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Samstag – 22. Juni 2013

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Die Köpfe gesenkt und der Blick starr auf den mausgrauen Linoleumboden gerichtet. So saßen sie nun schon lange auf diesen harten Metallstühlen. Die Stille im Raum war schier unerträglich.

Wann erlöst SIE uns endlich? Letztendlich haben wir alle doch zur Aufklärung der abscheulichen Geschichte von damals beigetragen. Gut, vielleicht hätten wir das wichtigste Beweismittel nicht so lange zurückhalten sollen. Aber es ging um Sepp und Schorsch. Sollten sie ihre letzten Lebensjahre in einer kahlen Zelle im Gefängnis verbringen? Na ja, da war noch die Sache mit dem Boot. Zugegeben, es war leichtsinnig und hätte böse ausgehen können. Trotz allem. Schmollend presste Helene die Lippen zusammen und blickte in die Runde. So behandelt zu werden hatten sie nicht verdient.

Herbert starrte nach wie vor stumm vor sich hin; ebenso wie Sepp und Schorsch. Nur Gundel versuchte unentwegt, mit ihrem Handballen die Kratzspuren auf der Tischplatte zu polieren, die Delinquenten in ungleich kriminellerer Situation hinterlassen hatten.

Vorsichtig hob Helene die Augen zur Spiegelfläche an der Wand.

***

Nicole Wegener, Kriminalhauptkommissarin der Mordkommission Offenbach, beobachtete das Quintett durch die venezianische Glasscheibe. Seit mehr als einer Stunde ließ sie die Fünf schmoren. Einerseits war sie mächtig sauer, andererseits aber schmerzlich betroffen. Zum

x-ten Mal überflog sie die Anschuldigungen. Zurückhaltung von Beweismaterial, Behinderung und Einmischung in die polizeilichen Ermittlungen sowie Gefährdung von Leib und Leben. Letzteres ordnete die Hauptkommissarin jedoch eher in die Rubrik der Unvernunft ein. Lag es doch in der Natur dieser alteingesessenen Urgesteine, ein gewisses Fremdeln gegenüber Nichteinheimischen an den Tag zu legen.

Seit über neun Jahren lebte sie schon in dem ruhigen und malerischen Seligenstadt am Main, in dessen Abschnitt der Fluss die Grenzlinie zwischen Hessen und Bayern bildete. Mit seinen charmanten Fachwerkhäusern zählte das historische Städtchen zu einem der ältesten in Deutschland. Bereits im Mittelalter schätzten Kaufleute auf ihrem Weg zur Messe nach Frankfurt die sicheren Mauern der Stadt als letzte Übernachtungsstation. Desgleichen wurden Kaiser und Könige gerne unter lautstarkem Jubel willkommen geheißen, obwohl – so Nicoles Vermutung – Monarchen wie auch Händler, eher als geduldete Durchreisende und einzig wegen ihrer klingenden Münzen beherbergt wurden. Wen wundert’s also, dass die Alteingesessenen ihr, einer Zugezogenen dazu einer Kriminalbeamtin, die lang verdeckte Geheimnisse und somit alte Wunden ans Tageslicht zerrte, skeptisch gegenüberstanden. Das Bedürfnis die Dinge in den eigenen Reihen zu klären war noch immer stark verankert und deshalb zwar nachvollziehbar, aber dennoch nicht rechtens. Der Staatsanwalt würde das genauso sehen. Folglich musste sie einen Weg finden, damit die Sache erst gar nicht vor Gericht kam. Außerdem hatte Nicole Gewissensbisse. War es ihr doch nur durch Helenes Freundschaft und deren Bekanntschaft zu den Einwohnern gelungen an Interna zu kommen, zu denen sie ansonsten keinen Zugang erhalten hätte, oder nur sehr schwierig. In gewisser Art hatte sie Helene und die anderen dazu ermutigt die polizeilichen Ermittlungen voranzutreiben. Trotzdem musste sie dieser selbst ernannten So-Ko eine Standpauke halten. Ein solcher Vorfall durfte sich nicht keinesfalls wiederholen.

Gleichwohl war die Aussicht gering, dass es erneut zu einer Gewalttat wie Mord, in ihrem idyllischen Wohnort, kommen würde und diese Personen involviert wären. Immerhin betrug deren Durchschnittsalter siebenundsiebzig Jahre.

Düsteres Erbe

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