Читать книгу Rehkitz gefunden, was nun? Buch zur Aufzucht von Rehkitz, Damwildkalb, Hirschkalb & Co. - ramona wegemann - Страница 6

Grundwissen über Rehe

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Rehe gehören zu einer der am häufigsten untersuchten Wildtierarten weltweit. Und trotzdem wissen die meisten fast gar nichts über diese Tiere. Rehe sind in ihren Verhaltensweisen sehr individuell, was bei vielen Aussagen und Beschreibungen dieser Tiere hin und wieder in gängigen Verallgemeinerungen zu Widersprüchen führen kann. Als Beispiel hierzu sind Art und Weise der Ernährung zu benennen. Regional bevorzugen Rehe individuell verschiedene Futterpflanzen, die von anderen Rehen beispielsweise verschmäht werden, unterschiedliche Laktationsperioden (Milchfluss und Säugezeit der Ricken) und sogar die Milchzusammensetzungen können variieren. Auch die Aktivitätszeiten sind der Umgebung angepasst. In Regionen in denen der Jagddruck nicht so ausgeprägt ist, sind die Tiere deutlich tagaktiver, als dort wo sie rücksichtslos unter ständigen Jagddruck leiden, wo sich die Tiere tagsüber kaum mehr zeigen und in die späten Abendzeiten ja sogar in die Nachtaktivität verdrängt wurden.

Man unterscheidet Rehe in drei verschiedene Grundarten. Das Europäische Reh, Sibirisches Reh und Chinesisches Reh. Wir befassen uns hier eingängiger mit dem Europäischen Reh.

Rehe sind sehr soziale Tiere und zählen zu den Wiederkäuern. Sie gehören zu den kleinen Paarhufern. Sie können ein Gewicht von bis zu 30 kg erreichen, das durchschnittliche Gewicht liegt allerdings bei 20 bis 25 kg. Die Rückenhöhe beträgt zwischen 60-95cm beim ausgewachsenen Tier. Böcke (Männchen) sind etwas größer als die Ricken (Weibchen). Der Bock trägt ein Geweih mit 1-3 Enden im erwachsenen und vollständig ausgebildeten Zustand. Die Ricken tragen kein Geweih. Es heißt hier Geweih und unterscheidet sich von einem Gehörn, da das Geweih regelmäßig jährlich abgestoßen wird. Ein Geweih verliert sich, ein Gehörn bleibt dauerhaft am Tier. Die Ziege zum Beispiel hat ein Gehörn (Hörner), die lebenslang wachsen und dauerhaft lebenslang am Tier bleiben. Die Lebenserwartung vom Reh liegt ungestört durchschnittlich bei 6-10 Jahren. Selten kann ein Tier in guter Pflege auch mal 11 bis 12 Jahre erleben, aber das sind die Ausnahmen. Der ungestörte (ungestört im Sinne von: nicht tot geschossen, nicht verunglückt durch Autounfall, vom Hund verletzt oder Tot gehetzt o. ä.) Lebenslauf eines Rehes verläuft je nach Geschlecht unterschiedlich.

Mit fast einem Jahr sind die Tiere beinahe ausgewachsen und verlassen die bereits wieder tragende Mutter, sobald diese ihre Kitze gesetzt hat. Oftmals kehren jedoch einige weibliche Jungtiere zu ihrer Mutter zurück, sobald diese ihre neuen Kitze mit sich führt und bilden zusammen eine kleine Familiengruppe (Mutterfamilie). Selten dürfen sich die jungen Böcke aus dem letzten Jahr zur Mutterfamilie mit dazugesellen, meist leben diese im ersten Halbjahr allein. In all den Jahren konnte ich allerdings auch des Öfteren eine kleine Junggesellengruppe von 2-3 jungen Böckchen beobachten, die sich für diese Zeit zusammengeschlossen hatten. Rehe lieben Gesellschaft und vermissen einander, wenn ein Gruppenmitglied fehlt. Durch lautes Rufen (ein Fiepen) suchen sie zueinander Kontakt. In meiner Gruppe hatte ich ein taubes Reh. Zog die Gruppe von einem Gehegeteil zu einem anderen, bekam es das schlafende, taube Tier manchmal nicht gleich mit und blieb zurück. Bemerkte die Gruppe sein Fehlen, begannen sie nach ihrem Mitglied zu rufen und suchten nach ihm. Die Rufe hörte das taube Tier natürlich nicht, es dauerte eine Weile, bis er das Fehlen der anderen bemerkte und es kehrte erst wieder Ruhe ein, wenn alle zusammen waren. Ein in Aufregung versetztes Reh zeigt eine sogenannte weiße Blume am Hintern. (Bild u.l.) Die weißen Haare sträuben sich auf und der weiße Spiegel erscheint groß und aufgeblüht. Bei Entspannung legen sich die Haare wieder und das Tier signalisiert auch anderen, dass es keine Anspannung hat. (2.Bild u.)



In meinen Augen bedarf es keiner Wissenschaftlichen Studien, um zu verstehen, dass die Tiere als soziale Lebewesen einander vermissen, wenn ein Tier der Gruppe entnommen wird. Rehe verzweifeln und leiden, wenn ein Gruppenmitglied plötzlich fehlt (egal ob durch Abschuss, Autounglück oder anderer Umstände). Oft hat man Ricken beobachten können, wie sie trauernd an ihren zerstückelten Kitzen standen, wenn der Mähdrescher diese Kitze unachtsam tötete. Über mehrere Tage kamen die Ricken noch zum Liegeplatz zurück und riefen nach ihren Kitzen, obwohl sie längst nicht mehr da waren. Tieren ein soziales Gefühl aberkennen zu wollen, nur weil es sich für manch ignorante Menschen nicht erschließt, ist in meinen Augen ein trauriges Zeugnis für die angeblich sozial entwickelten Menschen.

Erst im Winterhalbjahr können die Tiere dann in die offene Herde zurückkehren. Rehe schließen sich dann in sogenannte Sprünge zusammen, das ist ein Kommen und Gehen von individuell bekannten Tieren, die im Winter eine Herde bilden.


In einem Alter von ca. 2 Jahren gebären die Ricken das erste Mal Kitze, das bezeichnet man als „setzen“. Ein Reh bekommt nur 1x im Jahr im Nachwuchs, immerhin ist die Trächtigkeit, mit Ruhephase im Winter wo es zu einer sogenannten Eiruhe kommt, gut 9,5 bis 10 Monate. Rehböcke sind zwar zur gleichen Zeit wie die Ricken zeugungsfähig, können sich aber erst fortpflanzen, wenn sie ein eigenes Territorium erobern konnten, also mit ca. 3 bis 3 1/2 Jahren. Etwa ein Drittel bis zur Hälfte der Ricken wie auch Böcke unternehmen zwischen dem 1-2 Lebensjahr mehrere Exkursionen und entfernen sich aus dem elterlichen Heimgebiet, kehren aber zunächst immer noch zur Mutter zurück und verbringen den Winter noch gemeinsam. Einen neuen Lebensraum erschließen sich die Jungtiere in etwa 2-30 km Distanz zum Heimgebiet. Der übliche Lebensraum muss den besonderen Ansprüchen der Rehe gerecht werden können. Übergänge zum Wald von vielfältigen Kulturlandschaften und Kräuterwiesen mit genügend Deckungsmöglichkeiten und Aufzuchtszonen werden von Rehen bevorzugt beheimatet. Rehe sind sehr ortstreue Tiere, die in relativ kleinen Territorien von ca. 10-30 ha leben. Gelegentlich wechseln sie ihr Territorium, allerdings nicht häufiger als 1-2x in ihrem Leben, hierfür legen sie dann jedoch auch teilweise sehr weite Strecken von bis zu 30 km und mehr zurück. Die Mutterfamilien leben in Heimgebieten, die sich mit anderen Heimgebieten anderer Mutterfamilien gelegentlich überlappen können. Dies wird toleriert, sofern jede Ricke ein eigenes Aufzuchtsgebiet für ihre Kitze hat. Die Böcke sind im Sommerhalbjahr mit Rangkämpfen und Territoriumskämpfen beschäftigt. Hierbei können ernste Verletzungen durch die Spießer (das Geweih) entstehen und ggf. kann der Gegner sogar tödlich verletzt werden.

Die Paarungszeit findet im Juli bis August statt, ggf. kann es noch zu einer sog. Nachbrunft im November und Dezember kommen. Die Tragzeit beträgt wie bereits angemerkt ca. 9,5 Monate wobei in dieser Zeit eine Eiruhe über die Wintermonate dazu zählt. Die eigentliche Etwicklungszeit des Kitzes liegt bei ca. 5 Monaten. Während der Eiruhe im Winter, aufgrund des runtergefahrenen Energiehaushaltes, pausiert die weitere Entwicklung des Fötus im Laib der Mutter. Die Kitze werden dann ab April bis in den Juli hinein gesetzt (geboren). Mehrlingsgeburten sind bei Rehen keine Seltenheit, zwischen 1-4 Kitzen kann eine Ricke bekommen, zumeist sind es allerdings zwei Kitze die in einem Versteck getrennt voneinander gesetzt werden. Um die Überlebenschancen zu verbessern legt die Mutter ihre Kitze nicht alle an einer Stelle ab, sie setzt die kleinen an unterschiedlichen Stellen, meist ca. 20 bis 30 Meter im Umkreis voneinander ab. Sollte ein Raubtier ein Nest finden, so sind nicht alle Kitze mit einem Mal verloren. Erst wenn die kleinen der Mutter zu folgen beginnen, ab Ende der 3. Woche, werden die kleinen nun zueinander finden und auch gemeinsam in einem Nest auf die Mutter warten und ihr gemeinsam auf die ersten Schritte folgen. So sind die Kitze in den ersten 3-4 Wochen die meiste Zeit des Tages von der Mutter getrennt, während sie abgelegt im hohen Gras auf die Rückkehr der Mutter warten. Die Mutterricke sucht ihr Kitz nur alle paar Stunden auf, um es zu versorgen, zu putzen, zu säugen und mit ihm zu einem neuen Liegeplatz zu laufen. In diesen ersten Wochen läuft die Prägephase zwischen Mutterricke und Kitz. Die Ricke wird das Kitz nun die kommenden Monate säugen, manchmal sogar bis in den Winter hinein.


In einem Alter von 7 Jahren sieht man einem Reh sein Alter langsam an. Es wird schmaler, Böcke bekommen ein schwächeres Geweih und der Körper wirkt deutlich schwächer, knochiger. Auch die Körperhaltung und der Gang wirken weniger stattlich, ähnlich eines alten Menschen, der seine Körperspannung mit zunehmenden Alter verliert. Das Fell ist auch nicht mehr so geschmeidig. Der Gang wirkt bei ganz alten Tieren etwas pendelnd, die Klauen reiben sich nicht mehr so gut ab und sie scheinen etwas Plattfüßig zu werden.


Im Vergleich: ein junger, kastrierter Bock (l.o.) grader Rücken, geschwungener Hals, kräftige Beine und steil gestellte Klauen, gutes Fell. Unser 13.jähriger Opi wirkt schon deutlich struppiger, knochiger, eher mit Plattfüßen, steife Beinchen, eingefallenes Gesicht, den Kopf und Hals fast zwischen die Schultern gezogen und eine etwas buckelige Kruppe. Der Gang ist schlaksig und staksig geworden.


Junger kastrierter Bock, mit gradem Rücken, schönen Fell und steil gestellten festen Fußgelenken. Unten unser 13 jähriger Opi. Knochige Gestalt, struppiges Fell, eingefallenes Gesicht, Schulterblätter sind auf dem Rücken zu sehen, Plattfüße.


Tiere die das 10. Lebensjahr erreichen sind leider eine absolute Seltenheit. Oft fallen sie zuvor einem Unfall, einem wilderndem Hund oder meist dem Jäger zum Opfer. Jagd wäre im eigentlichen Sinne für die Populationsregulierung der Rehe nicht nötig. Die Besatzdichte, das Futterangebot und Rangordnungen regeln die Nachkommenschaft in der gesunden Population. Durch mehrere unabhängige Studien wurde dies bereits mehrfach belegt. So macht es auch das Schutzgebiet im Bayrischen Wald vor. Hier ist die Jagd nicht erlaubt und die Population regelt sich ganz natürlich selbst. Es funktioniert also auch bestens ohne Jagd. Zu den Feinden des Rehes zählen nicht nur der Hund und der Mensch. Auch der Wolf, Luchs, Braunbär, für Kitze ist zudem noch der Fuchs und der Greifvogel eine Gefahr. Wildernde Hunde, ja sogar große Katzen sind ebenfalls eine Gefahr für Kitze.

Die Inzestvermeidung ist bei Rehen natürlich veranlagt. So verpaaren sich verwandte Tiere (Mutter und Sohn oder Schwester mit Bruder) nicht miteinander.

Als sogenannte Konzentratselektierer sind Rehe auf ein vielfältiges und großzügiges Angebot von heimischen Pflanzen angewiesen. Ihr Bedarf wird eher zusammengenascht, als alles ungezügelt kahl zu fressen. Obwohl Forstbehörden und Jäger gern ihr „Jägerlatain“ dahingehend streuen, dass Rehe alles nahezu kahl fressen, so stimmt diese Behauptung nicht. Die Schäden, welche durch Wildtiere in einem natürlichen Umfang entstehen, sind gemessen an den Schäden die durch Menschenhand in unseren deutschen Wäldern verursacht werden, überhaupt nicht nennenswert. Die Forstämter behaupten, dass ganze Schläge kahl gefressen werden, weil Rehe Knospen von Laubbäumen äsen und somit aus dieser Knospe kein Ast mehr wachsen könne. Doch dass die Jäger und Förster deutscher Wälder, kilometerlange Schneisen, über vier und mehr Meter in der Breite, in die Wälder schlagen, nur um mit ihren Autos bequem zum nächsten Hochsitz durch die Wälder fahren zu können, das wird stillgeschwiegen. Hundert Rehe vermögen bei Weitem nicht solchen Schaden zu verursachen, wie ein Mensch es hier für seine Zwecke tut. Hektarweise zerstören Menschen völlig selbstverständlich ganze Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren. Doch wenn ein Reh eine Knospe abäst und daraus kein Ast mehr wachsen kann, der vermutlich ohnehin von Förstern zur Schneisenschlagung entnommen werden würde, dann ist es ein Grund das Tier als „Schädling“ zu titulieren und zum Abschuss frei zu geben?


Saisonal bevorzugen Rehe diverse Kost. Von Laub, Knospen, Wiesenpflanzen, Kräutern, verträglichen Pilzen, Beeren, Früchte, (Fallobst), Raps, Mais und sogar Kartoffeln und Runkeln bis hin zu Grünkohl nach dem ersten Frost. Sie fressen demnach nicht ganze Wälder. Im ersten Halbjahr bevorzugen sie leichtverdauliche und proteinreiche Nahrung (Wiesenkräuter, Knospen, junges Blattgrün), im Sommer bis Herbst: Obst und Früchte von Sträuchern und Bäumen, Bucheckern, Mais, Kartoffeln etc.. Im Winter mögen sie faserreiche und proteinärmere Nahrung wie Brombeerblätter, Raps, Wintergetreide, Weißtannen, Laub etc. Im Spätwinter sind Knospen sehr wichtig für Rehe. Hier darf ich kurz anbringen, dass wir selbst auch Waldbesitzer sind und auch einige Neuanpflanzungen über die letzten Jahrzehnte setzten. Trotz dass wir in unseren Wäldern auch wilde Rehe und andere Wildtiere als Durchzugsgäste sehen oder gar eine Heimat bieten können, lebt unser Wald trotz oder vermutlich grade wegen dieser Tiere. Die wenigen Knospen die tatsächlich mal an einem frisch gesetzten Setzling fehlen, was aber kaum zu bemerken ist, bedeuten keinesfalls ein Waldsterben. Unser Interesse als Waldbesitzer ist gegeben, aber trotzdem verlieren wir nicht den Blick für die Natur und dem was halt dazu gehört. Menschen verursachen in unseren Wäldern viel erheblichere Schäden, als es die Wildtiere je könnten. So sehe ich hier nicht das Tier als Schädling. Tiere sind ein Teil der Natur, es ist ihr Lebensraum und wie kommt der Mensch dazu sich das Recht des Stärkeren einfach zu nehmen und jedem anderen Lebewesen mit Gewalt seinen Lebensraum und sogar Lebensberechtigung rauben zu wollen? Das ist so, als würden sich die Flöhe auf dem Hund streiten, wem der Hund gehört.

Im Herbst müssen Rehe deutlich mehr äsen, um die Energieverluste des Sommers (Ricken durch Aufzucht der Kitze, Böcke nach der Brunft) wieder aufzuholen. Der sonst kleinere Rehpansen hat seine größte Kapazität im Herbst, um die nötige Energie auch aufnehmen zu können. Aber selbst dann wird der Pansen nie komplett voll geäst. Die Pansenschleimhaut verändert sich, es kommt zu einer Oberflächenreduktion der Pansenschleimhaut. Man kann sich die Pansenschleimhaut vielleicht bildlich wie eine große Ansammlung von vielen kleinen Zungen dicht nebeneinander vorstellen oder wie dicht gepackte Blätter. Durch diese in den Pansen hineinragenden Pansenzotten ist der Pansen in der Lage mehr aufzunehmen, sich zu verändern und anzupassen. Ausgerechnet in der Winterzeit muss der Rehbock nun bei Fastenzeit (das Nahrungsangebot ist ärmer) sein neues Geweih ausbilden. Das Geweih ist mit Bast überzogen, eine behaarte Haut über dem sich neu bildenden Geweih, um dieses mit den nötigen Zusätzen fürs Wachstum zu versorgen. Wenn das Geweih altersentsprechend fertig gebildet wurde, scheuert sich das Reh diesen Bast ab. Das nennt man Fegen. Er schubbert sich an Büschen und Bäumen und entledigt somit der überflüssig gewordenen Haut. Oft hängen dann die Hautfetzen leicht blutig vom Geweih, bevor er sie ganz abgewetzt bekommt. Das ist ein normaler Vorgang der sich jährlich wiederholt. (Außer bei rechtzeitig kastrierten, handaufgezogenen Böcken, die kein Geweih bilden. Dazu später mehr). In der Winterzeit ist es für das Reh ohnehin schwierig Zellulose verdauen zu können. Es gab Versuche, in denen Rehe in einem Gehege gehalten wurden und im Winter nur mit Zufütterung von Heu durch den Winter kommen sollten. Dieser Versuch (in einem hessischen „Versuchsgatter“ des Forstamtes) war völlig überflüssig, war man sich dieser Naturgegebenheit doch bereits bewusst und hätte voraussehen müssen, dass ein Reh schlicht weg nicht in der Lage ist, diese Zellulose verdauen und verwerten zu können. Es war biologisch schlicht weg nicht möglich, die Tiere nur mit Heu am Leben zu halten. Alle Tiere verendeten und verhungerten elendig, trotz mit unverdautem Heu gefülltem Pansen. Das Heu war unverdaut, da es die Tiere schlicht weg nicht verdauen konnten. Verzweifelt fraßen sie das Heu, aber verhungerten trotzdem elendig. In meinen Augen war dies kein „Versuch“ sondern Tierquälerei. Dank dieses fragwürdigen Versuches kann man nun aber mit Gewissheit belegen, dass es eine schreckliche Ignoranz von Jagdbehörden ist, wenn diese vorschreiben, Rehen als Notäsung ausschließlich Heu vorzusetzen. Doch leider haben Jagdbehörden aus diesem schrecklichem Umstand dennoch nicht gelernt und geben auch weiterhin, scheinbar blind als Notäsung die alleinige Heufütterung vor. Die Ignoranz des Menschen ist unantastbar.

Rehe sind Fluchttiere und neigen zu Panik. Auch wenn ein Reh scheinbar ruhig an seinem Versteck liegen bleibt, geht der Puls beträchtlich in die Höhe. Nach Möglichkeit sollte man ein Wildtier nicht stören und aufscheuchen, wenn man es entdeckt hat.

Die Aktivitätszeiten liegen meistens in der Dämmerung und in der Nacht, was allerdings eher auf ständige Störungen durch Menschenhand zurückzuführen ist. In ungestörten Lebensbereichen sind Rehe eher tagaktiv. Rehe haben rund um die Uhr alle 2-4 Stunden eine Aktivitätszeit, in der sie Nahrung sammeln, in der Kitzzeit ihren Nachwuchs versorgen und umherlaufen. Wechsel von Aktivitätszeiten und den anschließenden Ruhezeiten zum Dösen und Wiederkäuen, finden mehrmals täglich und auch nächtlich statt. Diese häufigen Wechsel zwischen Ruhezeiten und Aktivitätszeiten sind für das Reh notwendig, da es einen vergleichsweise sehr kleinen Pansen hat und nur geringe Mengen an Nahrung aufnehmen kann. Eine hohe Aktivität, in der sie miteinander spielen, springen, laufen, und auch eine rasche Flucht in brenzlichen Situationen meistern, ist ihnen gegeben, aber lange Strecken können sie aufgrund ihres kleinen Herzens nicht sprinten und laufen. Die leider überall gern getätigten Drück- und Treibjagden, welche sogar im Winter stattfinden, sind darum als drastische Tierquälerei zu beschreiben.

Ihre Ruhezeiten genießen Rehe in geschützter Deckung mit guten Überblickungsmöglichkeiten.

Das Sehvermögen des Rehs ist bei Dämmerung und Dunkelheit dem menschlichen Sehvermögen weit überlegen. Dies lässt sich allein schon durch die großen dunklen Augen und der ovalen Iris ableiten. Jedoch können Rehe nicht scharf, sondern nur verzerrte Bilder sehen. Geringste Bewegungen werden ausgezeichnet wahrgenommen, aber unbewegt nehmen Rehe nur große Gegenstände wahr.


Auch beim Damwild sind die ovale Iris und die Tasthaare um die Augen und dem Maul herum, ja sogar auf der Nase, gut erkennbar.

Anders als beim Reh, haben Hirsch und Damwild noch eine so genannte Voraugendrüse. Diese Voraugendrüse ist eine von mehreren Hautduftdrüsen, mit denen Tiere ihre Markierungen mit Duft setzten. Es ist so zu sagen ein Markierungsorgan, was beim Rehwild in dieser Art fehlt. Mittels Düfte setzen die Tiere Signale ab und können (für den Menschen nicht wahrnehmbare) Duftsignale verbreiten. So wird bei Furcht, besonders bei Kälbern, beobachtet, wie diese Drüsenhöhle weit geöffnet wird. Lautlos ruft das Kalb nach der Mutter, die sich immer in Windrichtung des Kalbes entfernt und durch den überaus feinen und empfindlichen Geruchsinn diesen Duft ihres Kalbes wahrnimmt. Rasch wird sie zum Kalb zurückkehren. Doch auch adulte Tiere nutzen die Drüse für Kommunikation. Eigentlich handelt es sich um eine tiefe Hauttasche mit zahlreichen Talgdrüsen. Durch einen Gesichtsmuskel kann das Tier die Tasche öffnen und schließen.


Auf dem obigen Bild ist das Auge einer Hirschkuh mit geschlossener Drüsenkammer zu sehen. Der lange, schmale Spalt, der sich vom Auge bis fast zum unteren Rand des Fotos zieht, ist die geschlossene Drüsenkammer


Bild oben: Das tiefe Vertrauen zu mir und die Geduld meiner Hirschkuh mit mir, machen es möglich, dass ich für ein Foto die Hautfalte zur Drüsenkammer kurz manuell öffnen kann. Hier zeigt sich wie tief die Höhle der Drüsenkammer ist.

Das untere Bild (erstes) zeigt ein junges Damtier mit leicht geöffneter Drüse. Es hat keine Angst in diesem Moment, sondern knabbert intensiv an der Pflegemutter, während es geputzt wird. Das lässt vermuten, dass diese Drüse für verschiedene Kommunikationsvarianten genutzt wird, nicht nur bei Angst. Unten zweites Bild, ein erwachsenes Damtier mit talgigen Ablagerungen in der Drüsentasche. Die Ablagerungen werden durch Reibungen an Büschen, Bäumen, anderen Sozialpartnern oder ähnlichem immer wieder geleert. Gleichzeitig setzt das Tier damit auch eine Markierung. Diese Drüsen haben mutmaßlich noch weitaus mehr Funktionen und Nutzen, als der Mensch es bislang zu verstehen (oder zu belegen) vermochte.



Der Geruchssinn ist für das Reh der wichtigste und beste entwickelte Sinn. Er hat eine grundlegende Bedeutung bei der Futtersuche und auch bei sozialen Kontakten. Ein Reh kann einen Menschen (bei entsprechender Windrichtung) sogar bis auf 400m wittern.


Wer einen solch feinen Geruchsinn hat, der markiert sein Revier (sein Zuhause) natürlich auch mit Duftspuren. Rehe haben an mehreren Stellen des Körpers feine Drüsen über welche sie in ihrer Umgebung verschiedene Düfte setzen. Es sind sogenannte Hautduftdrüsen, welche sie an Büsche, Bäume oder gar Artgenossen reiben und somit markieren. Die meisten Hautduftdrüsen sind mit bloßem Auge nicht zu erkennen, aber die sogenannten Laufbürsten, die sich an den Hinterbeinen der Rehe befinden, erkennt man an den hervorstehenden Haaren, die ähnlich einer Bürste verdichtet hervorstehen. Beim Damwild und Rotwild ist die oben beschriebene Augendrüse gut zu erkennen. Zwischen den Klauen, an der Stirn und am Pinsel (Haare am Geschlechtsteil des Tieres) befinden sich weitere Drüsen, die mit bloßem Auge wiederum nicht mehr erkennbar sind. Das Reiben mit dem Geweih, dem Kopf, das Scharren mit den Hufen (Klauen) und auch das Markieren mit Urin ist sicherlich immer wieder schon beobachtet worden. Ich habe zwar noch keinen fundierten Hinweis dazu finden können, aber ich bin überzeugt, dass Rehe (Wildwiederkäuer) auch mit dem Kinn markieren. Täglich kann ich beobachten, wie sich die Tiere aneinander reiben und mit dem Kinn über ihren Sozialpartner streicheln. Bei Damwild und Rotwild konnte ich beobachten, dass sie sich in interessante Düfte mit dem Kinn und ihrem Gesicht reiben und diesen interessanten Duft anschließend auf ihrem Körper verreiben und verteilen. Düfte spielen im Leben der Wildtiere eine große Rolle.


Hier liegen überall die Duftdrüsen beim Reh.

Der Geschmacksinn ist beim Reh ebenfalls stark ausgeprägt und für die Futterwahl von großer Bedeutung. Im Allgemeinen haben Rehe eine Vorliebe für Bitterstoffe, aber es gibt auch individuelle geschmackliche Vorlieben, die von Tier zu Tier variieren. Ähnlich wie beim Menschen, hat jeder seinen eigenen Geschmack. Was dem einen gut schmeckt, muss dem anderen noch längst nicht gut schmecken.

Einen Tastsinn besitzen Rehe ebenfalls. Rund um die Augen und um die Schnauze herum befinden sich einige Tasthaare (s.o.). Bevor ein Trieb beäst wird, vollzieht das Tier eine Reihenfolge von mehreren Prüfungen. Das Reh wird seine Nahrung zunächst beschnuppern, dann vorsichtig betasten und dann über die Aufnahme erschmecken. Auch feinste Wahrnehmungen gelingen dem Reh mittels dieser Tasthaare. Zum Beispiel spüren sie durch diese Haare Luftveränderungen, Wärmeveränderungen und auch einfaches Betasten jeglicher Dinge sind so möglich.


Junges Damwild beim Betasten und Erkunden seiner Umgebung.

Einen großen Teil des täglichen Wasserbedarfs decken Rehe durch natürliche Äsungsbedingungen (Aufnahme von Knospen, Klee, frischem Saftfutter etc.) Frisches Wasser benötigen die Tiere aber dennoch, täglich etwa 1,35 Liter / 10kg Körpergewicht. Der Wasserbedarf steigt bei trockenen Futtermitteln auf mehr als 4 Liter /10kg. So benötigt ein ausgewachsenes Reh bei trockener Fütterung (starker Winter und trockene Sommer) immerhin gut 8-10 Liter Wasser pro Tag. Je saftiger das Futter ist, desto weniger Wasserbedarf hat das Tier. Bei genügend Saftfutter kann der tägliche Bedarf bei nur noch 0,5 Liter / 10kg liegen. Es ist daher selbstverständlich, dass Fütterungen immer in der Nähe von Wasservorkommen vorgenommen werden sollten. Wassermangel und Dehydrierung kann insbesondere bei trockenen Minustemperaturen im Winter oder in langen trockenen Sommerperioden auftreten. Auf Gaben von Salzlecksteinen sollte in diesen Zeiten eher verzichtet werden, wenn man nicht für ausreichenden Wasserausgleich in diesen schweren Zeiten sorgen kann. In besonders kalten Tagen geht das Bedürfnis der Tiere zu trinken zurück. Dies bedeutet aber nicht, dass man den Tieren nichts mehr bereitstellen müsste. Vielleicht kennt man es vergleichsweise von sich selbst, dass man an kalten Tagen häufiger Wasser lassen muss? Es hat einen wichtigen Grund, der den Körper vor zu schneller und zu starker Auskühlung schützen soll. Der unnötig aufgestaute Urin in der Blase ist eine Wassermenge, die viel Energie beanspruchen würde, um das Wasser auf Körpertemperatur zu halten. Diese Energie für ein Abfallprodukt des Körpers zu verschwenden, könnte unter Umständen sogar lebensbedrohlich werden. Dieses Wasser möchte der Körper zügig loswerden, um nicht unnötig auskühlen zu müssen. Der Wasserhaushalt wird so gering wie möglich gehalten und auf das nötige Minimum reduziert. In Trockenzeiten (Sommer wie Winter) sollte man stets Wasser zur freien Aufnahme anbieten, dies schützt auch vor Verbissschäden (Abnagen von jungen Baumrinden u. a.) Bei akutem Wassermangel wird sonst das Wiederkäuen für das Tier unmöglich. Es hat sich herausgestellt, dass wo Jagddruck an Wasserstellen vorhanden ist und die Tiere keine Möglichkeit haben ungestört und in Ruhe ihren Wasserbedarf zu stillen, dass in dieser Umgebung die Verbissschäden höher sind, als anderswo, wo die Tiere ohne Angst an Wasser gelangen. Hochsitze und Jagdruck an Wassereinständen aufzustellen, ist demnach nicht nur unfair sondern auch eine Provokation von Verbiss. Dieser Umstand erklärt sich, wenn man die Umstände hierzu nun kennt.

Wiederkäuen ist lebensnotwendig.

Ein erwachsener Wiederkäuer ist durch den komplexen Vorgang der Pflanzenverwertung durch das Wiederkäuen in der Lage, sich fast unabhängig von externen Eiweißzufuhr zu machen. Ein Kitz und ein Kalb, haben noch keine ausgereiften Pansen und keine vollwertige Funktion des Wiederkäuvorgangs und benötigen noch externe Eiweiße über Milch und Nahrung. Das Wiederkäuen ist ein lebensnotwendiger Vorgang, der nur unter zwei Voraussetzungen geschieht. 1. braucht das Wild hierzu Ruhe und 2. muss das zuvor aufgenommene Futter einen Mindestgehalt an strukturreicher Rohfaser enthalten (mindestens 14-16%). Denn nur entsprechend strukturierte Rohfaserpartikel können den Reflex an den Rezeptoren an der Vormagenwand auslösen, um den Futterbrei hochzubringen und den Vorgang zum Wiederkäuen auszulösen.

Ohne eine ausreichende Beiäsung und Aufnahme von Rohfaser können die meisten Grundfuttersorten nicht zum Wiederkäuen verwendet werden. Beim Wiederkäuen werden des weiteren Methangase ausgestoßen, die sich im Gärprozess im Pansen bilden und sonst zu einer Pansenaufgasung führen würden. Es käme ohne entsprechende Wiederkäuvorgänge zu einer Übersäuerung des Pansens und das Tier erkrankt und wird sterben.

Das Einspeicheln des Futterbreis ist wichtiger Bestandteil beim Wiederkäuprozess. Der Speichel eines Wiederkäuers ist allerdings komplett anders aufgebaut, als der Speichel eines Menschen oder eines Fleischfressers (wie Hund/Wolf/Fuchs/Katze etc.) Der Speichel hält mit seiner natürlich puffernden Wirkung den PH-Wert im Pansen stabil. Dies trägt dazu bei, dass der Pansen nicht übersäuert. Der normale PH-Wert eines Wiederkäuers liegt zwischen 5,8 – 7,2. Bei zu viel Kraftfuttermengen ohne entsprechende Rohfaserfütterung wird weniger wiedergekäut und durch die verminderte Speichelproduktion kippt das Gleichgewicht der Mikroorganismen. Ein niedriger PH-Wert von nur 5-4 ist bereits lebensbedrohlich für das Tier. Es stellt sich Durchfall ein, akute Fressunlust, Schmerzen, Entzündung der Pansenschleimhaut, Kümmerer und akute Todesfälle.

Rehwild produziert im gesunden Normalfall bis zu 10 Liter Speichel am Tag, Rotwild (Hirsch und Hirschkuh) sogar 10-50 Liter Speichel am Tag. Das Reh hat ernährungssituativ als Futterselektierer eine wesentlich kleinere Ohrspeicheldrüse, als Rothirsch und Damhirsch, oder auch als Schafe oder Rinder. Die Speichelproduktion ist wichtiger Bestandteil der Aufrechterhaltung der Mikroorganismen im Pansen. (Bakterien, Hefen, Pansensiliaten). Rehe haben 4 Mägen, eigentlich sogar 5 wenn man den Vormagen dazu zählt. Das Futter läuft durch eine Reihe von Mägen der Verwertung und Aufbereitung, bevor es letztlich lebensnotwendig aufgeschlossen und verwertet werden kann. Nach der Aufnahme wandert das Futter in den Vormagen, (das erste Mal in den Pansen). Vom Pansen aus geht das aufgenommene Futter in den Netzmagen, der bildlich beschreibend wie ein Netz nun sortiert, was umgehend weiter zur Verwertung geht und was nochmals zum Wiederkäuen hochgewürgt und nochmals zerkleinert werden muss. Wenn durch das Wiederkäuen der Futterbrei entsprechend zerkleinert ist, kommt er in den Blättermagen. Hier wird dem Futterbrei wieder Flüssigkeit entzogen und gelangt dann weiter in den Labmagen. Im Labmagen wird nun der Futterbrei mit Magensäure versetzt und angesäuert, die überschüssigen Bakterien werden durch die Salzsäure im Labmagen abgetötet, der Futterbrei mit Enzymen versetzt und kann hier entsprechend weiter aufgeschlossen werden. Der so vorbereitete Futterbrei gelangt nun in den Darmtrakt und kann hier durch die Darmschleimhaut verwertet werden. Die restliche Flüssigkeit wird aufgenommen. Der unverwertbare Rest gelangt in Form von Losung (Kot) zum Darmausgang hinaus.

Erhaltung der Körpertemperatur beim Reh

Mit Minusgraden kommen Rehe wesentlich besser zurecht, als mit hohen heißen Temperaturen. Das Winterhaar der Tiere ist länger und dichter als im Sommer und hat eine dichte, leicht fettende Unterwolle. Oberflächlich betrachtet sieht das Haarkleid vom Reh glatt aus und kann auch als glatt anliegend beschrieben werden. Doch betrachtet man ein einzelnes Haar ganz genau, so erkennt man, dass die Haare wellig verlaufen und Winterhaare innen hohl sind. Diese perfekte Isolierung schützt die Tiere auch bei strengen Temperaturen.



Die Isolierung ist so gut, dass sich Rehe oft sogar einschneien lassen und der Schnee auf dem Rücken der Tiere nicht schmilzt.



Das Winterfell ist auch dunkler gefärbt, als das rötliche Sommerfell.

Unten ein Reh im rot-brauen Sommerfell



Reh im grau-braunen Winterfell

Die dunklere Färbung ermöglicht neben der wärmeren Beschaffenheit eine zudem bessere Wärmeaufnahme durch vereinzelte Sonnenstrahlen, die sich im Winter noch zeigen. Zudem haben Rehe auch eine Art Fettbeschichtung im Fell, die wie bei einem Regenschirm wasserabweisend wirkt. Im Winter sollten die Tiere daher nicht im Fell gekrault und gestreichelt werden, damit diese Schutzschicht nicht zerstört wird. Im Nackenbereich und auf dem Rücken kann man diese fettartige Beschichtung bei genauer Betrachtung auch mit dem bloßen Auge erkennen. Es scheint in der Tat wie weißes Pulver zwischen den Haaren zu liegen.


Auch das Unterhautfettgewebe, die eigene Stoffwechselanpassung im Winter und spezifische Verhaltensweisen der Tiere, dienen als Schutz gegen winterliche Kälte. Sogar die Arbeit der Mikroorganismen beim Verdauungsprozess bietet eine wärmende Unterstützung für das Tier. Bei tiefen Temperaturen liegen die Tiere möglichst zusammengerollt und ziehen die Beine dicht an den Körper heran. Zum Ruhen werden richtige Nester mit den Hufen in die Erde oder den Schnee gescharrt, um einen isolierenden Kranz um sich herum zu schaffen und somit dem Wind und der Kälte weniger Angriffsfläche zu bieten. Gern nutzen die Tiere auch trockene und wärmende Untergründe wie Nester aus Stroh, Heu oder trockenem Gras oder einfach nur loser Erde, in die sie ihre Liegekuhlen hineinscharren können.


Wo es möglich ist, lieben es Rehe trocken, warm und weich zu liegen. Wenn sich ein Nest aus Heu oder trockenem Gras bietet, wird dies gern genutzt. Bild unten zeigt entspannt ausgestrecktes lockeres Liegen, bei warmen Temperaturen.


Die Körperoberfläche ergibt den meisten Wärmeverlust. Das heißt, dass die Wärmeverlustrate abhängig ist vom Verhältnis Körpergewicht zu Körperoberfläche. Kleine und leichtere Tiere haben demnach verhältnismäßig mehr Körperoberfläche zum Körpergewicht. So haben kleinere und leichtere Tiere auch weitaus mehr Probleme, ihren Wärmehaushalt stabil zu halten, als ein kräftigeres Tier. Für die Gewinnung von Köperenergie müssen die Tiere für den Winter auch Fettreserven / Energiereserven anlegen. Zum einen deponieren Rehe Energie in Form von Glykogen (eine besser speicherbare aber nicht so rasch verfügbare Energie aus Fettreserven) in Leber und Muskulatur. Zum anderen speichern Rehe Energie in Form von Fettdepots unter der Haut (Unterhautfettgewebe), in der Bauchhöhle (Nieren- und Gekrösefett) und in den langen Röhrenknochen in der Herzgegend. Bei extremer Kälte kann die Wärmebildung sogar bis auf das 5fache der normalen Tätigkeit ansteigen. Dies bedeutet für das Tier eine enorme Belastung und verbraucht Unmengen an Energie. Jede zusätzliche Belastung durch Unruhe und Störung belastet den Organismus zusätzlich und verbraucht viel der lebensnotwendigen Energie. (Hier erinnere ich an den jagenden Hund der das Reh nun die letzten lebensnotwendigen Energiereserven verbrauchen lässt oder eine von Jägern gern vorgenommene Treibjagd). Bei leichteren Tieren kann solche Unruhe und Störung ausreichen, dass die lebensnotwenigen Energiereserven verbraucht werden und das Tier somit den Winter nicht mehr überleben kann. Nach dem Zusammenbruch des Organismus, wird es nach mehreren Tagen des Leidens letztlich erfrieren.


Rehe können Temperaturunterschiede von nur 1°C wahrnehmen. So ist es durchaus logisch erklärbar, dass sie sich nicht nur aus Gründen zum Schutz vor Regen und Wetter unter großen Schirmfichten aufhalten und dort gern ruhen. Schutz vor Wind und Regen ist bei starken Außentemperaturen dringend notwendig. Die Auskühlung des Körpers wird durch Feuchtigkeit und Wind beschleunigt. So ist beispielsweise bei einer Windgeschwindigkeit von nur 16km/h bei einer Temperatur von immerhin +5 °C das Empfinden der Kälte bei –2°C. Dass die gefühlte Temperatur von der tatsächlichen abweicht, kennen schließlich auch wir Menschen gut.

Durch die im Winter ohnehin spärliche Futterauswahl, bei geschlossener Schneedecke oftmals gänzlich fehlende Futterauswahl, reduziert das Reh natürlicherweise seinen Energieaufwand für seine Verdauungsabwärme. Die Bildung der Pansenzotten, Pansenbakterien und der Pansensaft geht stark zurück. Die Zelluloseverdauung steht auf absolutem Jahrestiefpunkt. Das heißt, es stellt seine Energie auf Sparflamme und stellt seinen Organismus komplett auf die karge Zeit ein. Es ist somit von der Energie abhängig, die es im Herbst (September bis Dezember) bereits angelegt und nun zur Verfügung hat.

Daher ist es nachvollziehbar, dass den Tieren kaum mit einer alleinigen Notfütterung im Winter geholfen ist. Die Fütterungen müssten bereits im Herbst beginnen, wenn die Tiere noch in der Lage sind, die Nahrung aufzunehmen und anzulegen. Auch hier arbeitet der Jäger mit verstärktem Jagddruck im Herbst wieder gegen die Natur, wenn er vermehrt Unruhe und Leid bei den Tieren verbreitet, während diese sich auf den Winter vorbereiten müssten.

Im Gehege gehaltenes Wild sollte im Hochwinter energiereduziertes und eiweißreduziertes Futter erhalten, um Verdauungsstörungen und dem Fettlebersyndrom vorzubeugen.


Trächtige Ricken haben im Winter sogar die Entwicklung des Embryos eingestellt (s.o.) Dies nennt man Keimruhe oder auch Eiruhe. Das Ei entwickelt sich erst ab dem Frühjahr weiter, wenn der Organismus seine Energie wieder aus der Umgebung beziehen kann.

Zu beachten ist, dass jede Beunruhigung in der vegetationslosen Zeit vermieden werden sollte. Hier sind nicht nur die Jäger angesprochen, sondern auch alle Spaziergänger, Jogger, Reiter und vor allem Hundebesitzer.

In manchen Gebieten wurde speziell für Wildtiere ein sogenannter Wintereinstand hergerichtet (eine Ruhezone, Futterbereich und Liegeplatz).

Solche Wintereinstände sollten ungestört bleiben. Jagdliche Aktivitäten sollten spätestens bis Weihnachten abgeschlossen sein und bei geschlossener Schneedecke ohnehin aus tierschutzrelevanten Gründen komplett entfallen.

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