Читать книгу Terras kosmische Bestimmung: SF Abenteuer Paket - Reinhard Köhrer - Страница 89

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Allmählich klärte sich meine nähere Umgebung auf und gewann schärfere Konturen. Kleine zierliche Lebewesen mit langen Beinen und rötlich weiß gesprenkeltem Fell setzten in großen Sprüngen neben unserem Gefährt her und manchmal über uns hinweg. Es waren Wüstenspringmäuse – eine bekannte Tierart, der man aber außerordentlich selten begegnet. Sie sprangen bis zu einem Meter hoch und stießen dabei gellende langgezogene Pfiffe aus. Sie schienen keine Angst vor uns zu haben, hielten uns aber offenbar für eine Art merkwürdiger Lebewesen, die hier im Grunde nichts zu suchen hatten. Nach einer Weile merkte ich, dass sie uns zwar begleiteten, aber nur zufällig und in Wirklichkeit einer großen Wellenbewegung im Sand unter ihnen folgten. Diese Bewegung wurde – wie ich erst nach mehrfachem und genauem Hinsehen feststellen konnte – von Riesenschlangen oder Riesensandwürmern erzeugt, deren Leiber meist unsichtbar und geräuschlos unter dem Sand voran glitten, bis sie sich manchmal aufbäumten und einen Rumpf von anderthalb Metern Dicke und mehr sehen ließen. Einige dieser Riesenwürmer mögen eine Länge von 20 oder 30 Metern gehabt haben.

Sie schienen eins mit ihrer Umgebung zu sein, Geschöpfe und Bewohner der Wüste wie die gigantischen Sandwürmer in dem Wüstenplaneten von Frank Herbert, die zugleich Reittiere und Gottheiten waren. Die kleinere Abart schien jedoch eher ein Wirt für Parasiten zu sein, die den Würmern in Scharen folgten, wie die Wüstenspringmäuse, die die auffliegenden Insekten in der Luft fingen oder Madenhacker, die auf den Rücken der Ungeheuer saßen und sie vom Ungeziefer säuberten. Manchmal erhob einer dieser Riesenwürmer seinen Kopf hoch über den Sand und öffnete brüllend sein Maul zu einem Gähnen, das das Fürchten lehrte – aus dem schwarzen Schlund traf meinem Gefährten und mich ein so giftiger Pesthauch, dass wir beinahe in Ohnmacht gefallen wären, wenn er nicht unsere Fahrt beschleunigt hätte, um dem Dunstkreis dieser Ungeheuer zu entkommen.

Die Fahrt ging unablässig weiter und schien überhaupt kein Ende nehmen zu wollen. Hatte sie denn irgendein Ziel? Welcher Sinn lag darin, dass ich von einem Verrückten, der nicht sprechen konnte oder dessen Sprache ich nicht verstand, gezwungen worden war, diesen Schlitten zu besteigen und mit ihm durch Wüste zu rasen, deren Entstehung in der Umgebung aus ich gekommen, mir vollkommen unbegreiflich war? Der Fahrer saß steif wie ein Roboter auf seinem Sitz, zeigte keinerlei Zeichen von Ermüdung und reagierte auch nicht, als ich mehrere Male versuchte, ihn zum Anhalten zu bewegen. War das, was ich erlebte und sah, überhaupt wirklich oder träumte ich es nur? Auch die riesigen Sandwürmer auf dem Wüstenplaneten gab es ja in Wirklichkeit nicht, obgleich Frank Herbert sie so genau beschrieben hatte, als hätte er sie tatsächlich gesehen. Allmählich begann ich, über Sinn und Unsinn des Lebens im Allgemeinen und meiner eigenen Existenz im besonderen nachzudenken, kam aber zu keinem Ergebnis. Es gab allerdings einen ganz konkreten Grund für meine Traumreise oder, was auch immer sie bedeutete und der fiel mir glücklicherweise im gleichen Augenblick wieder ein, indem meine Gedanken ins Bodenlosen zu versinken drohten: Ich war durch das grüne Tor gegangen und hatte den Schlitten bestiegen, um Andrea zu suchen und sobald wie möglich wiederzufinden. Jedenfalls hatte ich das gehofft. Aber gab es dafür jetzt noch eine reelle Chance?

Aus diesen Gedanken, die mich in eine Art Dämmerzustand versetzt hatten, wurde ich durch eine leichte Bewegung vor mir aufgestört. Die Steifheit des Mannes am Steuer löste sich und er warf seinen Körper ruckartig hin und her. Er drehte sich sogar ein paarmal nach mir um und warf mir Blicke zu, die irgendwie hilflos wirkten. Irgend etwas schien ihn zu beunruhigen, aber ich konnte – jedenfalls zuerst – keinen Grund dafür erkennen. Da fiel mir auf, dass der Weg, der bisher immer deutlich vor uns ins Unabsehbare geführt hatte, plötzlich nicht mehr klar zu erkennen war. Es flimmerte vor unseren Augen und dieses Flimmern warf mehrere Luftspiegelungen in verschiedenen Farben – grau, grün, rot, gelb, blau – auf eine riesige Filmleinwand, die sich vor uns erhob und uns offenbar am Weiterfahren hindern wollte.

Eine Fata Morgana? Wann uns durch sie von weitem tatsächlich eine Oase mit frischem Grün und sprudelnden Wasserquellen winkte, konnten wir nicht nur ungehindert unsere Fahrt fortsetzen, sondern sollten unser Tempo beschleunigen, um sie möglichst schnell zu erreichen. Aber bekanntlich gaukeln solche Illusionen dem verdurstenden Wüstenwanderer häufig etwas vor, das es gar nicht oder nur in unerreichbarer Ferne gibt. Ich war nicht ganz sicher, ob es sich hier um eine solche Fata Morgana oder vielleicht nicht doch etwas anderes handelte. Aber das Bild wich vor uns zurück, zog sich zusammen und nahm zugleich an Schärfe und Deutlichkeit zu. Ich erkannte einzelne sich bewegende Figuren, die wie Blumen, vom Wind erfasst auf langen Stängeln hin und her schwenkten und ihre Blütenkelche öffneten und schlossen. Eine dieser Blumen – eine riesige dunkelrote Orchidee inmitten eines Farbenmeers kleinerer Blüten und eines grünen Beetes von Gräsern, Disteln, Kakteen und Brennnesseln, die sie umrankten – drehte uns ihre Blüte wie den Kopf eines Ungeheuers entgegen und öffnete den Blütenkelch wie ein Tier sein gefräßiges Maul. Schwärme von großen und kleinen Insekten verschwanden auf Nimmerwiedersehen darin, sei es, dass sie von dem betörenden Duft der Blüte angezogen wurden oder von ihrer Farbenpracht. Ja, ich glaubte sogar Wüstenspringmäuse, Madenhacker und andere Kleintiere in dem Schwarm zu erkennen, der sein Grab in dem unersättlichen Schlund dieses Ungeheuerst fand, das die größte fleischfressende Pflanze war, die ich je gesehen hatte. Jetzt verstand ich auch die Angst meines Fahrers, der mit aller Kraft versuchte, unseren Schlitten zum Stehen zu bringen. Zwar gelang es ihm, aber es war trotzdem zu spät für ihn. Eine riesige gelbe Zunge schoss aus dem Maul hervor, näherte sich meinem Gefährten, ringelte sich um ihn wie eine Schlange, die ihr Opfer mit ihrem Leib fesselt und bewegungsunfähig macht, um es dann zu verschlingen. Der Schrei des Mannes, der zwar nicht mein Freund, aber das einzige mitmenschliche Wesen in dieser schrecklichen Einöde gewesen war, schien einige Sekunden lang das Gelände um mich zu erfüllen. Dann verschwand sein Körper im Rachen des Monstrums, das sein Maul zuklappte, als habe es nun erst seinen schlimmsten Hunger gestillt.

War das noch Illusion? Was ich für eine bloße Luftspiegelung gehalten hatte, war uns nahegekommen, hatte wie die Sphinx vor den Toren Tibets ihr lebendiges Opfer gefordert. Die Verwandlung der lieblich lockenden Fata Morgana in die todbringenden Fangarme einer verschlingenden Wirklichkeit hinterließen bei mir Entsetzen und Furcht, die eine Weile sogar das Gefühl der Einsamkeit überwältigten. Denn nun war ganz alleine dem Wind und den Gefahren des Wüstensandes ausgesetzt. Ich rückte nach vorne auf den Führersitz und lenkte den Schlitten, so gut ich konnte, in dem sicheren Bewusstsein, nun kein Ziel mehr zu haben, an das ich immerhin geglaubt hatte, solange mein Gefährte noch existierte. Aber jetzt glaubte ich an nichts mehr, außer daran, dass diese Fahrt doch irgendwo und irgendwann enden müsste. Hunger und Durst begannen, mich zu plagen, mein Mund war ausgetrocknet und die Sonne, die sich bisher hinter Wolken verborgen und den Himmel nur schwach erhellt hatte, brannte mir jetzt ins Gesicht und auf den Rücken. Während meine Lebens- und Willenskraft zusehends erlahmten und ich vor Schwäche und Müdigkeit beinahe vornüber fiel, riss mich ein mächtiges Rauschen dicht über mir aus meinem gefährlichen Dämmerzustand. Ich sah nach oben und erblickte einen riesigen Geier, der sich im Sturzflug auf mich herabgesenkt hatte und nun mit ausgebreiteten Schwingen und aufgesperrtem Schnabel nur wenige Meter über meinen Kopf schwebte. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass ich bald sterben werde, dachte ich und sah hoch über mir am Himmel noch weitere dieser Aasfresser und Totenvögel wie große schwarze Punkte kreisen. Und wäre nicht jetzt gleich oder hier, dann ist der Tod doch unmittelbar in der Nähe.

Ich fuhr weiter, ohne mich um die Geier zu kümmern – es hätte keinen Sinn gehabt. Ich musste so schnell wie möglich weg von hier und nach einiger Zeit würden sie sich vielleicht um mich kümmern. Überall auf dem heißen Sand lagen Kadaver von kleinen und großen Tieren, die in der Hitze verreckt waren und bitteren Verwesungsgeruch ausströmten. Der Gestank lockte von allen Seiten Aas- und langhalsige Gänsegeier heran, die sich auf den Kadavern niederließen, sie aufrissen und große Fleischstücke aus ihnen heraus hackten. Um die größten Stücke stritten sie unter ohrenbetäubendem Geschrei, rissen sie sich gegenseitig weg und gingen immer wieder mit wütenden Schnabelhieben aufeinander los. So sehr mich dieses Schauspiel mit Ekel erfüllte, lenkte es mich doch von einem anderen ab, das, wie ich aus Erfahrung wusste, eine wirkliche Gefahr darstellte. Nein, ich wollte nicht sterben, noch nicht und ein Fraß für die Geier werden. Aber ich wollte auch nicht...

Da war sie wieder, jene große fleischfressende Orchidee in Gestalt einer berückenden Fata Morgana, die sich mir entgegen neigte und ihren Blütenkelch öffnete, um mich zu verschlingen. Ich hatte sie zuerst nicht gesehen, aber ihre Gegenwart gespürt und jetzt fuhr ich direkt auf sie zu, während mich der Gedanke an meinen unglücklichen Gefährten zugleich mit der Angst überfiel, den Schlitten nicht mehr rechtzeitig bremsen zu können. Während ich es versuchte, fiel mir bei Näherkommen auf, dass sich das Antlitz der Blume auf seltsame Art verändert hatte. Ihre ehemals prächtigen Blütenblätter leuchteten nicht mehr in dunklem Rot, sondern waren verblasst; einige erschienen sogar gelblich und verwelkt, hingen schlaff auf der Seite, lösten sich vom Dolden und fielen zu Boden. Aus dem geöffneten Maul kroch eine schwarze Spinne, der Hunderte ihrer Art folgten und sich an silbern glänzenden Fäden zu Boden fallen ließen. Die Pflanze aber brach zusammen und war bald nur noch als ein dunkler formloser Haufen, eingehüllt von Spinnweben, zu erkennen. So, wie sie unzähligen Lebewesen den Tod gebracht hatte, war sie jetzt selbst ein Opfer der Spinnen geworden.

Der Schrecken über das Geschehene und Erlebte ließ mich erstarren. Ich hatte genug gesehen, vor allem genug Tod, um das mechanische Weiterfahren mit starren Gliedmaßen als bloße Notwendigkeit zu empfinden, dem zu entkommen. Ich verschwendete keine Gedanken an das, was war, was sein und was kommen könnte, aber mich überkam, wann ich nach vorne auf den sich verdunkelnden Horizont blickte, die überwältigende Gewissheit, dass das Ende dieser Reise nahe bevorstand. Der Dämmerung folgte Dunkelheit, ein kühler Wind kam auf und von der Sonne, die hinterm Horizont versank, sah man nur den oberen roten Rand und feurige Streifen am Himmel.

Mächtige Sanddünen erhoben sich vor mir und zu beiden Seiten meines Schlittens, der vom Wind in die Höhe gehoben und über sie hinweg geschleudert wurde. Ich musste mich am Steuer festhalten, legte mich auf den Bauch und verkrallte mich in die Vorderkufen, um nicht vom Sitz geworfen zu werden. Die bisher kaum bewegte Sandfläche war ein tobendes Meer mit wild bewegten Wellenbergen und -tälern. Dabei nahm das Sandgestöber ständig zu und raubte mir bald jegliche klare Sicht. Meine Augen, mein Mund und meine Ohren waren voll Sand. Schließlich überflutete mich eine mächtige Woge von oben auf mich herabstürzend und mich unter sich begrabend, so dass ich nichts mehr sehen und nur noch fühlen konnte, wie der Sand in meine Poren eindrang. Ich wurde hochgehoben, verlor den Boden unter mir, hielt aber den Schlitten mit meinen Armen und Beinen fest. Ja, ich klammerte mich an ihn, als sei er ein Teil von mir selbst geworden, den aufzugeben mein eigenes Ende bedeuten könnte.

Was war geschehen? Was geschah mit mir? Ich öffnete die Augen und – konnte alles wieder sehen. Ich sah – mit seltener Klarheit – etwas, das außergewöhnlicher war als alles, was bisher vor meinen Augen Gestalt angenommen hatte. Ich hielt es zuerst für einen Baum mit sich nach oben verjüngenden Ästen und Zweigen, dessen vom Mondlicht übergossene Silhouette in den Himmel ragte, erkannte dann aber beim Näherkommen, dass es sich um einen Turm handelte, eine Konstruktion aus Metall, auf deren breitem Fundament Stahlträger mit seitlichen Verstrebungen in die Höhe führten. Die Spitze des Turms war nicht zu sehen und verschwand, wenn es sie überhaupt gab, in den dunklen Nebeln der Unwirklichkeit. Zwischen den senkrechten Trägern und den sie verbindenden, sich überkreuzenden Metallstreben befanden sich quadratische Plattformen, auf denen sich kleine schwarze Lebewesen hin und her bewegten, die von weitem große Ähnlichkeit mit Insekten besaßen. Manche dieser Insekten krochen oder kletterten auch die langen Treppen hinauf und herunter, die die Plattformen miteinander verbanden und es so möglich machten, den Turm bis in seine schwindelnden Höhen zu ersteigen. Während ich langsam näherkam, merkte ich, dass mein Schlitten auf einer Schiene entlangglitt und wie von einem Magneten unaufhaltsam an den Turm herangezogen wurde. Jetzt – aus der Entfernung von nur wenigen Metern – erkannte ich, dass die Insekten in Wirklichkeit Männer in khakifarbenen Uniformen wie mein toter Gefährte waren. Sie trugen Eimer und andere Gerätschaften auf den Plattformen oder zwischen ihnen hin und her oder betätigten Schalthebel, um irgendein mir ganz und gar verborgenes Getriebe in Gang zu halten. Im vollen Mondlicht erschienen mir diese Männer und ihr Tun sehr deutlich, aber auch seltsam und geisterhaft.

Der Turm zu Babel, schoss es mir durch den Kopf, aber ich wies diese Assoziation als Zeichen einer sogar in meinen Träumen wuchernden Halbbildung und blödsinniger Anmaßung sogleich erschrocken wieder zurück.

Nein, dieser Turm war nicht... er war zu Ende gebaut worden, wenn auch seine Spitze in der Unendlichkeit verschwand. Sein Dasein hatte einen Sinn; er erfüllte einen Zweck, eine Funktion, dessen war ich sicher, zumindest den oder die, dass ich das Ende meiner Reise erreicht hatte, das vielleicht auch von Anfang an ihr geplantes Ziel gewesen war. Während mein Schlitten sich in langsamer Fahrt einer der mittleren Plattformen näherte und die Männer, die dort am Rande standen, mir zuwinkten, wurde mein Blick nach oben gelenkt und las in riesigen Leuchtbuchstaben:

WÜSTENRESERVAT – ZENTRALSTATION...

Zugleich bemerkte ich, dass neben, unter und über mir scharenweise Schlittenfahrer auf Schienen in die Plattformen einfuhren und von den Männern in den khakifarbenen Uniformen in Empfang genommen wurden. Und als ich aufstand und mir gerade die Beine vertreten wollte, stand sie mir gegenüber, die ich solange gesucht und vermisst hatte – Andrea. Sie lachte und winkte mir zu, war aber wenige Sekunden später in der Menge der von allen Seiten nachdrängenden Schlittenfahrer wieder verschwunden. Ich rief und rief vergebens. Doch dann verstummte ich jäh. Neben und über mir und über uns allen brach ein riesiger Sandstrahl hervor, eine Sandfontäne, deren Gischt auch den Turm überschüttete und Sand auf die Wüste regnen ließ. Ich selbst geriet in den Sog dieses Gebläses, das aus dem Innersten der Wüste kam und wurde als Sandkorn Teil der gewaltigen Fontäne, die mich in den Himmel schleuderte und dann wieder auf die Erde fallen ließ.

Dort liege ich, ein winziges Sandkorn in der Wüste. Würmer wälzen sich an mir vorbei und Schlitten gleiten über mich hinweg...

Terras kosmische Bestimmung: SF Abenteuer Paket

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