das, was ich erreicht habe!“ Gut, das verstand ich auch, aber warum lebte er in einem alten kleinen Reihenhaus? „Warst Du schon einmal verheiratet?“, fragte ich vorsichtig. „Ja, mit einer blonden bildhübschen Frau – sie sah Dir sehr ähnlich und ich habe drei Kinder mit ihr bekommen.“ „Bist Du jetzt geschieden?“ „Nein, sie ist verunglückt.“ „Oh, tut mir leid, das konnte ich nicht wissen.“ „Aber ich habe noch ein viertes Kind von einer zweiten Ehefrau, aber die war nicht gut und hat mich richtig ausgenutzt. Sie hat sich richtig hintenrum an mich herangemacht und sich angeboten, als ich plötzlich alleine dastand.“ „Aber Du scheinst auf sie reingefallen zu sein?“ „Ja, leider, aber ich habe mich nach einem Jahr scheiden lassen und da hat sie fast alles von mir mitgenommen!“ Aha, jetzt wusste ich, warum er in einem alten Reihenhaus wohnte. Vier Kinder und eine Exfrau, die ihn um eine Menge seines Vermögens gebracht hatte! Da zeigte sich, dass kluge Männer doch nicht immer nur mit dem Kopf denken und selbst ein ehemaliger Chefarzt einer Frau mit allen Sinnen hoffnungslos verfallen konnte.
Roberto hat nicht so leicht aufgegeben und sehr oft angerufen und es hat wirklich lange gedauert, bis er verstand, dass ich mich nicht in ihn verliebt hatte, aber der Altersunterschied von 15 Jahren, wie sich schnell herausstellte, war mir da einfach auch zu groß und passte nicht in meine Lebensvorstellungen!
Es war trotz dieser Enttäuschung bezüglich des Alters ein wirklich wunderbarer Abend mit einem überaus interessanten und klugen Mann, der mir viel aus seiner Heimat berichten konnte und keine Minute mit ihm war langweilig!