Читать книгу Der Ruf des Kojoten - Regan Holdridge - Страница 4
Prolog
ОглавлениеCast your eyes to the ranch house,
Cast your eyes to the prairie,
when a coyote is howling,
please, remember thee!
Richte deinen Blick auf das Ranchhaus, richte deinen Blick auf die Prärie, wenn ein Kojote heult, bitte, erinnert euch – Auszug aus dem Gedicht eines unbekannten Verfassers aus dem 19. Jahrhundert.
Er streckte die Hand aus und berührte den braunen, abgegriffenen Lederumschlag – ein Familienerbstück, so alt wie diese Ranch, begonnen im Jahr 1861, an dem Tag, an dem Hiram McCullough die Pfosten in den Boden gerammt hatte, um damit seinen Claim, seine Parzelle, abzustecken und das Land für sich zu beanspruchen. Er hatte eine gute Wahl getroffen – der Boden war saftig und fruchtbar und im Laufe der Jahre und Generationen hatte sich die Ranch vergrößert, war gewachsen und vom Vater dem Sohn übergeben worden – beinahe, wie es bei ihnen sein würde, wenn er eines Tages fortgegangen war, jedoch, nur beinahe.
Seine blauen Augen wanderten zu dem großen, verblichenen Schwarzweißfoto auf dem Kaminsims – es stand schon seit Ewigkeiten dort, so lange, dass er sich nicht mehr an die Zahl der Jahre erinnern konnte. Er wusste, dass auf der Rückseite ein Datum notiert war, der Tag der Aufnahme, viele Jahrzehnte, lange vor diesem heutigen Tag. Damals, als er noch jung gewesen war und vor Energie und Kraft gestrotzt hatte.
Bedacht schlugen seine Hände das Album auf. Die Seiten waren verblichen, zerknittert vom unzähligen Blättern und Anschauen, Ergänzen und Hinzufügen von Daten und Namen, die in ihrer Familienchronik eine Rolle gespielt hatten. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. Fast glaubte er, die Stimme seiner Schwester zu hören, die jetzt sagen würde: „Schau nicht zurück auf das, was vorbei ist! Wir sind nie eine richtige Familie gewesen und ich...ich habe auch nicht gerade meinen Teil dazu beigetragen, dass wir es werden. Also, schau nach vorn und lass das Vergangene hinter dir!“
‚Genauso wenig habe ich dazu beigetragen‘, sagte eine Stimme in ihm und er schlug die nächste Seite um. Seine blauen Augen flogen über die Zahlen hinweg, die Namen, die Stammbäume – bis zum heutigen Tag, penibel notiert und für die Nachwelt hinterlassen – dort stand sein Name, die seiner Geschwister und darüber...er schluckte, die Sicht verschwamm unter den Tränen, die ihm in die Augen schossen und er konnte nicht verhindern, dass eine davon auf seinen Handrücken hinabtropfte.
Durch das offene Fenster des Arbeitszimmers drang der starke, durchdringende Geruch der braunen Farbe herein, die er zwei Tage zuvor an die Außenfassade gestrichen hatte. Hämmern erklang von irgendwoher und laute, vertraute Männerstimmen – sie schienen sich uneinig über etwas zu sein.
Er richtete sich auf und trat ans Fenster, vor dem der zartgelbe Rosenstrauch blühte. Sein Blick wanderte hinauf zu dem kleinen Wäldchen am oberen Rand des Hügels, wo er unter den ausladenden Zweigen der über hundertjährigen Fichten und Pinien die Gräber seiner Familie wusste. Auch sie existierten bereits seit einem Jahrhundert und mehr und jetzt, da er hinüberschaute und sich ihre Existenz ins Bewusstsein zurückrief, überkam ihn die Wucht der Wahrheit: Alles hatte seinen Anfang und sein Ende, seinen Sinn und seine Berechnung. Es gab ein Morgen und ein Übermorgen, von dem niemand wusste, was darin geschehen würde, welch unerwartete Vorfälle ihn übermannten und erdrückten. Nur vom Gestern konnte er sagen, ob es richtig oder falsch, schön oder hässlich gewesen war und daraus schöpfte er seinen Mut. Das Gestern, das schon Jahre zurücklag und doch immerfort in ihm allgegenwärtig war. Diese Unrast, die in ihm brannte, genau wie in seinen Vorfahren, die kam und ging, jedoch nie völlig versiegte. Sie war da und sie war sein Erbe, das er an die beiden jungen Männer weitergeben konnte. Dieses Verlangen und Streben nach Neuem und Schönem, es ließ ihn nicht zur Ruhe kommen, würde es niemals und eines Tages würde er draußen auf der Veranda sitzen und ihnen davon erzählen...