Читать книгу Grüße von Charon - Reinhold Vollbom - Страница 7
Raucher leben gefährlich
Оглавление»Das hier ist der bekannteste Philatelist weit und breit.« Bei diesen Worten sah Kriminalassistent Kröger seinen Vorgesetzten mit ernster Miene an. »Vor einigen Jahren habe ich selber noch gesammelt«, erklärte er dem Chef. Gleich darauf betraten sie das Geschäft.
Im Laden wimmelte es von Polizisten. »Hinten im Nebenzimmer liegt die Leiche des Besitzers«, rief jemand dem Kommissar zu.
Die beiden Kriminalbeamten begaben sich in den nebenanliegenden Raum. Dort fanden sie den blutüberströmten Leichnam des Ladenbesitzers auf dem Boden liegen.
Der Kommentar des anwesenden Arztes klang knapp und präzise. »Erschlagen. Keine nennenswerte Gegenwehr.«
Mit einem Mal ließ ein Klacken Kommissar Steffen aufhorchen. Auf dem Schreibtisch neben der Leiche lag ein Diktiergerät, das sich in diesem Augenblick ausschaltete. Die Augenbrauen vom Kriminalbeamten weiteten sich impulsiv. Er griff sich das Gerät behutsam. Daraufhin spulte er die darin enthaltene Kassette zurück. Gleich darauf betätigte er die Wiedergabetaste. »Nicht das neueste Modell, aber es scheint zu funktionieren.«
Eine schwer atmende Stimme drang aus dem mickrigen Lautsprecher im Gerät. »Er … er war vor einer Woche das erste Mal hier und wollte … wollte meine Spitzenkollektion kaufen …« Gespannt hörten die beiden Kriminalbeamten das Band ab. »Heute sollte der Handel abgeschlossen werden. Plötzlich hielt er mir eine Pistole unter die Nase und wollte die komplette Sammlung rauben.« Die Stimme vom Band erläuterte nun in allen Einzelheiten aus welchen Marken die Kollektion bestand. Danach drangen die Worte zunehmend leiser aus dem schmalen Gerät. Ebenso das Album, in dem die Briefmarken steckten, beschrieb die Stimme. Gleich darauf übertönte ein krächzendes Husten alles. Ein röchelndes massives Einatmen erschreckte die Zuhörer, bis die nächsten Worte kamen. »Ich wehrte mich. Im Handgemenge fiel ihm plötzlich die Perücke herunter und der angeklebte Bart ab, da … da erkannte ich ihn.« Einige Sekunden herrschte absolute Stille. Dann kamen weitere Worte vom Band. »Ich habe ihn genau identifiziert. Es war Rex Harson, der Bauunternehmer …« Abrupt endete die Stimme. Polternde Geräusche stießen aus dem winzigen Lautsprecher. Gleich danach schwieg das Gerät.
»Hm …«, kommentierte Kommissar Steffen. »Ich gehe davon aus, dass er, nachdem er niedergeschlagen wurde, noch einmal kurz zur Besinnung kam. In dieser Zeit wird er das Diktiergerät besprochen haben. Er fühlte bestimmt, dass er das Eintreffen der Polizei nicht mehr erleben würde. Komm, Kröger, wir besuchen jetzt Harson.«
»Sie kennen diesen Harson?«, wunderte sich sein Assistent.
»Liest du keine Zeitung?! Das Bauunternehmen Harson, das im Augenblick mit Zahlungsschwierigkeiten zu kämpfen hat.«
Sein Assistent pfiff durch die Zähne.
Eine halbe Stunde später erreichten sie die Villengegend, in der der Geschäftsmann wohnte. Kaum das sie geläutet hatten, öffnete er ihnen. Hierbei sah er sie merklich überrascht an.
»Haben Sie jemand anderen erwartet, Herr Harson?«, fragte Kommissar Steffen voller Neugier. Dann stellte er sich, sowie seinen Assistenten vor.
»Wie bitte, vom Morddezernat sind Sie? Habe ich denn irgendetwas verbrochen?« Rex Harson konnte die offenkundige Nervosität nicht verbergen.
Im Wohnzimmer des Bauunternehmers angekommen, fiel Kröger gleich das Briefmarkenalbum auf dem Tisch auf. Flüchtig blätterte er die wenigen Seiten darin um. »Chef, Album und Marken sind genau das, was wir so exakt auf dem Band beschrieben gehört haben.«
»Darf ich einmal fragen, um was es hier überhaupt geht?«
Kommissar Steffen erklärte seinem Gegenüber in wenigen Worten den Sachverhalt. Daraufhin herrschte einige Sekunden Totenstille im Raum.
»Ich brauche erst einmal eine Zigarette.« Rex Harson zündete sich einen Glimmstängel an. Danach warf er die halbvolle Schachtel auf den Tisch zurück. Im selben Augenblick klingelte es an der Wohnungstür. Kurz darauf öffnete Kröger einer blassgesichtigen, mittelgroßen männlichen Person die Tür.
»Sieh einer an, Hehler-Hannes!«, rief der Kriminalbeamte verblüfft aus. »Unser Kollege vom Raubdezernat würde sich jetzt wahrscheinlich freuen.«
»Sie sind doch vom Mordkommissariat?«, fragte der Besucher gespannt.
Rex Harson hatte sich wieder unter Kontrolle. »Ja, richtig. Die Herren sind vom Morddezernat. Sie glauben, in mir den Mörder eines Philatelisten gefunden zu haben. Den Händler in der Altstadt kennen Sie doch?! Der wurde heute Nachmittag ermordet. Und gestohlen wurden genau die gleichen Marken in demselben Album, über die ich mit Ihnen verhandeln wollte. Wahrscheinlich verwechselt man mich jetzt mit meinem Doppelgänger.«
»Doppelgänger?«, raunte der Kriminalbeamte. »Verkaufen wollten Sie die Marken? Na klar. – Sie brauchen Geld!«
»Lieber Kommissar«, sprach Rex Harson übertrieben spöttelnd, »dieses Album vor Ihnen auf dem Tisch ist eines, wie Sie es in jedem Kaufhaus für wenig Geld erstehen können. Und die Briefmarken sind zwar sehr hochwertig, zugegeben, deswegen sind es aber keine Unikate. Einige Menschen besitzen ebenfalls diese Marken und höchstwahrscheinlich auch die gleichen Alben. Nein, nein, mein lieber Kommissar, diese Beschuldigung steht auf tönernen Füßen, da holt mich jeder drittklassige Anwalt raus.«
»Hallo, wohin Hannes?«, rief Kommissar Steffen.
»Ich komme wieder, wenn die Sache geklärt ist.« Der Blassgesichtige drehte sich auf der Stelle um. Mit flinken Schritten verließ er das Grundstück.
Kröger sah seinen Chef fragend an. Dieser winkte gemächlich ab.
»So, Herr Harson, die Geschichte vom Doppelgänger behalten wir uns für später auf.« Der Kriminalbeamte sah den Bauunternehmer durchdringend an. »Nun erzählen Sie mal ein bisschen über Ihre Leidenschaft als Briefmarkensammler.«
»Da gibt es kein Herzblut, Herr Kommissar.« Rex Harson reagierte jetzt völlig selbstsicher. »Ich habe die Dinger seit etlichen Jahren bei mir im Tresor liegen. Von meinem verstorbenen Vater habe ich sie bekommen, müssen Sie wissen.«
»Rechnung? Versicherung?«, hakte Kommissar Steffen kurz nach.
»Da gibt es keine Rechnung oder Versicherung. Das sind Gelder gewesen, die an der Steuer vorbei liefen. Und die hat mein Vater in Briefmarken angelegt. Aus diesem Grunde konnten sie nicht versichert werden. Aber all die Jahre lagen sie gut aufgehoben bei mir hier im Tresor.« Rex Harson deutete auf ein modernes Gemälde in einer Ecke des Raumes. Auf eine Handbewegung vom Kommissar hin öffnete er den Wand-Safe hinter dem Bild. »Da lagen sie die ganzen Jahre über. Heute habe ich sie herausgeholt und wollte sie verkaufen. Meine Hausbank verlangt von mir Sicherheiten, sonst platzt ein Kredit. Und das würde das Aus für die Firma bedeuten.« Bei diesen Worten sah er sich suchend im Raum um. »Wo habe ich denn bloß meine Zigaretten hingelegt?«, murmelte er vor sich hin.
»Lass uns gehen, Kröger!« Ein wenig entmutigt sah der Kriminalbeamte seinen Assistenten an. Dieser schien eindeutig perplex von der Aufbruchsstimmung des Vorgesetzten.
Kommissar Steffen griff das Briefmarkenalbum vom Tisch. Daraufhin schritt er zum Safe. Umständlich bugsierte er das Album hinein. »Damit es nicht gestohlen wird, lege ich es am besten gleich wieder dorthin.« Nachdem er dies erledigt hatte, warf er die Tür vom Safe zu. Statt einzurasten, federte diese jedoch zurück. Er gab ihr ein zweites Mal einen Stups. Abermals schloss die Tresortür nicht.
Nun sah sich der Kommissar den Tresor genauer an. »Das Album passt gar nicht hinein. Es ragt einige Millimeter heraus.« Fassungslos sah er zu Rex Harson hinüber.
Diesem wich schlagartig die Farbe aus dem Gesicht. »Das kann nicht sein«, entgegnete er. »Das muss hineinpassen. Ich könnte wetten, dass es hineinpasst.«
»Sie hätten es vorher ausprobieren sollen«, erwiderte Kommissar Steffen. »Ach ja, richtig, dazu war gar keine Zeit. Wir haben Sie zu schnell nach der Tat aufgesucht«, verbesserte er sich.
Der Schock saß ihm sichtbar in den Gliedern. Da stotterte Rex Harson: »Es war meine letzte Chance, die Firma zu retten. Und als der Händler mir die Perücke vom Kopf riss und schrie: Was Sie!? Da musste ich ihn töten …«
Kröger führte Harson am Arm aus der Wohnung. Kommissar Steffen griff schmunzelnd das Briefmarkenalbum aus dem Safe. Gleich darauf die Schachtel mit den Zigaretten. Die hatte er hinter das Album geschoben, damit die Tresortür sich nicht schließen ließ.