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ОглавлениеDas Hauptinteresse von Senator Lucullus bestand im Sammeln von schönen Dingen und Menschen. Frauen fesselten ihn mehr und länger als Männer es zu tun vermochten, bis auf Ausnahmen. Trotz des Alters gab es einen kindlich naiven Zug an ihm. Der ihm half sich Einblicke in das Denken anderer zu verschaffen, der Menschen oft verborgen blieb. Bisweilen dachte er dennoch verbittert der Reichtum verurteile ihn nur Zuschauer, im Theater bei dem Schauspiel das Leben hieß zu sein. Beobachtend, mitfiebernd niemals als Teil des Dramas. Der Domus von Rufus Lucullus war eines der prächtigsten und unscheinbarsten Anwesen in Rom zugleich. Von außen eher solide denn repräsentabel, war es von einer hohen Mauer umgeben und lag wie ein Raubvogelnest auf dem Gipfel des Aventin. Die Villa war weitaus größer und innen genauso luxuriös eingerichtet, wie es von außen betrachtet unscheinbar aussah. Was an seinem Stadthaus am meisten überraschte, war der abweisende Anblick. Es war zum Atrium gerichtet und wirkte wie die ins Versmaß gesetzten Worte eines Gedichts erst im Inneren des Lesers besser Bewohners. Das Grundstück trotzte dem chaotischen draußen und war freundlich nur nach innen gekehrt, wie eine Schildkröte in ihrem Haus. Lucullus lebte wie alle Reichen in einer Festung.Die Außenmauern hoch und mit Eisenstacheln versehen. Die Marmorfassade des zur Gasse gerichteten Eingangshauses hatte nur oben kleine Fenster angebracht. Auf einem der höchsten Punkte Roms erbaut, überschaute man von der Gartenterrasse das Suburaviertel, an klaren Tagen konnte man von dort bis nach Ostia sehen. Der Senator saß zur Stunde, wenn die Nacht auf den Morgen, Mata Matuta auf die Göttin Aurora trifft, zwischen vierter und fünfter Nachtwache auf der Terrasse im Park. Beim Bau der Anlage hatte man nur den kostbarsten Marmor verwendet, selbst die großen Flanierwege waren von quadratischen Marmorplatten bedeckt. Die Trinkbrunnen, auf denen kostbare Pfauen hockten und mit den Köpfen unter dem Gefieder schliefen, waren mit Korallen und Edelsteinen verziert. Abseits auf einem künstlichen Hügel befand sich der Familientempel der Venus geweiht sowie eine Bibliothek. Bewacht wurde der Reichtum von schweren doch sehr agilen Molosser Hunden und in der besten Gladiatorenschule Italias in Capua ausgebildeten Gladiatoren, die Lucullus zu duzend kaufte und überall in seinen Besitzungen als Wachen verteilte. Manchmal erstand er sich auch nur ein Paar um sie bei einer Lustbarkeit gegeneinander kämpfen zu lassen, aber nie mit scharfen Waffen, dazu war diese Investition zu kostspielig und im Gegensatz zu seinem Namen war er kein Verschwender, sondern Luxus und Dekadenz hatten einen Zweck zu erfüllen, sollten jemanden Wichtiges beeindrucken oder eine bestimmte Botschaft Vermitteln.Rufus Lucullus sinnierte und beobachtete den obersten Liktor der das marmorne Geländer unruhig auf und abging. Quintus war ein großer und muskulöser Mensch voller vibrierender Energie und einer der Wenigen von denen der Senator fasziniert war. Der Liktor des Gerichts trug eine dunkelbraune Tunika und ein schwarzes Tuch um den Hals gebunden. Er lief wie ein gefangener Löwe die Brüstung auf und ab und hielt die Hände zu Fäusten geballt, was er nur machte, wenn er in grüblerischer Stimmung war. Wenn man ihn erblickte, kniff man den Mund zusammen. Ein so entstellter Mann darf keinem römischen Beamten dienen, dachten die meisten Leute. Der scharfsinnigere Teil, zudem auch der Richter gehörte, sah die wunderbare Schönheit, die aus den grässlichen Narben sprach, die das Antlitz des Amtsdieners zerfurchten und es teilten. Wenn man ihn kannte, wurde der Anblick mit der Zeit immer weniger abstoßend und er hatte freundliche Augen. Der Volksmund behauptete, einen schönen Menschen könne nichts entstellen. Der Senator lächelte, als er in anschaute und sich fragte, ob er jemals die Freundschaft des Mannes erringen würde. Ein kleiner plumper Mann mit rundem rotem Gesicht war der Senator, wie Großvater und Vater vor ihm ein Mäzen Roms und der Künste und Förderer der Philosophen. Ein Patrizier der die Welt von oben herab beobachtete aber doch auffallend, sympathisch in seiner Verachtung für alles Rohe und Primitive war und Fehler übersehen konnte und der auch über sich uns seine Marotten lächeln konnte. Lucullus war in diesem Jahr zum Prätor dem obersten Richter gewählt, und als Mann von Scharfsinn sehr beunruhigt. Das Herz des Imperiums war Rom. War das Zentrum der Welt, war der marmorne Mittelpunkt der bewohnten Erde. Rom war das Machtzentrum, was vom Senat beschlossen, wurde dessen Auswirkungen fühlten Millionen über den Erdball verteilt. Es war die Stadt, reich an Kunst und Künstlern und noch reicher an Literaten und Philosophen die Stadt atmete seine Menschen und spuckte Kultur in noch nie da gewesenen Umfang. Es war eine Stadt größer und internationaler als Alexandria. Hier lebten die Menschen der unterschiedlichsten Kulturen aus den entferntesten Provinzen dicht bei dicht beisammen. Nordländer mit roten Haaren neben nubischen Händlern. Auf den Straßen wimmelte es normalerweise von Leben, reiche Damen besorgten ihre Geschäfte in Sänften getragen, griechische Ärzte liefen in Gruppen und voller Würde zum Asklepios Tempel auf der Tiberinsel, gallische Offiziere der angeworbenen Hilfstruppen belagerten die Schenken, italische Senatoren kauften Wein neben dem hiberischen Seemann, der zu Geld gekommen war. Emon Priester palaverten mit orientalischen Geschäftsleuten über den Verkauf von germanischen Sklaven. Rom hatte eine Million Einwohner, es war eine Stadt, wie sie nie zuvor existierte. Und das dieses Leben für seine Bewohner weiter ungestört verlief, war eine der Aufgaben, mit denen sich ein Prätor konfrontiert sah.Lucullus stand auf und schlenderte mit einem Becher Falernerwein in der Hand und dem Sklaven, der die Weinamphore trug im Schlepptau zur Balustrade, und sah hinab in die elende Welt der Anderen. Senator Lucullus sah mit besorgter Miene in den schwarzen Himmel. Seine runden abfallenden Schultern unter der mit dem Purpurstreifen gesäumten Toga sanken ein, als er sich mit den breiten Händen auf die Brüstung der Marmorterrasse stützte und auf Rom hinabschaute. Aus dem in Schatten gehüllten unendlichen Häusermeer drang kein einziger Laut herauf. Er lauschte, in den Feigenbäumen des mit kunstvollen Statuen gesäumten Gartens sangen seltene Singvögel, die in jedem Winter ersetzt werden mussten. Seine exotischen Vögel vertrugen keine Kälte und die Verpaarung mit einheimischen Vögeln hatte bisher keinen Erfolg in Form eines Geleges gezeigt.„Die Senatoren haben Rom verlassen“, sagte er endlich. „Die Herrschaft hat wieder das Gesindel. Die Stadt der Städte ist bei Nacht zum Ort des Schreckens für seine Bewohner geworden. Die Angst kann ich bis hier oben hinauf riechen.“Quintus, der nun neben ihm stand, hörte dem Senator schweigend und mit besorgtem Ausdruck in seinem von Messerschnitten entstellten Gesicht zu. Die rechte Hand des Liktors des römischen Kriminalgerichtes ruhte auf dem Leder umwickelten Griff des Kurzschwertes, das er unter dem Umhang verdeckt trug. Selbst hier oben auf der Terrasse, 80 Meter über Rom, war es drückend heiß trotz des künstlichen Flusses, der im Park entlang plätscherte und in dem sich wie Schweine gemästete exotische Fische tummelten.Der Prätor verschränkte die Arme. Die Augen waren weiter auf die in bedrohliche Schwärze gehüllte Stadt gerichtet. Er vermisste den Anblick der zahllosen roten Dächer, das strahlende Weiß des Marmors, der zu Gebirgen für Häuserfassaden, Kolonnaden und Tempel verbaut wurde. Er vermisste den Anblick, wenn die blutrote Sonne sich auf den vergoldeten Dachpfannen der Tempel spiegelte und die Luft mit seinem Glanz erfüllte. Von hier konnte er, den Merkur Tempel Suburas sehen ein uraltes Gebäude, dessen bronzenes Dach von Alter und Zeit oxidiert war und grün leuchtete.„Roms Farbe ist nicht das Braun des Adlers, der unsere Legionen schmückt. Es ist das Rot der unendlichen Schieferdächer, das Eierschalenweiß des Marmors.“ Er hob beide Hände, als übe er für eine Rede und sprach weiter: „Und nun? Nachts sind die einzigen Menschen, die man erblickt vertierte Staatssklaven, die auf ihren Karren die Leichen in die Abfallgruben vor die Stadtmauer schaffen. Und bei Dunkelheit hört man nur das Leid der Hilflosen und das Gelächter der Verbrecher. Es ist, als würde man Charons Fährboot in den Straßenschluchten Roms erblicken. Als sei unsere obere Welt zum Orkus zur Schattenwelt geworden. Als wären wir gestorben und niemand hatte so viel Mitleid uns ein kleines Geldstück unter die Zunge zu legen.“ Er drehte sich dem Liktor zu und fuhr fort: „Nur in den Elendsquartieren der Subura, rührt sich etwas Giftiges! Quintus riechst du diesen Pesthauch nicht auch des Nachts? Es ist, als seien die Titanen aus ihren Kerkern entkommen, um mit den Göttern und Menschen Krieg zu führen.“Der Liktor nickte von schweren Gedanken erfüllt. „Die Stille ist ganz und gar nicht gut, Senator. Die Leute waren schon seit Ausbruch des Fiebers weniger auf den Plätzen und Straßen unterwegs, doch seitdem auch das Tragen der drei Aeskulapbildnisse durch die gesamten Viertel der Stadt keine Besserung des Fiebers gebracht hat, sieht man nur noch Verbrecherfratzen dort unten.“Lucullus schüttelte den Kopf. Er ging hinüber zu seinem hochlehnigen Weidenstuhl und setzte sich an den gewaltigen Bronzetisch, der einmal im Königspalast von Perperikon gestanden hatte und hinter dem nun zwei Sklaven nur auf ein Zeichen des Prätors warteten. Der Tisch war bedeckt mit gerollten und ausgerollten Papyri. Neben ihm stand sein Schreiber Germanicus an seinem Pult. Dahinter erhoben sich die vergoldeten Säulen des Atriums. Er hob die Arme und ließ sich von seinen Sklaven aus seiner Toga wickeln. Erleichtert und nun in luftiger Tunika sagte er lächelnd: „In dieser Luft kann man ja kaum Leben und wir wollen den Arbeitstag ja nicht zu förmlich beginnen.“ Er winkte dem Schanksklaven und schaute zu seinem Liktor und fragte: „Sind die gestrigen Totenzahlen gemeldet worden?“Quintus kam von der Balustrade zum Tisch und sagte mit gerunzelter Stirn: „Die Todesfälle nehmen nicht mehr zu, Venus sei dank. Es gab 10 Tote alle in der Subura.“ Leise fügte er hinzu: „In Transtiberim sind es bedeutend mehr Tote, vor allem Kinder und es konzentriert sich auf die Gassen direkt am Fluss.“In kraftloser Geste hob der Senator seine Hand. Er dachte an das Stadtviertel, eine Ansammlung schmutziger krummer Lehmgassen und windschiefer Hütten, in denen Zehntausende wohnten. „Transtiber liegt nicht innerhalb der servillischen Stadtmauer und wird nicht zu Rom gezählt. Schade ich habe mich mit dem Seuchenarzt des Esquilin Sosigenes unterhalten. Niemand weiß, welche Ursache das Fieber hat“, er hob die Hand wie um einen zu oft gehörten Einwand abzuwehren. „Außer den Göttern natürlich. Wir wissen nicht, welche Ansteckungswege die Seuche nimmt und wie sie sich so schnell verbreitet“, sagte er. Verärgert drehte er am goldenen Ring an seinem kleinen Finger. „Der Ädile Marcus Fuser hat mir in einem Brief geklagt, dass die Versorgung mit Schweinefleisch nicht mehr garantierbar ist, wenn wir den Händlern nicht eine kleine Preisanpassung erlauben. Die Bauern, Händler und Schiffer meiden die Stadt.“„Nicht aus Angst vor der Krankheit, weil sie schlau sind und die Preise abwarten“, sagte der Liktor, der wenig von Händlern hielt. „Die gehen in den Hades, wenn sich dort der Verkauf ihrer Waren rentiert.“„Wenn die Großhändler trotz des Verbotes des Senats ihre Preise anheben und es kein Schweinefleisch gibt, wird das Volk die Stadt in Asche legen“, sagte der Prätor. „Als die Gallier vor 300 Jahren Rom eroberten, haben sie auch nichts anderes getan wie die Römer Jahrein und Jahraus beim kleinsten Anlass. Einer Wahl, diplomatische Krise oder bei den großen Pferderennen im Circus Flavianus.“„Das kann man sagen, Prätor“, sagte Quintus schmunzelnd, wenn er an die Krawalle dachte, die ausbrachen, wenn die vier Rennteams der Stadtteile zur ludi circenses im Circus antraten. Sein Lächeln verschwand schnell aus seinem Gesicht. „Ädil Fuser hatte die Lebensmittelverteilung gut überwacht und den Händlern auf die Finger gesehen. Von Früh bis zum Abend war er auf den Märkten und er war vor allem so reich, dass die Händler ihn nicht bestechen konnten. Man sagt, er war gerecht und ging hart gegen jeden vor, der zu hohe Preise verlangte. Ein Elend sagt der Quästor aus Subura, das er ausgerechnet jetzt gestorben ist.“„Er muss sich bei diesem Wetter zuviel zugemutet haben“, bemerkte der Prätor. „Er hat sich in seinem Alter vermählt und du kennst die jungen Dinger von heute beim nicht erfüllen der sexuellen Pflichten verlangen sie gleich die Scheidung und rennen für drei Tage ins Haus des Vaters was die Ehe offiziell beendet, wenn sie vor Zeugen die Scheidungsformel ausspricht.“ Er sah auf, „ich fand das Gesetz, nachdem die Gattin nur drei Tage unbewilligt das Haus des Gatten verlassen muß, um eine Scheidung zu begründen immer als zu kurz gegriffen. Frauen sind sparsam mit dem Zorn und tragen ihn länger als drei Tage in ihrer Brust.“Lucullus sah auf und sagte: „Das Fuser an der Seuche gestorben ist, glaube ich nebenbei nicht, denn im Senat, als die Seuche gerade erst begann, sagte mir Zensor Africanus, Fuser habe das Flussfieber als Kind überlebt. Mein Freund Sosigenes und auch anderen Ärzten ist aufgefallen, dass wer sich einmal ansteckt, und überlebt nicht mehr daran erkrankt. Durch diesen Todesfall haben wir jedenfalls einen Ädilen ausgerechnet zu einer Zeit verloren, da Rom seine Beamten am meisten braucht.“ Er nahm einen Schluck Wein. Nachdem er sich erfrischt hatte und seine Kehle nicht mehr staubtrocken war, sagte er: „Dieser Arzt, Lucinius oder Licinius, von dem Sosigenes nicht viel zu halten scheint, ist der Hausarzt der Fusers. Er hat ganz in der Nähe hier eine zweite Praxis. Er verkauft zu einem unverschämten Preis Kräuter, die gegen die Seuche helfen sollen. Richte ihm aus, dass ich ihn umgehend zu sehen und zu sprechen wünsche. Ich möchte ihn fragen, ob ich ein Staatsbegräbnis im Senat beantragen soll. Er ist erstaunlicherweise der Hausarzt der Fusers und kennt bestimmt die Wünsche des Toten und ich will mich der Sache nur nebenbei widmen und mich um die wichtigen Dinge kümmern.“Leise Schritte ertönten auf der Terrasse, sodass der Senator den Kopf wandte. Dem grauhaarigen alten Mann, der sich neben Lucullus ächzend niederließ, konnte man die Familienähnlichkeit und seinen Stand ansehen. Caecilius Rufus Lucullus war ein erfolgreicher Beamter und Legat gewesen und in Anbetracht seiner vielen Verdienste um Rom zweimaliger Zensor. Er hüstelte diskret. „Fusers tot bedeutet, dass eines der angesehensten Geschlechter der Stadt ausgelöscht ist“, ließ sich seine raue Stimme zufrieden vernehmen. „Da Fuser keine eigenen Kinder hatte und keine adoptierte, ist der nächste Verwandte sein Halbbruder Cornelius den Fusers Vater in seinen späten Jahren angeblich mit einer Sklavin zeugte.“Sein Sohn schmunzelte und seine Augen zwinkerten. Seiner Ansicht nach war sein Vater das neugierigste Wesen der ihm bekannten Welt. Der tot von Fuser schien seinen Vater köstlich zu amüsieren. „Du hast deine Ohren überall Vater“, sagte der Senator erstaunt, „gestern spät am Abend ist er gestorben und du weißt jetzt schon davon noch, bevor die Sonne richtig aufgegangen ist und ohne dieses Haus verlassen zu haben!“„Ich sitze sehr gerne in der Küche und sehe und höre den Sklaven zu. Bei ihren täglichen Besorgungen auf dem Markt bekommen sie immer alles als Erste mit. Und wegen des Fiebers, das vor Jahren viel schlimmer hier wütete“, antwortete der dünne alte Mann gelassen, „lese ich die Familienstammbäume aller bedeutenden Familien.“ Er kicherte, „das patrizische Blut Roms wird weiter verdünnt, bald hat das Blut unserer patrizischen Geschlechter die Farbe von gepanschtem Gallierwein.“„Hast du keinen anderen Zeitvertreib Vater?“, fragte der Prätor besorgt den alten Mann.„Ich brauche die Stammbäume für meine eigenen historischen Forschungen.“ Caecilius lächelte verschmitzt. „Und manchmal ist so ein Stammbaum nicht nur unterhaltsam, sondern auch nützlich um einen Hochnäsigen auf den Boden der Tatsachen zurückzubringen. Da die Fuserlinie nun erloschen ist“, murmelte er, „bleiben von den alten Etruskern aus Tuscullum, die sich in ihrer Abstammung direkt auf den ersten König beziehen, können nur noch wenige von Bedeutung.“Prätor Lucullus drehte sich und musterte seinen dürren Vater. Dieser Mann mit dem Ruf einer der besten Anwälte Roms gewesen zu sein lebte seit dem tot seiner zweiten Frau wieder in Rom. Er hatte sich keine gute Zeit zum Kommen ausgesucht, das Flussfieber grassierte so schlimm wie seit Jahrzehnten nicht mehr.Quintus, der sich unbefangen in das Gespräch mischte, meinte. „Der alte Fuser war auf der Siegerstraße seit dem letzten Bürgerkrieg, sein Geld hat Sullas Aufstieg zum Dictator erst ermöglicht. Fuser hat in seinen jungen Jahren von Sullas Proskription sehr profitiert.“Der Prätor nickte nachdenklich. „Ich kannte ihn leider nur wegen seines Rufes. Jeder, der seine Herkunft nicht aus der alten etruskischen Stadt Tuscullum herführen konnte, galt bei ihm als neureich, selbst mein Großvater.“„Das ist bei allen Patriziern so“, bestätigte der Liktor. „Die Patrizier streben seit 500 Jahren danach wieder Könige über Rom zu sein, sie pflegen ihre Wurzeln aus dem Königshaus. Sie heiraten nur nach alten Namen und bleiben unter sich und nehmen nicht an öffentlichen Aufgaben teil außer die Aufgabe bringt Profit. Selbst heute inmitten einer modernen Welt mit offenen Grenzen für Plebejer und Fremde leben sie abgeschlossen in ihrer immer kleiner werdenden Welt.“„Fuser war eine löbliche Ausnahme“, meinte der Prätor nachdenklich. „Er nahm die Dignitas des Amtes sehr ernst. Was die anderen betrifft, habe ich kaum Kontakt zu ihnen denn sie laden ungern Gäste ein und werden deshalb ungern eingeladen.“Quintus, der zuhörte, meinte nun: „Die Leute aus der Subura sehen im tot des letzten Fusers ein Vorzeichen. Die Fusersippe war so alt wie die Stadt Rom wenn nicht älter.“„In schlimmen Zeiten glauben die Leute gerne alles“, sagte der Prätor, „wir müssen den Scharlatanen das Handwerk legen die Menschen die unmöglichsten Dinge als Wundermittel gegen das Fieber andrehen. Sag dem Präfekten der Vigiles sie sollen jeden vertreiben der kein Priester ist oder keine Handelslizenz hat und seine Wunderamulette anbietet.“ Er sah wieder zu Quintus hoch: Sind die Leute traurig über seinen tot?“Quintus schüttelte nachdenklich den Kopf: „Nein und dabei haben sie selbst drei Tage lang getrauert als Xiphilion das erfolgloseste Pferd ihres Rennstalls gestorben ist.“„Das gefällt mir nicht“, sagte Lucullus verwundert. „Der Tod eines Beamten, der doch angeblich seine Aufgaben ernst nahm. Nun ja - und was meldete der Präfekt der Cohorte Urbane?“„Es hält sich in Grenzen und könnte schlimmer kommen“, antwortete der Liktor. „Nichts ist ...“Ein lauter Angstschrei drang über die 4 Meter hohen Mauern, die das Anwesen von der Stadt abgrenzten. Prätor Lucullus stand auf aber noch bevor er einen Befehl erteilen konnte, war der Liktor sein Schwert ziehend durchs Atrium zur Pforte hinausgestürmt.Das Mädchen schrie ein zweites Mal. Rasch trat er vor und presste seine Hand auf ihren Mund. Er schmeichelte: „Du süßes Täubchen brauchst doch keine Angst haben ich bezahle dir 5 Denare!“Sie wollte die harte Hand abschütteln, doch sein anderer Arm hatte sie bereits an der Hüfte umfasst und hart zu sich gezogen.„Nein, nein, du kommst mit zu mir, mein Schatz. Was habe ich Glück und so ein Täubchen flattert mir auf dem Weg in meine Praxis in meine Arme. Hab Vertrauen ich behandele dich gut! Meine Praxis ist ganz in der Nähe“, schnarrte er betrunken in ihr Ohr. Sein Atem roch unangenehm nach Wein und faulen Zähnen. Er selbst überdeckte den Körpergeruch mit Rosenwasser und Duftölen.Sie versuchte zu fliehen und wand sich in seinem Griff. Ihre Gegenwehr schien den erhitzten Betrunkenen nur noch mehr anzufeuern.„Lass mich los ich bin keine Hure, sondern gehöre dem Senator …“Der Betrunkene lachte nur, „nun hab dich nicht so, Sklavin!“ Seine Stimme war kalt und er keuchte vor wütender Erregung. Er riss und zerrte an ihrer Tunika und versuchte gleichzeitig das Mädchen zu küssen. Während er sie in eine dunkle Gasse zog, betatschte und presste er mit der linken Hand grob ihre entblößte Brust, sodass seine Hand nun von ihrem Mund abließ und sie einen Schrei ausstoßen konnte.Auf der dunklen Gasse erschallte das Echo von genagelten Soldatenstiefeln.„Was belästigst du das Eigentum des Prätors Lucullus, bist du noch bei Sinnen Mann?“, schrie eine zornige Stimme.Kaum hatte der angetrunkene Arzt die Stimme gehört zog er schnell seine Hände von dem jungen Mädchen weg. Die Sklavin floh voller Panik hinter den breiten Rücken von Quintus.„Was“, rief der Wüstling schmeichlerisch. „Ich bin Arzt und hatte an dem elenden Ding nach Anzeichen der Seuche gesucht“, sagte der schmächtige Mann und bemühte sich seinen Ärger nicht zu zeigen. Schlagartig war seine Trunkenheit verflogen und er bedauerte, sich nicht wenigstens auf dem Aventin zusammengerissen zu haben. „Lässt der Prätor sein Eigentum zu der Zeit auf die Straße, braucht er sich nicht wundern, wenn sie ihm das Fieber ins Haus bringt.“Quintus Metellus blickte verärgert zum Mann, er schickte die Sklavin mit beruhigenden Worten zum nahen Domus und steckte sein gezogenes Schwert wieder ein. „Du bist Arzt?“, fragte Quintus und sein hartes Gesicht hätte einem Toten das Fürchten beigebracht.„Ich bin Lucinius der Arzt und Heiler und ich bin sehr in Eile, ich will in mein Haus um Kräuter und Arzneien für den erkrankten Lieblingssklaven des Senators Ru …“„Lucinius also, das trifft sich ausgezeichnet und spart mir den Weg in deine Praxis“, sagte Quintus und ein zufriedener Ausdruck schlich sich in sein Gesicht. „Das ist sehr gut, denn der Prätor will dich sehen.“„Oh ist ihm unwohl?“, fragte Licinius mit flinken Augen und gieriger Stimme. „Ich komme gleich nachdem ich dem Senator ...“„Nein, jetzt“, sagte Quintus hart und sein Gesicht war zu Stein erstarrt. Seine vier Narben, denen er die Namen seiner Folterer gegeben hatte, leuchteten Purpur in der Dunkelheit.„Aber mein Patient! Wenn es das Fieber ist …“, bettelte der Arzt.„Wenn es das Fieber ist, kannst du nichts ausrichten also kommt mit oder ich.“ Quintus grinste, „ich will dir nicht erst drohen. Folge mir jetzt!“Prätor Lucullus thronte mit unnahbarem Gesicht hinter seinem Schreibtisch und vertiefte sich gerade in Akten. Neben ihm stand sein Vater, der mit spitzen Fingern in den Akten suchte. Er sah aus, wie ein Feinschmecker der in einer Schüssel die fettesten Schnecken aussuchte.Quintus räusperte sich. „Das Mädchen, das geschrien hat, wurde von diesem Kerl hier angeblich aus reiner Menschenliebe auf die Flecken der Seuche untersucht. Prätor du kannst bei Dunkelheit keine Sklavin unbewacht auf die Straße lassen. Sag es dem Major Domus oder ich tue es mit der Faust“, meinte Quintus. „Der Kerl hier behauptet, er ist dieser Arzt Licinius, den du sehen wolltest.“Der Prätor schenkte dem Arzt nur einen kurzen Blick. „Wo ist meine Sklavin?“, fragte er seinen Liktor.„Oben in den Unterkünften.“Prätor Lucullus nickte und lehnte sich erleichtert in seinen Stuhl zurück. Er sammelte und verabscheute es das seine kostbarsten Stücke von anderen angefasst wurden. Schweigend betrachtete er Licinius. Dann fragte er endlich: „Was hat sich abgespielt, Arzt?“Auf dem hageren Gesicht des Licinius brannten rote Flecken. „Ich befand mich auf meinem Weg zu Rufus Claudius dessen Liebling erkrankt ist Prätor.“ Licinius holte sein in rotes Leder gewickeltes Medikamentenkästchen hervor. „Gerade als ich hier ankam, sah ich wie deine Sklavin taumelte und hielt es für ein erstes Anzeichen der Seuche. Ich hielt es für meine Pflicht nachzusehen, ob sie die roten Flecken aufweist. Wie sich herausstellte, war sie zu dumm und verwechselte meine Hilfe mit einer Unschicklichkeit.“Quintus Hände ballten sich und er machte den Mund auf, doch der Prätor sah ihn kurz an. Der Prätor erhob die Stimme: „Ich wollte Näheres über den tot des Ädilen Fuser hören. Wie ich hörte, warst du dabei zugegen, wie er offiziell verstarb und man dreimal seinen Namen laut ausrief ohne eine Reaktion von ihm.“„Nein, Prätor, beim Anruf der Götter, die seinen Atem genommen haben, also direkt dabei, als sein Name gerufen wurde, war ich nicht. Ein schrecklicher Verlust für Rom und die Ganze …“Lucullus unterbrach ihn. „Der Bestatter schreibt aber, du wärest da gewesen!“, sagte der Prätor mit zweifelndem Ton und gerunzelten Brauen. Licinius war ihm zuwider und bräuchte Rom nicht seine Ärzte hätte er ihn wegen groben Unfugs angeklagt oder einfach Quintus überlassen.„Herr ich war im Haus des Ädilen, ich wurde gerufen, nachdem man ihn tot gefunden hatte.“ Der Arzt Licinius hob die Hände. „Aber er war tot, er brauchte keinen Arzt, sondern die Bestatter.“„Nun dann hat der Bestatter wohl einen Fehler gemacht deinen Namen als Zeugen, das Fuser nicht an der Pest gestorben ist anzugeben, also was ist passiert?“„Fusers Gattin hat mich ins Haus rufen lassen. Sie wollte unbedingt, dass ich ihn mir ansehe.“ Er lachte verächtlich auf, „aber er war tot und lag auf dem Prunkbett im Atrium sein Leichnam war umgeben von seinen vielen Klienten. So sind eben die Weiber, sie klammern sich an die irrsinnigsten Hoffnungen und missverstehen die Sorge um die Gesundheit als unzüchtige Annäherung. Frau Fusers und sein Bruder wollten, dass ich ihn mir ansehe obwohl er bereits steif, wie ein Brett war und die Bestatter zugegen waren. Er war tot das beschwöre ich bei Aeskulap. Fuser war ein sehr alter Mann, der sich mit seiner Arbeit zu viel zugemutet hatte. Ein alter Mann bewirbt sich um ein Amt und ließ es sich nicht ausreden. Er klagte schon vorher über Unwohlsein und legte sich nach dem Abendessen sofort ins Bett. Eine äußerst unangenehme Situation für mich das die Frau sich so verbissen an unerfüllbare Hoffnungen klammert, muß ich gestehen.“„Zu welcher Stunde war das?“, fragte der Prätor und sah zum Schreiber, der sich Notizen auf seinem Wachstäfelchen machte.„Ich kam, kurz bevor die Nachtzeit anbricht und nach meinen Untersuchungen ging ich um etwa zehn.“„Ihr habt den Toten also gründlich untersucht, Arzt?“, fragte der Prätor.„Ja es gab noch genügend Tageslicht und die Lampen waren entzündet. Mein Gehilfe untersuchte den Toten nach meinen Anweisungen, ich sah ihn mir an und suchte nach den Zeichen des Fiebers. Aber zum Glück für das Haus war er an einem Anfall gestorben und lag, als er gefunden wurde im Bett. Ich sah sofort, dass es das Herz gewesen sein muß und er einen Herzschlag erlitten hatte und es nichts Auffälliges an seiner Leiche gab. Ich muß sagen, Prätor, dass sein tot mich nicht wirklich überraschte. Ich habe ihn immer davor gewarnt bei diesem Wetter die Märkte selbst zu kontrollieren, er sollte sich in seinem Alter nicht mehr mit öffentlichen Aufgaben befassen. Wozu hat ein Ädile Amtsdiener und zwei Liktoren, wenn er alles alleine macht?“Prätor Lucullus, der in dem Bericht des Bestatters gelesen hatte, ob die Seuche in Fusers Haus war und man das Anwesen eventuell zu kennzeichnen hatte, winkte ab, „was tatest du Arzt, als sein tot festgestellt wurde? Du untersuchtest ihn bei gutem Licht?“„Ich ließ meinen Gehilfen einige beruhigende Kräuter aus meiner anderen Praxis in Subura holen und bereitete der Witwe einen Trank zu. Dann riet ich dem Bruder des Toten alles würdig herrichten zu lassen, und ihn vom Atrium in einen Apollo geweihten Tempel bringen zu lassen, wie es sich nach deiner Seuchenanordnungen gehört.“„Eine kluge Anordnung des Senats. Also wer legte ihm eine Münze unter die Zunge, eine Aufgabe, die normalerweise die Kinder übernehmen.“„Sein Bruder Cornelius ich öffnete den Mund und zog seine Zunge heraus. Ich schickte anschließend meinen Gehilfen zum Apollotempel, damit man einen Priester holt, der die Eingangspforte des durch den Tod verunreinigten Hauses für die Vorübergehenden kennzeichnen kann. Dann ging ich in meine Praxis in Subura, dessen Seuchenarzt ich bin, und wurde dringend von Senator ...“„Ja gut den Rest habe ich gehört und gelesen. Gut, das wäre alles. Du kennst als Hausarzt die Wünsche Fusers, soll ich im Senat ein Staatsbegräbnis beantragen. Große öffentliche Zeremonien sind momentan verboten aus Angst die Krankheit damit weiter zu verbreiten aber Fuser war ein wichtiger Beamter, der sich für die Stadt opferte.“„Das währe wohl sehr ehrenvoll für die Fusers.“Nachdem dem Prätor klar war, Licinius wusste nichts, über die Wünsche der Fusers wurde er von einem Sklaven zur Pforte hinausgebracht. Quintus sah Licinius nachdenklich hinterher, dann hielt er es nicht mehr aus und rief: „Er ist ein verdammter Lügner. Was er über die Sklavin erzählt hat, stimmt nicht! Er hat sie belästigt und hätte dein Eigentum zu etwas gegen deinen Willen gezwungen!“„Das habe ich mir gedacht, er hat seinen Ruf“, sagte der Prätor kalt. „Einige unschöne Geschichten und Dinge sind an meine Ohren gedrungen. Kein sehr gebildeter Mensch, dieser angebliche Arzt, der zudem für seine Grausamkeit gegenüber Sklaven berüchtigt ist. Deshalb wundert mich das ausgerechnet so einer der Hausarzt einer angesehenen Sippe, wie die der Fusers ist.“ Der Prätor sah zu seinem Vater, der mit gerunzelten weißen Brauen nachdenklich in den Berichten blätterte.„Ha da stinkt was.“ Er warf den Bericht des Bestatters auf den Tisch und sagte: „Die Ehe ist vor einem halben Jahr arrangiert worden. Eine junge Frau klammert sich verzweifelt an den Leichnam eines alten Mannes der so trocken wie Staub ist? Und dann frage ich dich, seit wann bekommt man eine blaue Zunge durch einen Herzanfall und warum erwähnt das dieser Arzt nicht?“„Er hatte eine blaue Zunge, Vater?“„So steht es zumindest im Bericht des Bestatters. Du weißt seitdem die Seuche grassiert muss jeder Todesfall eines Bürgers gemeldet werden und dem aufmerksamen Bestatter ist die blau verfärbte Zunge aufgefallen und eine Notiz wert gewesen.“ Lucullus Vater sagte nach einer Pause: „Nun kein Arzt, der noch einen anderen Termin hat, fasst einen Toten an, das erledigen die Gehilfen der Ärzte und die sind nicht immer sehr gewissenhaft.“„Das könnte eine Erklärung sein“, stimmte der Prätor zu. „Aber ich fragte ihn extra, ob er die Leiche des bei genügend Licht untersuchte.“ Er schmunzelte und sah zärtlich zu seinem Vater: „Auch ich habe den Bericht gewissenhaft gelesen und bin im Geist an derselben Stelle gestolpert.“Quintus setzte sich an den Tisch und nahm sich ein Becher Wein, aus dem zuvor der Prätor getrunken hatte. „Spätestens, wenn man ihm die Münze unter die Zunge klemmt, wird er das gesehen haben. Aber vielleicht hat er keine guten Augen im Gesicht oder hat nie gelernt, Rot und Blau zu unterscheiden. Aber das deine Sklavin ein leckeres Täubchen ist hat er bei dieser Dunkelheit mit seinen Falkenaugen sehr wohl erkannt.“