Читать книгу Handbuch Anti-Aging und Prävention - Rüdiger Schmitt-Homm - Страница 65

Warum es bei der Alternsprävention weder absolutes Wissen noch absolute Sicherheit geben kann

Оглавление

Sind die heute vorliegenden wissenschaftlichen Fakten für konkrete Alternsbekämpfung „ausreichend”? Nehmen wir das Beispiel Melatonin (vgl. II.9). Schon Mitte der 90er-Jahre hielten führende Wissenschaftler angesichts des damaligen Erkenntnisstandes die Substitution beim Menschen für gesundheitlich sinnvoll. Andere lehnten den praktischen Einsatz ab. „Unzureichende Daten“, so das Argument.

Im vergangenen Jahrzehnt „explodierte“ das Wissen über diesen Naturstoff. Heute liegen mehr als 20 000 (!) wissenschaftliche Arbeiten vor, gerade auch über die praktische Anwendung. Das sind mehr Daten, als zu den meisten der herkömmlichen Arzneimittel jemals existieren werden. Unzählige Tierversuche bestätigen ein hohes Sicherheitspotenzial. Mehrere Millionen Menschen weltweit nehmen Melatonin seit mehr als 15 Jahren täglich ein.

Sind das nun „ausreichende” Daten? Die Mehrheit der Melatoninexperten sagt „ja“. Die zuständigen Behörden sind dennoch gegen die praktische Nutzung: Die lebenslange Einnahme sei noch „nicht ausreichend” untersucht. Das ist streng genommen korrekt. Zwar sprechen lebenslange Tests mit Tieren und Langzeitstudien bei Menschen bei bestimmungsgemäßem Gebrauch gegen jegliches Gefährdungspotenzial, selbst bei Einnahme über 50 oder mehr Jahre. Unanfechtbare Beweise wären aber erst in einem halben Jahrhundert oder später möglich.

60 Jahre zu warten, das wäre vielleicht eine denkbare Strategie für einen heute Zehnjährigen. Was aber, wenn ein Erwachsener ein solches Mittel nutzen möchte, um bestimmte Alternsprozesse, sein Krebsrisiko oder auch nur seinen Schlaf zu verbessern? Bis sich alle Langzeitaspekte zu Melatonin lückenlos klären ließen, wäre diese Person lange tot. Wie man sieht, ist die Nutzen-Risiko-Relation bei Mitteln gegen das Altern nicht nur schwer einzustufen, sie kann auch je nach Einzelfall sehr unterschiedlich ausfallen. Und es kommt noch etwas Entscheidendes hinzu:

Um absolut exakt zu bestimmen, wie effektiv ein einzelnes Mittel gegen das Altern beim Menschen ist, wären Langzeitstudien in extremen zeitlichen und finanziellen Dimensionen notwendig. Und selbst wenn man 50 Jahre Zeit hätte: Kein wissenschaftliches Institut und keine Firma der Welt könnte ein solches Projekt finanzieren – schon gar nicht bei natürlichen, nicht patentierbaren Substanzen wie Melatonin oder den vielen Antioxidantien. Zumindest darüber sind sich alle einig.

„Die Nation ist fortgeschritten in der Erkenntnis. Die Bürokratie ist nicht einmal in der Theorie nachgekommen, geschweige in der Praxis.”

FRIEDRICH LIST [deutscher Nationalökonom, 1789–1846]

Handbuch Anti-Aging und Prävention

Подняться наверх