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Femina Politica

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„Ich bin in diesen Tagen doch zu der Überzeugung gelangt, dass es ein Fehler ist, als Frau geboren zu sein, wenn man geistige Interessen hat.“

(Hannah von Bredow an Sydney Jessen, Nr. 670 – Potsdam, Sonntag, den 6. Februar 1938)

Hannah von Bredow verstand sich selbst nicht als eine politische Frau. Mitte des Jahres 1931 erklärt sie Sydney Jessen: „Sie wissen, dass ich weder Interesse, noch Verständnis, noch Flair für Politik in irgendeinem Sinn habe, und dass ich sowieso ein lebhaftes Grauen vor politisch tätigen Frauen empfinde. Politics are essentially mens’work – dass die Sache bei uns so häufig schiefgeht, ändert an der Wahrheit meiner Behauptung nichts.“ Auch bei ihr ging die Sache schief, denn, anders als behauptet, zeigte sie seit ihrer Jugend ein ausgesprochenes Interesse und Verständnis für Politik.

Politisch aktiv war Hannah von Bredow zweifellos auch zu Beginn der Hitlerdiktatur nicht, als sie sich ständig mit der Frage auseinandersetzte, was sie über das Regime denke und wer sie sei: „Ich weiß nur, was ich nicht bin, ich bin nicht Angehöriger irgendeiner Partei, ich bin sicher kein Sozialist, bestimmt kein Demokrat, auch nicht ein Legitimist, vielleicht kein Monarchist, gewiss kein Republikaner – jedenfalls nicht im Sinne der bisherigen deutschen Republik – ich bin kein Kommunist, also passe ich wohl nirgends hin. Aber im Grunde halte ich diese Ungebundenheit bei Frauen für das einzig Wahre, besonders bei solchen, die mit der Öffentlichkeit nichts zu tun haben. Man wirkt aber dadurch manchmal aufreizend, da jeder einen verachtet, weil man keine Hakenkreuzfahne am Haus hat und keine Abzeichen trägt.“

Ihr Verhältnis zu politischen Fragen beschreibt Hannah ihrem Briefpartner Jessen als irrational und sogar beängstigend: „Wenn mein Leben von Politik der Vergangenheit oder Zukunft in irgendeiner Weise gestreift wird, oder wenn ich mich sogar hinein vertiefen muss, dann wird plötzlich etwas ganz tief Vergrabenes und Zugesiegeltes in mir lebendig. Und dieses Etwas dehnt sich nach allen Richtungen, lässt mir keine Ruhe und gibt mir das geradezu groteske Gefühl, dass ich – bitte stellen Sie sich das nur vor! – derartigen Situationen vollkommen gewachsen wäre, mich in ihnen, je komplizierter sie werden würden, umso sicherer bewegen könnte, ja ich komme mir zu meinem Entsetzen wie eine Art Antenne vor, die spürt, was in der Luft liegt – oh es ist grässlich.“ In solchen Fällen wusste Hannah „genau, was kommt“, und versuchte, ihre innere Unruhe in den Briefen an Jessen loszuwerden.

Bester Informant Hannah von Bredows über das politische Geschehen im inneren Zirkel der Macht war in den beiden letzten Jahren der Weimarer Republik der gleichaltrige Erwin Planck, Sohn des Physikers und Nobelpreisträgers Max Planck. Nach dem Abitur hatte Erwin Planck die Militärlaufbahn eingeschlagen und wurde nach dem Krieg dem Generalstab zugeordnet. Dort lernte er Kurt von Schleicher kennen, der ab 1929 das Reichswehrministerium und ab Dezember 1932 bis zu Hitlers Machtantritt kurzfristig das Reichskanzleramt leitete.

Zwischen Schleicher und Planck entstand bald ein enges Vertrauensverhältnis. Schleicher war im Jahre 1923 Trauzeuge von Erwin und Nelly Planck. Ein Jahr später begann Plancks Karriere als Verbindungsmann des Reichswehrministeriums in der Reichskanzlei. Vom Referenten stieg er 1930 im „Kabinett der Frontsoldaten“ des Reichskanzlers Brüning zu dessen persönlichem Sekretär und ab Juli 1932 zum Staatssekretär unter dessen Nachfolger Franz von Papen auf. In den letzten Jahren der Weimarer Republik galt Erwin Planck als „graue Eminenz“ der Kanzler.

Prägend für Erwin Planck war die großbürgerliche Atmosphäre seines Elternhauses: Musizieren, Opernbesuche und intellektuelle Diskurse waren selbstverständlich. Er war ein guter Cellist und traf sich regelmäßig mit seinem Vater und Albert Einstein zum Triospiel. Erstmals im September 1930 erwähnt Hannah von Bredow eine Einladung im Hause Planck und beschreibt Sydney Jessen im Februar 1931 eine weitere Gesellschaft: „Es wurde viel politisiert und Planck Junior gab seine Ideen bereitwillig zum Besten: ‚Die Nationalsozialisten haben ausgespielt, die einzige Gefahr sind die Kommunisten, deren Macht wächst. Die Deutschnationalen sind untauglich, die Volkspartei ebenso, Treviranus1 hat vielleicht doch Chancen, das Zentrum ist noch immer mächtig, Braun in Preußen desgleichen. Brüning ist der einzige Kanzler von Format seit 1890, Schleicher arbeitet nur pro domo, wird aber einen Freund nie fallen lassen …‘“ Hannah ergänzt: „Das war der langen Rede kurzer Sinn. Planck Senior hörte interessiert zu und sagte mir: ‚Erwin ist so geschmeidig, der würde das alles schon schaffen; Brüning hält sehr viel von ihm.‘“

Hannah von Bredow hielt nicht ganz so viel von Erwin Plancks Fähigkeiten, wusste aber seine Verehrung für sie und seine Auskunftsfreudigkeit zu schätzen. Zeitweise telefonierten beide täglich miteinander, trafen sich regelmäßig in Cafés und luden sich häufig gegenseitig ein. Planck war bei wichtigen Gesprächen Brünings, Papens und Schleichers „steinerner Gast“. In ihren Briefen nennt Hannah ihren Kontaktmann Planck stets „Puck“ und spielt damit auf die Eigenschaften des kleinwüchsigen Hofnarren in Shakespeares Sommernachtstraum an, besonders auf dessen verwirrende Scherze, aber auch seine Hilfsbereitschaft denen gegenüber, die ihn richtig ansprechen und ihm zuhören konnten.

Letzteres vermochte Hannah von Bredow sehr gut, sodass sie Jessen laufend von ihren politischen Gesprächen mit Planck berichten konnte. Hannahs Vertrauter Planck erfuhr Details über historisch bedeutsame Treffen und gab diese, oft in Dialogform, an sie weiter. So berichtete er ihr auch von der zweiten Unterredung, welche Reichspräsident von Hindenburg mit Hitler am 13. August 1932 hatte, sowie von verschiedenen Gespräche der Reichskanzler von Papen und von Schleicher vor der Machtübernahme Hitlers am 30. Januar 1933. Die Nachwelt kann erstaunt feststellen, dass Hannah von Bredows Aufzeichnungen historischen Erkenntnissen weitgehend entsprechen.2

Erwin Plancks ständige Bereitschaft, Hannah von Bredow über aktuelle politische Entwicklungen zu unterrichten, erklärt sich daraus, dass er von ihr stets seine Bedeutung als „Strippenzieher“ an den Schalthebeln der Macht vermittelt bekam. Hannah ihrerseits schätzte Plancks Offenheit, bemerkte allerdings auch kritisch, dass ihm „im Grunde alles gleichgültig ist, so lang er selber weiterkommt.“

Der ambitionierte Erwin Planck setzte Ende 1932 und noch Anfang Januar 1933 alle Hoffnung und seine Zukunft in seinen Freund Kurt von Schleicher. Hannah von Bredow dagegen sah die Entwicklungen realistischer und befand nach einem Abendessen mit ihm am 23. August 1932: „Er erzählte interessant, aber der Mann ist entweder gewollt blind oder ahnungslos.“

Am 21. Januar 1933, also neun Tage vor Hitlers Machtübernahme, schreibt Hannah von Bredow im Tagebuch: „I warned Planck. He disbelieved me. I give him a week and then – Planck said: ‚Sie werden doch nicht glauben, dass die Deutschen alle irre sind!‘ I replied: ‚Irre? Ahnungslos, genau wie Sie.‘ – ‚Die ich rief, die Geister‘, werden bald viele singen. Ich riet Planck abzureisen.“ Mit Hitlers Machtantritt wurde der Vertraute Schleichers persona non grata im neuen Deutschland. Er entzog sich den wachsenden Bedrohungen aber erst Mitte März 1933 durch eine ausgedehnte Ostasienreise.

Für die politische Beobachterin Hannah von Bredow bestand nach Erwin Plancks Rückkehr von seiner langen Reise im Mai 1934 kein ausgesprochenes Interesse mehr an Treffen mit ihm. Auch hatte sich Erwins eifersüchtige Frau Nelly gegen weitere Begegnungen ihres Manns mit Hannah ausgesprochen. Im Oktober vermerkt Hannah im Tagebuch noch einen äußerst aufgeregten Anruf Erwin Plancks. Zu dieser Zeit bemühte dieser sich nach wie vor intensiv um die Aufklärung des Mordes an Kurt von Schleicher und seiner Frau in der „Nacht der langen Messer“ vom 30. Juni 1934.

Damit kam Planck wieder ins Fadenkreuz der Gestapo, der er sich bald durch Aktivitäten in der Privatwirtschaft, nämlich als Geschäftsführer der Handelsfirma Otto Wolff, entzog. Unpolitisch blieb er indessen nicht, denn sein Name wird ab Ende 1939 in Verbindung mit Widerständlern genannt. Anders als Hannah ihn charakterisiert, war dem nationalkonservativen Erwin Planck durchaus nicht alles gleichgültig, „so lang er selber weiterkommt.“ Ihm ging es um Deutschlands Zukunft, und kurz nach Kriegsbeginn findet sich sein Name bis zum 10. Juli 1944 regelmäßig unter den Vertrauten des konservativen Widerständlers Ulrich von Hassell in dessen Tagebüchern.

Häufiger findet sich in von Hassells Tagebüchern auch der Name Franz von Papen. Dieser war nach dem Krieg bemüht, den Internationalen Militärgerichtshof in Nürnberg von seiner Widerständigkeit zu überzeugen, ebenso wie später auch die Leser seiner Memoiren „Der Wahrheit eine Gasse“. Hannah von Bredow machte indessen Ende des Jahres 1937 Erfahrungen mit einer Denunziation Papens, die alles andere als dessen Widerständigkeit belegte.3

Hannah von Bredow lernte Franz von Papen bereits Anfang der 1930-Jahre kennen und unterhielt sich bei verschiedenen Gelegenheiten mit ihm. So erfuhr ihr Briefpartner Jessen im Frühjahr 1931, also vor Papens Kanzlerzeit, von einer Abendgesellschaft bei den Bredows mit Papen als Gast, auf der Hannah ihrem Bruder Gottfried beispringen musste: „Papen grauste Gottfried so mit seiner geradezu krankhaften Frankophilie, dass es fast zu Unannehmlichkeiten kam,“ schreibt sie. Daraufhin beruhigte Hannah ihren Bruder mit der wenig schmeichelhaften Bemerkung, dass sie „Papen für einen der dümmsten Männer unter der Sonne hielte.“

Gut ein Jahr später und dank ihres Informanten Erwin Planck vermerkt Hannah von Bredow in ihrem Tagebuch am 31. Mai 1932, noch vor der öffentlichen Bekanntgabe von Papens Ernennung zum Reichskanzler: „Papen (Franz) ist Kanzler. Das klingt wie ein Witz, ist aber Wahrheit.“ Am selben Tag lässt Hannah ihren Briefpartner an der aktuellen Regierungskrise sowie an Hindenburgs Misstrauensvotum gegenüber Kanzler Brüning teilhaben und beendet den Bericht mit: „Und so kam Fränzchen dran.“

Schon einen Tag nach dem Treffen Hindenburgs mit Hitler am 13. August 1932, bei dem dieser in Papens Gegenwart eine Beteiligung und Mitarbeit an der bestehenden Regierung Papen strikt ablehnte, berichtet Hannah ihrem Vertrauten detailliert über das Gespräch. Ihren Brief vom 14. August 1932 beginnt sie mit der Feststellung: „Und nun gab er mir eine absolut unvorsichtige Schilderung der gestrigen Ereignisse.“ Mit „er“ meinte sie Erwin Planck, der am Gespräch teilgenommen hatte und ihr Hitlers Haltung begründete: Dieser beabsichtige, die Auflösung des Reichstags zu erzwingen, um in Neuwahlen die absolute Mehrheit zu erreichen.

Wenige Wochen darauf berichtet Hannah von Bredow von einer Abendgesellschaft, bei der auch Franz von Papen zugegen war: „Nach Tisch gab Sulla eine sehr interessante und sprühend lebendige Schilderung des 13.8. die aber so genau der Puck’schen Darlegung entsprach, dass ich sie nicht wiederholen will.“ Nach „Puck“, für Erwin Planck, führt Hannah einen weiteren Decknamen ein: „Sulla“ für Franz von Papen. Sie spielt damit auf den führenden Vertreter der römischen Optimaten an, der konservativen Adelspartei, der im ersten vorchristlichen Jahrhundert in Rom entgegen bestehender Gesetze die Herrschaft an sich riss. Bei der Namensgebung dachte Hannah zweifellos an Papens Entmachtung der demokratisch legitimierten preußischen Regierung wenige Wochen zuvor, den „Preußenschlag“, der das Schicksal der Weimarer Republik besiegelte.

Festzuhalten bleibt Hannah von Bredows ausgeprägtes politisches Interesse und Verständnis sowie ihr Bemühen, sich dank ihrer Bekanntschaft mit hochrangigen Politikern Schilderungen von wichtigen Ereignissen wie dem 13. August 1932 von mehreren Zeugen, möglichst von Augenzeugen, geben zu lassen.

Aus einer dritten Quelle erfuhr Hannah von Bredow den Inhalt eines weiteren Gesprächs im Reichspräsidentenpalais an dem historischen 13. August 1932. Konstantin von Neurath, Reichsaußenminister unter Papen und bis Anfang Februar 1938 auch unter Hitler, berichtete ihr am 22. August bei einem Essen über ein Gespräch, „das Sulla am 13. zwischen 6 und 7 p.m. ohne Zeugen mit Father Xmas gehabt hat“. Das Gespräch schildert sie Jessen „mit dem Vorbehalt, dritte Instanz zu sein“, in Dialogform, wobei sie Minister von Neurath in Anlehnung an den Statthalter von Marcus Antonius auf Zypern, „Demetrius“ nennt, während Reichspräsident von Hindenburg für sie respektlos „Father Xmas“ ist.

„Demetrius“, so setzt sie ihren Brief fort, habe ihr einen Text „im Wortlaut“ gezeigt und Teile daraus sogar vorgelesen. Hannahs Schreiben nach zu urteilen hatte Papen seinen Reichswehrminister Kurt von Schleicher über das Vieraugengespräch mit Hindenburg unterrichtet, dessen Inhalt dieser festhielt und Neurath zugänglich machte.

Ihren Bericht an Jessen vom 22. August 1932 beschließt Hannah mit der Mitteilung: „Tragisch sind die Verhältnisse im A.A. [Auswärtigen Amt], wo Demetrius völlig irre läuft, und wo auch Puck, Fouché etc. die größten Dummheiten machen. Demetrius will absolut nach London, alles andere ist ihm einerlei. Dabei soll der Madrider dort hin, der meinem Gefühl nicht entspricht. In Paris wird der Schaden zusehends größer, aber man ruft ihn nicht ab, weil man ‚keinen besseren‘ hat!“

Den Namen des mächtigen und intriganten Joseph Fouché, der Robespierre stürzte und Napoleon zur Macht verhalf, verlieh Hannah von Bredow Kurt von Schleicher; der „Madrider“ war ihr guter Freund Johannes Graf von Welczek. In Paris stand Botschafter Leopold von Hoesch zur Versetzung an. Demnach machte sich von Neurath knapp drei Monate nach seinem Wechsel von der Botschaft in London ins Auswärtige Amt wieder für den alten Posten stark, den dann aber von Hoesch übernahm.

Auch wenn Zweifel z.B. an der Authentizität der von Hannah von Bredow in westpreußischem Dialekt wiedergegebenen Aussagen von „Father Xmas“ berechtigt sein mögen, so zeigen die Schilderungen der Interna im Auswärtigen Amt ihr großes Interesse am politischen und diplomatischen Geschehen der Zeit. Sie belegen darüber hinaus, dass sie maßgeblichen Politikern und Diplomaten wahrscheinlich eine ernsthafte Gesprächspartnerin war und diese bewegen konnte, ihr auch diskrete Informationen anzuvertrauen.

Der Kontakt zu Konstantin von Neurath, der von ihr auch „der Schwabe“ genannt wurde, blieb bis zum Ende von dessen Ministerzeit im Februar 1938 bestehen. Bereits im Frühjahr 1935 aber, als Joachim von Ribbentrop, der ehemalige Importeur von Spirituosen, in dem nach ihm benannten Büro unter Umgehung des Auswärtigen Amts Hitler in außenpolitischen Fragen direkt zuarbeitete, schreibt Hannah an Jessen bedauernd: „Der Schwabe hat den besten Moment zum Absprung verpasst, jetzt macht der Sektlieferant alle Geschäfte direkt und behauptet, dass sein ‚cru‘ der einzig Trinkbare sei.“

Später als in den übrigen Ministerien wurde die Leitung des Auswärtigen Amts im Februar 1938 mit Ribbentrop ganz auf nationalsozialistischen Kurs gebracht. Bereits früh lernte Hannah von Bredow dagegen maßgebliche Personen der „Bewegung“ dank ihrer Brüder Otto und Gottfried von Bismarck kennen und einzuschätzen.

Hannah von Bredow

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