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Die zweite Stimme
ОглавлениеEs war gegen Mitternacht. Der Wachmann in der Pförtnerloge hob lauschend den Blick, von der vor ihm liegenden Zeitschrift. War da was? Er sah seinen träge daliegenden Hund an, dessen Ohren spitz aufgerichtet waren. Also war da tatsächlich ein Geräusch. Der Wachmann stand auf und verließ den kärglichen Wachraum.
Kaum das er mehrere Schritte gegangen war, blieb er abrupt stehen. Mit gemischten Gefühlen sah er in die runde Öffnung eines Revolvers. Die Person, die die Waffe in der Hand hielt, war dunkel gekleidet. Die Kapuze auf dem Kopf war tief in das Gesicht gezogen. Und über dem Gesicht selber war …, träumte er oder hatte die Person vor ihm wirklich eine Clownsmaske auf?!
»Sperr den Hund in den Abstellraum!« Die Stimme hinter der Plastikmaske klang blechern und unnatürlich quäkend, so dass der Wachmann anfangs Mühe hatte die Worte zu verstehen.
Gleich darauf wies der Maskierte den Wächter an, ihn in den Pförtnerraum zu lassen. Mit gezielten Schritten ging er zu einem Blechschrank. Dann öffnete er die Schranktür und betätigte einen Sicherungsautomaten, der mit dem Hinweis Toilettenbeleuchtung markiert war.
Gleich darauf dirigierte er den anderen mit seinem Revolver in Richtung Hauptportal. »Los, schließ auf! Wir gehen jetzt in das Büro vom Deckner.«
»Das ist erst meine zweite Schicht hier in der Firma. Ich kenne zwar die Räumlichkeiten einigermaßen, aber noch nicht die einzelnen Personen.«
Hinter der Maske war ein seufzendes Stöhnen zu hören. »Deckner ist einer der beiden Geschäftsführer, Mann. Eine Treppe hoch, dann rechts«, befahl er mit knappen scharfen Worten.
Eine Minute später standen sie im Büro. Mit gelassener Selbstsicherheit zog der mit der Clownsmaske mit einem Mal Handschellen aus einer der Hosentaschen. Wenige Sekunden später war der Wachmann mit einem Handgelenk am Zuleitungsrohr der Zentralheizung angekettet.
»Du hast Verständnis dafür, dass ich vorläufig auf deine Gegenwart nicht verzichten möchte«, krächzte es hinter der Maske. Bei diesen Worten drehte er das Telefon zu sich, ließ den Hörer jedoch auf dem Apparat liegen.
Während der Maskierte mit der rechten Hand die Ziffern tippte, fiel dem Wachmann auf, dass der andere Handschuhe trug. Und an dem Ringfinger beobachtete er eine winzige scharfe Erhöhung. Dann hörte er wie gleich darauf, aus dem Lautsprecher des Telefons, eine männliche Stimme erklang.
»Deckner.«
»Hör gut zu, Deckner. Ich befinde mich in deinem Büro. Vor mir, an der Heizung gefesselt, sitzt euer Wachmann. Ich werde dir eine Frage stellen. Beantwortest du die richtig und ohne zu zögern, passiert dem Mitarbeiter vom Wachschutz nichts. Solltest du Schwierigkeiten machen, werdet ihr einen neuen Wachmann brauchen. Klar?!«
»Sind Sie betrunken? Mich aus dem Bett zu holen und so einen Blödsinn zu erzählen.«
Der Maskierte forderte den Wächter auf, etwas zu sagen. Dies gab er ihm mit einem kurzen Wink des Revolvers zu verstehen.
»Herr Deckner, bitte, der Kerl macht ernst«, schrie der Wachmann in Richtung Freisprecheinrichtung des Telefons.
»Was wollen Sie?«, klang es nach einigen Sekunden trocken aus dem Apparat.
»Die Kombination von dem Safe, vor dem ich gerade stehe.«
»Ich verstehe Sie ganz schlecht. Können Sie nicht deutlicher sprechen?«
Ohne auf die Frage des anderen einzugehen, hakte er energisch nach: »Die Kombination. Na los, wird’s bald!«
»Die hilft Ihnen nicht weiter. Der Tresor ist nur im Beisein meines Kompagnons zu öffnen. Jeder von uns hat seinen eigenen Zahlenschlüssel.«
»Ihr kennt beide die Kombination des anderen. Das weiß ich zufällig. Noch so ’n Versuch und der Wachmann ist tot.«
Aus dem Lautsprecher war nur ein ärgerliches Schnauben zu hören. »Selbst, wenn Sie beide Zahlenschlüssel haben, nützt Ihnen das nichts. Der Tresor ist mit einem Zeitschloss gesichert und lässt sich nur während der Dienstzeit öffnen.«
Wieder drangen die quäkenden Worte hinter der Maske hervor. »Wenn du eure Toilettenbeleuchtung meinst, die habe ich tot gelegt. Ich weiß, dass das nur eine Tarnbezeichnung für den separaten Stromkreis für das Zeitschloss des Safes ist. Und die Batterie, die bei Stromausfall automatisch angeschaltet wird, habe ich bereits vor einiger Zeit abgeklemmt.«
Wieder war es mehrere Augenblicke ruhig. So, als würde der am anderen Ende der Leitung jedes Mal verzweifelt nach einem Ausweg suchen, bevor er antwortete. Dann drangen leise stöhnend die Worte aus dem Telefon. »Zwei …«
»Zwei oder Drei? Spreche lauter und klarer!«, forderte der Maskierte.
»Zwei, Sieben, Null, Drei, Eins, Neun, Fünf, Null.«
Hastig stellte er die genannte Zahlenkombination ein. Tatsächlich, die Tür öffnete sich. »Dein Glück, Deckner.« Einen Moment blieb er vor dem geöffneten Tresor stehen und sah andächtig auf die vielen darin befindlichen Geldscheine. Dann faltete er die zwei mitgebrachten Sporttaschen auseinander und stopfte eilig das Geld hinein.
»So, Deckner«, sprach er danach gelassen, »ich werde jetzt auflegen und sofort wieder bei dir anrufen. Mit dem Funktelefon vom Wachmann. Sollte dein Apparat besetzt sein, weil du auf die Schnelle die Polizei informieren willst, hat der Mitarbeiter schlechte Karten.« Bei diesen Worten nahm er dem Wachschutzmann das Funktelefon aus der Gürtelhalterung und tippte eine Nummer ein.
Mit bissigem Gesichtsausdruck beobachtete ihn hierbei der andere.
»Aha, Deckner, da bist du ja wieder«, sprach der mit der Clownsmaske in das Mobiltelefon. »Du wirst mich die nächste halbe Stunde brav unterhalten. Versuche bloß nicht irgendwie anders Alarm auszulösen. Irgendwann, wenn mir nicht mehr danach ist, werde ich die Verbindung trennen. Dann kannst du meinetwegen die Polizei rufen.« In der einen Hand das Mobiltelefon und in der anderen die zwei prallgefüllten Sporttaschen, verschwand der Maskierte.
◊
Etwa eineinhalb Stunden nach Mitternacht traf Kommissar Palmut am Tatort ein. Hier wurde er bereits von Burkhard Deckner erwartet.
Ein Polizeibeamter durchtrennte die Kette der Handschellen vom Wächter mit einem Bolzenschneider. »Auf dem Revier haben wir einen passenden Schlüssel dafür«, sprach der Beamte zu dem Wachmann, der nun ärgerlich auf die Stahlringe um die Handgelenke sah.
Burkhard Deckner war dabei dem Kommissar das Gespräch mit dem Täter wortgetreu wiederzugeben. »Der Wachmann hat übrigens alles mit angehört.«
»Wie kommt es, dass Sie so viel Geld im Tresor hatten?«
»Morgen sollte eine Werbekampagne starten. Wir wollten Altgeräte von unseren Kunden gegen Bargeld in Zahlung nehmen. Wir gingen davon aus, dass die Kundschaft dann die neuen Geräte bei uns kauft. Vor zwei Jahren hatten wir eine ähnliche Aktion, die ganz hervorragend lief. Offiziell sollte das Geld morgen früh von der Bank geholt werden. Um das Risiko eines Überfalls gering zu halten, haben wir die Geldscheine schon am Tag zuvor bei uns deponiert. Nur wenige Mitarbeiter wussten davon. Die anfänglichen Bedenken der Bank und der Versicherung konnte ich aber schnell zerstreuen. Leider, wie ich jetzt feststellen muss. – Allerdings wird der Täter sich ärgern, wenn er hört, dass eine ähnlich hohe Summe im Büro nebenan, in einem einfachen Stahlschrank lagerte.«
Kommissar Palmut zog die Augenbrauen hoch.
»Ich hatte ganz vergessen, dass in unserem Tresor noch eine größere Menge Bargeld lagerte. Das ist nicht üblich. Schon aus versicherungstechnischen Gründen. Aber da in wenigen Tagen eine Betriebsprüfung ansteht, hat sich das nun mal so ergeben. Ich verstaute das Geld also in dem Stahlschrank nebenan. Für eine Nacht, dachte ich, wird das schon gehen. Somit war im Tresor Platz für die Banknoten für die Werbekampagne.«
»Hmm …«, knurrte Kommissar Palmut. »Sie haben doch einen Kompagnon, nicht wahr, Herr Deckner?!«
»Bert Röbbert. Er ist mehrere Tage auf Dienstreise. Nachdem ich vorhin hier eintraf, habe ich versucht ihn in seinem Wochenendhaus zu erreichen. Da unsere Geschäftspartner dort in der Umgebung wohnen, wollte er die Hotelkosten sparen. Allerdings muss er einen sehr festen Schlaf haben. Er ist nämlich nicht ans Telefon gegangen.«
Kommissar Palmut und sein Assistent ließen sich danach noch verschiedene Einzelheiten des Tathergangs erklären.
Schließlich sah der Kriminalbeamte gähnend auf die Uhr. »Das reicht fürs Erste. Morgen Mittag machen wir einen Ortstermin bei Herrn Deckner in der Wohnung.« Zum Wachmann gewandt sprach er: »Sie kommen bitte auch. Wer weiß, vielleicht fällt Ihnen noch irgendwas Wichtiges ein.«
Höflich verabschiedeten sich alle Anwesenden. Der Mitarbeiter der Wachschutzfirma fuhr mit auf das Revier, um sich dort die Stahlringe der Handschelle abnehmen zu lassen.
◊
Kommissar Palmut, mit seinem Assistenten, traf mittags bei Burkhard Deckner ein. Der Kompagnon und der Wachmann waren bereits anwesend.
»Sehr schön, dass Herr Deckner Sie informiert hat«, sprach er zu dem Geschäftsmann.
Mit einem Mal war aus dem Hausflur lautstarkes Kindergeschrei zu hören.
Der Gesichtsausdruck von Burkhard Deckner verfinsterte sich. »Es wohnt nur eine Frau mit ihrem Kind über mir. Aber die beiden machen einen Krach wie eine ganze Fußballmannschaft.« Schnaubend eilte er zur Wohnungstür und riss diese ärgerlich auf. Dann schimpfte er wutentbrannt auf die Mutter ein. »Können Sie wenigstens nicht einmal im Hausflur etwas leise sein?!«
Kommissar Palmut blickte an Burkhard Deckner vorbei und sah in das überraschte Gesicht eines Kleinkindes, das einen Teddy im Arm hielt.
Plötzlich nahm der Kleine die Hand vor den Mund, so dass man seine Lippenbewegungen nicht sehen konnte, und sprach: »Das war ich. Mein Freund kann nichts dafür.« Hierbei ließ er den Teddy einige Bewegungen ausführen, als hätte dieser die Worte gesprochen.
Auf dem Gesicht des Kriminalbeamten breiteten sich Schmunzelfalten aus.
Burkhard Deckner hingegen schnaubte noch eine Verwünschung und schloss dann lautstark die Tür.
Kommissar Palmut wandte sich wieder den anderen zu. Während er sich umdrehte, tauchte urplötzlich ein Funkeln in seinen Augen auf. Sein Blick verlor sich irgendwo in der Ferne. Abwesend sah er sekundenlang ohne jede Bewegung geradeaus.
»Was ist, Herr Kommissar?« Bert Röbbert sah den Beamten verständnislos an. »Ist Ihnen schlecht? Warum starren Sie eigentlich so meine Hand an?«
Jetzt fiel dem Kommissar auf, dass sich sein Blick gesenkt hatte. Ohne hierbei bewusst die Umgebung wahrzunehmen. Schlagartig war er in der Wirklichkeit zurück. Der erste Eindruck, den er wieder willkürlich wahrnahm, war die rechte Hand von Bert Röbbert. An dem Ringfinger strahlte ein großer schwerer Diamantring.
»Herr Röbbert«, forderte der Kommissar sein Gegenüber auf, »was ist das für ein teures Exemplar, das Sie dort am Finger tragen?«
Irritiert sah der Angesprochene auf seine rechte Hand. »Ein Ring. Was ist daran so seltsam? Wollen Sie sich mit mir über Schmuck unterhalten oder den Täter fassen?!«
»Machen Sie das Schmuckstück ab, wenn Sie Handschuhe überziehen?«
»Warum sollte ich?«
Wieder hielt der Kommissar für mehrere Sekunden in seiner Bewegung inne. Gleich darauf sah er sich nach dem Telefon um und entdeckte es auf einem Ecktisch, neben der Tür. Er nahm den Apparat von dem Anrufbeantworter herunter, auf dem er stand, und öffnete mit einem kurzen Fingerdruck die Klappe des Gerätes.
»Herr Kommissar«, Burkhard Deckner sah den Beamten ernst an, »wollen Sie uns nicht erklären, was es so geheimnisvolles in der Wohnung gibt?«
Kommissar Palmut atmete einmal tief durch, bevor er zu sprechen anfing. »Meine Herren«, bei diesen Worten sah er die Anwesenden der Reihe nach an, »normalerweise sind die Richter bei der Urteilsverkündung sehr entgegenkommend. Wenn der Täter ein Geständnis ablegte, während die Untersuchungen noch liefen. Also, ich erwarte die Beichte des Diebes …«
Verblüfft tauschten die Angesprochenen neugierige Blicke aus.
»Sie meinen, Herr Kommissar, der Maskierte der letzten Nacht, ist einer von uns?« Der Wachmann hatte zuerst die Worte wiedergefunden. Während er die Frage stellte, knetete er nervös die Finger.
Nickend bejahte der Kommissar die Äußerung. »Herr Deckner, Ihr Anrufbeantworter ist ein ziemlich antikes Modell. Aber scheinbar funktioniert es noch. Es hat eine Ansage-Kassette und eine Aufzeichnungs-Kassette, nicht wahr?!«
»Ja – Es ist ein älteres Modell, aber sehr zuverlässig.«
Nachdem der Angesprochene dies bestätigt hatte, sprach der Kommissar weiter. »Haben Sie eine Kassette davon in der letzten Zeit ausgetauscht?«
Mit verwirrtem Gesichtsausdruck sah der andere ihn an. »Ja, die eine Kassette war ausgeleiert. Heute Morgen erst habe ich Sie in den Müll geworfen. Allerdings habe ich den Abfall bereits hinausgebracht. Was ist daran so wichtig?«
Auf einen Wink des Kommissars verließ sein Assistent die Wohnung. Die beiden Beamten verstanden sich auch ohne viele Worte.
»Ich habe lange überlegt, warum der Täter so eine Maske trug. Er muss darunter fürchterlich geschwitzt haben.« Mitleidig sah er sich in der Runde um. »Außerdem war er mit der Gesichtsmaske schlecht zu verstehen. Doch plötzlich«, jetzt schmunzelte der Beamte, »machte alles einen Sinn.«
»Weiter!«, forderte Bert Röbbert.
»Eine Betriebsprüfung war angesagt.« Kommissar Palmut sah die beiden Geschäftsführer grübelnd an. »Die Prüfung hätte zutage gefördert, dass Firmengelder veruntreut wurden. Was also machen?! In eine Bank einbrechen? Sich seinem Kompagnon anvertrauen? Wie wir erfahren haben, ist das Verhältnis zwischen Ihnen nicht gerade das Beste.«
Die beiden Geschäftsführer warfen sich kurze, vielsagende Blicke zu.
»Die einfachste Lösung war, dass Geld in die Firma zu holen und zu stehlen«, sprach der Kommissar. »Also wurde eine Werbekampagne gestartet, bei der Bargeld benötigt wurde. In der einzigen Nacht, in der das Geld in der Firma lag, wurde es gestohlen. Allerdings wechselten die Scheine nur den Raum. Und zwar nach nebenan, in den Stahlschrank. Jetzt war es das offizielle Geld, das soundso vorhanden sein musste.«
Die anderen hörten den Ausführungen gespannt zu.
»Dass diese Geldscheine jedoch schon abends zuvor in der Firma sein würden, wusste aber nur ein ganz kleiner Personenkreis. Der Täter musste also ein wasserdichtes Alibi haben und gleichzeitig den Verdacht auf einen anderen lenken. Nicht wahr, Herr Röbbert?!«
Mit hochgezogenen Augenbrauen schnaubte dieser den Kriminalbeamten an. »Wollen Sie etwa behaupten …!?«
Mit einer lässigen Handbewegung brachte Kommissar Palmut den anderen zum Schweigen. Danach forderte er den Wachmann auf: »Berichten Sie, was Ihnen am Täter auffiel, als er telefonierte.«
Der Angesprochene knetete immer noch nervös die Finger. »Am Ringfinger der rechten Hand war beim Täter eine deutliche Erhöhung am Handschuh zu erkennen …«
»Und niemand von Ihnen, außer Sie, Herr Röbbert, trägt an dieser Stelle einen Ring. Außerdem teilte uns Ihr Kompagnon mit, dass er letzte Nacht vergeblich versuchte, Sie zu erreichen.« Der Kommissar erstickte den Protest des anderen im Keim. »Ich sagte Ihnen doch, dass der Verdacht bewusst auf einen anderen gelenkt werden sollte.« Zum Wachmann gewandt sprach der Kommissar: »Wissen Sie, warum Ihr Vorgänger seinen Posten verlassen musste?«
»Es hieß, Herr Deckner war mit ihm nicht mehr zufrieden.«
»Und dann haben Sie bei Ihrer Wachschutzfirma darum gebeten die Stelle übernehmen zu dürfen.«
Die Zunge des Wachmannes befeuchtete ununterbrochen seine trocknen Lippen. »Ich hätte es dann nicht mehr soweit zur Arbeit gehabt, müssen Sie wissen, Herr Kommissar.«
»Somit fällt auch ein Hauch des Verdachtes auf Sie.« Kommissar Palmut lächelte verständnisvoll. »Und nun zu der Person, die dieses wasserdichte Alibi hat. Zu Ihnen, Herr Deckner.«
»Dass ich am anderen Ende der Telefonleitung war, kann der Wachmann sicherlich bezeugen.« Durch ein Verziehen des Mundes, das wohl ein Lächeln sein sollte, sah der Angesprochene den Kommissar gelassen an.
»Sie, Herr Deckner, scheinen der Einzige zu sein, der nicht in Frage kommt. Wissen Sie, warum der Täter eine Maske trug? – Nein?! – Damit er später vom Wachmann nicht wiedererkannt werden konnte. Weder an dem Gesicht noch an der Stimme. Die so unnatürlich hinter dieser Plastik-Maske klang. Darum, Herr Deckner, hatten Sie die Gesichtsmaske auf. Um ganz auf Nummer sicher zu gehen, ließen Sie die Wachschutzmänner austauschen. Dieser Wächter hier hatte Sie vorher noch nie gesehen. Und wie Sie selber mitbekommen haben, hat er Sie auch nicht wiedererkannt. So hatten Sie es geplant, nicht wahr?!«
»Sie phantasieren doch!«, ereiferte sich dieser. »Wie kann ich an zwei Orten gleichzeitig sein?«
»Wie?« Kommissar Palmuts Stimme war nun gefährlich leise. »Am anderen Ende der Leitung waren Ihre Worte zu hören. Das stimmt. Es war jedoch die Stimme der besprochenen Ansage-Kassette Ihres Anrufbeantworters. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen, als ich sah wie der Junge im Hausflur so tat, als wenn sein Teddy gesprochen hätte. So wollte uns der Täter glauben machen, am anderen Ende der Leitung wäre jemand, der mit ihm spricht. – Normalerweise beträgt die Wiedergabelänge einer Ansage-Kassette ungefähr dreißig Sekunden. Sie änderten diese jedoch auf eine wesentlich längere Wiedergabezeit. Und an den Stellen, wo Sie als Täter etwas sagten, waren auf Ihrem Band leere Passagen. Sie unterhielten sich lediglich mit Ihrem zuvor besprochenen Anrufbeantworter, Herr Deckner.«
Im selben Augenblick läutete es an der Tür. Der Kommissar ließ seinen Mitarbeiter herein.
»Eine Dreißig-Minuten-Kassette.« Der Assistent vom Kommissar zeigte dem anderen die Beschriftung auf der Tonbandkassette.
Mit weit aufgerissenen Augen sah Burkhard Deckner den Kriminalbeamten an. »Ich hatte keine andere Möglichkeit«, flüsterte er kaum hörbar.
Gleich darauf legte der Assistent vom Kommissar ihm Handschellen an. Nachdem Sie die Wohnung verließen, zog dieser seinen Vorgesetzten zur Seite. Für die anderen nicht hörbar flüsterte er ihm ins Ohr: »Die Kassette lag in der Mülltonne auf einem großen alten Lautsprecher. Wahrscheinlich hat der Dauermagnet vom Lautsprecher die ganze Aufnahme gelöscht.«
Kommissar Palmut rümpfte die Nase. »Bleibe bitte mehrere Meter hinter mir. Du strahlst so einen eigenartigen Geruch aus …«