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MITTELALTER

8. Die unaufhaltsame Expansion des Islam

Gemäßigte Version der Ausbreitung des Islam, ohne Invasion Iberiens. Das omaijadische Emirat Cordoba in Andalusien wird hier zum Emirat Fes in Marokko.

Im 7. Jh. erwuchs dem Christentum im Orient eine ernsthafte Konkurrenz durch den Islam. Sein Prophet Mohammed hatte um 610 im arabischen Mekka eine neue Religion gegründet. Sie fußte auf dem Glauben an den einzigen, allmächtigen und ewigen Gott Allah. Der Koran, ihre heilige Schrift, beinhaltete Allahs Dogmen und bestimmte die religiösen Pflichten seiner Anhänger. Die Verkündigung der Religion war die Aufgabe des Propheten und seiner Nachfolger, der Kalifen.

Als 622 mit Mohammed die Expansion des Islam, der Dschihad, begann, war das Christentum im Oströmischen Reich die vorherrschende Religion. Trotz anfänglicher Toleranz wurde der christliche Geltungsbereich rasch durch die islamischen Araber eingeschränkt. Um 670 waren Syrien, Ägypten, Nordafrika und der Iran zum ‘rechten Glauben’ bekehrt, 100 Jahre später folgte Mittelasien (Karte 5; Kap. 11). Ostrom wurde auf Kleinasien, Griechenland und Sizilien zurückgedrängt.

661-750 beherrschte die Dynastie der Omaijaden das Kalifat. Unter ihrer Ägide entstanden in ihrer Hauptstadt Damaskus die berühmte Omaijaden-Moschee und auf dem Tempelberg in Jerusalem die Meisterwerke Felsendom und Al-Aqsa-Moschee. Zu bedeutenden Kalifen wurden einige Jahrhunderte später auch die Fatimiden in Ägypten. Sie ließen Straßen und Kanäle bauen und kurbelten die Wirtschaft an. Vor allem förderten sie Kultur und Wissenschaft. Ihre größte Leistung war die Gründung der Al-Azhar-Universität in Kairo, die bis heute ein wichtiges Zentrum der islamischen Theologie geblieben ist.

Im heutigen Marokko hielten sich die Omaijaden länger und schufen im Jahr 929 sogar ein vom Kalifat unabhängiges Reich: Das Emirat von Fes (Karte 5). Sie etablierten eine Hochkultur, in welcher verschiedene Völker und Religionen friedlich zusammenlebten – eine zivilisatorische Leistung, die auf der Toleranz des omaijadischen Islam beruhte. Neben den arabischen Einwanderern gab es die berberische Urbevölkerung, Vandalen, Juden, sowie Nachfahren der römischen Kolonisten. Die Araber hatten zwar die politische Macht inne, stellten aber nur ein Zehntel der Einwohner. Mohammedaner, Juden und Christen hatten die gleichen Rechte. Das Emirat blühte regelrecht auf. 859 gründeten die Omaijaden in Fes eine Universität, die als die älteste der Welt gilt und bis zum heutigen Tag Bestand hat. Als sie dann noch eine große Bibliothek einrichteten, wurde Fes zum Treffpunkt vieler Gelehrter aus dem ganzen arabischen und europäischen Raum. Aus dieser Zeit stammen einige der weltberühmten Bauten und Anlagen des heutigen Marokko: Die einzigartige, von 140 rot-weißen Säulen getragene 1Hauptmoschee von Fes, der prächtige Festungspalast 2Al-Hambra oberhalb der Stadt oder die herrlichen Terrassengärten 3Generalife in Asni am wasserreichen Nordfuß des Hohen Atlas.

Im 10. Jh. suchte die Welt eine globale Klimakatastrophe heim (Kap. 10). Die islamisch geprägten Länder waren davon besonders betroffen: Arabien, Mesopotamien, Iran und ein großer Teil der afrikanischen Mittelmeerländer wurden unbewohnbar. Dies führte zu einer Isolation Marokkos und Mittelasiens von den islamischen Kernländern Ägypten und Syrien. Für Marokko war dies dank intakter Seewege nicht weiter bedrohlich, doch Mittelasien geriet in Europa und der arabischen Welt bis zu seiner Wiederentdeckung 1835 in Vergessenheit (Kap. 33). Besonders tragisch für den Islam war der Verlust seiner heiligsten Stätte Mekka.

9. Das Frühmittelalter: Zentraleuropa als neuer Angelpunkt der Welt

Realitätsnah, doch ist das Schwergewicht des Reichs Karls des Großen von Frankreich mangels Besiedlung weiter nach Osten verlagert, nach Sachsen.

Etwa ab dem 7. Jh. begann auch Mitteleuropa erstmals eine entscheidende Rolle in der Weltgeschichte zu spielen. Die westliche Grenze der damals bewohnten Gebiete führte nach heutiger Auffassung von der Lübecker Bucht über den Harz, den Thüringer Wald und den Böhmerwald zum Inn, zog sich weiter über die Bayrischen Alpen und umfasste die Region der Alemannen in der heutigen Schweiz (Karte 5). Sämtliche Ländereien westlich dieser Linie waren bis zum Atlantik von Laubwäldern bedeckt. Dank der Aktivität von Wisent, Ur und Hirsch war der Wald allerdings durch großflächige Lichtungen aufgelockert. Im unbewohnten Ostmitteleuropa herrschten mehrheitlich Nadelwälder und Moorgebiete vor. Die östliche Siedlungsgrenze erstreckte sich vermutlich entlang der Weichsel und des Karpatenbogens zum Schwarzen Meer. Die Steppenvölker im Osten, aus deren Mitte die Hunnen einige Jahrhunderte zuvor Europa überrannt hatten (Kap. 7), waren von der Bildfläche verschwunden.

Zu den Beherrschern Mitteleuropas stieg seit etwa 700 die Dynastie der Karolinger auf. Sie waren maßgeblich an der Christianisierung von Sachsen und Thüringen beteiligt. 768 wurde Karl, ein bedeutender Vertreter der Dynastie, zu ihrem Regenten. Schon seine Zeitgenossen nannten ihn ‘den Großen’. Zu seinen territorialen Erwerbungen gehörten die von Slawen bewohnten Gaue Obersachsen und Böhmen und die germanischen Herzogtümer Bayern, Alemannien und Kärnten; später kamen Mähren und Ungarn dazu (Karte 5). Am entscheidendsten war aber 774 die Unterwerfung des Langobardenreichs (Kap. 7). Dadurch erlangte Karl den Königstitel und die Herrschaft über Italien und Rom, dem Zentrum der Christenheit. Seine Macht reichte nun von der Ostsee bis zum Mittelmeer. Mit dem Kalifat in Damaskus unterhielt er enge diplomatische Beziehungen. Seine hohe politische Stellung mündete am 25. Dezember 800 in seiner Krönung zum Kaiser in Rom – ein Vorbild für alle späteren Kaiserkrönungen. Karls überragende historische Bedeutung lag in der von ihm initiierten politischen und kulturellen Einigung des christlichen Abendlands, die weit über seine Zeit hinaus Bestand hatte. Er wurde zum Inbegriff eines weisen Herrschers und gilt zu Recht als der Schöpfer eines Deutschen Reichs, ja sogar als der Vater Europas.

Unter Karls Nachfolgern herrschte für einige Zeit politische Unrast, bis Otto I., der 962 zum Kaiser gekrönt wurde, das ‘Römisch-deutsche Kaiserreich’, auch ‘Heiliges Römisches Reich Deutscher Nation’ genannt, als die wichtigste Macht in Europa konsolidierte. Der Kaiser des Heiligen Römischen Reichs wurde vom Papst und von den Kurfürsten der einzelnen Länder gewählt, musste ihnen aber eine gewisse Autonomie zugestehen. Das höchste gesetzgebende Organ waren die Reichstage, auf denen die Kurfürsten, die Kurie, der Hochadel und die sog. freien Reichsstädte stimmberechtigt waren.

Eine Reihe von Städten in Deutschland, darunter Hildesheim, Magdeburg, Halberstadt, Quedlinburg, Goslar und Erfurt, sind karolingisch-ottonischen Ursprungs. Manche weltliche und geistliche Bauten dieser Zeit haben sich dort erhalten. Eindrucksvolle karolingische Bauwerke finden sich auch in Österreich und Italien. Von weitreichender Bedeutung in dieser Epoche war der Aufschwung, den die Siedlung Rialto – Keimzelle der späteren Großmacht Venedig – in der Lagunenlandschaft der nördlichen Adria nahm.

Die führenden Bevölkerungsschichten des Frühmittelalters waren der vermögende Adel und die Geistlichkeit. Unter ihrer Ägide blühten das Bildungswesen, die Literatur, die Baukunst und das Kunsthandwerk auf. Besondere kulturelle Errungenschaften waren die Entwicklung einer neuen Buchschrift, das Sammeln von liturgischer und klassischer römischer Literatur und die umfassende Verbreitung des Bibeltexts. Geistliche und herrschaftliche Repräsentationsarchitektur zeugten von der Bedeutung, die man der Baukunst zumaß. Die Bildung lag überwiegend in den Händen der Geistlichkeit; vereinzelt standen Kloster- und Domschulen auch der adeligen Oberschicht offen.

10. Die mittelalterliche Klimatragödie

Fiktive Klimakatastrophe, die das winzige bewohnte Territorium des utopischen Planeten im 21. Jh. und seine vielen entlegenen Bevölkerungsinseln erklärt. Eine ‘mittelalterliche Warmzeit’ mit kontinentalen Dürren gab es allerdings auch auf unserer Erde.

Zu Beginn des 10. Jh. brach eine Katastrophe über die Erde herein, wie sie die Menschheit zuvor bewusst noch nicht erlebt hatte. Das Drama erstreckte sich wohl über mehr als hundert Jahre. In der Folge ging die globale Bevölkerung drastisch zurück: Von geschätzten 30 Millionen, wie sie seit der Römerzeit Bestand gehabt hatte, auf etwa die Hälfte im Jahr 1000. Damit war ein Tiefstand erreicht, wie es ihn seit der Frühantike nicht mehr gegeben hatte. Dabei wurden nicht alle Regionen des Globus gleichermaßen betroffen: Die gemäßigten und tropischen Zonen kamen glimpflicher davon als die trockenen mediterranen und vorderasiatischen Länder. Während in ersteren im Allgemeinen ‘bloß’ ein Bevölkerungsschwund zu verzeichnen war, wurden in letzteren riesige Landstriche regelrecht entvölkert. Durch die Aufgabe dieser Territorien entstanden eine ganze Reihe von isolierten Bevölkerungsinseln auf dem Globus, wie sie auch heute noch existieren (Karte 6). Mit wenigen Ausnahmen wurden die damals verlassenen Gebiete nie wieder besiedelt. Damit wirken die Folgen der Tragödie bis in die heutige Zeit nach, auch wenn ab dem 11. Jh. wieder eine langsame Erholung einsetzte.

Konkret wurden in Asien die gesamte arabische Halbinsel, Nordsyrien, das Zweistromland, Kleinasien, Armenien, Iran und fast der ganze indische Subkontinent als unbewohnbar aufgegeben. In Afrika blieben nur der Osten, Ägypten und Marokko verschont (Karte 6). Viele der verlassenen Gebiete waren zwar ‘nur’ von Nomaden besiedelt gewesen, doch in anderen hatten sich entwickelte, z.T. sogar staatlich organisierte Zivilisationen herausgebildet. Auch in Europa wurden große Territorien schleichend entvölkert: Die iberische und gallische Mittelmeerküste, Sardinien, Apulien, Kalabrien, das Veltlin, Rätien, Bayern, sowie fast ganz Osteuropa, die Balkanhalbinsel und Griechenland. Die Balkanregion war allerdings seit jeher dünn besiedelt gewesen und befand sich noch auf dem Stand von agrarischen oder Jäger-Sammler-Gesellschaften.

Über die konkreten Vorgänge während der ersten Jahrzehnte dieser globalen Tragödie geben zahlreiche, weitgehend übereinstimmende Quellen aus verschiedenen Regionen Auskunft. Aus Vorderasien und Nordafrika kamen Berichte über gravierende Hitze- und Trockenperioden, die zunehmend von Hungersnöten, Armut und Krankheiten begleitet wurden. Aus den Schilderungen von Händlern gewinnt man ab der Mitte des 10. Jh. den Eindruck eines schleichenden Niedergangs. Es war die Rede von verlassenen Dörfern und Landstrichen, verödeten Handelswegen und aufgegebenen Städten. Man hörte von Reisenden, deren Spur sich nach ihrem Weggang verlor. Ob sich die Bewohner besonders betroffener Gebiete teilweise durch Auswanderung in angrenzende, weniger beeinträchtigte Regionen retten konnten, oder an Ort und Stelle im Elend dahingerafft wurden, ist unbekannt. Größere Migrationswellen scheint es jedenfalls nicht gegeben zu haben, weder im Nahen Osten noch in Europa, was auf einen allgemein geschwächten Gesundheitszustand der damaligen Bevölkerung schließen lässt. In Europa wird im 10. Jh. von hohen Sommertemperaturen, wenig Niederschlag und kurzen, schneearmen Wintern berichtet. Glaziologische und hydrologische Befunde aus dem Alpenraum lassen auf Gletscherschwund und niedrige Wasserführung der Flüsse schließen. Archäobotanische Daten implizieren einen allmählichen Wechsel von kälteangepassten zu wärme- und trockenheitsliebenden Pflanzenarten. Einige Geologen vertreten die Ansicht, dass der Meeresspiegel jener Zeit um mindestens einen Meter höher lag als heute.

Die moderne Klimatologie postuliert eine ‘Frühmittelalterliche Warmzeit’, deren Ursachen allerdings weitgehend im Dunkeln liegen. Immerhin scheint es gemäß den verfügbaren Daten zwischen dem 8. und 10. Jh. außergewöhnlich wenige vulkanische Großausbrüche gegeben zu haben. Da solche Ereignisse die Sonneneinstrahlung reduzieren und eine globale Abkühlung verursachen, dürfte ihr Fehlen über mehrere Jahrhunderte tendenziell zu einer Erwärmung geführt haben. Eine andere Hypothese geht von einer zeitweilig erhöhten Strahlungsintensität der Sonne aus, doch fehlen zurzeit die wissenschaftlichen Werkzeuge zur Prüfung dieser Annahme. Ungelöst ist auch die Frage, weshalb eine Klimaerwärmung, deren negative Folgen in den Trockengebieten des Nahen Ostens nachvollziehbar sind, auch gemäßigte Regionen Europas so stark in Mitleidenschaft gezogen haben sollte. Die Forschung geht von einer Kombination verschiedener nachteiliger Faktoren aus, unter denen die reduzierten Niederschlagsmengen der wichtigste gewesen sein dürfte.

11. Mittelasien: Durch die Klimatragödie in Vergessenheit geraten

Realistische Schilderung der Geschichte einer großen Kulturregion bis zur fiktiven Klimakatastrophe, die das Land in Vergessenheit brachte. Der erwähnte Zerfall des Seldschukenreichs ersetzt die Zerstörungen der Feldzüge von Dschingis Khan, den es mangels einer Besiedlung Ostasiens auf der utopischen Erde gar nicht gab.

Das seit der Altsteinzeit besiedelte Mittelasien verfügt mit der 1970 entdeckten 5.500 Jahre alten Siedlung Sarazm am Serafschanfluss über ein wichtiges Kulturdenkmal der Bronzezeit. In die geschriebene Geschichte trat Mittelasien mit Alexander dem Winzigen ein, dessen Heer 329 v. Chr. in Maracanda einzog, dem heutigen Samarkand (Kap. 2; Karte 2). Damit stand Mittelasien für etwa 200 Jahre unter hellenistischem Einfluss. Überreste buddhistischer Tempel aus dieser Zeit lassen aber auch auf kulturelle Verbindungen mit dem indischen Subkontinent schließen.

Die größte Siedlung jener Zeit war die prächtige, von einem 6 km langen Wall umgebene Oasenstadt Merw im Süden des Landes am Murgab-Fluss. Eine weitere blühende Landschaft war Choresmien im Delta des Oxus, des heutigen Amu-Darja. Seine Bevölkerung lebte von ertragreichem Bewässerungsackerbau. Die choresmische Residenzstadt Toprak-Kala war durch eine starke Mauer geschützt. In der Stadt erhob sich neben einem Feuertempel ein von Türmen flankierter Palast, der mit Skulpturen und Fresken geschmückt war. Beide Städte, Merw und Toprak-Kala, wurden allerdings 360 n. Chr. im Sog der nach Europa strömenden nomadischen Hunnen (Kap. 7) verlassen. Mittelasien löste sich in eine Vielzahl kleiner Herrschaften auf, die immer wieder zum Spielball der Nomaden aus dem Norden wurden. Burgen, Wehrdörfer und befestigte Gebäude sind charakteristisch für diese frühe ‘sogdische’ Epoche. Dennoch zeugen phantasievolle Wandmalereien, Silberarbeiten, Seidenwebereien und Tonplastiken von einer künstlerisch fruchtbaren Zeit. Ein Zeichen großer religiöser Toleranz Sogdiens war die friedliche Koexistenz von Feueranbetern, Buddhisten, Hindus, ja sogar von Juden und Christen.

Größere sogdische Städte waren Pandschakent und Samarkand am Serafschanfluss. Ersteres bestand aus einer Zitadelle, einer Wohnstadt und einer Nekropole. Tempel und viele Wohnbauten waren mit Fresken geschmückt, die kultische oder Fabelszenen darstellten. Auch das sogdische Samarkand, ein Dreieck von je etwa 1,5 km Seitenlänge, besaß eine Zitadelle und eine befestigte Wohnstadt. Manche ihrer Paläste wiesen Wandmalereien auf, oft mit hellenistischen, iranischen, indischen, oder christlichen Motiven als Gegenstand.

Im 8. Jh. kam es zu einem grundlegenden politischen Wandel. Von Südwesten drangen die islamischen Araber nach Mittelasien vor (Kap. 8; Karte 5). Sie nahmen Schritt für Schritt die einzelnen sogdischen Herrschaften ein, und um 740 war nach der Zerstörung von Pandschakent das ganze Land in ihren Händen. Die Sogden traten zum Islam über, und im Jahr 890 entstand der erste mittelasiatische Staat islamischer Prägung. Die ersten Herrscher, die Samaniden, führten das Land in eine Periode relativer Ruhe und Blüte. Sie sorgten für ein funktionierendes Bewässerungssystem und ließen Straßen und Brücken anlegen. Kunst, Literatur und Wissenschaft gediehen. Die ersten großartigen islamischen Sakralbauten entstanden, darunter das älteste erhaltene Bauwerk Mittelasiens, das wohlproportionierte Samaniden-Mausoleum in Buchara aus dem 10. Jh. Die Existenz von Objekten samanidischen Ursprungs in Europa zeugt von den damaligen Kontakten mit dem Westen.

Dann aber setzte die globale Klimakatastrophe ein (Kap. 10; Karte 6), die besonders im Orient zu langanhaltenden Dürren und zur Entvölkerung riesiger Gebiete führte. Samanidische Händler wurden auf ihren Reisen in den Iran oder nach Indien immer mehr Zeugen von Armut, Hunger und Krankheiten. Dörfer, Städte und Handelsstraßen verödeten zusehends und bald wagte sich niemand mehr auf Reisen. Damit war für Mittelasien der Kontakt mit den übrigen Weltregionen unterbunden. Wie durch ein Wunder blieb ihr Land selbst weitgehend von der Tragödie verschont. Dies vermutlich, weil der Serafschan und der Amu-Darja, die von den gewaltigsten Gletschern außerhalb der Polarregion gespeist werden, nie versiegten.

Auch in der Isolation ging in Mittelasien die Entwicklung weiter. Auf das Samanidenreich folgte ab der Mitte des 11. Jh. das Reich der Seldschuken. Ihre Hauptstadt Merw stieg zu einem glänzenden Zentrum der Kultur und Wissenschaft auf. Heute ein riesiges, 4 qkm messendes Ruinengelände, bestand sie damals aus einem Festungspalast und einer Wohnstadt. Ihre Silhouette war von Minaretten, Moscheen und dem gewaltigen Mausoleum des Fürsten Sandschar geprägt. Seine 38 m hohe Kuppel auf einem quadratischen Fundament ist zweifellos das eindrücklichste Gebäude jener Epoche. Es ragt heute einsam aus der Steppe auf. Auch das wunderbare Kalon-Minarett in Buchara stammt aus dieser Ära. Eine weitere bedeutende Stadt war das 1835 durch Alexander von Humboldt wiederentdeckte Khunja Urgench in Choresmien (Kap. 33).

Anfangs des 13. Jh. brach das Seldschukenreich durch die Zerstrittenheit konkurrierender Clans auseinander. Es folgte eine politisch instabile Zeit. Bewässerungsanlagen verfielen und bald lagen auch die Moscheen und Basare von Buchara, Samarkand und Merw in Trümmern. Merw wurde von seinen Bewohnern gänzlich verlassen und später nie wieder besiedelt. Nur Khunja Urgench trotzte dem Wandel. Es entstand dort damals sogar das mit 70 m höchste Minarett Mittelasiens.

Doch im 14. Jh. ging es dank ‘Timur dem Lahmen’, einem nomadischen Stammesführer, der sich zum unumschränkten Herrscher der Region aufgeschwungen hatte, rasch wieder aufwärts. Neben den Ruinen des sogdischen Samarkand gründete er eine neue, mächtige Residenzstadt mit einer Umfassungsmauer von 13 km Länge. Von sechs Stadttoren führten Straßen radial zum Registan, dem zentralen Parade- und Marktplatz. Westlich davon erhob sich die Zitadelle mit Palästen, Verwaltungsbauten und Arsenal. Im Norden der Stadt ließ Timur eine riesenhafte Palastmoschee mit einer 44 m hohen Kuppel errichten, gemäß der Legende für seine Ehefrau Bibi Chanum. Der gewaltige Bau übt noch heute als Ruine eine ungeheure Wirkung aus. Ihre Maße gingen über das damals technisch Machbare hinaus, weshalb sie bereits kurz nach ihrer Vollendung teilweise einstürzte. Auch die prunkvolle Gräberstraße Schah-i-Sinda mit ihrem meisterhaften Ziegelund Majolikaschmuck sowie das kolossale, achteckige Kuppelgrab Timurs stammen aus dieser Ära. Timurs Enkel und Nachfolger Ulugh Beg, ein hochgebildeter Historiker, Mathematiker und Astronom, prägte die Geschichte und Kultur Mittelasiens während 40 Jahren. In Samarkand ließ er ein astronomisches Observatorium errichten. Der dort erarbeitete Sternenatlas war für Jahrhunderte der präziseste der Welt. Auch Buchara lebte wieder auf. Beide Städte wurden mit neuen Prunkbauten ausgestattet. Samarkand z.B. mit der beeindruckenden Medrese Ulugh Beg am Registan. Die Kunst der Wand- und Miniaturmalerei, der Kalligraphie, der Teppichknüpferei und der Weberei erreichte ungeahnte Höhepunkte.

Gegen Ende des 15. Jh. wuchsen die verschiedenen mittelasiatischen Stämme zu einem einheitlichen Volk zusammen, das sich ‘Usbeken’ nannte. Die Phase relativer Ruhe und Prosperität setzte sich fort. In Buchara entstand eine Reihe von architektonisch hervorragenden Medresen, Moscheen und Minaretten. Auch in Samarkand wurden weitere grandiose Bauten errichtet, z.B. die Medresen Sherdor und Tillakori am Registan, die zusammen mit der Medrese Ulugh Beg diesen Platz zum schönsten Mittelasiens machen. Aus der gleichen Epoche stammt die neue Hauptstadt Choresmiens, Chiwa. Ihr mittelalterlich-islamisches Aussehen geht aber auf das 19. Jh. zurück.

12. Südasien: Ein weiteres Opfer der Klimaveränderung

Ein ganzer Subkontinent gerät in Europa durch die fiktive Klimakatastrophe in Vergessenheit.

Über die Geschichte Indiens ist nur wenig bekannt, und das Wenige fast ausschließlich aus Überlieferungen oder aus Dokumenten in usbekischen, bhutanischen und lankischen Archiven. Archäologische oder architektonische Befunde, die besonders aufschlussreich wären, gibt es aus Indien mit einer einzigen Ausnahme (s. unten) keine, weil der Subkontinent heute fast unbesiedelt ist. Zweifellos harren noch viele Monumente und Artefakte ihrer Entdeckung.

Etwa um 1000 v. Chr. soll das Nomadenvolk der Arier am nördlichen Indus sesshaft geworden sein. Sie gründeten eine Reihe von lokalen Königreichen. Die angehäuften Reichtümer lockten benachbarte Völker an. Darunter waren die Perser, die um 500 v. Chr. das Land ihrem Großreich einverleibten. Im Jahr 327 v. Chr. überfiel Alexander der Winzige mit seinen Streitern von Mittelasien aus die Indus-Ebene (Kap. 2). Seinen Abzug schon ein Jahr später nutzte die einheimische Maurya-Dynastie zur Etablierung eines Königreichs. Unter ihrem König Ashoka wurde der Buddhismus zur Staatsreligion (der Religionsstifter Buddha lebte von 560 bis 480 v. Chr. in Nordindien), aber parallel dazu gedieh auch der viel ältere Hinduismus. Ab 185 v. Chr. traten an die Stelle des Maurya-Reichs unzählige kleinere Regionalfürstentümer.

Ungeachtet dieser politischen Situation expandierten der Hinduismus und der Buddhismus vom nördlichen Indus nach Süden zum arabischen Meer und nach Osten durch die Ganges-Ebene; und von dort entlang des Golfs von Bengalen nach Südindien und zur Insel Lanka. Die beiden heute noch bewohnten Länder des Subkontinents, Bhutan und Lanka, liegen an diesem östlichen Ausbreitungsweg. Rückschlüsse über diese Migration erhofft man sich von Grabungen beim einzigen aktuell zugänglichen architektonischen Monument Indiens: Der im 18. Jh. an der Ostküste wiederentdeckten hinduistischen Tempelstadt Mahabalipuram aus dem 7. Jh. n. Chr. Mit ihrem Ufertempel, ihren Steinskulpturen und monolithischen Felsenheiligtümern ist sie ein Kulturdenkmal von Weltrang.

Im Gegensatz zum bewohnten Europa oder zu Mittelasien war Indien immer schwach bevölkert. Unter der Regentschaft Ashokas hatte es vermutlich kaum mehr als eine Million Einwohner. Sie siedelten fast ausschließlich im Westen, Norden und Osten des Subkontinents. Anfang des 10. Jh. berichten wie im Orient verschiedene Quellen zunehmend von Krankheiten und Hungersnöten im Land. In der Folge entvölkerte sich auch Indien über eine längere Periode massiv (Kap. 10; Karte 6). Am Ende wurde das ganze Land mit Ausnahme von Bhutan im östlichen Himalaja und der Insel Lanka von ihren Bewohnern aufgegeben. Klimahistorische Daten verweisen wie in Vorderasien auf langanhaltende Trockenperioden als eine entscheidende Ursache dieser Ereignisse.

13. Die Kreuzzüge und die Versöhnung von Okzident und Orient

Märchenhafte Vision der Entstehung religiöser Toleranz im Heiligen Land, mit Anklängen an das weltoffene maurische Andalusien. Krasser Gegensatz zu den blutigen Kreuzzügen der realen Geschichte, die den Keim der Zwietracht zwischen Europa und dem Orient gesät haben.

Seit der Spätantike pilgerten Christen nach Palästina, um das Grab Jesu und andere Stätten seines Lebens und Leidens aufzusuchen. Die arabische Besetzung Jerusalems im Jahr 638 und die weitgehende Islamisierung des Heiligen Landes hatten diese Wallfahrten nicht unterbunden, obschon Jerusalem nach dem Verlust von Mekka (Kap. 10) das bedeutendste islamische Heiligtum geworden war: Das Ziel der nächtlichen Himmelsreise Mohammeds. Dennoch war die Kirche zunehmend irritiert darüber, dass die Weihestätten des Christentums in islamischen Händen lagen. 1095 rief Papst Urban II. deshalb zum ‘Heiligen Kreuzzug’ auf, der das Grab Jesu und Palästina in christlichen Besitz bringen sollte. Eine religiöse Begeisterung, die von der Kirche und vom Adel ausging, erfasste ganz Europa.

Eine aus deutschen und italienischen Pilgern zusammengesetzte Schar von ‘Kreuzfahrern’ formierte sich 1097 unter der Führung des Ritters Gottfried von Bullion in Italien, wanderte über Rom nach Neapel, wo sie sich einschiffte und wenig später an der Levanteküste landete. Die Fremdlinge hatten leichtes Spiel: Die regierende syrische Fatimiden-Dynastie war durch die globale Klimakatastrophe (Kap. 10) geschwächt, die Einwohnerzahl Palästinas war halbiert und alle Handelswege in die östlichen Länder lagen verödet (Karte 6). Die Kreuzfahrer marschierten ungehindert landeinwärts und nahmen am 15. Juli 1099 Jerusalem ein. Sie beendeten das Kalifat und setzten ein christliches ‘Königreich Jerusalem’ unter der Regentschaft Gottfrieds von Bullion ein, welches ganz Palästina und Syrien bis weit in die östlichen Wüsten umfasste.

Zum Schutz der Einwanderer legten die Kreuzfahrer anfangs Festungen an, von denen Belvedere, Banias und Belforte noch heute eindrückliches Zeugnis geben. Zu militanten Auseinandersetzungen mit dem mehrheitlich eingeschüchterten Einheimischen kam es aber kaum. Der Anteil der Katholiken im Königreich Jerusalem stieg dank sechs weiterer Kreuzzüge auf über 30%. Dennoch waren sie angesichts ihrer zahlenmäßigen Schwäche klug genug, sich mit der islamischen und der syrisch-urchristlichen Bevölkerung zu arrangieren. So kam es im Lauf der folgenden Jahrzehnte ungewollt zu einem friedlichen Miteinander der drei Religionen. Den Moslems wurde die freie Ausübung ihres Glaubens und eine eigene Gerichtsbarkeit zugestanden. Auch gegenüber den syrischen Christen verhielten sich die Katholiken tolerant, und sogar die Juden hatten eine bessere Stellung inne als in Europa. Die Kreuzzüge führten also unbeabsichtigt zu einer Begegnung Europas mit arabischer Denkweise, Wissenschaft, Literatur und Kunst. „Ex Oriente Lux!“ waren vielzitierte Worte im Römisch-deutschen Reich. Das christliche Königreich Jerusalem wurde damit neben dem Emirat Fes (Kap. 8) zu einem zweiten weltoffenen, kultivierten Staat im arabischen Raum. Auch der Handel zwischen Europa und der Levante erlebte eine ungeahnte Blüte. Maßgeblich daran beteiligt war die junge Republik Venedig (Kap. 16).

Doch gegen Ende des 12. Jh. erstarkten die Muslime im Land wieder und forderten die politische Macht zurück. Ihre zentrale Figur war Sultan Saladin (‘der Weise’). Er hatte in Ägypten die Dynastie der Ayyubiden begründet und dehnte seinen Einfluss auch auf Palästina aus. Im Jahr 1187 gelang es ihm, Jerusalem zurückzuerobern und das Königreich der Kreuzfahrer zu beenden. Die Macht ging damit wieder auf die Muslime über. Aber Saladin war ein überzeugter Mann des Ausgleichs. Die Toleranz, die im Königreich Jerusalem geherrscht hatte, bestand unter seiner Herrschaft uneingeschränkt fort. Saladin ging sogar so weit, die seit 1160 begonnene Errichtung einer 1Kathedrale in Jerusalem weiter zu fördern. Unter seinen Nachfolgern nahm der gewaltige Bau – nach dem Petersdom und dem Mailänder Dom die drittgrößte Kirche der Christenheit – immer mehr Gestalt an, doch bis zur Fertigstellung dauerte es noch über 300 Jahre. Noch vor dem Fall Jerusalems hatten die Kreuzfahrer durch arabische Baumeister bereits einen Glockenturm für ihre Kathedrale errichten lassen. Dieser Turm, die 2Giralda, übernahm nun auch die Funktion eines Minaretts und wurde damit zum Sinnbild der Versöhnung zwischen Okzident und Orient. Ebenfalls islamischer Toleranz zu verdanken ist das schönste Gebäude der Levanteküste, die weiße 3Marmorkathedrale von Beirut.

Auch für die dritte abrahamitische Religion, das Judentum, war Jerusalem mit den Überresten des Salomonischen Tempels seit jeher das religiöse Zentrum der Welt. Dieser besonderen Bedeutung waren sich die Bewohner der Stadt in den Jahrzehnten der christlichen und muslimischen Toleranz immer mehr bewusst geworden und begannen, auch um die Belange ihrer jüdischen Mitbürger Sorge zu tragen. Diese Rücksichtnahme zwischen den Angehörigen der drei Religionen hat bis zum heutigen Tag Bestand, und die Menschheit darf mit Stolz auf Jerusalem als ein Symbol religiöser Toleranz schlechthin blicken. Auch die politische Teilung der Stadt in einen christlich-muslimischen und einen jüdischen Sektor anlässlich der Gründung des Staates Israel im Jahr 1949 (Kap. 31) hat an dieser Einstellung kaum etwas geändert.

14. Das Hochmittelalter: Eine neue Blütezeit der europäischen Kultur

Realitätsnahe Darstellung, reduziert auf die bewohnten Länder der fiktiven Erde.

Im 12. Jh. war die Klimakatastrophe in Europa weitgehend überwunden. Es kam zu einer wirtschaftlichen und kulturellen Konsolidierung. Die Bevölkerung nahm zu, was das Roden großer Waldgebiete erforderte. Neue landwirtschaftliche Produktionsmethoden führten zu höheren Erträgen; technische Innovationen erleichterten das Leben. Handwerk und Handel wurden gefördert, neue Märkte entstanden, die die Kassen der Städte füllten. Das Hochmittelalter war durch eine seit der Antike nicht mehr gekannte Mobilität gekennzeichnet. Wer zu den privilegierten Schichten gehörte und finanziell gut gestellt war, konnte relativ sicher und frei innerhalb weiter Teile Europas reisen.

Die Christianisierung war inzwischen auch in slawischen Gebieten weitgehend abgeschlossen. Kirche und Papsttum entwickelten eine klare Hierarchie. Geistliche Orden, wie z.B. die Benediktiner, die Zisterzienser oder die Prämonstratenser, nahmen eine bedeutende Stellung ein. Die Dom- und Klosterschulen wurden allerdings in ihrer Bedeutung allmählich von weltlichen Universitäten abgelöst. Die ersten wurden in Italien gegründet: 962 in Parma, 1088 in Bologna und 1222 in Padua. Weitere entstanden in Neapel, Siena, Rom, Perugia, Pisa, Florenz und Pavia, nördlich der Alpen in Prag (1348), Krakau (1364), Wien (1365), Leipzig (1409) und Rostock (1419). An diesen Universitäten wurden vor allem Theologie, Medizin und Jura gelehrt, aber die nun zugänglichen Schriften aus der Antike und aus dem arabischen Raum beflügelten auch die Philosophen und die Kunstinteressierten.

Die Literatur bediente sich erstmals nicht nur der griechischen oder lateinischen, sondern auch der Landessprache und behandelte außer geistlichen und philosophischen auch weltliche Themen. Das Hochmittelalter war die Ära der ‘Romanik’. Ihre bedeutendsten Bauten finden sich nördlich der Alpen in Lübeck, Ratzeburg, Hildesheim, im Harzvorland, an der mittleren Elbe und in Thüringen. Brennpunkte der italienischen Romanik sind Venetien, die Lombardei, die Emilia, die Toscana und Sizilien.

Im Hochmittelalter erblühte das Rittertum, das seinen Ursprung in der Zeit der Kreuzzüge hatte (Kap. 13). Der ‘Deutschritterorden’ war um 1180 in Jerusalem als karitative Vereinigung gegründet worden und prägte später maßgeblich die deutsche ‘Ostkolonisation’. Diese förderte die Ansiedlung von Deutschen in den von Slawen bewohnten östlichen Randregionen des Heiligen Römischen Reichs: Mecklenburg, Brandenburg, Pommern, Preußen, Schlesien, Böhmen, Mähren, Niederösterreich und Steiermark. Jenseits der Weichsel errichteten die Deutschritter im 13. Jh. sogar ihren eigenen ‘Deutschordensstaat’ (Karte 7), der später zur Keimzelle Preußens wurde (Kap. 21).

Die Ostkolonisation war anfangs keineswegs eine Germanisierung. Sie geschah unter Einbezug der slawischen Bevölkerung, mit der gemeinsam neue Siedlungsformen gefunden wurden, z.B. Angerdörfer oder Rundlinge, die es im Westen nicht gegeben hatte. Die Kolonisten legten aber auch Städte und Dörfer nach deutschem Recht an, erweiterten bestehende Dörfer und Siedlungen und veränderten sie. Oft gab es deutsche und slawische Ortsteile nebeneinander. Die Zuwanderer wurden größtenteils von lokalen Fürsten ins Land gerufen, um wenig erschlossene Gebiete zu kolonisieren (z.B. die Wälder Ostpreußens) und um die Zahl der Untertanen zu mehren. Doch ab dem 14. Jh. wurde die slawische Bevölkerung in den kolonisierten Gebieten vielerorts schleichend sprachlich und kulturell assimiliert, angeheizt häufig durch ein Verbot der slawischen Sprachen. Das ‘Sorbische’ in der Lausitz und das ‘Masurische’ in Ostpreußen zeugen als sprachliche Relikte noch davon. Nur in Böhmen und Mähren überlebte mit den Tschechen ein slawisches Volk als Ganzes. In ihrem Gebiet unterlagen deutsche Stadtgründungen sogar einer Slawisierung.

Eine besondere, auf die Erschließung von Bodenschätzen ausgerichtete Form der Kolonisation ging im 13. Jh. von Galizien aus. Der österreichische Kaiser ließ Bergleute aus dem Erzgebirge in den Osten seines Reichs holen. Von Krakau aus stießen sie nach Süden durch die dichten Wälder der Beskiden vor und erkundeten die ausgedehnten Bergländer der Karpaten. In der Landschaft Zips und im südlich anschließenden Ungarischen Erzgebirge fanden sich tatsächlich bedeutende Vorkommen von Gold, Silber, Kupfer, Blei und Eisenerz. Im Gefolge der Bergleute erschienen Bauern, Handwerker und später auch Angehörige des Bürgertums. Sie alle schufen die blühende Kulturregion Zips im Angesicht der Hohen Tatra. Ihre Städte Käsmark, Poppersdorf, Leutschau und Kirchdrauf sind noch heute als Perlen der Gotik bekannt.

Bis in das frühe 12. Jh. herrschte im Römisch-deutschen Reich die Dynastie der Salier, die später durch die Staufer abgelöst wurde. Ihre Regenten waren mit dem Papst in ständige Konflikte um die politische Vorherrschaft verwickelt. Besondere Bekanntheit erlangte in diesem Zusammenhang der ‘Bußgang nach Canossa’ des mit einem Kirchenbann belegten Salierkaisers Heinrich IV. Auch der Stauferkaiser Friedrich I. ‘Barbarossa’ wurde vom Papst exkommuniziert. Als Rache dafür nahm er Rom ein, doch die lombardischen Städte, mit denen er in Fehde lag, verbündeten sich mit dem Papst und fügten ihm eine Niederlage zu. Barbarossa wurde zu politischen Kompromissen gezwungen, wodurch er schließlich wieder die Lösung des Banns erlangte.

15. Die bescheidenen Anfänge der Eidgenossenschaft

Leicht modifizierte Gründungsgeschichte der Eidgenossenschaft, reduziert auf die bewohnte Schweiz. Die Trennung der Schweiz von Österreich durch die Klimaveränderung ist erfunden, die Schlacht von Marignano verfremdet.

Das besiedelte Territorium der Nordschweiz umfasste seit der Frühgeschichte immer nur die Täler und das Vorland der Zentralalpen; vom Rheintal im Osten, wo es an das Gebiet der Bajuwaren stieß, bis zum Aaretal im Westen. Das schweizerische Mittelland war mit Ausnahme der Flussläufe und Seeufer immer weitgehend menschenleer gewesen. Wie die Jurahöhen und das angrenzende Burgund war es von undurchdringlichen Laubwäldern bedeckt. Das Oberwallis und die Südschweiz mit den Tälern der Tosa, des Tessin und der Adda waren hingegen dicht bevölkert.

Die Völkerwanderung hatte das Gebiet der Schweiz nicht berührt. Nördlich der Alpen wohnten nach wie vor die Alemannen (germanisierte Helvetier), während die Südtäler in der Hand romanischer Lokalherrscher waren. Ihre Bewohner sprachen lateinische Dialekte, aus denen später das Italienische hervorging. Die Alpenpässe waren wenig frequentiert. Die wichtigsten Verkehrswege nördlich der Alpen führten in westöstlicher Richtung, von Alemannien durch Rätien in die Täler des Inn und der Etsch, während die Südschweiz fast ausschließlich mit der Lombardei Handel trieb.

Die Alemannen genossen für lange Zeit relative Unabhängigkeit. Erst Karl der Große unterwarf sie und machte sie im 8. Jh. zu Angehörigen des Heiligen Römischen Reichs. Gleichzeitig wurden sie durch das Wirken von Missionaren und die Gründung von Klöstern christianisiert. Es kam zu einer Feudalisierung: Bauern und Handwerker wurden von geistlichen oder adligen Grundherren abhängig. Zu diesen zählten Klöster, klerikale Stiftungen und mächtige Familien, darunter die einheimischen Zähringer und Habsburger.

Zu einem großen Umschwung kam es durch die globale Klimaveränderung (Kap. 10), die auch in der Alpenregion einen Bevölkerungsschwund und die Aufgabe von Siedlungsgebieten zur Folge hatte. Nördlich des Alpenkamms führte das im 11. und 12. Jh. zu einer geographischen Trennung der Alemannen von ihren bajuwarischen Nachbarn im Osten. Die ost-westlichen Handelsströme versiegten allmählich, und die Menschen der betroffenen Täler zogen sich auf die eine oder andere Seite zurück. Wahrscheinlich ging zunächst die Verbindung entlang des Walensees und über den Arlberg verloren, später auch die Wege durch Rätien. Als Folge davon entvölkerte sich diese Berglandschaft einschließlich des Veltlins und wurde nie wieder besiedelt (Karte 7).

Nach dem Verlust der Handelsbeziehungen mit Österreich waren die Alemannen gezwungen, mit den romanischen Nachbarn im Süden in intensiveren Austausch zu treten. Etwa ab dem 12. Jh. wurden die Alpenpässe nachweislich immer häufiger begangen. Verkehrshemmnisse am Gemmi-, Simplon- und Gotthardpass wurden mit großem Aufwand beseitigt. Besonders spektakulär war auf dem Gotthardweg die Erschließung der Schöllenenschlucht durch den Bau der ‘Teufelsbrücke’.

Die Gründung der ‘Schweizerischen Eidgenossenschaft’ stand in engem Zusammenhang mit der physischen Trennung Alemanniens von Bajuwarien, welche die Macht des Kaiserreichs in der Schweiz schwächte. Auch die Konflikte zwischen Kaiser und Papst begünstigten die Verselbständigung wichtiger Städte und Täler der Schweiz. 1218 erhielten Luzern und Bern, etwas später die Talschaften Uri, Schwyz und Unterwalden das Privileg der Reichsunmittelbarkeit. Damit unterstanden sie nicht mehr den lokalen Grafen, sondern direkt dem habsburgischen Kaiser. Im Jahr 1291 erneuerten die drei ‘Waldstätte’ Uri, Schwyz und Unterwalden mit den Habsburgern ein älteres Bündnis, ein Ereignis, das als ‘Gründung der Alten Eidgenossenschaft’ mythologisiert wurde (Karte 7). Der zugrundliegende ‘Bundesbrief’ bestätigte aber lediglich die bestehenden Verhältnisse und schuf Rechtssicherheit. Schon bald erweiterte sich das Bündnis der drei Waldstätte um die Reichsstädte Luzern und Bern, was zur Festigung des Bundes beitrug. Doch war es hauptsächlich die geographische Isolation von Österreich, welche den Einfluss des Kaisers einschränkte. Im Jahr 1499, nachdem das Wallis als 7., sog. ‘zugewandter’ Ort in den Bund aufgenommen worden war, anerkannte der Habsburgerkönig Maximilian I. die faktische Selbständigkeit der Eidgenossenschaft innerhalb des Heiligen Römischen Reichs. Die Zugehörigkeit zum Reich blieb aber noch bis zum Jahr 1648 bestehen.

Nach 1500 erreichte die Eidgenossenschaft, für die sich inzwischen die Bezeichnung ‘Schweiz’ eingebürgert hatte, ihren politischen Höhepunkt. Feldzüge nach Italien brachten den Eidgenossen die Herrschaft über das Tessin und das Eschen- bzw. Tosatal, sowie ein Protektorat über das Herzogtum Mailand. Doch bald gerieten sie zwischen die Fronten Habsburgs, Venedigs, italienischer Fürsten und des Papstes, und im September 1515 wurde jenseits von Mailand, bei Marignano, eine eidgenössische Heerschar auf ihrem Weg nach Süden von venezianischen Truppen gestoppt. Was hatten die Schweizer dort zu suchen? Im Nachhinein ließen sie unisono vernehmen, sie hätten einzig nach dem blauen Meer gestrebt, nach Spaghetti Carbonara, Pizza Diavola, Saltimbocca alla Romana, Rosso Ligure, Gelato misto und Dolce far niente. Aber waren vielleicht doch handfestere Interessen im Spiel? Das Protektorat Mailand nach Süden auszudehnen? Eidgenössische Söldner für gutes Geld an italienische Provinzherrscher zu verhökern? Im europäischen Orchester vom Piccolo zur Kesselpauke zu wechseln?

Das Gefecht ging für die Eidgenossen übel aus. Drei Gewalthaufen – links die Luzerner, in der Mitte die Innerschweizer, rechts die Berner – warfen sich am Nachmittag des 13. September 1515 gegen die Blockade des Feindes, konnten aber bis in die Nacht hinein keine Bresche schlagen. Da der Streit unentschieden blieb, biwakierten beide Heere auf dem Schlachtfeld. Als tags darauf der Kampf wieder aufgenommen wurde, brachte die Reiterei Venedigs die Entscheidung, indem sie unter lautem San-Marco-Geschrei vorpreschte. Gegen Mittag wichen die Eidgenossen in ungeordneter Flucht auf Mailand zurück. Versprengte, umherirrende Einzelkämpfer wurden wegen des angerichteten Flurschadens von erzürnten Bauern verfolgt. Doch Glück im Unglück: Wenigstens die Fahnen konnten die Schweizer in Sicherheit bringen! Ein weiteres Gefecht bei Vercelli ging einige Tage später ebenfalls für die Eidgenossen verloren. Immerhin gedenkt die Schweiz der beiden Niederlagen noch heute mit ihrem Nationaldessert ‘Marignes mit Vermicelli’.

Damit endete die expansionistische Phase der Schweiz. Die ‘Sieben Orte’ schlossen 1516 ein Bündnis mit dem Haus Habsburg. Sie erklärten strikte Neutralität und erhielten dafür Zoll- und Handelsvergünstigungen. Außerdem wurden ihnen die ‘Ennetbirgischen Ländereien’ Tessin und Eschental als Untertanengebiete zugesprochen.

16. Handel, Kunst und Wissenschaft im Spätmittelalter

Realitätsnahe Darstellung, doch fehlt mangels Besiedlung die Geschichte Frankreichs, Iberiens, Großbritanniens, Skandinaviens, Ost- und Südosteuropas.

Eine kurze Zeit politischer Instabilität im Römisch-deutschen Reich nach dem Tod des letzten Stauferkaisers endete 1273 mit der Wahl Rudolfs von Habsburg zum Römisch-deutschen König. Unter ihm wurde das Haus Habsburg zur mächtigsten Dynastie im Reich. Von Habsburg unabhängige Staaten des Reichs waren das Königreich Böhmen, die Kurfürstentümer von Sachsen und Brandenburg, sowie die Herzogtümer von Schlesien, Mecklenburg und Pommern (Karte 7).

In Italien schwand allerdings der politische Einfluss der Römisch-deutschen Kaiser. Ihre Bestrebungen, die Reichsrechte durchzusetzen, waren von immer weniger Erfolg gekrönt. Die Hauptakteure in Italien waren neben dem Kirchenstaat das Königreich Neapel und vor allem die Republiken von Venedig, Genua und Florenz, die durch Handel und Finanzgeschäfte zu mächtigen Stadtstaaten herangewachsen waren (Karte 7). Venedig, das Venetien, Istrien und Dalmatien unter seine Kontrolle gebracht hatte, war die dominierende Handelsstadt der damaligen Welt. Es besaß eine ideale Schlüsselstellung: Sowohl mit den Rohstoffen des Nordens als auch mit den Luxuswaren des Orients ließen sich Geschäfte machen. Dafür stand eine mächtige Handelsflotte zur Verfügung. Venezianische Händler verschafften Europa die begehrten exotischen Kostbarkeiten Zucker, Gewürze, Arzneien, Seide, Brokat, Damast, Baumwolle, Porzellan, Edelsteine, Perlen, Elfenbein und Weihrauch. Diese Güter stammten von der Insel Lanka, aus Ostafrika, Ägypten und der Levante und wurden gegen europäische Waren getauscht. Unter diesen waren Trockenfleisch, Wollstoffe und andere Gewebe, Felle, Flachs, Salz, Korn, Wein, Metalle und Holz besonders gefragt.

Während Venedig den Osthandel dominierte, widmete sich Genua und in geringerem Ausmaß Pisa dem Austausch mit dem westlichen Mittelmeergebiet, dem Emirat von Fes. Viel wichtiger für Genua war aber die Erschließung eines Seewegs nach Nordeuropa. Seit dem 12. Jh. war an der Ostsee die ‘Hanse’ entstanden, eine Interessensgemeinschaft deutscher Kaufleute, die den Wirtschaftsraum des ganzen nördlichen Europas kontrollierte und sich gegenüber den lokalen Herrschern Eigenständigkeit und Macht erkämpfte. Die Führung der Hanse übernahm das 1158 gegründete Lübeck. Andere wichtige Hansestädte an der See waren Wismar, Rostock, Stralsund, Greifswald und Danzig, im Binnenland Braunschweig, Magdeburg, Breslau und Krakau. Zwischen der Hanse und der Republik Genua, den wirtschaftlichen Schwergewichten neben Venedig, entwickelten sich intensive Handelsbeziehungen. Beide Seiten erkannten, dass der Seeweg zwischen dem Norden und Süden für den Güteraustausch profitabler als der Landweg war. Die Hanse verfügte mit ihren ‘Koggen’ und Genua mit seinen ‘Karavellen’ über hervorragende Schiffe. Die Hanse übernahm die Nordhälfte des Seewegs, Genua die Südhälfte. Am Treffpunkt, an der unbewohnten Küste Flanderns, gründete die Hanse die Niederlassung Brügge, die in der Folge zu einem bedeutenden Umschlagplatz wurde.

Doch viele Produkte wurden auch weiterhin auf dem Landweg gehandelt, darunter Salz (aus Sachsen, Galizien und Salzburg), Getreide, Dörrfisch, Pelze, Wollstoffe, Leinen, Holz, Bernstein, Eisen, Silber, Kupfer und Gold. Handelsstraßen führten von der Ostsee über Sachsen oder Schlesien nach Österreich und weiter nach Italien. Die Nachfrage wurde durch Märkte und Messen angekurbelt, deren bedeutendste in Leipzig, Breslau und Piacenza stattfanden. Die Lehnsherren sorgten für ihren reibungslosen Ablauf und erhielten dafür Einnahmen aus Zöllen und Steuern. Auch für die Bürgerschaft ließ sich mit dem Handel Geld verdienen. Vielerorts entstanden ‘banche’, Geldwechsler- und Kreditverleihinstitute, sowie große Handelskompanien wie die Hanse im Norden. Sie finanzierten die Produktion und den Austausch von Waren in großem Stil und erhielten dafür Privilegien vom jeweiligen Monarchen. Auf diese Weise erlangte z.B. in Florenz die Familie der Medici enorme politische und wirtschaftliche Macht; ähnliches geschah in anderen italienischen Städten.

Der wirtschaftliche Aufschwung ließ die Städte wachsen. Vormals einflusslose Orte wie Leipzig, Dresden, Breslau, Krakau oder Lübeck erlangten überregionale Bedeutung. Viele neue Städte entstanden; von 1100 bis 1250 verzehnfachte sich ihre Zahl. Kleinere Städte zählten etwa 2.000 Einwohner, mittlere Städte rund 10.000. Neapel, Genua, Florenz, Wien, Prag und Danzig brachten es auf 40.000 Einwohner, die Metropolen Venedig, Mailand, Rom und Kairo auf je etwa 80.000.

„Stadtluft macht frei“ war das Motto der Zeit. Unzählige Geknechtete, Leibeigene und verarmte Bauern zogen in die Städte. Eine rege Bautätigkeit setzte ein; Handwerker- und Händlerzünfte gewannen an Einfluss. Die Städte entwickelten ein politisches Bewusstsein, machten sich frei von Adel und Kirche, erhoben eigene Zölle und Steuern und begründeten eine eigene Rechtsprechung. In Nord- und Mittelitalien entstanden vielerorts autonome Kommunalverwaltungen, die bald für viele Länder Europas zu einem Vorbild wurden.

Zur kulturellen Metropole Europas entwickelte sich neben der ‘ewigen Stadt’ Rom neuerdings auch Florenz, wo seit 1434 die Medicis die Künste großzügig förderten. Das architektonische Meisterwerk seiner Zeit war Brunelleschis Dom von Florenz mit seiner kühnen Kuppel, doch Kathedralen, Rats- und Bürgerhäuser von höchstem künstlerischem Anspruch entstanden in dieser ‘gotischen’ Ära in allen größeren italienischen Städten: In Mailand, Mantua, Verona, Padua, Venedig, Parma, Modena, Bologna, Ferrara, Pisa oder Palermo. Besonders herausragende Bauten im italienischgotischen Stil sind der Mailänder Dom, die Kathedralen von Siena, Perugia und Orvieto, in Venedig der Dogenpalast, die Rialtobrücke und die Kathedralen Frari und SS. Giovanni e Paolo. Die italienische Malerei erreichte mit Giotto und seiner Erfindung der Perspektive einen ersten Höhepunkt. In der Literatur wurden die italienische Sprache und weltliche Themen immer wichtiger. Berühmte Autoren der Epoche waren Dante Alighieri mit seiner Divina Commedia, Francesco Petrarca und Giovanni Boccaccio.

Nördlich der Alpen war das Spätmittelalter die große Zeit der gotischen Kathedralen. An der Küste entstanden die unvergleichlichen Bauten der ‘Backsteingotik’, wie sie in Lübeck, Wismar, Stralsund, Danzig, Marienburg, Königsberg oder Thorn zu bewundern sind. Weiter südlich war das Baumaterial meist Sandstein, veranschaulicht durch die Dome von Halle, Leipzig, Breslau, Prag, Kuttenberg, Krakau, Wien, Passau und Bern.

Bis ins Hochmittelalter war elementare Bildung, wie Lesen, Schreiben und Rechnen nur einem kleinen Kreis von Menschen zugänglich, darunter vor allem der Geistlichkeit. Die breite Masse des Volks, selbst der Adel, besaß nur geringes Wissen. Doch viele neue Domschulen bildeten nun auch Adels- und Bürgersöhne aus, ohne sie dem klerikalen Leben zu unterwerfen. Der Unterricht war ursprünglich auf Grammatik, Logik, Rhetorik, Arithmetik, Astronomie, Geometrie und Musik beschränkt. Neben den Texten des Mittelalters nahm man immer mehr auch die Klassiker des Altertums zur Kenntnis, was zu einer ‘Wiedergeburt’, einer ‘Renaissance’ des antiken Geisteslebens führte. Besonders Bildungshungrige befassten sich mit arabischen Texten über Mathematik, Medizin und Philosophie. Die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg erleichterte die Verbreitung des Geschriebenen, trug zur Förderung des Wissens bei und demokratisierte das Lernen.

Die wichtigsten Bildungseinrichtungen waren die Universitäten geworden. Für eine reiche Stadt gehörte es zum guten Ton, Gelehrte und Studenten in ihren Mauern zu beherbergen. Dennoch war das Engagement der Städte dafür oft minimal. So waren ursprünglich gar keine Räume für den Unterricht vorgesehen; man nutzte Plätze, Kreuzgänge oder Straßenecken für Vorlesungen. Spezielle Gebäude für die Lehre kamen erst später auf. Auch gab es anfangs häufig Streit zwischen den auf Profit eingestellten Bürgern und den in Bünden organisierten Studenten. Doch die Universitäten stellten sich hinter ihre Studenten, so dass die Bürgerschaft immer öfter klein beigeben musste.

Die kontinuierliche wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung des Spätmittelalters erlitt allerdings zwei dramatische Einbrüche. Eine ‘Kleine Eiszeit’, die von 1300 bis 1350 dauerte, reduzierte die Ernten drastisch und mündete 1315-17 in eine große Hungersnot. Kurz danach, zwischen 1346 und 1353, erlitt die Menschheit durch eine Pestpandemie, den ‘Schwarzen Tod’, eine zweite Tragödie. Die Weltbevölkerung, die seit dem 12. Jh. allmählich wieder auf etwa 20 Millionen angewachsen war, wurde durch die beiden Ereignisse erneut drastisch reduziert und betrug um 1360 noch knapp 17 Millionen. Erst ab dem 15. Jh., mit dem Beginn der Renaissance und der Neuzeit, ging es wieder aufwärts.

1Hauptmoschee von Fes: Vorbild ist die Mezquita von Cordoba

2Al-Hambra und 3Generalife: von Granada nach Fes bzw. an den Atlas versetzt

1Kathedrale von Jerusalem & 2Giralda: von Sevilla nach Jerusalem versetzt

3Marmorkathedrale: Vorbild ist die romanische Kathedrale von Trani/Apulien

Katastrophen, Krisen und kluge Köpfe

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