Читать книгу Karnische Hochzeit - Reinhard M. Czar - Страница 5
I.
Prolog
ОглавлениеDer Gestank biss ihm sofort in die Nase. Nicht der unangenehme Geruch nach Schwefel, den man sich in einer Schwefeltherme erwarten durfte. An den hatte er sich längst gewöhnt während seiner Runden, die er Nacht für Nacht drehte. Nein, da war noch etwas anderes. Süßlich eher … Verwesung. Ja, genau das war es! Es roch nach Verwesung, wie damals, als er mit seinem Vater durch den Wald spaziert war und plötzlich dieses tote Reh vor ihnen gelegen war, übersät von ekligen schwarzen Fliegen.
Kurz versuchte der Nachtwächter, die ungewohnte Duftnote in der Luft auf seinem nächtlichen Kontrollgang durch die weitläufige, finstere Therme einfach zu ignorieren. Er dachte an das Frühstück, das er in wenigen Stunden zu sich nehmen würde: starker Kaffee, zumindest ein Espresso doppio, wenn nicht gar ein dreifacher. Dazu ein frischer Cornetto, die italienische Variante des Frühstückskipferls.
Die Ablenkung funktionierte nicht lange. Als er im bleichen Licht seiner Taschenlampe die Leiche auf der genauso bleich schimmernden Wasseroberfläche treiben sah, stand ihm der Sinn nicht mehr nach Frühstück. Ihm graute. Dann stieg Ärger in ihm auf. Warum ich, fragte er sich, warum muss ausgerechnet ich eine Leiche finden? Hier in Arta Terme, dem hintersten Winkel von ganz Friaul?
Dem Ärger folgte ein Anflug von Fatalismus, bis das Pflichtbewusstsein im Nachtwächter erneut Oberhand gewann. Dazu gesellte sich das untrügliche Gefühl, dass seine Arbeitsnacht heute wohl ein wenig länger dauern würde: Carabinieri, unzählige Fragen, Rekonstruktion der Minuten vor dem Leichenfund, neuerliche Befragung durch die Kollegen der erstbefragenden Polizisten, Pause, „Ja nicht weggehen“, „Wir brauchen Sie noch“ und wieder Befragung durch Kollegen der Kollegen der ersten Fragesteller. Vom Protokoll für seinen Dienstgeber ganz zu schweigen. Man kannte das ja: Bürokratie bis in den Tod, erst recht, wenn dieser gewaltsam war. Arrivederci espresso, ciao cornetto!