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Dominium maris Baltici

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Dominium maris Baltici

Ein Weltkrieg wie der dreißigjährige hinterlässt Kriegsmüdigkeit, aber auch Kriegsbereitschaft; denn von den Konflikten, die ihn herbeiführten, werden nur einige, und auch die nicht zur Befriedigung aller gelöst werden. Nicht nur die Besiegten hatten Opfer bringen müssen, auch die Sieger, die ja verschiedene und zum Teil entgegengesetzte Interessen hatten, mussten in manchen Punkten nachgeben und sich auf spätere Gelegenheiten vertrösten lassen. Es gab nach dem Krieg nicht nur eine ausgesogene, erschöpfte Bevölkerung, sondern auch Armeen, die ihre Landesherren nicht entlassen wollten und konnten, und in denen noch die Lust an ihrem Geschäft und die Begierde nach dem Gewinn brannte, den es mit sich bringen konnte. Die Gewinner im Dreißigjährigen Krieg waren Frankreich und Schweden. Frankreich war vorläufig gesättigt, Schweden war trotz seines Ländergewinns am Krieg verarmt.


Gustav Adolf

Schon Gustav Adolf hätte den Krieg ohne französisches Geld nicht führen können; nach seinem Tod hatte die Krone ihre Domänen an die adligen Herren verschenken müssen, die von jeher in Schweden mächtig waren und es vollends im Kriege wurden. Bedrohlich erhob sich die Frage, wie die zurückkehrenden Soldaten ernährt werden sollten.

Mit Gustav Adolf war die schwedisch-protestantische Linie des Hauses Wasa im Mannesstamm ausgestorben. Nachdem seine Tochter Christine abgedankt hatte, bestieg Karl Gustav von Zweibrücken als nächster Verwandter den Thron.


Karl Gustav von der Pfalz-Zweibrücken später als Karl X. Gustav König von Schweden. Geboren am 8.11.1622 in Nyköping, verstorben am 13. Februar 1660.

Während manchmal kleine Reichsfürsten ihre Soldaten, die sie nicht entlassen wollten, aber nicht bezahlen konnten, irgendeiner kriegführenden Macht überließen, erwog Karl Gustav den Ausweg, mit seinem erprobten Heer einen Eroberungskrieg zu beginnen. Der Krieg konnte die Soldaten ernähren, konnte seinem Land die breitere Grundlage schaffen, die ihm fehlte, und befriedigte zugleich die angeborenen Neigungen und Talente des jungen Königs. Karl X. Gustav war unförmlich dick und schwer; aber unternehmend, abenteuerlustig und ein ausgezeichneter Feldherr, reich an Einfällen und jeder Lage gewachsen. Übrigens war er verschlossen, ob außer seinen kriegerischen Interessen etwas in ihm vorging, und was es war, erfuhr man nicht.

Seit Jahrhunderten kämpften Dänemark, Schweden und die deutsche Hanse um das, was man damals das Dominium maris Baltici nannte, die Beherrschung der Ostsee, das heißt um das Recht, mit den angrenzenden Ländern Handel zu treiben und die damit verbundenen Zölle zu erheben; in der neueren Zeit war die Hanse aufgelöst und aus dem Wettbewerb ausgeschaltet.


Wenn Karl X. Gustav sich auf Polen warf, so verfolgte er damit die Politik, die sein großer Vorgänger Gustav Adolf ihm gewiesen hatte. Das agrarische Polen war zwar nicht gewerbetreibend und keine Handelsmacht; aber es besaß einen hervorragenden Handelsplatz in der Stadt Danzig, die Gustav Adolf nicht hatte überwinden können, und in der Provinz Litauen einen Küstenstrich, der ausgenützt werden konnte. Außerdem gab es noch andere, besondere Verhältnisse, die Polen und Schweden zu Feinden machten.

Zu Ende des 16. Jahrhunderts war ein schwedischer Prinz, der die Anwartschaft auf den schwedischen Thron hatte, König von Polen geworden. Da er zum Katholizismus übergetreten war und dem neuen Glauben mit Leidenschaft anhing, so dass er ihn nicht nur in Polen, sondern auch in Schweden verbreiten wollte, wurde er in Schweden nicht zur Regierung zugelassen; vielmehr kam es dort zu strengen Gesetzen gegen das katholische Bekenntnis. Unter Ausschließung des katholischen Wasa, der in Polen regierte, kam die protestantische Linie mit Karl IX. auf den schwedischen Thron, dem im Jahr 1611 sein Sohn Gustav Adolf folgte. Der polnische Vetter, König Sigismund, behauptete sein Recht. Er war ein energischer, ehrgeiziger Fürst, der nach dem Aussterben des Hauses Rurik sein Auge auch auf Russland warf. In dem Krieg zwischen Polen und Schweden, den die polnischen Ansprüche auf Schweden herbeiführten, gelangte zwar Gustav Adolf nicht zum entscheidenden Sieg, doch kam es zu einem Waffenstillstand, der Estland und Livland in seinem Besitz ließ. Russland, wo inzwischen das Haus Romanow den Thron bestiegen hatte, war vom Meer abgedrängt. Der Umstand, dass der Kaiser Polen unterstützt und durch Wallensteins imperialistische Politik sich am Meer festgesetzt hatte, bewog Gustav Adolf in den großen festländischen Krieg sich einzumischen; er wollte verhindern, dass das Meer, welches er als das seinige betrachtete, in die Gewalt einer anderen, noch dazu katholischen Macht geriet.

Jetzt eben, in der Mitte des 17. Jahrhunderts, hatten die Moskowiter, wie man die Russen damals nannte, unter dem Zaren Alexei Michailowitsch Polen angegriffen.


Zar Alexei Michailowitsch von Russland, „der Sanftmütigste“ ( russisch Алексей Михайлович Тишайший; * 19. März 1629 in Moskau; † 29. Januar 1676.

Sollten sie den Schweden zuvorkommen? Sollte Schweden nicht vielmehr die bedrängte Lage Polens ausnützen? Ein leiser Geruch von Verwesung ging von Polen aus und lockte die Geier. König Johann Casimir von Polen war der letzte Spross der katholisch-polnischen Wasa, ein schwächlicher, zum Regiment untauglicher Herr, unter dem die Adelsrepublik sich unaufhaltsam auflöste. Es war töricht von einem so hilflosen Herrscher, die Nachfolge Karl Gustavs in Schweden nicht anzuerkennen und ihm dadurch einen Vorwand zum Angriff zu geben; es fehlte zwar auch sonst nicht an Streitpunkten zwischen Polen und Schweden, die sich hätten benützen lassen.


Johann II. Kasimir als König von Polen, Titularkönig von Schweden, Großfürst von Litauen (1609 – 1672)

Schrecken und Unruhe verursachte Karl Gustavs Schilderhebung in ganz Europa. Ohnehin war der Krieg zwischen Frankreich und Spanien noch im Gang, und ein Zusammenstoß zwischen England und Holland drohte. Diese Kriege aber waren wenigstens auf zwei Gegner beschränkt; der im Osten, fürchtete man, würde um sich greifen. Große Aufregung entstand namentlich am Berliner Hof. Als Karl Gustav um Bundesgenossen warb, stimmte der kühne Graf Waldeck sogleich dafür, die Gelegenheit zu ergreifen, bei der viel zu gewinnen sei: ein Krieg an der Seite Schwedens gegen das katholische Polen fügte sich durchaus in die Ziele, die er sich für Brandenburg gesetzt hatte.

Friedrich Wilhelm, dem die Entscheidung zufiel und der die Verantwortung tragen musste, rang mit Begier und Furcht. Siegte Schweden, so konnte er die Unabhängigkeit des Herzogtums Preußen erlangen, das er von Polen zu Lehen trug, ein höchst willkommener Machtzuwachs; war er aber sicher, dass es siegen werde? Die Schweden malten den Zustand Polens so aus, als liege es bereits in den letzten Zügen; aber der preußische Gesandte in Polen war nicht derselben Meinung und warnte. Die Räte waren mit einem so gewagten und treulosen Schritt, wie die Waffenerhebung gegen Polen sein würde, nicht einverstanden, namentlich die Kurfürstin, die Oranierin Luise Henriette, beharrte dabei, dass Friedrich Wilhelm als redlicher Mann dem König von Polen, dem er den Vasalleneid geschworen habe, treu bleiben müsse.


Luise (auch Louise) Henriette von Oranien-Nassau (* in Den Haag; † in Cölln, in zeitgenössischen Dokumenten werden die Daten mit 26. November und 8. Juni noch im Julianischen Kalender angegeben) war Kurfürstin von Brandenburg und die erste Ehefrau des Großen Kurfürsten.

Aber grade das, dass er Vasall des Königs von Polen war, drückte den Kurfürsten, und er hätte sich gern von diesem Verhältnis frei gemacht. Nachdem seine Begehrlichkeit einmal angeregt war, vermochte er auf einen so kostbaren Preis nicht mehr zu verzichten; nur hätte er ihn gern eingestrichen, ohne etwas aufs Spiel zu setzen. Am liebsten hätte er es mit beiden Gegnern gehalten, um sich zuletzt auf die Seite des Gewinners zu schlagen, und soweit es möglich war, führte er das auch durch. Er unterhandelte gleichzeitig mit Schweden und Polen, teils mit beider Vorwissen, teils heimlich und so geschickt, dass der angegriffene Teil es nicht merkte, wenn seine Truppen schon gegen ihn unterwegs waren. Als er von Karl Gustav verlangte, dass die Kriegserklärung gegen Polen nicht eher erlassen werden dürfe, bis er mit seinen Völkern über die Weichsel gegangen wäre, damit er sich unter dem Schutz des friedlichen Verhältnisses mit Polen und unter dem Vorwand des von den großpolnischen Ständen erbetenen Schutzes in den Besitz der begehrten Landschaften setzen könne, fand der König, dass das doch zu weit gehe.

Vom preußischen Hinterpommern aus brach Karl Gustav in Polen ein, während die Russen vom Osten her Litauen überfielen. Der polnische Adel unterwarf sich dem Schwedenkönig kampflos, Johann Casimir floh von Warschau nach Krakau, der alten Krönungsstadt, und von da nach Schlesien; es war ein vollständiger Zusammenbruch, dem, wie man annehmen konnte, die Auflösung Polens folgen würde. Die Küste dachte Schweden für sich zu behalten, kleine Stücke an Brandenburg, vielleicht auch an Russland und Siebenbürgen zu geben. Indessen der Zusammenbruch war zu stürmisch gewesen, um einen dauerhaften Zustand zu gewährleisten. Das streng katholische Land empörte sich gegen den protestantischen Herrscher, und der Adel, wie haltlos und treulos er sich auch benommen hatte, begriff bald, was für einen unvorteilhaften Tausch er gemacht hatte. Das so schnell gewonnene Polen leistete der Besetzung Widerstand und musste nun erst mit Waffengewalt überwunden werden. Man staunte, was für ein gewaltiges Heer das Land aufbrachte, das sich soeben jämmerlich unterworfen hatte: etwa 100.000 Mann standen in Waffen, eine für die damalige Zeit ungeheure Zahl. Sie waren der vereinigten schwedisch-brandenburgischen Armee ungefähr fünffach überlegen, aber an Ordnung, Ausrüstung, Kriegserfahrung ihr nicht entfernt gleich; die brandenburgischen Führer waren zumeist Veteranen des Dreißigjährigen Krieges. Die Polen waren durch Tataren verstärkt, auf beiden Seiten fochten fast nur Reiter; bei den Polen wurden Fußvolk und Artillerie überhaupt ganz vernachlässigt. Die große Schlacht bei Warschau, die sich über drei Tage erstreckte und durch originelle Manövrierung des siegreichen schwedisch-brandenburgischen Heeres merkwürdig war, vermehrte den Ruhm Karl Gustavs und begründete das militärische Ansehen Friedrich Wilhelms; den Krieg beenden konnte sie nicht.

Aus dem halbbarbarischen Polen brachen, wenn es eben unterworfen war, neue kampfbereite Menschenmassen hervor und stellten die errungenen Vorteile wieder in Frage. Der moskowitische Zar machte sich lästig, indem er mit vielen Truppen in Livland eindrang, das tatsächlich, wenn auch nicht förmlich, den Schweden gehörte. So viel nahm sich der Großfürst heraus, dass er dem Kurfürsten von Brandenburg zumutete, ihn als Lehnsherrn anzuerkennen, weil das Herzogtum Preußen eine Dependenz von Litauen sei. Dazu kam, dass sich nun auch der Kaiser entschloss, dem glaubensverwandten Polen zu Hilfe zu kommen: die Aussicht, Schweden in die Nachbarschaft seiner Erblande vordringen zu sehen, erschreckte ihn. Karl Gustav wurde dieses unabsehbaren Kampfes müde, bei dem seine Heldentaten so wenig greifbare Früchte trugen. Ein Angriff des stets eifersüchtigen Dänemarks gab ihm den Anlass, das Festland mit seinen Truppen zu verlassen und sich mit dem gewohnten Schwung auf den treulosen Nachbarn zu stürzen.

Friedrich Wilhelm war nun in misslicher Lage, da er, nachdem Karl Gustav abgezogen war, den polnischen Krieg allein auf dem Hals hatte. Andrerseits bot sich eine neue, viel aussichtsreichere Kombination: wenn er sich mit Polen versöhnte und mit dem Kaiser verbündete, konnte er nicht nur die Unabhängigkeit Preußens erringen, sondern auch Schweden das im Dreißigjährigen Krieg abgetretene Pommern wieder abjagen. Es kam ihm zugute, dass er eine politique volpinesque, wie der holländische Ratspensionär Jan de Witt es nannte, eine Fuchspolitik getrieben und dauernd nach allen Seiten verhandelt hatte, woran er nun anknüpfen konnte. Im Bund mit Polen und dem Kaiser und im Begriff Pommern zu erobern, stand er immer noch in freundschaftlichen Beziehungen zu dem verratenen Bundesgenossen Karl Gustav. Viel zu sehr ineinander verschlungen waren aber die abendländischen Verhältnisse, als dass ein einzelner, noch dazu eine so verhältnismäßig kleine Macht wie der Kurfürst von Brandenburg, umwälzende Absichten so ohne weiteres hätte verwirklichen können. Nicht nur dass der Kaiser, sein eigener Bundesgenosse, keine Lust hatte, dem ehrgeizigen Reichsfürsten zu beträchtlicher Vergrößerung zu helfen und sich folglich für den pommerschen Krieg nur lau einsetzte, Frankreich, das im Jahr 1659 den langen Krieg mit Spanien endlich siegreich beendigt hatte, warf sein Machtwort zugunsten Schwedens in die Waagschale: Es gehörte zur französischen Politik, Schweden in seinen Ansprüchen an das Reich zu unterstützen und ihm seinen im Westfälischen Frieden erworbenen Besitz im Reich zu erhalten. So kam es, dass im Frieden von Oliva, der im Jahr 1660, kurz nach dem vorzeitigen Tod des nordischen Alexander, wie man Karl Gustav zu nennen pflegte, die nordischen Wirren beendete, die alten Verhältnisse im Wesentlichen wiederhergestellt wurden. Polen war gerettet, einzig auf die Oberhoheit über das Herzogtum Preußen musste es verzichten. Friedrich Wilhelm hatte durch sein Schaukeln zwischen den Parteien, das durch kräftige militärische Anstrengungen unterstützt wurde, nicht nur sich von Polen unabhängig gemacht, sondern auch sein Ansehen als kluger Politiker und bedeutender Feldherr sehr vermehrt. Russland musste sich mit einer kleinen Gebietserweiterung begnügen, den Zugang zum Meer, den es erstrebt hatte, erreichte es nicht.

Seiner Gesinnung getreu hatte Graf Waldeck die Schwenkung des Kurfürsten zum Kaiser hinüber nicht mitgemacht; schon im Mai des Jahres 1658, bald nachdem das Bündnis mit dem Kaiser zustande gekommen war, verließ er den brandenburgischen Dienst, um später in schwedischen zu treten. Vergebens hatte ihn der kaiserliche Gesandte Lisola, der seinen Wert erkannte, durch große Vergünstigungen für den Dienst des Kaisers zu gewinnen versucht. Viele Jahre später sollte er den Kurfürsten, seinen ehemaligen Herrn und Freund, unter sehr veränderten Verhältnissen wiedersehen.

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Ricarda Huch: Deutsche Geschichte – Untergang des Römischen Reiches Deutscher Nation – bei Jürgen Ruszkowski

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