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Vorwort zur Neuauflage
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Das Schreiben des Vorworts zur Neuauflage unseres Buches bietet uns verschiedene Gelegenheiten: Zum einen möchten wir auf diesem Weg unsere Freude darüber zum Ausdruck bringen, dass das Buch auf reges Interesse stößt.
Zweitens gibt es uns die Möglichkeit, Danke zu sagen. Danke allen, die das Reflexionsmodell und das Diskursmodell unterstützen, und die während der letzten Jahre dazu beigetragen haben, dass sich unsere Vision zum Teil realisiert hat und neue Zukunftsbilder entstanden sind. Besonders zu erwähnen sind hierbei die Rektorenkonferenz der Fachhochschulen der Schweiz (KFH) und die Gebert Rüf Stiftung, die in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Soziale Arbeit FHNW unser Projekt »#Schlüsselsituationen« im Rahmen des Forschungsprojektes des Programms »BREF – Brückenschläge mit Erfolg« unterstützt haben. Von Beginn an haben sie die Projektidee, neben einer Plattform ein Netzwerk von Communities of Practice (CoPs) aufzubauen, für innovativ und vielversprechend gehalten. Ebenso danken wir all jenen Mitentwicklerinnen und Mitentwicklern, Mitlernenden unserer sich inzwischen zum Netzwerk entwickelten Community of Practice (CoP) sowie allen, die das Modell in ihrem jeweiligen Kontext nutzen, für ihren je unterschiedlichen Beitrag zum Gelingen des Projektes.
Und damit sind wir bei der dritten Gelegenheit angelangt: der Möglichkeit, von den zwischenzeitlich stattgefundenen Weiterentwicklungen berichten zu können.
Die Plattform
Wir entschieden uns 2013 ganz bewusst, keine bloße Sammlung von Schlüsselsituationen in Buchform herauszugeben, sondern eine Art Begleitbuch für die Arbeit mit Schlüsselsituationen zu schreiben. Bei dieser Arbeit geht es darum, jeweils in acht Schritten, eine typische Situation, die im beruflichen Kontext der Sozialen Arbeit als herausfordernd erlebt wird, durch Reflexion und Diskurs möglichst professionell zu gestalten. Da sich die Situationen im Laufe der Zeit verändern können, soll die Sammlung dynamisch bleiben, und wir wollten deshalb ein Wiki auf einer Internetplattform entwickeln, was uns als passendere Lösung erschien. In der Zwischenzeit haben wir eine benutzerfreundliche, vielfältig genutzte Plattform aufgebaut.
Die Plattform ist inzwischen für die Soziale Arbeit geöffnet, und die Registrierung kann unkompliziert über unsere Website www.schluesselsituationen.net erfolgen. Dort ist auch ein Erklärungsvideo zugänglich, das in die Idee und Arbeitsweise der Schlüsselsituationen einführt. Im Entstehen begriffen ist außerdem ein Pool von qualitativ guten Situationsbeschreibungen, der Professionellen der Sozialen Arbeit helfen kann, wenn sie auf der Suche nach passenden Theorien oder Modellen sind, sich für ihre Herausforderungen inspirieren lassen wollen oder wenn sie sich Überlegungen bezüglich geeigneter Qualitätskriterien und -standards machen. Beispielhaft zeigt sich an der Situation »Regeln der Institution durchsetzen / Wohngruppe mit Kindern und Jugendlichen«, wie der Diskurs innerhalb des Netzwerkes zur Qualität einer dokumentierten Schlüsselsituation beitragen kann. Eine Situation, die teilweise noch Gegenstand des Diskurses ist, findet sich unter dem Titel: »Standortgespräche führen / Probezeit Jugendwohnheim«.
Entstandene CoPs (thematisch, methodisch, lokal, international)
Inzwischen haben sich diverse CoPs etabliert, die teils thematisch orientiert sind, wie diejenige zu Kinder- und Jugendhilfe oder zu Kommunikation, Gesprächsführung, Beratung. Darüber hinaus hat sich eine größere Zahl von Interessierten eingefunden, die sich um methodische Aspekte der Arbeit mit Schlüsselsituationen kümmern. Diese entwickeln Lösungen zum Einsatz der Schlüsselsituationen im Rahmen von Supervisionen bzw. Intervisionen oder als Modell zur professionellen Entwicklung und Weiterbildung in der Praxis. Dabei hat sich die Internationalisierung, die sich schon zum Zeitpunkt des Erscheinens der Erstauflage abzeichnete, noch weiter fortgesetzt, sodass wir jetzt Partnerinnen und Partner aus Köln, München, Münster, Luxemburg und London haben, die in sogenannten lokalen CoPs zusammenarbeiten. Diese CoPs verbreiten die Arbeit mit Schlüsselsituationen sowohl im Hochschulbereich im Rahmen von Lehrveranstaltungen mit Studierenden als auch im Bereich der Weiterbildung für Praxisausbildende und implementieren das Modell in verschiedenen Praxisorganisationen.
Die Schlüsselsituationssammlung als Wissenssystematik
Teil des Forschungs- und Entwicklungsprojekts »#Schlüsselsituationen« war weiterhin die wissenschaftliche und theoretische Fundierung einer Sammlung von Schlüsselsituationen als Wissenssystematik. Die Idee, dass diese auf Situationen ausgerichtete Systematik sich gut für das Wissensmanagement auf der Plattform eignet, hat sich durch die empirische Befragung im Projekt bestätigt.
Unsere Untersuchung hat gezeigt, dass die Strukturierung nach Situationstiteln sich leicht erschließt und Situationen gut zu finden sind. Wir haben neu Situationen auf der Fall- und Systemebene (für die direkte und indirekte Klientenarbeit) und auf der Ebene der Praxisausbildung gegliedert. Eine weitere Erkenntnis aus der empirischen Erhebung, die wir auf der Plattform umgesetzt haben, besteht darin, dass wir verschiedene Zugangswege zu den Schlüsselsituationen geschaffen haben. So ist es neu möglich, alle Situationen über arbeits- oder problemfeldbezogene Zugänge, über einen der methodischen Grundschritte oder durch Schlagwörter zu finden.
Das Kapitel 6.2 haben wir leicht überarbeitet und eine neue Grafik zum besseren Verständnis der Entwicklung der Wissenssystematik eingefügt.
Vom Projekt zum Verein Netzwerk Schlüsselsituationen Soziale Arbeit
Gegen Ende des Forschungs- und Entwicklungsprojektes »#Schlüsselsituationen« haben wir einen Verein gegründet, dem viele Mitglieder der CoPs beigetreten sind. Er fungiert als Trägerschaft der Plattform und des Netzwerkes. Der Vorstand besteht, gemäß unserer Umsetzung von CoPs, aus dem Team der Autorinnen und des Autors sowie weiteren Personen aus dem akademischen Bereich sowie aus der Praxis der Sozialen Arbeit. Alle setzen ihre je spezifischen Stärken zur Weiterentwicklung der Plattform und des Netzwerkes ein.
Im Moment ist eine der Hauptaufgaben, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die das Fortbestehen und die Weiterentwicklung der Plattform und des Modells gewährleisten. Wir durchlaufen also eine Transformation vom Projekt zum Betrieb.
Mit Blick in die Zukunft, möchten wir auf folgende Entwicklungen aufmerksam machen:
Die Entwicklung des Modells Schlüsselsituationen als internes Qualitätsentwicklungsverfahren in Organisationen der Sozialen Arbeit
In Zusammenarbeit mit einer methodischen CoP und insbesondere mit deren engagierter Koordinatorin, die sich mit der Implementierung des Modells Schlüsselsituationen in Organisationen der Sozialen Arbeit befasst, wird die Idee verfolgt, wie die Arbeit mit Schlüsselsituationen als Mittel zur internen Qualitätsentwicklung in Organisationen gestaltet werden kann. Organisationen, die ihre Mitarbeitenden in der Anwendung des Reflexionsmodells schulen und auf dieser Basis für sie relevante Situationen erarbeiten lassen, können diskursiv ein gemeinsames Verständnis von Qualität und adäquaten Kriterien entwickeln. »Woran wollen wir uns messen lassen?« oder »Was bedeutet es für uns, in dieser typischen Situation, professionell zu handeln?« sind entscheidende Fragen, die ein Team oder eine Organisation beantworten können müssen. Die Auseinandersetzung mit solchen Fragen fördert Lernen in Organisationen und insgesamt die Profession. Wir gehen diesen Weg, gespannt und begeistert, zusammen mit einigen mutigen Organisationen, die Vorreiter sind. Es ist ein Weg, der mit einer neuen Vision verbunden ist: Ein Verfahren zu entwickeln, das der Organisation hilft, ihre interne Qualität zu sichern und weiterzuentwickeln, sodass die Klientinnen und Klienten einen direkten Nutzen daraus ziehen können. Wir prüfen Mittel und Wege zur Vergabe eines Zertifizierungslabels, das aussagekräftig ist und bezeugt, worum es in der internen Qualitätsentwicklung geht.
Verbreitung des Modells Schlüsselsituationen in England
Dank einem Autor unseres Teams findet das Modell zunehmend Verbreitung in England. Bereits ist von einer größeren Praxisorganisation ein Pilotprojekt gemeinsam mit der Universität durchgeführt worden, wobei wichtige Erkenntnisse gewonnen werden konnten. Das Modell scheint im aktuellen Diskurs von reflexiver Professionalität auch dort sehr anschlussfähig zu sein. Eine englische Website (www.keysituations.net) und ein englischsprachiger Bereich auf der Plattform legen die Basis für die weitere Entwicklung.
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten des Modells
Die genannten Arbeiten und Weiterentwicklungen haben gezeigt, dass die Arbeit mit Schlüsselsituationen auf vielfältige Weise Verwendung findet und in unterschiedlichen Settings durchgeführt werden kann. Die im Buch beschriebenen Beispiele »Arbeit mit Schlüsselsituationen in einer Blended-Learning-Sequenz« (Kapitel 4.3) sowie »Arbeit mit Schlüsselsituationen in einem Workshop« (Kapitel 4.4) sind lediglich zwei mögliche Anwendungsmöglichkeiten. Die Flexibilität bezieht sich auch auf die Handhabung der acht Schritte des Modells. Die ersten vier Schritte können je nach Kontext unterschiedlich gestaltet werden. So kann der Einstieg in die Arbeit durch das Entwickeln eigens erlebter Situationsbeschreibungen erfolgen oder anhand eines Situationstitels aus der Sammlung, um nur zwei Möglichkeiten zu nennen. Wir haben in Kapitel 4.2.2 eine neue Grafik eingefügt, welche die Prozessschritte besser veranschaulicht.
Diese Entwicklungen und die vielfältigen Anregungen zum Modell, die wir zwischenzeitlich erhalten haben, werden eine Überarbeitung des Modells und eine neue Publikation mit sich bringen. Doch werden dafür im Netzwerk noch viel Entwicklungsarbeit und Diskussionen nötig sein – auf der Plattform haben die ersten allerdings bereits begonnen.
Grenzüberschreitende Kooperation in der Aus- und Weiterbildung
Ein geplantes Projekt, mit dem wir uns derzeit beschäftigen, hat das Ziel, im internationalen Verbund Open Educational Ressourcen auf Englisch und Deutsch zu entwickeln, was eine effizientere Schulung des Reflexions- und Diskursmodells anhand Flipped Classroom und Blended Learning ermöglichen würde.
Zertifizierungssystem
Unsere verschiedenen Einführungen und Weiterbildungen von Professionellen aus Hochschule und Praxis und deren jeweils spezifische Einbindungen und Kontexte machten deutlich, dass es wichtig ist, das Modell situativ anzupassen und jeweils maßgeschneiderte Lösungen zu finden. Um die Qualität des Modells durch seine Verbreitung nachhaltig zu sichern, entwickeln wir ein Zertifizierungssystem für die Arbeit mit Schlüsselsituationen, welches wir akkreditieren lassen.
Die skizzierten Projekte sind nur ein Ausschnitt aus den Entwicklungen, auf die wir als Netzwerk zusteuern. Wie die Plattform ist das ganze Unterfangen der Schlüsselsituationen hoch dynamisch. Wir arbeiten weiterhin nach den Grundsätzen der CoPs als Keimzelle von Lernen, lebendigen Austauschs und Innovation. Wir beziehen das Netzwerk in die Entscheidungs- und Entwicklungsprozesse ein, ermöglichen so Identifikation und stellen die Verantwortungsübernahme auf eine breite Basis. Wir verfolgen die Vision einer international vernetzten aktiven Community, deren Anliegen es ist, die Professionalität der Sozialen Arbeit durch Reflexion und den Diskurs über die Qualität der Arbeit in all ihren Facetten gemeinsam weiterzuentwickeln. Wenn wir die bisherigen Erfahrungswerte beiziehen, sind wir zuversichtlich, unsere Vision schrittweise zu erreichen. Erste Meilensteine sind bereits gesetzt. Sie alle sind eingeladen, aktiv diesen Prozess mitzugestalten. Der erste Schritt besteht in der Registrierung für die Plattform auf unserer Website: www.schluesselsituationen.net.
Nun wünschen wir allen eine inspirierende Lektüre gemäß unserem Motto: »Im Dialog begegnen wir zwei Dimensionen – der ›Reifikation‹ und der ›Partizipation‹ – in so radikaler Interaktion, dass, wenn eines auch nur teilweise geopfert wird, das andere unmittelbar leidet. Es gibt keinen wirklichen Dialog, der nicht gleichzeitig Praxis wäre. Einen wirklichen Dialog führen heißt daher die Welt und uns selbst verändern« (in Anlehnung an Paulo Freire und Etienne Wenger)!