Читать книгу Warum uns der Klimawandel an innere Grenzen bringt … - Richard Stiegler - Страница 8
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Ich schreibe dieses Buch aus persönlicher Betroffenheit. Wenn ich die aktuellen wissenschaftlichen Daten über die zunehmende Erhitzung der Erdatmosphäre betrachte und die Prognosen für die nächsten Jahrzehnte sehe und was sie für die Menschheit und das gesamte Ökosystem der Erde bedeuten, erschüttert mich das. Es ist ganz klar: Wir sind auf dieser Erde mitten in einem dramatischen Wandel.
Ich bin aber auch betroffen, da ich mir sehr bewusst bin, dass ich selbst lange Zeit mit meiner Lebensweise zu dieser bedrohlichen Dynamik beigetragen habe und immer noch beitrage. Ich kann mich nicht als ein Opfer des Klimawandels bezeichnen. Ich bin selbst ein Verursacher.
Ich schreibe dieses Buch, da ich in meiner Tätigkeit als Psychotherapeut und Leiter von spirituellen Kursen sehe, dass nicht nur ich mit großer Betroffenheit reagiere, sondern dass aktuell in vielen Menschen durch die drohende Klimakatastrophe seelische Prozesse ausgelöst werden, mit denen sie sich häufig überfordert und allein fühlen. Denn in der Öffentlichkeit wird vor allen Dingen über die äußere Dimension des Themas gesprochen. (Also darüber, was CO2 verursacht, wie wir CO2 einsparen können, welche Kipppunkte es gibt usw.) Aber wie es den Menschen mit der Bedrohung geht, was es mit ihnen seelisch macht, wenn sie hören, dass sie in Zukunft radikal ihr Leben verändern und vielleicht auf vieles verzichten müssen, und ihre Kinder in einer Welt leben werden, in der dramatische Umwälzungen geschehen, darüber spricht fast niemand.
All diesen Menschen möchte ich mit diesem Buch versichern, dass es unabdingbar ist, die seelischen Wandlungsprozesse, die der Klimawandel anstößt, genauso ernst zu nehmen wie die äußeren Aspekte des Klimawandels. Als Psychotherapeut bin ich mir darüber im Klaren, dass bei allen Lebenssituationen, die uns zunächst überwältigen, ein seelischer Verdauungsprozess in Gang gesetzt wird. Der Klimawandel wird uns Menschen so radikale Änderungen abverlangen – im individuellen Leben, aber auch im gesellschaftlichen Zusammenleben –, dass er schon jetzt als eine bedrohliche Macht erfahren wird, die auf uns zurollt. Wie ein gewaltiger Sturm, der vieles auf den Kopf stellen wird und dessen erste Ausläufer uns bereits erfasst haben, so wird uns auch die Erwärmung der Erdatmosphäre überwältigen und in alle Lebensbereiche verändernd eingreifen.
Wer die Augen aufmacht, weiß, dass sich alles ändern wird. Sich zu ändern ist aber kein äußerer Vorgang. Es ist vor allen Dingen ein innerer. Wenn wir uns äußerlich ändern müssen, aber innerlich diese Veränderung nicht mitvollziehen können, leiden wir unter dem Wandel. Wir können ihn dann nicht äußerlich konstruktiv gestalten, da wir innerlich im Widerstand sind. Daher ist eine seelische Auseinandersetzung mit dem Thema Klimawandel unumgänglich, wenn wir die anstehenden Veränderungen individuell oder auch gesamtgesellschaftlich konstruktiv vollziehen und gestalten wollen. Erst wenn sich der seelische Prozess der Wandlung auf eine vollständige Weise vollziehen konnte, fühlen wir uns nicht mehr als Opfer der Umstände, sondern erfahren uns wieder in unserer Selbstwirksamkeit und im Einklang mit den Dingen.
Wir entdecken unsere eigenen Antworten auf die Herausforderungen des Klimawandels und müssen uns auch nicht moralisch über andere erheben oder sie belehren, sondern können ihnen authentisch und offen begegnen.
Doch das Thema Klimawandel hat nicht nur deshalb eine seelische Dimension, weil ein seelischer Verdauungs- und Veränderungsprozess ansteht, sondern auch weil die Ursachen dieser dramatischen Entwicklung letztlich bis in unsere Seele hineinreichen. Das moderne menschliche Verhalten, das den Klimawandel anheizt, gründet sich letztlich darauf, dass wir uns von dem Bewusstsein abgekoppelt haben, als Menschen zutiefst mit allen Ökosystemen auf dieser Erde verwoben zu sein. Daher greift es viel zu kurz, wenn wir das Problem der zunehmenden Erhitzung der Erdatmosphäre auf einer technischen Ebene lösen wollen. Eine verbesserte Technik, die die Atmosphäre nicht mehr so belastet, betrifft nur die Oberflächendimension des Problems.
Solange wir nicht die Tiefendimension und damit die eigentliche Ursache für die Klimaerwärmung erkennen und sich hier ein tiefer Wandel vollzieht, wird die Grundproblematik weiter bestehen. Die Tiefendimension des Problems liegt aber nicht im Außen, sondern in unserer Seele begründet. Auch deshalb schreibe ich dieses Buch, um das Bewusstsein für die tieferen Ursachen des Themas, die in uns liegen, zu wecken.
Nicht zuletzt schreibe ich dieses Buch aus Liebe zu meinen Kindern. Ich weiß nicht, wie ihr Leben und das ihrer Kinder in 30, in 50 und in 100 Jahren aussehen wird. Aber ich wünsche mir zutiefst, dass unsere Gesellschaft den notwendigen Wandel in einer menschenwürdigen Weise und ohne allzu große Verwerfungen vollziehen kann, damit auch zukünftige Generationen noch eine lebenswerte Zukunft auf dieser Erde haben. Jeder noch so kleine Beitrag dazu scheint mir zutiefst sinnvoll.
Zum Umgang mit den Fragen am Ende jedes Kapitels
Am Ende jedes Kapitels finden sich Fragen, die dazu dienen, den Inhalt des Kapitels mithilfe der eigenen Erfahrungen zu verarbeiten und ihre Relevanz für unser Leben zu überprüfen. Wer sich darauf einlässt, wird entdecken, dass die Lektüre dieses Buches eine Tiefenwirkung entfalten kann. Es ist wie immer: Etwas zu hören oder zu lesen ist hilfreich, aber den Inhalt mit dem eigenen Leben zu verbinden und innerlich zu erfahren, bewegt und verändert uns und geht daher tiefer.
Man kann sich diese Fragen selbst in einer stillen Stunde stellen. Es ist aber sicherlich noch wirkungsvoller, mit einem oder mehreren anderen Menschen diese Fragen zu teilen und dadurch in einen tiefen Dialog mit sich selbst und anderen zu kommen. Konkret schlage ich vor, jede Frage zunächst in einem Monolog zu bewegen. Dazu wird einer Person diese Frage gestellt und sie hat dann fünf Minuten Zeit, ihre eigenen Erfahrungen und Gefühle dazu auftauchen zu lassen. Das führt typischerweise zu einer großen Tiefe und Verbindung mit sich selbst. Erst danach öffnet man den Raum für Austausch und Dialog.
Und noch ein letzter Hinweis
Alle Inhalte dieses Buches richten sich gleichermaßen an Männer und Frauen. Zur besseren Lesbarkeit und um eine Sprache zu benutzen, die beiden Geschlechtern gerecht wird, sind die Kapitel mit ungeraden Zahlen in der weiblichen Form und Kapitel mit geraden Zahlen in der männlichen geschrieben. Sprache kann Bewusstheit fördern und die Gleichwertigkeit von Mann und Frau betonen helfen.