Читать книгу Trendstudie Digital Campaigning in der Bundestagswahl 2017 - Implikationen für Politik und Public Affairs - René Seidenglanz - Страница 5

Executive Summary

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Die Bundestagswahlen 2017 war der erste digitale Wahlkampf in Deutschland. Die Parteien planten, segmentierten, kommunizierten und experimentierten im Internet mit neuen digitalen Formaten auf allen Plattformen. Doch wer war am erfolgreichsten und was kann man aus dem digitalen Wahlkampf lernen?

Digitale Werkzeuge ändern den Wahlkampf nicht, aber sie stärken die Möglichkeiten politischer Kampagnen. Es ist viel einfacher und schneller für die Bürger zu spenden, Informationen zu suchen, oder Kontakt aufzunehmen. Inhaltliche Nischen und detaillierte politischen Interessen finden genauso ihren Platz wie Vernetzung auf sozialen Plattformen. Durch Twitter, Facebook oder Instagram eröffnen sich Bürgern, Parteien und Kampagnen neue Möglichkeiten sich politisch auszudrücken und ihre Inhalte mit der ganzen Welt, Freunden oder Nachbarn zu teilen. Parteimitglieder und Freiwillige können sich vernetzen, sie greifen ggf. auf Wählerdatenbanken zurück, erfassen bei der Bürgeransprache neue Informationen mit Apps, welche die Resultate dann wieder in die Datenbanken der Kampagnen zurückspielen.

Politische Kampagnen setzen im Wahlkampf auf vier wesentliche Erfolgsfunktionen, um ein Mehr an Informationen über Politik zu schaffen, erste passive politische Teilhabe durch Likes oder Views zu erlauben, die Vernetzung mit den Anhängern zu vertiefen und die direkte Mobilisierung und aktive Einbindung der Wähler zu ermöglichen. Vergleicht man die Aktivitäten der Parteien anhand der vier Erfolgsfunktionen Information, Vernetzung, Teilhabe und Mobilisierung bei Facebook, Twitter, Instagram, YouTube und über E-Mail in der engeren Wahlkampfphase vom 1.8.2017 bis zum 24.9.2017 ergeben sich interessante Einblicke.

Im vergangenen Bundestagswahlkampf gab es zwar große Gemeinsamkeiten zwischen den Parteien. Allerdings unterschieden sich die politischen Mitbewerber in der Auswahl ihrer Plattformen und in ihrer Schwerpunktsetzung der unterschiedlichen Erfolgsfunktionen durchaus.


Informationsfunktion: Politische Willensbildung kann nur durch eine kontinuierliche Information der Wählerschaft gelingen. Dadurch wird die eigene Sichtweise deutlich, die Positionen des Mitbewerbers sichtbar und das digitale Image aufgebaut. Im Bundestagswahlkampf 2017 verfolgte die CDU den ausgewogensten Informationsansatz. Die Christdemokraten versuchte auf allen Plattformen sehr gleichmäßig Beiträge und Tweets zu posten. Sie zeigten eine hohe Anzahl und Frequenz der Beiträge und waren per E-Mail aktiv. Die Sozialdemokraten dominierten besonders auf Twitter und YouTube. Beim Microbloggingdienst gab die SPD die meisten Tweets ab und kam bei YouTube mit der Anzahl ihrer Videos auf Platz 2. An dritter Stelle rangierte die AfD, die auf Facebook und YouTube die meisten Posts und Videos abgab.

Vernetzungsfunktion: Ein Gratmesser für die Dynamik der Kampagne ist eine wachsende Zahl an Fans und Followern auf den unterschiedlichen Plattformen. Darin zeigen sich Vernetzungsstärke und -dynamik. In der Performance der Vernetzung lagen die SPD und die FDP vorne. Sie steigerten ihre Anhängerschaft über alle Plattformen kontinuierlich im Wahljahr. Die FDP erwies sich auf Twitter, Facebook und Instagram als besonders stark. Die Sozialdemokraten waren besonders wirksam auf YouTube und zeigten auch überdurchschnittliche Steigerungsraten auf Twitter und Instagram. Auf Platz 3 landeten Linke und Grüne.

Teilhabefunktion: Die Teilhabe bemisst, wie die Nutzer eher passiv die politischen Kommunikationsanstrengungen wahrnehmen. Gibt es einen Like oder eine Reaktion? Die stärkste Teilhabe an Reaktionen und Views per Video erzielten die Grünen und die SPD, die dicht von der AfD gefolgt wurden. Während die Grünen bei Instagram und bei YouTube den Spitzenplatz unter allen Parteien erreichten, bewiesen die Sozialdemokraten eine durchgängige Stärke auf Twitter, Facebook und YouTube. Die AfD kam auf den 3. Platz, weil sie deutlich mehr Reaktionen bei Twitter und Facebook bekam.

Mobilisierungsfunktion: Für die Wahlkämpfer ist besonders das aus den anderen Erfolgsfunktionen resultierende Engagement entscheidend, um zu messen, wie weit ihre Inhalte reichten und wie viele Follower und Fans die Inhalte weiterverbreiteten. Die AfD landete in dieser Kategorie vor allen anderen Parteien. Bei Twitter, Facebook und Instagram erreichten sie die höchsten Werte. Nicht unerheblich für die Einschätzung dieses Wertes ist, dass die AfD offensichtlich als einzige Partei auf Microtargeting bei Facebook zurückgriff. Die beiden Volksparteien SPD und CDU folgten auf den Plätzen zwei und drei.

Digital Performance: Vergleicht man die Parteien über die vier Erfolgsfunktionen Information, Vernetzung, Teilhabe und Mobilisierung bei Facebook, Twitter, Instagram, YouTube und E-Mail im Zeitraum vom 1.8. bis zum 24.9.2017, dann teilen sich zwei Parteien den ersten Platz: die SPD und die AfD. Die Sozialdemokraten verstanden es, sich auf allen Plattformen zu vernetzen, mit relativ vielen Informationen eine höhere Teilhabe als Vergleichsparteien zu erreichen. Dagegen punktete die AfD besonders mit ihrer plattformübergreifend hohen Mobilisierung durch relativ viele Informationen und eine loyale Anhängerschaft. Auf Platz drei landeten die Grünen, die sich der Vernetzungs- und Teilhabefunktion des digitalen Campaigning verschrieben. Die FDP, Linke und CDU machten das Mittelfeld der Kampagnenparteien unter sich aus.

Zehn Learnings für das digitale Campaigning im Wahlkampf und Digital Public Affairs

Was bleibt nun vom Bundestagswahlkampf 2017? Und was bedeutet dies für zukünftiges digitales Campaigning und Digital Public Affairs?

Deutschland erlebte den ersten Wahlkampf, in dem die digitale Wähleransprache eine gewichtige Rolle spielte. In der politischen Kommunikation erwies sich Facebook als der Reichweitenchampion, der für alle Parteien eine gewichtige Rolle spielte. Auf YouTube und Instagram engagierten sich die Parteien, um mit guten Fotos und spannenden Videos zu experimentieren. Mit Twitter als Elitenkanal nutzten sie eine Plattform, um Unterstützer und Journalisten von ihrer politischen Haltung zu überzeugen. Während sie bei E-Mail Potentiale ungenutzt ließen, bewiesen die Parteien hohes Innovationspotential durch smarte Apps oder die Integration von Alexa oder Bots.

1 Verschmelzen der Welten: Digital und Analog sind keine Silos mehr, sondern werden zusammengedacht.

Das Digitale ist voll in die Kampagnen integriert und digitale Instrumente sind Teil der großen Gesamtkampagne. Die analoge und digitale Welt verschmelzen in Organisation, Kommunikation und Strategie miteinander.

1 Echtzeit-Wahlkampf: Livestreaming, bewegte Bilder, schnelle Reaktionen und guten Fotos dominieren die Kommunikation.

In der Hochgeschwindigkeit des Internet-Zeitalters beschleunigt sich für die Kampagnen die Kommunikation: Inhaltliche Reaktionen erfolgen in Echtzeit, Veranstaltungen und Wahlkampfauftritte werden live gestreamt, Kommentierungen geschehen in kurzen Videobeiträgen und Events wie das TV-Duell werden auf unterschiedlichen Social-Media-Kanälen begleitet.

1 Plattformvielfalt: Die Kampagnendenke auf unterschiedlichen Kanälen und für verschiedene Zielgruppen nimmt zu.

Die digitale Kommunikation hat zugenommen und die Vielzahl der Kanäle auch. Neben einer integrativen Denke zwischen den beiden Welten analog und digital wächst die kluge Auswahl der digitalen Kanäle. Kampagnenführung unter Multikanalbedingungen bedeutet für die Parteien, genauer über die Motive, Zielgruppen und schließlich auch die Plattformen nachzudenken, die es zu erreichen gilt.

1 Kultivierung der Fanbase: Der Communityaufbau digital und analog entscheidet über die Kampagnenfähigkeit.

Auch in der digitalen Kommunikation spielt der persönliche Aufbau einer (menschlichen) Gemeinschaft eine zunehmende Rolle. Parteien ermöglichen Partizipation, binden Bürger direkt in die Kampagne ein, gewinnen sie zu stärkerer Interaktion und erreichen einen Call-to-Action.

1 Homebase und Homeless Media ergänzen sich: Zwischen Webseite und sozialen Netzwerken führt gut gemachter Content zu hoher Reichweite.

Früher stand die eigene Webseite im Vordergrund der politischen Kommunikation. Sie ist auch weiterhin als Blog oder Content Hub die Homebase der politischen Kommunikation. Doch der Anteil von Homeless Media wächst, indem die sozialen Netzwerke die Heimat von Inhalten werden. Dadurch entsteht die Herausforderung, gut gemachten Content auf unterschiedlichen Kanälen anzubieten, miteinander zu vernetzen und trotzdem nicht die Übersicht zu verlieren.

1 Aufmerksamkeit wird mit Geld und Daten erkauft: Kampagnen kommen ohne bezahlte Reichweite und Datenanalytik nicht mehr aus.

Den Bundestagswahlkampf 2017 prägte erstmals eine „Reichweitensicherungsstrategie“, die die organische Reichweite durch gekaufte Informationsweitergabe umfänglich ergänzte. Im Internet schwindet die Aufmerksamkeit, der Feed wird unübersichtlicher, die Viralität der organischen Reichweite schrumpft und Kampagnen müssen sich Aufmerksamkeit und Penetranz ihrer Botschaft erkaufen.

1 Transparenz auf dem digitalen Marktplatz nimmt zu: Public Affairs wird stärker in Öffentlichkeiten und strategischen Allianzen denken.

Die Wendung der politischen Kommunikation und deren Akteure hin zur Echtzeitkommunikation auf unterschiedlichen Plattformen führt zu einer wachsenden Sichtbarkeit von politischen Debatten und Inhalten. Transparenz und Scheu gehen dabei Hand in Hand. Public Affairs Arbeit wird diesen digitalen Marktplatz nicht mehr verlassen können.

1 Digitale Hinterzimmer wachsen: Individualisierte Kommunikation sichert notwendigen Austausch.

Kein Licht ohne Schatten: Wenn auf dem digitalen Marktplatz der politische Diskurs tobt, braucht Public Affairs Arbeit auch weiterhin die Ruhe individualisierter Kommunikation und direkter Ansprache. Der Instrumentenkasten der Interessenvertretung erweitert sich, da die digitalen Touchpoints mehr werden.

1 Insourcing: Mit wachsenden Erfordernissen von Plattformen und Tools nimmt personeller Sachverstand und digitale Fanbase zu.

Die Zeiten sind vorbei, wo der Praktikant den Twitterkanal bedient hat. Bei den umfassenden Erfordernissen der digitalen Kommunikation ändert sich das Anforderungsprofil der Public Affairs Akteure. Sie müssen text- und tonsicher auf der digitalen Klaviatur spielen können. Dies wird in vielen Organisationen nur mit zusätzlicher personeller Professionalität und mehr finanziellen Ressourcen funktionieren.

1 Legislatur der digitalen Disruption: Das Anschwellen der digitalen Kommunikation führt zu einem Diskurs über den Umgang mit Daten und den sozialen Plattformen.

Der Parlamentarismus gewinnt mit der digitalen Kommunikation an Beteiligungsmöglichkeiten und dem dialogischen Bürgerkontakt. Das Digitale ist Teil des Politischen geworden. Es entstehen neue Fragen über den Umgang mit Daten und Plattformen.

Trendstudie Digital Campaigning in der Bundestagswahl 2017 - Implikationen für Politik und Public Affairs

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