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Einleitung

In der aktuellen Coronakrise werden die Menschen nicht nur von Viren überschwemmt sondern auch von Informationen. Leiden die Betroffenen unter dem Virus, so leiden die Noch-nicht-Betroffenen unter der Verunsicherung. Eine Flut von Informationen, Meinungen, Fakten, Theorien, Studien, Ansichten und Schlussfolgerungen bricht über sie herein. Argumente belegen, wieder andere widerlegen. Und alle Erkenntnisse wollen wissenschaftlich ermittelt sein.

Eine Inflation von Studien ergießt sich in die Gesellschaft. Alle nehmen Wissenschaftlichkeit für sich in Anspruch. Aber kaum sind sie veröffentlicht, werden sie von einer anderen in ihrer Gültigkeit eingeschränkt, angezweifelt, widerlegt. In vielen Fällen wird die Diskussion von den Medien in reißerischer Form angeheizt, sodass es immer weniger um Wahrheit zu gehen scheint, sondern immer mehr um Erregungszustände und darum, wer Recht hat.

Da alles als wissenschaftlich belegt gilt, wissen viele am Ende nicht mehr, was richtig ist und was falsch. Wem sollen sie glauben? Wie wissenschaftlich ist Wissenschaft, wenn jede Theorie oder Meinung sie für sich in Anspruch nimmt, aber trotzdem widerlegbar ist oder scheint? Welche Bedeutung hat Wissenschaft noch, wenn selbst die Wissenschaftler in vielen Fragen unterschiedlicher Meinung sind, das aber wissenschaftlich begründet.

Den meisten Menschen fehlen Zeit und Voraussetzungen, um sich im Streit derer zu orientieren, die doch als Fachleute gelten. Wer aus dem Publikum ist schon in der Lage, die meisten Aussagen auf Richtigkeit und Wahrheitsgehalt hin zu überprüfen? Wer unter den Laien kann schon sagen, was richtig ist und falsch?

Für diese wird im Streit der Meinungen immer weniger der Inhalt der Aussage zum entscheidenden Kriterium als vielmehr Glaubwürdigkeit und Ansehen der Personen, die sie vertreten. Unter solchen Umständen gerät Wissenschaftlichkeit zunehmend in Misskredit. Vieles klingt nur so lange schlüssig, wie es unangefochten bleibt. Der klare Menschenverstand hat schon lange keine Chance mehr.

Der Streit der Meinungen ist auch ein Streit der Interessen, denen diese Meinungen nützen, dienen oder gar von ihnen gefördert werden. Da diese Auseinandersetzungen für die meisten Menschen immer undurchschaubarer werden, ziehen sie sich aus der öffentlichen Diskussion zunehmend zurück.

Das gilt nicht nur für Corona. Sie wissen nicht mehr, wem sie glauben sollen. Wissenschaft, die eigentlich Glauben durch Erkenntnis hatte ersetzen wollen, wird selbst immer mehr zu einem Glaubensbekenntnis. Bekennertum und Parteinahme auf der einen Seite sowie Missgunst und Rechthaberei auf der anderen ersetzen die sachliche Auseinandersetzung.

Menschen wollen verstehen, was vor sich geht. Denn Verstehen schafft Sicherheit. Aber in Zeiten der Verunsicherung wollen sie sich nicht gerade erst erworbene sichere Standpunkte im Treibsand der Veränderung nehmen lassen durch Sichtweisen, die ihren festen Gewissheiten den Boden unter den Füßen wegziehen. Deshalb kämpfen die Verunsicherten für ihre Ansichten und die Sicherheit, die sie ihnen geben sollen. Das ist verständlich. Aber schafft Parteinahme mehr Erkenntnis, mehr Wahrheit und dadurch mehr Sicherheit?

Die Anhänger der verschiedenen Meinungen bilden Lager in der Hoffnung, damit der Verunsicherung zu entgehen, die durch neue Sichtweisen entstehen. Dass alles wieder durcheinander kommt, ist in ihren Augen die Schuld derer, die anders denken. Die Verunsicherten erkennen nicht oder wollen nicht wahrhaben, dass auf dem Weg zur Wahrheit alte Sichtweisen untergehen. Sie gehen unter, weil sie überholt sind, nicht weil sie Lügen sind. Die alten Sichtweisen entsprechen nicht mehr der Wirklichkeit.

Aber geht es überhaupt noch um Wahrheit, wenn im Gefolge des scheinbar wissenschaftlichen Streits Bekenner und Kritiker sich zu Glaubenskriegern verwandeln und unversöhnlich gegenüber stehen?

Zurück bleiben diejenigen, denen zwischen den Fronten der Streithähne und Rechthaber die Orientierung verloren gegangen ist. Sie wissen nicht mehr, was und wem sie glauben können. Wessen Theorien, Meinungen und Behauptungen sind richtig? Dieses Problem des Glaubwürdigkeitsverlusts der Wissenschaft ist auf der Ebene von Beweisen und Tatsachen alleine ist nicht zu lösen. Tatsachen können Erkenntnisse nicht ersetzen. Erkenntnisse sind mehr als nur die Summe der Tatsachen.

Für Befürworter wie Kritiker der Treibhaus-Theorie ist die Tatsache gleich, dass der Anteil des Kohlendioxids in der Luft 0,04% beträgt. Aber beide Seiten deuten diese Tatsache anders und kommen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen. Die einen sehen darin die Gefahr des Untergangs für die Menschheit, die anderen halten den Wert im historischen Vergleich für unbedeutend.

Und beide stützen sich auf wissenschaftliche Erkenntnisse und Tatsachen für ihre Meinungen und Prophezeiungen. Oft genug werfen sich dabei beide Seiten gegenseitig Unwissenschaftlichkeit vor. Aber wer aus dem Publikum soll sich zurechtfinden im Wust der wissenschaftlichen Begriffe und Lehrmeinungen?

Dabei geht die eigentlich wichtige Frage völlig unter, nicht nur beim Thema Corona, sondern auch bei so manchen anderen gesellschaftlichen Fragen. Was ist wahr? Was entspricht der Wirklichkeit? Diese Frage tritt immer mehr in den Hintergrund in dieser Rechthaberei und dem Gerangel um Geltung und Einfluss.

Den meisten Menschen, für die Corona-Epidemie die bisher größte Bedrohung in ihrem Leben war, ist die Frage zweitrangig, wer Recht hat. Ihnen geht es darum, was richtig ist. Wo ist der feste Boden, von dem aus in die Zukunft aufgebrochen werden kann? Welche Aussagen sind wahr, was entspricht der Wirklichkeit? Fakten alleine helfen nicht weiter, wenn auch Tatsachen für die Richtigkeit von Aussagen unverzichtbar sind. Sie sind die Pfeiler, auf die sich die Brücke hin zur Wahrheit stützt.

Aber wie schon das Beispiel des Kohlendioxid zeigte, sind die Tatsachen alleine auch nicht ausreichend und auch nicht maßgebend, denn sie können unterschiedlich gedeutet werden. Keine Faktenflut kann die richtige Einordnung in der Entwicklung des Geschehens ersetzen. Bei der Deutung von Tatsachen hilft nicht alleine die Menge an Informationen sondern vielmehr Orientierung.

Welches Wissen und welche Erkenntnis sind wichtig für die Einschätzung der Lage? Was ist zum Erkennen der Wirklichkeit wichtig? Was ist von höherer und was von untergeordneter Bedeutung für das Verstehen der Vorgänge? Denn nur wer die Wirklichkeit richtig erkennt, kann auch die richtigen Schlüsse ziehen. Im Falle der Pandemie bedeutet das, die richtigen und wirksamen Maßnahmen zu ergreifen zur Überwindung der Bedrohung und zum Schutz der Menschen.

Gerade das Erkennen der Wirklichkeit ist der schwerste Teil der Übung und dann folgt noch als nächste Hürde das An-Erkennen der Wirklichkeit. Will man wahrhaben, was die Fakten über die Wirklichkeit aussagen? Trotz der Masse an Informationen, die nie größer war als heute, fehlt vielen Menschen die Orientierung zum Erkennen der Wirklichkeit.

Es ist akademischer Irrglaube, dass die Richtigkeit von Entscheidungen von dem Maß an vorliegender Information abhängt. Wer keine Vorstellung von der Wirklichkeit hat, kann aus noch so vielen und noch so vielfarbigen Mosaiksteinen nicht diejenigen auswählen, die nachher ein verständliches Bild ergeben.

Wer keinen Plan davon hat, wie die bunten Mosaiksteine des Wissens zusammengelegt werden können, dass dabei auch tatsächlich ein Abbild der Wirklichkeit entsteht, kann die Wirklichkeit nicht sachgemäß abbilden. Dazu gehört mehr als eine Fülle von Informationen. Dazu gehört vor allem ihre sachdienliche Auswahl für das darzustellende Abbild der Wirklichkeit.

Das aber bedeutet, dass es der Orientierung, der Ausrichtung, des Wissens um das Ziel bedarf. Und dieses Ziel heißt: das Erkennen der Wirklichkeit! Dabei geht es nicht um unsere Wünsche. Denn Wirklichkeit ist von diesen weitgehend unabhängig und entzieht sich in vielen Bereichen der Beeinflussung durch den Menschen.

Die Erde war immer eine Kugel, auch wenn die Menschen sie über Jahrhunderte für eine Scheibe hielten. Selbst als dieses Bild ins Wanken geriet, immer mehr in Widerspruch zur Wissenschaft geriet und die Vertreter des alten Weltbildes jene verfolgten, die ein neues predigten, an der Form der Erde änderte das nichts.

Ihre Wünsche nach dem Erhalt der alten Ordnung gingen unter im allmählich steigenden Meeresspiegel der neuen Erkenntnisse über die Wirklichkeit. Denn sie ist das Maß aller Dinge. An ihr müssen sich alle unsere Theorien messen lassen, alle unsere Meinungen und Ansichten. Jede Theorie, die nicht in Einklang steht mit der Wirklichkeit, ist falsch.

Vorliegendes Buch ist nicht wissenschaftlich, beansprucht auch nicht, die Wahrheit gefunden zu haben. Vielmehr geht es um Orientierung im Wust der Wahrheiten und Halbwahrheiten, der Manipulationen und Fehlinformationen. Es geht um Erkenntnis.

Es soll Orientierung vermittelt werden, andere Sichtweisen, die es ermöglichen, die Dinge anders zu sehen, die Fakten neu einzuordnen und zu werten, um die Vorgänge in der Wirklichkeit besser zu verstehen. Es geht nicht darum, die Tatsachen zu verändern, sondern den Blickwinkel, der alles in einem neuen Licht erstehen lässt – aber unter Wahrung der Tatsachen.

Rüdiger Rauls

Trier den 4.3.2021

Vorteil China

29.03.2020 von Rüdiger Rauls, auf politische Analyse

Corona hält die Welt in Atem, auch wenn sie den Atem anhält. So widersprüchlich wie dieser Satz, scheint besonders in den Medien, die sich als alternativ verstehen, die Auseinandersetzung mit dem Thema Corona.

China als Maßstab

Zurecht wird auf die Tatsache verwiesen, dass Heftigkeit und Auswirkungen der Grippewelle von 2017/8 wesentlich tiefgreifender waren als die der heutigen Epidemie. Trotzdem war sie nicht von solch drastischen staatlichen Maßnahmen und medialen Aufmerksamkeit begleitet. Das verwirrt viele oder macht sie misstrauisch. Aber wie ist dieser Widerspruch zu erklären?

Vielen scheint es unzweifelhaft, dass hier von nicht weiter definierten Eliten ein Weg zu einem neuen Faschismus geebnet werden soll. Andere vermuten ein abgekartetes Spiel der Pharmaindustrie oder der neoliberalen Oligarchie zur Maximierung ihrer Profite. Ein ganz wesentlicher Gesichtspunkt wird dabei übersehen: die Systemkonkurrenz.

Wie zu Zeiten der Sowjetunion sich alle Entwicklungen im Westen an denen der UdSSR messen lassen mussten, besonders was die sozialen Belange anging, so sieht sich heute der Westen zunehmend in einer erdrückenden Konkurrenz zu China. Die Volksrepublik feiert überall auf der Welt wirtschaftliche und politische Erfolge, denen der Westen immer weniger entgegen zu setzen hat.

Das allein wäre noch nicht so schlimm, handelte es sich hierbei nicht um eine Gesellschaft, die von einer kommunistischen Partei geführt wird. Und das Schlimmste für den Westen daran ist: China hat Erfolg, ohne seine Bürger ähnlich einzuschränken, wie man es dem sowjetischen Sozialismus seinerzeit zum Vorwurf machte.

Dieser Entwicklung versucht der Westen, mit Propaganda zu begegnen, die in erster Linie zwei Ziele verfolgt. Zum einen soll der eigenen Bevölkerung immer wieder die Überlegenheit der westlichen Demokratie vor Augen geführt werden. Zum anderen lässt man keine Gelegenheit aus, sich in die inneren Angelegenheiten Chinas einzumischen, um dort Unruhe zu wecken oder zu verstärken.

Dazu nutzte man 2019 die Unruhen in Hongkong ebenso wie die Politik Chinas gegenüber den Uiguren in der Provinz Xinjiang. Die Kommunikationskonzerne Huawei, ZTE und Qualcomm sollen unter dem nicht belegten Vorwurf der Spionage für die chinesische Regierung wirtschaftlich behindert werden. Ihr technologischer Vorsprung gegenüber allen westlichen Unternehmen ist besonders den USA ein Dorn im Auge.

Vorbild China

Corona war ein weiterer willkommener Anlass, um China unter Druck zu setzen. Den Völkern im Westen sollte die Handlungsunfähigkeit der kommunistischen Regierung und deren Gleichgültigkeit gegenüber dem eigenen Volk vorgeführt werden. Sehr früh schon informierte die Berichterstatterin der Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frederike Böge, ausführlich, mitunter ganzseitig, über die Vorgänge in China. Tenor der Berichterstattung waren mangelnde Transparenz und Gleichgültigkeit gegenüber der Bevölkerung, die Unterdrückung kritischer Berichterstattung und die Verfolgung von Kritikern der staatlichen Maßnahmen.

Alles, was die chinesischen Behörden unternahmen, schien nach Böge und FAZ nur einem einzigen Ziel zu dienen: Die eigene und die Unfähigkeit der kommunistischen Partei zu vertuschen, die chinesische Bevölkerung zu unterdrücken und das Machtinteresse der kommunistischen Führer über das Wohl der Menschen zu stellen. Es wurden also die altbekannten antikommunistischen Klischées bedient.

Der Kampf gegen das Corona-Virus wurde besonders von der FAZ, dem Leitorgan der herrschenden Klasse in Deutschland, aufgebaut zu einem Kampf der Gesellschaftssysteme. Hier sollte sich die Überlegenheit des freiheitlich westlichen Modells gegenüber dem autoritär-kommunistischen in China beweisen.

Aber es kam anders. Die Bilder von etwa fünfzig Baggern, die innerhalb einer Woche in Wuhan ein Krankenhaus mit Tausend Betten aus dem Boden stampften, widerlegten die westliche Propaganda. Das rang allen Beobachtern Respekt ab und machte Eindruck bei den westlichen Medienkonsumenten.

Die chinesischen Behörden und die kommunistische Partei im Hintergrund vollbrachten, was die meisten Zuschauer keiner westlichen Regierung zutrauen würden. China baute in Windeseile Krankenhäuser. Zudem unterbrach es mit seinen weiteren Maßnahmen die Infektionsketten innerhalb kürzester Zeit.

Dass ihnen das Wohl der Bürger mehr am Herzen lag, als die westliche Propaganda glauben machen wollte, zeigten das Kündigungsverbot von Arbeitern in den Staatsbetrieben und die Aktivierung von Nachbarschaftskomitées zur Versorgung und Betreuung der Bevölkerung. Niemand wurde sich selbst überlassen. Davon können die 70.000 Obdachlosen in New York und die Besucher der deutschen Tafeln nur träumen, denen die lauwarmen Worte westlicher Politiker vielleicht das Herz erwärmen, nicht aber den Magen füllen und die Zukunftsangst nehmen.

Die Propaganda schlägt zurück

China hat fürs Erste das Corona-Virus besiegt. Dagegen versinkt der Westen immer tiefer in der Krise. Nun fällt er in die Grube, die man den Chinesen hatte graben wollen. Denn die westlichen Maßnahmen werden an den chinesischen gemessen, und diese Bilanz fällt ernüchternd aus.

Hinter all das, was China ergriffen hatte zum Schutz seiner Bevölkerung, darf der Westen nicht zurückfallen, will er nicht Gefahr laufen, unglaubwürdig zu werden. Will man nicht gegenüber China ins Hintertreffen geraten, muss man zumindest auch das auf sich nehmen, was die Chinesen auf sich genommen haben, sonst hat man den Kampf der Systeme in der öffentlichen Wahrnehmung verloren.

Wie hätte man der eigenen Bevölkerung erklären können, dass man nicht bereit ist, dieselben Maßnahmen zum Schutze der Menschen zu ergreifen, die die Chinesen ergriffen hatten? Wieso nimmt die freiheitliche westliche Gesellschaft nicht die Opfer auf sich, die eine angeblich menschenverachtende Diktatur wie das sozialistische China im Interesse der Bevölkerung ergreift? Hier liegt der Kern dessen, was zur Zeit in den westlichen Staaten unternommen wird im Kampf gegen Corona.

Es geht nicht um die Einschränkung der Bürgerrechte durch machtbesessene Eliten, auch nicht um die Profitgier der Konzerne, denn viele werden erheblichen Schaden nehmen durch die Einschränkung der Wirtschaftstätigkeit. Es geht ganz allein um den Systemkonflikt mit China. Den will man unter keinen Umständen verlieren. Den Wirtschaftswettlauf hat man schon so gut wie verloren, nun will man nicht auch noch im gesellschaftspolitischen Wettkampf unter die Räder kommen.

Dieser politische Konflikt, den Medien und Politiker im Westen selbst und ohne Not vom Zaun gebrochen hatten, hatte bei der Grippewelle von 2017/8 keine Rolle gespielt. Damals war der Kampf gegen die Grippe nicht als Kampf um die gesellschaftliche Überlegenheit geführt worden. Deshalb wurde der Zahl der Toten und Infizierten nicht diese Bedeutung beigemessen, wie heute.

Die Punkte im Kräftemessen der Systeme, das der Westen ausgerufen hat, werden verteilt durch die Zahl der Infizierten und der Toten in den beiden Gesellschaftssystemen. Und nach Punkten liegt China klar vorne.

Trügerische Selbstsicherheit

Vielleicht war man im Westen auch so naiv zu glauben, dass das Virus wie bei den Epidemien zuvor sich weitgehend in China austoben würde und der Westen verschont bliebe. Dafür spricht, dass das benachbarte Süd-Korea Anfang Februar an China noch 1,5 Mio Atemschutzmasken verschenkt hatte. Wenige Wochen später fehlten diese dann sehr schmerzlich im eigenen Lande. Dennoch muss dieser Akt der Menschlichkeit durch die Regierung Süd-Koreas gewürdigt und wertgeschätzt werden.

Auch die deutsche Politik ließ in überheblicher Selbstgewissheit über das eigene Krisenmanagement leichtfertig Zeit verstreichen, anstatt sich anhand der chinesischen Erfahrungen auf die Epidemie vorzubereiten. Noch im Februar ließ man in Deutschland Karnevalsveranstaltungen in geschlossenen Räumen zu, während man Umzüge wegen der Sturmgefahren absagte. Starkbierfeste durften noch im März im Kreis Tirschenreuth abgehalten werden. Nur wenige Wochen später explodierten dort und in der Karnevalshochburg Heinsberg die Infektionszahlen.

Aber man wollte anscheinend auf keinen Fall sich die Erfahrungen des „Unrechtsstaates“ China zunutze machen. Vielleicht wäre man zu Maßnahmen gezwungen, die man zuvor immer wieder angeprangert hatte als Beispiele für übergriffiges Verhalten autoritärer Behörden. So wurden keine Kontrollen an den Flughäfen durchgeführt, weder auf Fieber noch auf Herkunft. Selbst die aus aller Welt zurückgeholten deutschen Bürger, von denen man nicht wusste, ob sie vielleicht Überträger waren, konnten nach der Umarmung durch ihrer Angehörigen trotz schon geltendem Abstandsgebot sich unkontrolliert in die deutsche Gesellschaft verteilen.

Wie ungenügend die Vorbereitungen waren, zeigt der eklatante Mangel an Schutzausrüstungen. Warum fehlt es nach Wochen der Epidemie immer noch am Nötigsten? Wie beschämend sind doch gerade die Berichte über Menschen, die in Heimarbeit mit einfachsten Mitteln Mundschutz herstellen! Sie werden in den Medien als Helden gefeiert und zur Nachahmung empfohlen. Was für eine Bankrotterklärung für ein hochindustrialisiertes Land!

Dabei wäre das doch nach den Erfahrungen aus China und Asien überhaupt der erste Schritt gewesen. In allen Berichte über das Leben dort, sind nur Menschen mit Mundschutz in der Öffentlichkeit zu sehen. Ohne Mundschutz darf niemand auf die Straße.

Offensichtlich und notwendig

Sind unsere Meinungsmacher schon so vernebelt, dass ihnen das Offensichtliche in der Wirklichkeit schon nicht mehr auffällt. Noch immer gibt es „Experten“, die dem Mundschutz wenig Bedeutung beimessen, sogar dagegen anreden. In der öffentlichen Diskussion spielt das Thema so gut wie keine Rolle. Natürlich, für die Medien ist Mundschutz unspektakulär. Viel dramatischer ist da das Trommeln für Ausgehverbote. Denn Dramatik verschafft Aufmerksamkeit, das Pfund im Kampf um Einschaltquoten und Werbeeinnahmen.

Wie die neusten Bilder aus China offenbaren, wird dem Mundschutz eine höhere Bedeutung beigemessen als Ausgangsbeschränkung und Abstandsgebot. Während die Menschen wieder sich mehr in der Öffentlichkeit aufhalten und sogar Restaurants wieder öffnen können, trägt man trotzdem weiterhin Mundschutz. In Deutschland ist er jedoch die Ausnahme und schon gar keine Verpflichtung.

In ihrem Beitrag „Wege aus der Corona-Krise“ vom 28.3.20 beschreibt die FAZ auf einer ganzen Seite wirkungsvolle Mittel im Kampf gegen die Epidemie. Auch dem Mundschutz werden einige Zeilen gewidmet. Es ist dabei bezeichnend, dass in der Frage des Mundschutzes der direkte Eigenschutz immer wieder im Vordergrund steht. Das zeigt deutlich die individualistische Ausrichtung der Gesellschaftsmitglieder.

Dabei liegt die Bedeutung des Mundschutzes nicht im direkten Eigenschutz, sondern in seiner indirekten Auswirkung durch den Schutz der Gesamtgesellschaft. Er ist das wirksamste Mittel zur Unterbrechung der Infektionsketten, denn er unterbindet den eigenen Tröpfchenflug. Über den Schutz des Gegenübers schützt sich der Träger der Maske selbst, indem er dazu beiträgt, die Aufrechterhaltung der Infektionskette durch sich selbst zu unterbinden. Denn wer keine Symptome ausbildet, ist noch lange nicht keimfrei.

„Unbestritten ist der Schutz anderer durch das Tragen der Maske“, schreibt die FAZ in ihrem oben erwähnten Beitrag. Aber wenn doch diese Erkenntnis vorliegt, stellt sich die Frage, weshalb sie nicht in der Praxis durch die politisch Verantwortlichen umgesetzt wird? Auch hierauf gibt die FAZ gleich die Antwort: Es gibt nicht genug Masken.

Monate, nachdem die Epidemie in China ausgebrochen war, und Wochen, seitdem sie in Italien die Menschen dahinrafft, hat es die deutsche Politik nicht geschafft, die Bevölkerung mit Masken zu versorgen. Das soll die gute Vorbereitung sein, mit der Gesundheitsminister Spahn vor wenigen Wochen vollmundig die Bevölkerung in Ruhe und Sicherheit gewiegt hatte?

Aber auch dafür gibt es eine einfache Erklärung. „Neunzig Prozent der bisherigen Nachfrage nach Atemschutzmasken hatte bisher die chinesische Industrie gedeckt“. Sind also wieder die Chinesen schuld? Nein, denn: „Dabei kommen sowohl das medizinische Vlies, …, als auch die Maschinen, mit denen sie produziert werden, oft aus Deutschland.“ Man wäre also unter diesen Voraussetzungen nicht unbedingt auf chinesische Produkte angewiesen.

Was steht also dann der Produktion von Masken in Deutschland im Wege? Was wäre leichter als ein Erlass der deutschen Regierung an die deutsche Industrie, deutsche Masken für deutsche Krankenhäuser und Bürger herzustellen, also die Erfüllung einer nationalen Pflicht einzufordern in schwierigen Zeit? Schließlich sollen wir doch alle zusammenrücken und Solidarität zeigen.

Aber so einfach ist es nicht. Vor Solidarität und völkischem Appell steht die Rendite. Denn so die FAZ: „Erst wegen der nun steigenden Preise beginnt sich die Produktion für deutsche Mittelständler wieder zu lohnen.“ Ist das gelebte Solidarität?

Anders verfuhr da die chinesische Regierung. Sie verbot allen Produzenten den Export von Masken, Rendite hin – Rendite her. Dieses Verbot schloss auch die Fabriken ausländischer Konzerne ein. Peking übernahm kurzerhand eine Niederlassung des amerikanischen Unternehmens 3M, um die Produktion von Masken sicher zu stellen.

Forderungen statt Kritik

Trotz aller Einschränkungen für die Bürger und Defizite der deutschen Führung steigen die Zustimmungswerte der Regierungsparteien sprunghaft an. Die Menschen wissen, dass nur die Regierung Entscheidungen treffen und Maßnahmen ergreifen kann. Sie hat die finanziellen und organisatorischen Mittel dazu, und deshalb schließen sie sich hinter ihrer Regierung zusammen. Die Kritiker besonders der links-intellektuellen Milieus können ihnen außer anderen Sichtweisen im Moment nichts geben, was ihnen den Alltag erleichtern könnte.

Wer aus welchen Gründen auch immer die Epidemie leugnet, macht sich gegenüber der Bevölkerung unglaubwürdig. Denn diese fühlt sich bedroht: durch das Virus, durch die Einschränkungen, durch drohenden Mangel. Will man also an Einfluss bei der Bevölkerung gewinnen, sollte man deren Ängste ernst nehmen. Die Verbreitung anderer Sichtweisen mindert dieses Gefühl der Bedrohung nicht, sondern steigert nur die Verunsicherung, solange sie keine Handlungsmöglichkeiten oder gar Auswege aus der Krise aufzeigen kann.

Eine Forderung, die dem Gefühl der Bedrohung in die Möglichkeit zu handeln umwandeln könnte, ist die nach einem umfassenden Mundschutzgebot. Niemand darf sich in der Öffentlichkeit mehr ohne Mundschutz bewegen. Das bedeutet aber auch, dass die Regierung endlich für die Versorgung mit Masken sorgen muss, notfalls per Erlass gegenüber der deutschen Industrie. Die Erfahrungen aus China und dem Rest Asiens zeigen, dass der Mundschutz das wirksamste Mittel gegen die Ausbreitung der Epidemie ist.

Eine zweite Forderung ist die Unterstützung der Tafeln. Die Versorgung der Ärmsten in einer der reichsten Gesellschaften der Welt ist zunehmend bedroht durch Hamsterkäufe und Lebensmittelverknappung infolge von Lieferschwierigkeiten. Dass es überhaupt Tafeln in einem solch reichen Land gibt, ist ein Armutszeugnis. Deshalb die Forderung an die Politik, die Tafeln finanziell zu unterstützen und nicht weiter in die Abhängigkeit von geringer werdenden Spenden und Zuwendungen abgleiten zu lassen.

Deshalb die Forderung an Regierung und die Bitte um Veröffentlichung und Unterstützung dieser Forderungen durch die alternativen Medien:

Mundschutz-Erlass für die Öffentlichkeit

Finanzielle Unterstützung der Tafeln durch den Staat

Corona

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