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Die Schubladenparabel oder: Warum die Mathematik gegen zu viel Altersvorsorge spricht

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Seneszenz (also die zunehmenden Funktionsverluste und Defizite im Alter) beeinträchtigt nicht die Fortpflanzung und damit das Überleben der Gattung Mensch. Das haben wir gesehen. Dennoch mag man angesichts der vielen Alterserscheinungen den Preis, den der Einzelne zu zahlen hat, als sehr hoch beklagen. Ist die Natur nicht doch zu nachlässig?

Kommen wir noch einmal auf eine Überlegung von weiter oben zurück: Theoretisch könnte es für das Überleben der Gattung Mensch doch auch gewisse Vorteile haben, wenn Fortpflanzungsfähigkeit und Leistungsfähigkeit im Leben länger erhalten blieben: Bei längerer Fortpflanzungsfähigkeit würde sich die Natur dann auch länger um unser Jungbleiben kümmern. Nun ja, wie gesagt, theoretisch denkbar. Praktisch wäre der Vorteil aber äußerst gering. Der englische Zoologe und Nobelpreisträger Peter Bryan Medawar präsentierte 1957 dazu folgende interessante Parabel:

In einer Schublade eines Labors liegen neben anderen Dingen kleine Glasröhrchen. Die Schublade wird von den Mitarbeitern häufig geöffnet, und weil man in einer großen Schublade nie das findet, was man gerade sucht, gehen bei der Wühlerei immer wieder Glasröhrchen in die Brüche. In regelmäßigen Abständen müssen deshalb Röhrchen ersetzt werden.

Erhöht man nun mit einem kleinen Kunstgriff die Brüchigkeit der Glasröhrchen, gehen beim täglichen Umgang natürlich mehr Exemplare entzwei. Entsprechend wird ein größerer Nachschub gebraucht, will man das „Aussterben” der Röhrchen verhindern. So weit ist alles, wie es jeder erwarten würde.

Manipuliert man die Brüchigkeit der Glasröhrchen aber so, dass sie langsam und zunehmend mit dem Alter der Röhrchen ansteigt (am Ende sogar viel stärker als beim vorherigen Versuch), kann man Erstaunliches feststellen. Es müssen jetzt in einem bestimmten Zeitraum kaum mehr Röhrchen ersetzt werden als im ursprünglichen Alltagsgebrauch ohne die zugefügte Brüchigkeit.

Obwohl sich ja „junge” Glasröhrchen in keiner Weise von „alten” Glasröhrchen unterscheiden (es gibt keine Alterung bei Röhrchen), wirken sich Anfälligkeiten, die die „jungen” betreffen, sehr nachhaltig aus. Die Brüchigkeit von „alten” Exemplaren dagegen beeinflusst die „Röhrchenpopulation” nicht oder zumindest nur wenig. Grund: Durch die täglichen Schubladengefahren überleben die Glasröhrchen durchschnittlich ohnehin nur eine gewisse Zeit, auch ohne zu altern oder im eigentlichen Sinn sterblich zu sein. Nur sehr wenige erreichen deshalb ein chronologisch hohes Alter. Anfälligkeiten, die erst im hohen Alter auftreten, wirken sich entsprechend gering auf den Gesamtbestand aus.

Handbuch Anti-Aging und Prävention

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