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Vorwort

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Als ich den autobiografischen Roman DIE EINE WAHRE LIEBE schrieb, ging es mir darum, dass ich mich mit der Vergangenheit befasste, mit meinen Erinnerungen an den einzigen Mann, den ich geliebt hatte. Den einzigen Mann, der mich geliebt hatte, aber nicht nur mich. Wir lebten drei Jahre lang als Paar zusammen. Ich war dreißig und er vierzig, plus-minus. In dieser Zeit ließ er mich einiges über seine früheren Frauengeschichten wissen. Keine Frage, er hatte mich geliebt, aber nicht nur mich. Dass ich mich mit der Vergangenheit befasste, war eine Folge meiner Freundschaft zu der Sprachwissenschaftlerin Nobila. Sie hatte mich gefragt, ob ich auf Agnes eifersüchtig sei, auf die Mitpatientin, die Serenus in der Klinik kennen gelernt hatte, worauf ich ihr von seinen früheren Affären erzählte.

Ende August 2014, zwei Tage vor seinem Tod, besuchte Serenus Agnes in ihrem Versteck im Bahnwärterhaus. Im Frühjahr 2016 begleitete ich Agnes dorthin, denn sie wollte das Manuskript abholen, das Serenus ihr anvertraut hatte. Sie fand es dort, wo sie es zurückgelassen hatte. Das Manuskript gelangte also in meine Hände, nachdem ich die Niederschrift von DIE EINE WAHRE LIEBE schon abgeschlossen hatte.

Das Manuskript besteht im Original aus tausend Seiten und enthält eine Erzählung, in welcher ein Held namens Serenus ein Dutzend ernsthafter Liebesgeschichten erlebt, buchstäblich am eigenen Leib. Die Erzählung ist jedoch nicht in der Ich-Form geschrieben, sondern in der dritten Person. Serenus hält in dem Manuskript nicht seine persönlichen Erfahrungen mit Frauen fest, sondern diejenigen eines gleichnamigen Alter Ego.

Die Handlung beginnt mit der Geburt des Helden und bricht ab, als er dreiundvierzig Jahre alt ist. Die letzten sechs Jahre bis zu seinem realen Tod fehlen. Der Held ist dreißig Jahre lang fast pausenlos mit der Liebe beschäftigt. Doch bei genauem Hinsehen kann man eine erste Lücke zwischen 22 und 25 und eine zweite zwischen 38 und 41 entdecken. Es sind meine Lücken, denn ich war die Geliebte von Serenus. Zweimal war Serenus mein Mann und ich seine Frau. Beide Male waren wir drei Jahre zusammen. Im Manuskript, im Leben des Helden Serenus, kommt keine Liebe vor, die an Dauer und Intensität vergleichbar wäre.

Die Wahrheit gehört niemandem. Doch wem gehört das Manuskript? Serenus hatte es zwar Agnes anvertraut, aber Agnes hat eine Tochter, Paulina. Serenus ist ihr Vater. Paulina, als Halbwaise geboren, ist seine Alleinerbin. Die Rechte an dem Text gehören also einem Kind, das gerade laufen lernt. Agnes und ich, wir wissen beide, dass das Manuskript einen schlecht geschriebenen Text einer erzählenswerten Geschichte enthält. Wir wissen beide, dass seine Geschichte es wert ist, sie eines Tages seiner Tochter Paulina zu erzählen. Schon deshalb, wie Agnes sagt, weil Paulina mehr ihrem Vater nachschlägt als ihrer Mutter.

Nun bin ich also die Herausgeberin des Manuskripts, weil Paulinas Mutter mich darum gebeten hat, und weil es sein muss, dass ich mich mit der Vergangenheit befasse, mit meinen Erinnerungen an den einzigen Mann, den ich geliebt habe. Den einzigen Mann, der mich geliebt hat, aber nicht nur mich.

Serenus I

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