Читать книгу Trendstudie Digital Campaigning in der Bundestagswahl 2017 - Implikationen für Politik und Public Affairs - René Seidenglanz - Страница 6
Einleitung
ОглавлениеDie Bundestagswahlen 2017 war der erste digitale Wahlkampf in Deutschland. Die Parteien und Kampagnen planten, segmentierten, kommunizierten und experimentierten im Internet mit neuen digitalen Formaten und Anspracheformen.
Bereits in den beiden vergangenen Bundestagswahlkämpfen 2009 und 2013 nutzten alle Parteien die neuen technologischen Möglichkeiten des Internets und griffen eher behutsam auf digitale Kampagnenelemente zurück. Die ersten wesentlichen Einsatzmöglichkeiten erkundeten die Parteien im Bundestagswahlkampf 2009, wo es zu mehr direkten und interaktiven Anwendungen kam (Albers 2009, Schmitt-Beck und Wolsing 2010, Rußmann 2016). Überaschenderweise zeigten sich anfangs die größeren Parteien als wesentlich experimentierfreudiger in den digitalen Kommunikationsangeboten als die kleineren Mitbewerber (Schweitzer 2010, 2011).
Schon frühzeitig prognostizierten Beobachter, dass der Bundestagswahlkampf 2017 einen deutlichen Fortschritt für die digitale Kampagnenkommunikation bedeuteten würde (Fuchs 2017). Dies verwundert nicht, wächst doch die Nutzung des Internets in Deutschland beständig. Über 80 Prozent der Bevölkerung verfügen über einen Internetzugang, die tägliche durchschnittliche Nutzungsdauer beträgt über zwei Stunden am Tag (ARD/ZDF-Onlinestudie 2016). Eine Mehrheit der Deutschen informiert sich im Internet über Politik, wobei bei einem Fünftel der Deutschen die sozialen Medien wesentliche Nachrichtenquelle sind (Yougov 2017). Während das Engagement der Bürger im Internet steigt und die Mediennutzung sich verändert, sinken die Mitgliederzahlen der Parteien kontinuierlich (Niedermayer 2017). Das politische Engagement wird situativer und bewegungshafter. Parteien und Kampagnen folgen dem gesellschaftlichen Wandel und dem veränderten Medienverhalten der Wähler und intensivieren ihre digitalen Kampagnenanstrengungen.
Die digitale Transformation wirkt auf die politische Kommunikation und Public Affairs. Fünf wesentliche Charakteristika des Internets belegen die transformative Kraft für die Demokratie und Gesellschaft (Norris 2000). Es ist ein interaktives Medium, das von der einseitigen Kommunikation bestehender Massenmedien abweicht. Vielmehr noch ermöglicht es die direkte, zielgruppen- und personengenaue Ansprache. Als aktiver und kreativer Kommunikationskanal erhöht es die Teilhabe, indem Nutzer von passiven Zuschauern zu aktiven Teilnehmer werden. Auf den digitalen Plattformen ist grundsätzlich jeder gleichberechtigt und wird nach seinem Können und Kreativität bewertet. Dadurch befördert es die Kollaboration, wo vernetzt kollektive Ideen, Produkte und Initiativen erzeugt (van Dijk 2017) und Bürger zu Engagement mobilisiert werden. In dem agilen Bereich ändern sich Trends und Netzwerke beständig. Wissenschaftliche Studien verfügen nur über eine mittlere Halbwertzeit, da morgen schon Out sein kann, was heute In ist. Gleichzeitig erweist sich der Wahlkampf als ein Innovationsfenster für die digitale politische Kommunikation. Daher sind Trendstudien wichtig, um die Veränderungen über die Zeit zu begutachten.
Vorliegende Trendstudie beschäftigt sich mit dem digitalen Campaigning im Bundestagswahlkampf 2017 und analysiert die parteilichen Aktivitäten auf Facebook, Twitter, Instagram, YouTube und per E-Mail in der engeren Wahlkampfphase vom 1.August 2017 bis zum Wahltag am 24.September 2017. Die Entwicklung der Parteien wird auf den wesentlichen Plattformen betrachtet und anhand der vier digitalen Kampagnenfunktionen Information, Vernetzung, Teilhabe und Mobilisierung systematisch analysiert. Dadurch werden Prioritätensetzung der Parteien offengelegt. Die Erfassung der Daten erfolgt mithilfe einer API (Schnittstelle) zu den wesentlichen Plattformen. Schließlich findet die empirische Analyse ihre Ergänzung in Experteninterviews. Damit will die Studie einen Brückenschlag leisten zwischen dem vergleichenden Blick auf das digitale Campaigning 2017 und möglichen Entwicklungspotentialen für die Digital Public Affairs Arbeit der nächsten Legislatur.