Читать книгу Katzenmusik - Renate Welsh - Страница 8
ОглавлениеDer Violinschlüssel
Tani wachte auf, weil es links und rechts von ihr plötzlich kalt war. Wahed stapfte von einer Zimmerecke in die nächste, Talet spielte mit den Teppichfransen. Die hatten bestimmt schon die beste Milch getrunken. Und jetzt war Mama überhaupt weg.
Tani jammerte leise vor sich hin.
Wahed stolzierte neben den Korb und tat furchtbar wichtig. „Ich und Talet …“, begann sie.
Talet kam angelaufen und unterbrach sie: „Es heißt Talet und ich, weil man sich nicht zuerst nennen soll!“
„Hab ich nicht!“
„Hast du doch!“
Talet ging auf Wahed los. Sie rangelten eine ganze Weile, bevor ihnen wieder einfiel, was sie Tani sagen sollten: „Mama hat zu tun, sie kommt später, und in der Küche steht eine Schüssel voll Milch.“
Eine Schüssel voll Milch? Seit wann gab es Milch in einer Schüssel?
Alle drei Katzenkinder spazierten in die Küche, wo Mamas Mensch an einem Tisch saß und raschelte.
Wahed und Talet liefen zur Milchschüssel, drehten sich um und schnurrten einladend.
„Und was jetzt?“, dachte Tani.
Da stand Mamas Mensch auf, ging in die Knie, hockte sich neben Tani und stupste ihr Mäulchen in die Schüssel. Tani versuchte die Hand abzuschütteln, aber die Hand hielt sie fest. Mit der anderen Hand streichelte Mamas Mensch Tanis Rücken.
Tani prustete und zappelte, der Griff lockerte sich und Tani schaffte es, sich herauszuwinden. Sie spürte, wie feucht und klebrig ihr Mäulchen war und begann sich zu putzen. Da schmeckte sie Milch! Sie putzte und putzte.
Mamas Mensch lachte, und Wahed und Talet saßen da und schauten zu. Mamas Mensch tauchte einen Finger in die Schüssel und hielt ihn Tani hin.
Als Tani den Finger einige Male abgeleckt hatte, griff Mamas Mensch wieder nach ihrem Kopf und stupste sie in die Schüssel. Tani begann zu schlabbern. Mamas Mensch klatschte in die Hände.
Plötzlich fiel Tani ein, dass sie das glitzernde Ding im Katzenkorb vergessen hatte. Sie lief hinüber, sah nichts glitzern und nichts funkeln. Sie buddelte im Korb, eine Kralle verhakte sich in der Decke. Tani zog mit aller Kraft, das tat weh.
Endlich war die Kralle los und gleich darauf fand Tani den Violinschlüssel zwischen dem Korb und dem Kissen. Sie nahm ihn ins Maul, vorsichtig, denn schlucken wollte sie ihn nicht.
Wenn jemand sie gefragt hätte, warum er so wichtig war für sie, hätte sie keine Antwort gewusst. Sie wollte ihn einfach haben, und es fragte sowieso niemand.
Wahed und Talet kamen aus der Küche zurück, kletterten in den Korb und kneteten sich mit den Pfoten einen guten Schlafplatz zurecht.
„Ihr wisst ja gar nicht, was ich gestern erlebt habe“, begann Tani.
„Nein“, miauten sie.
Wahed schloss die Augen. Talet rollte sich zu einem Ball zusammen und legte den Schwanz über ihren Kopf.
Die interessierten sich überhaupt nicht für Tanis Abenteuer! Dumme Schwestern. Dumme, dumme Schwestern.
Tani wartete, bis beide fest schliefen. Dann stieg sie aus dem Korb. Zum Fenster wollte sie nicht, auf gar keinen Fall. Sie wollte schön auf dem Boden bleiben oder höchstens auf das breite Bett springen. Aber sie war neugierig und hatte gestern das Zimmer nebenan gar nicht richtig durchforscht. Das Zimmer hier kannte sie schon auswendig. Da gab es nichts mehr zu entdecken.
Ihre Zunge fuhr am Violinschlüssel entlang.
Mit hoch erhobenem Schwanz spazierte Tani ins Nebenzimmer. Die Decke auf dem Bett hatte komische Löcher, die konnte Tani mit den Pfoten größer machen und den Kopf durchstecken. Plötzlich merkte sie, dass sich ein langer Faden auf sie zuschlängelte.
Sie erschrak und hüpfte zurück, und der Faden hüpfte mit. Aber er biss nicht und fauchte nicht, also war er wohl nicht richtig böse. Vielleicht hatte er sogar Spaß daran, mit Tani zu spielen.
Tanis Blick fiel auf die Decke. Das Loch wurde immer größer! Es war schon größer als sie. Da sah sie, dass der Faden aus dem Loch kam, aus dem Rand des Loches. Wenn der Faden die Decke gefressen hatte, würde er dann sie fressen? Mit einem Satz sprang sie auf den Boden, schlitterte zur Wand.
An der Wand lehnte eine Gitarre. Tani wusste natürlich nicht, was dieses seltsame Ding war, aber als sie dagegen prallte, begann das Ding zu klirren und dann zu klingen.
Eine wunderbare Musik kam aus dem Ding. Sie erinnerte Tani an den Gesang der Vögel am frühen Morgen und war doch wieder anders.
Tanis Pfoten begannen zu zappeln, tief in ihr drinnen schnurrte es, wie sie noch nie geschnurrt hatte, und das Schnurren wollte herauskommen. Ihr Mäulchen öffnete sich, ihre kleine Zunge kam heraus und kringelte sich hin und her.
Die Tür ging auf, Mamas Mensch kam herein und sah sich suchend um. Er ging zur Gitarre, die weiterspielte und den Raum mit immer neuen Melodien füllte.
Ganz vorsichtig hob er sie auf und hielt sie in seinen Armen. Die Musik brach ab. Mamas Mensch ließ sich aufs Bett fallen.
Tani musste plötzlich ganz dringend pinkeln. Sie lief zur Tür ins Nebenzimmer, von dort wusste sie den Weg zum Katzenklo. Ihre Krallen klopften auf den Holzboden, weil sie zu sehr in Eile war, um sie einzuziehen und zu schleichen.
Mamas Mensch blickte auf.
„Na du, du hast doch nicht etwa Gitarre gespielt?“, fragte er und lachte.
Tani verstand nicht, was er sagte, sie wollte nur zum Klo. Mamas Mensch aber hob sie auf und schaute ihr mitten ins Gesicht. Ein Bächlein lief an seinen Armen hinab.
Tani spürte, dass er sie fast hätte fallen lassen. Er schnalzte mit der Zunge gegen seine großen Zähne und schleppte sie zum Katzenklo, setzte sie mitten hinein.
Wozu jetzt? Jetzt war es zu spät.
Tani blieb hocken, weil Mamas Mensch neben der Schüssel stand und von hoch oben auf sie herabblickte und dabei die ganze Zeit den Kopf schüttelte.
Nach einer Weile hob er sie auf, trug sie ins Zimmer, setzte sich in den großen Ohrensessel und Tani auf seinen Schoß.
„Ich versteh das nicht, ich versteh das wirklich nicht“, murmelte er immer wieder, bis Tani unter dem Streicheln und Murmeln einschlief.
„Verstehst du das?“, fragte er, als Mama ins Zimmer kam, und weckte damit Tani, weil es in seinem Bauch grummelte, wenn er redete.
Mama pflanzte sich vor ihm auf und blickte unverwandt auf Tani. Sie gab ihm natürlich keine Antwort. Erstens konnte auch sie die Menschensprache zwar verstehen, aber nicht sprechen, und zweitens sagte sie immer:
„Es ist gut, dass unsere Menschen so dumm sind. Wenn sie klüger wären, wäre es am Ende nicht so leicht, sie herumzukriegen. Merkt euch: Die dümmste Katze kann den klügsten Menschen um ihre Pfoten wickeln und das ist gut so.“
Mamas Mensch erzählte von der Gitarre, die sich selbst gespielt hatte, und Mama saß da und sah ihn an, bis Wahed und Talet angerannt kamen und sie in die Seite boxten. Dann lief sie zum Korb und legte sich so hin, dass ihre drei Kinder bequem trinken konnten.