Читать книгу Karlas Welt - Renée Toft Simonsen - Страница 6
Karlas Widerstand
ОглавлениеAm Eingang zu dem großen, gelben Haus stand ein kleines Schild. Auf diesem Schild stand:
Hir wohnen wir alle zusamen, is doch klar
Es war ein Schild, das Karla selbst gemalt und dort angebracht hatte, weil nie ein richtiges Namensschild gemacht wurde. Im Inneren des Hauses kreischte eine hohe Mädchenstimme: „Das mach ich nicht, da geh ich garantiert nicht mit! Ich kenne diese Cecilie nicht einmal!“
Ein spindeldürres Mädchen mit schulterlangem, blonden Haar und großen, blauen Augen rauschte durch das Wohnzimmer und trat gegen Sofa und Stühle. Es war Karla und sie war rasend. Mama hatte nämlich gesagt, dass eine ältere Dame, die Cecilie hieß, auf sie aufpassen sollte. Karla konnte einfach nicht verstehen, warum sie nicht woanders bleiben konnte und warum sie nicht einfach alleine zu Hause bleiben durfte. Solche alten Damen waren nichts für sie. Karla war schon fast zehn Jahre alt und hätte doch ohne weiteres einen Nachmittag alleine verbringen können. Karla hasste es, wenn Entscheidungen einfach über ihren Kopf hinweg getroffen wurden. Das Nervigste am Kind sein war, dass die Erwachsenen die ganze Zeit über alles Mögliche bestimmten, was sie nichts anging.
Ich stelle mich tot, dachte sie sich. Ich rühre mich einfach nicht vom Fleck. Ich bleibe hier am Boden liegen und mache mich schwer – soll mich Mama doch dorthin schleifen!
So war Karla; ein selbstständiges Mädchen, das immer dazu bereit war Widerstand zu leisten, wenn es etwas nicht wollte. Karla war auch ein Mädchen, das ständig auf pfiffige Ideen kam und immer wieder für kräftigen Radau sorgte. Ein Mädchen, das Dinge machte, bevor es darüber nachdachte.
„Jetzt komm schon! Wir müssen fahren, sonst schaffe ich es nicht rechtzeitig zu meinem Treffen“, rief Mama und kam ins Wohnzimmer, wo sich Karla auf den Teppich, zur Hälfte gar unter den Couchtisch, gelegt hatte.
„Das lässt du bitte schön bleiben“, sagte Mama. Ihr war sofort klar, was Karla im Schilde führte.
„Ich sage es dir nur ein einziges Mal. Du wirst dorthin gehen und wenn ich dich tragen muss. Aber wenn ich das muss, dann werde ich mir eine Strafe überlegen.“
„An welche Strafe denkst du denn?“, fragte Karla.
„Hmm, ich bin mir nicht sicher, aber vielleicht so etwas wie, dass du eine ganze Woche lang keine Freundinnen mit nach Hause nehmen darfst und kein Taschengeld am Freitag.“
„Das traust du dich nicht“, erwiderte Karla, „ich habe morgen etwas mit Katrine ausgemacht.“
„Na das ist aber ärgerlich. Denn daraus wird dann wohl nichts, wenn du jetzt nicht freiwillig mitkommst.“ Mama wandte sich um. „Du hast zwei Minuten.“
Karla überlegte, was dafür und was dagegen sprach, das zu tun, was von ihr verlangt wurde. Ihr Körper lag schwer auf dem weichen Teppich und ihre Zehen krümmten und streckten sich abwechselnd.
„Ich freu mich schon drauf, erwachsen zu sein“, sagte sie laut zu sich selbst, während sie langsam auf die Beine kam. Sie dachte sich, wenn sie einmal groß wäre und von zu Hause wegzöge, dann gäbe es niemanden mehr, der über sie bestimmen würde. Vielleicht würde sie Mama niemals mehr besuchen. Nein, Mama könnte sie ihretwegen tausend Jahre lang vermissen, aber Karla wäre das egal. Wenn sie einmal groß wäre, dann würde die dumme Mama sie jedenfalls nicht mehr tragen können. Bis dahin wäre sie viel zu groß und viel zu schwer.
Karla ging mit steifem Körper und beleidigter Mine aus der Tür und setzte sich schmollend ins Auto.