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Vorwort

Auf der gesellschaftlichen und politischen Prioritätenliste rangiert der Schutz unserer Lebensgrundlagen heute weltweit an vorderster Stelle. In den letzten 20 Jahren, die seit der 2. Auflage des vorliegenden Buches vergangen sind, hat der Gesetzgeber eine Vielzahl von Änderungen des materiellen Umweltstrafrechts vorgenommen, die im Wesentlichen damit begründet wurden, dass in Anbetracht der zunehmenden Bedeutung des Umweltschutzes die bisherigen strafrechtlichen Vorschriften nicht ausreichten, den von schädlichen menschlichen Einflüssen auf Atmosphäre, Land und Gewässer entgegenzuwirken. Hinzu kam seit einiger Zeit die Diskussion um die globale Verbesserung des Klimas und des Meeresanstiegs, die immer mehr verdeutlicht, dass die Probleme der „Umwelt“ weder an regionalen noch an sachlichen Grenzen nationaler Strafrechtsgeltungen halt machen. Damit waren der Blick und die Verantwortung deutscher Kriminalpolitik geöffnet über unsere nationalen Grenzen hinaus, sodass ein großer Teil der Novellierungen des Umweltstrafrechts den Erfordernissen der Umsetzung europarechtlicher Vorgaben folgte. Dies war freilich nicht ohne Friktionen mit der bereits durch das 1. UKG 1980 gründlich durcheinandergeratene System der Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts möglich. Die zwangsläufig inkorporierten europarechtlichen Vorschriften haben zu einer wachsenden Komplexität des Umweltstrafrechts bei nahezu allen Vorschriften des 29. Abschnitts im StGB beigetragen.

Einige Umweltstraftatbestände (z.B. §§ 328, 329 StGB) sind schon von ihrem Wortlaut her durch die Verweise in das europarechtliche Verwaltungsrecht für den „normalen Bürger“– also den eigentlichen Adressaten der strafbewehrten Ver- und Gebote – nicht mehr verständlich. Das Umweltstrafrecht hat sich durch all dies zu einem „Expertenstrafrecht“ entwickelt, das in weiten Teilen dem Anspruch des verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebots kaum noch gerecht wird. Die strafgerichtlichen Entscheidungen der jüngsten Vergangenheit haben punktuell zu einer klarstellenden Interpretation beigetragen, vielfach aber auch in Abkehr von dem Prinzip der Verwaltungsakzessorietät des Umweltstrafrechts ganz eigenständige strafrechtliche Auslegungen entwickelt, die zu den verwaltungsrechtlichen Vorgaben in Widerspruch stehen. Umso mehr ist die Strafverteidigung aufgerufen, sich jeweils am praktischen Fall dieser grundsätzlichen Probleme anzunehmen und auf ihrer Thematisierung im Diskurs mit den Strafverfolgungsbehörden und Gerichten auf eine Reduktion von Komplexität und klarer Fallanalyse zu bestehen.

Bei allem Verständnis für die legitimen Belange der Erhaltung unseres natürlichen Lebensraumes darf auch in Umweltstrafsachen nicht nach dem Motto, dass der Zweck die Mittel heilige, über den Beschuldigtenschutz hinweggegangen werden. Ganz in diesem Sinne bietet der detaillierte Beitrag von Regina Michalke, der nunmehr in erheblich überarbeiteter dritter Auflage vorliegt, eine vorzügliche Grundlage. Er informiert sowohl über das materielle Recht als auch über die verfahrensrechtlichen Besonderheiten im Rahmen von Umweltschutzdelikten. Als herausragende und in einschlägigen Verfahren engagierte Anwältin verwertet die Autorin ihre eigenen umfangreichen Berufserfahrungen, von denen wir alle profitieren können. Entsprechend der Gesamtkonzeption der Reihe „Praxis der Strafverteidigung“ wird auch im vorliegenden Band die Darstellung der materiellen und prozessualen Probleme ergänzt durch eine umfangreiche Mustersammlung von Schriftsätzen und Eingaben an die Behörden, die als Anregung für eigene Stellungnahmen dienen.

Im November 2021

Passau

Werner Beulke

Berlin

Alexander Ignor

Umweltstrafsachen

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