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Zweites Kapitel

EINE ZEIT ZUM KLAGEN

Der neue Papst Franziskus ist wenige Wochen nach Reinhold Stechers „sanfter Landung“ gewählt worden und – bezeichnenderweise – auf den Tag genau neun Jahre nach dem Tode des großen Wiener Kardinals Franz König. Aus den Worten und Taten des neuen Papstes erfährt Reinhold Stechers „Kirchenklage“, für die er manche Schelte hinnehmen musste, eine erfreuliche Bestätigung.

Winterlicher Vatikan

Karl Rahner hat in seiner großen Kirchentrauer seinerzeit das Buch „Glaube in winterlicher Zeit“ (Patmos-Verlag 1986) geschrieben. Um die gleiche Zeit hatte Reinhold auch in Rom einen sogenannten Ad-limina-Besuch zu absolvieren und schickte uns unter dem Eindruck der damaligen Atmosphäre die nachstehende Karte, auf welcher der winterliche Petersplatz zu sehen ist. Auf die Rückseite schrieb er ein mit „Römische Elegie“ betiteltes Gedicht.


Römische Elegie

Das Leichentuch liegt auf den Kolonnaden,

und um die Kuppel webt ein kalter Hauch.

Die Brunnen sind erfroren.

Die geraden Säulen stehen wie erstarrt.

Ich fühle auch den harten Winterwind im Tal des Tiber

und denk mit aufgespanntem Schirm:

Es geht vorüber …

Reinhold

Und tatsächlich hat nach dem kürzlich stattgefundenen Ad-limina-Besuch der feinfühlige Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer darauf hingewiesen, in Rom habe ein positiver Klimawechsel stattgefunden und man könne wieder frei atmen. Im gleichen Sinne hat sich auch der Wiener Erzbischof Kardinal Schönborn geäußert. Diese Meldungen geben Hoffnung und bestätigen im Nachhinein Reinholds „Römische Elegie“ und überhaupt seine „Kirchenklage“.

Kirchenklage

Warum kreisen Krähen um die Türme,

um die Türme, deren Glocken schweigen,

warum dringt kein Licht mehr durch die Scheiben

hoher Fenster in die Winterstürme?

Warum schreckt die Sprache, die bedrückte,

jene Sprache, die so tröstlich klang

und die leise von Verzeihung sang,

als der Hirt sich zu Verirrten bückte?

Warum zelebriert man laute Feste,

Massenlärmjubelfestivale –

wo doch einstens abends in dem Saale

das Geheimnis sich vollzog in schlichter Geste?

Warum lassen sie dich, Herr, verschwinden

hinter Purpurdiplomatenroben,

die, aus Macht und Eitelkeit gewoben,

nicht den blutgetränkten Rock verkünden?

Warum zimmern sie an allen Wegen

deines Heils, die Zukunftsstraßen wären,

nichts als Zäune, Schranken und Barrieren,

die den frohbeschwingten Schritt verlegen?

Warum dürfen sie uns Trauer bringen,

diese Krähen, die um Türme krächzen –

wo wir doch nach deiner Taube lechzen,

nach der Taube mit den Silberschwingen?

Rom hat das Image der Barmherzigkeit verloren

Gedanken zum neuesten Dekret über die Mitarbeit der Laien

Wenige Wochen vor seinem Übertritt in den Ruhestand hat Reinhold Stecher im Herbst 1997 einen vertraulichen Brief an Persönlichkeiten seines Vertrauens in Österreich und Deutschland geschickt – darunter einige, aber nicht alle österreichischen Bischöfe. In diesem setzte er sich kritisch mit der zuvor von Rom veröffentlichten „Instruktion zu einigen Fragen über die Mitarbeit der Laien am Dienst der Priester“ auseinander und fand scharfe Worte über den Umgang Roms mit Priestern, die geheiratet haben. Der Brief wurde von einem der Empfänger den Medien zugespielt und löste ein Erdbeben aus …

Da ich mir einmal vorgenommen habe, kirchenkritisch notwendige Dinge nicht als „mutiger Pensionist“, sondern im Amt zu sagen, komme ich nicht daran vorbei, zu diesem Dekret einige Gedanken zu äußern, bevor ich den Stab weitergebe. Nicht so sehr zu den Details. … Es gibt nun einmal den mit der Vollmacht zur Eucharistie ausgestatteten Priester und diese Vollmacht kann sich niemand nehmen oder von unten her bestätigen lassen. … Kritisch könnte man zu den Details nur sagen, man sollte auch im Unterschied von Priester und Laien nicht alles in einen Topf werfen. Es ist ein Unterschied, ob man z. B. die eucharistische Vollmacht verteidigt oder die Vollmacht im Gottesdienst zu predigen. Wenn es – wie heute häufig – zwar noch gelingt, von irgendwoher einen alten Priester für die Eucharistie „einzufliegen“, dann ist schwer einzusehen, dass man einem theologisch voll ausgebildeten und menschlich-spirituell geeigneten Gemeindemitglied verbieten muss, in der Eucharistiefeier eine Predigt zu halten. Ich bin durchaus dafür, dass zur Verkündigung jemand kirchlich bevollmächtigt sein muss. Aber die Verkündigung in der Eucharistiefeier zu streichen, weil man für eine Ansprache unbedingt geweiht sein muss, ist eine andere Sache. Niemand in den Gemeinden versteht ein derartiges Verbot, wenn die Alternative das Nichts ist.

Und hiermit stehe ich bei meinem eigentlichen Bedenken gegen dieses wiederum nur restringierende Dekret, das den Laien, den Kommunionhelfer usw. höchstens als widerwillig zugelassenen Notnagel für ein paar Funktionen sieht, wenn’s halt gar nicht anders geht. Mein Bedenken liegt in dem „Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen“ der pastoralen Situation bei uns und in vielen, ja den meisten anderen Ländern der Erde – und in dem „Nicht-zur-Kenntnis-Nehmen“ der theologischen Bedeutung der Eucharistie für die christliche Gemeinde und die Kirche.

Um das Dilemma dieses Dekrets etwas plastischer darzulegen: Im Land Tirol erhob sich vor einiger Zeit das Problem, dass bei der Betreuung der vielen Zuckerkranken in den Wohnungen und Altersheimen nur Diplomschwestern berechtigt waren, die entsprechenden rettenden Spritzen zu verabreichen. Von diesen ausgebildeten Diplomschwestern gibt es natürlich viel zu wenig. Die Standesgruppe der Diplomschwestern hat natürlich aus verschiedenen Gründen dieses Standesrecht verteidigt, aber mit dem Blick auf die Volksgesundheit wurde dann doch entschieden, dass entsprechend ausgebildete Altershelfer/innen und Betreuer/innen diese Spritzen geben dürfen. – Die Kinder der Welt sind wahrhaftig klüger als die Kinder des Lichts. Bei uns geht es auch um das Heil, allerdings um das Heil mit einer Dimension in die Ewigkeit. Und bei uns ist es auch so, dass Diplomhelfer (Priester) viel zu wenige sind und angesichts unserer klerikalen Alterspyramiden immer weniger werden. Und es ist weiterhin klar, dass bei der Forderung eines glaubhaft gelebten Zölibates diese Zahl immer klein sein wird. Für den redlich gelebten Zölibat ist nun einmal verlangt, dass der Betreffende den sexuellen und partnerschaftlichen Verzicht in einer gesunden, nicht verdrängenden Weise umformt in spirituelle, pastorale, soziale, geistige, dienende und kreative Entfaltung. Das ist und bleibt aber die Sache derer, „die es fassen können“. Und selbst in den Worten Jesu liegt keine Spur einer Andeutung, dass diese elitäre Zahl den pastoralen und theologischen Notwendigkeiten einer lebendigen Kirche entsprechen muss. In unserer Zeit und ihrem Klima ist es noch einmal schwieriger, dem zu entsprechen, wie z. B. in den Zeiten der Verfolgung durch den Nazismus, in die meine Berufung gefallen ist.


Ängste in der Kirche

Das genannte Dekret über die Laien begnügt sich also mit der Verteidigung der „Diplomschwestern und Diplompfleger“, will sagen der klerikalen Vollmachten, Würden und Standesrechte. Die Volksgesundheit, d. h. das Heil der Gemeinden, bleibt völlig aus dem Spiel. Für diese Gemeinden hat man eigentlich stillschweigend schon längst einen Heilsweg ohne Sakramente entworfen – was wiederum jeden auch nur in einer seriösen scholastischen Theologie Gebildeten den Kopf schütteln lässt. Die Heilsnotwendigkeit der Sakramente der Eucharistie und Buße bzw. der Krankensalbung wurde dort sehr eindrucksvoll definiert.

Alles hat seine Zeit

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