Читать книгу Schaaf ermittelt - R.J. Simon - Страница 3
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ОглавлениеIch bedanke mich herzlich bei der Familie Fisch aus dem Salon35 in Hirschberg für die Unterstützung.
Es war eine ganz ungemütliche, kalte Nacht. Eine von jenen, wo man sich gerne ins warme Bett kuschelt und das mollige Nest nicht verlassen möchte. Es wehte ein eisiger Wind aus Osten, der den kommenden Winter ankündigte, und der die gefühlte Kälte tiefer erscheinen ließ, als sie es tatsächlich war. Auf der feuchten Straße glitzerte der Asphalt verdächtig nach Eisglätte. Ganz feine Tröpfchen lagen in der Luft, von denen man nicht wusste, ob es winzige Regentropfen oder Schneekristalle waren, die sich da wie kleine Nadelstiche frostig in die unbedeckten Hautpartien bohrten. Der Mond verbarg sich hinter einer dünnen Dunstschicht, so dass sein Licht einen dicken hellen Klecks in die Wolkendecke zauberte. Die kahlen Bäume reckten ihre knochigen schwarzen Äste und Zweige in den vom Mondlicht erhellten Nachthimmel.
In einem kleinen Park unweit der Kirche drehte ein nächtlicher Spaziergänger, die Hände tief in den Taschen seiner Jacke vergraben um sie von der Kälte abzuschirmen, gemächlich seine Runde. Vor der Nachtruhe wollte er seinen Hund noch einmal sein Geschäft erledigen lassen. Dazu ging er vor dem Zubettgehen jeden Abend mit seinem vierbeinigen Gefährten in diesen kleinen Park. Diese Grünanlage war bei allen Hundebesitzer aus der näheren Umgebung für diese Spaziergänge sehr beliebt. Doch zu dieser späten Stunde waren die beiden alleine unterwegs.
Der Hund lief ohne Leine und einige Schritte voraus, denn er kannte den abendlichen Weg genau. Plötzlich schlug er jedoch unverhofft einen anderen Weg ein und bog in einen Abzweig, in einen kleinen Nebenweg, ein. Der Hundehalter dachte noch ´Was macht er denn jetzt´, befürchtete aber nicht, dass ihm sein Hund ausbüchsen wollte. Der Vierbeiner war ihm immer treu geblieben und wich nie von seiner Seite. Dann hörte das Herrchen ein aufgeregtes Bellen durch die Nacht schallen und lief unbedarft zu der Stelle, die sein Hund derart verbellte und blieb dort stehen, als wenn er gegen eine unsichtbare Scheibe gerannt wäre. Was er da im Schummrigen zwischen Licht und Schatten so unverhofft sah, schnürte ihm die Kehle zu und ließ ihn an seinen Augen zweifeln.
Der Hund hatte eine Leiche gefunden und machte sein Herrchen mit lautem und nervösem Gebell darauf aufmerksam. Er bellte den blassen toten Körper dauernd an und schaute dann schwanzwedelnd zu seinem Herrchen, um stolz zu zeigen: „Guck mal was ich gefunden habe.“
Obwohl die nächste Laterne einige Meter weit weg stand, konnte der Mann das Schreckliche, was da im Gebüsch lag, sehr gut in der Dunkelheit erkennen. Seine Augen hatten sich auf dem bisherigen Weg schon gut an das Dunkel gewöhnt. Er stand wie festgefroren da und starrte die Leiche vor ihm an. Das Bellen seines Hundes hörte er gar nicht mehr in der Situation. Er spürte und hörte zunächst überhaupt nichts. Auch die Kälte, die ihn zuvor frösteln ließ und ihn hoffen machte, dass sein Hund schnell mit seinem Bedürfnis zu Ende kam, um wieder ins warme Haus zu kommen, registrierte er nicht mehr.
Seine Augen klebten fest an der blassen Frauenleiche, die da vor ihm im kalten Laub lag. Deren Anblick blockierte ihm alle sonstigen Sinne, er fixierte sie und konnte den Blick nicht abwenden. Bewegungslos stierte er auf die leblose Gestalt. Aber es warf ihn nicht die eigentliche Tatsache so aus der Bahn, dass da offensichtlich eine tote Frau vor ihm lag, sondern der Zustand der Toten.
Ihr Kopf war von oben her, bis zur Nasenspitze komplett mit braunem Klebeband eingewickelt. Der Mund und der Hals lagen frei. Die Lippen blutleer und nicht viel dunkler als der Teint um den Mund. Ab den Schultern war die Frauenleiche wieder völlig mit dem Klebeband, bis zur Hüfte eingepackt. Einzig ihre Brüste wurden freigelassen und leuchteten bleich im Dunkeln. Ab der Hüfte bis hin zu den Zehen war sie vollkommen nackt.
Der unverhüllte Hals der Toten war mit Schnitten übersäht und mit Blut überschwemmt. Er stierte auf die klaffenden Wunden am Hals. Das sah aus, als ob jemand den Teil zwischen Wange und Schulter in unzählige senkrechte Streifen geschnitten hätte. Das war nicht eine, sondern zehn, zwanzig Wunden, die blassrot schimmernd aufklafften. Abscheulich und abstoßend, fast unreal. Der Vergleich einer Portion Mett, die aus dem Fleischwolf quillt, drängte sich ihm auf. Das Packband, welches darunter begann, war im gesamten Bereich des Oberkörpers und der Schulterpartie mit getrocknetem Blut verklebt. Massenhaft Spritzer und rotbraune, erstarrte Flüsse zeigten das Ausmaß der satanischen Handlung.
Zwangsläufig stellte er sich vor, was da ablief. Welche Qualen und Ängste die arme Frau in ihren letzten Minuten oder sogar Stunden durchlebte. Bei den Verletzungen, die ihr offensichtlich beigebracht wurden. Wer weiß, was ihr noch alles widerfuhr, bis der Tod sie erlöste. Für einen ganz kurzen Augenblick, nur ein Blitz, wurde es ihm schwarz vor den Augen, aber seine Sinne kamen sofort wieder zurück.
So etwas Ekelhaftes und Abartiges hatten seine Augen noch niemals erblicken müssen. Er hätte sich noch nicht einmal im Geiste vorstellen können, dass es so was wirklich gibt und es ihm jemals begegnen würde. Solche Bilder kannte man nur aus Filmen oder hörte in den Nachrichten davon. Alles weit entfernt und es betraf einen selbst nie direkt.
Wie er nach diesem grausigen Fund wieder nach Hause kam, um von dort die Polizei zu verständigen, wusste er nicht mehr. Der Hilferuf verlief allerdings nicht gleich so, wie er sich das gewünscht hätte. Der Beamte stellten am Telefon erst einmal unnötige und wertvolle Zeit kostende Fragen, nachdem er ihm den Leichenfund im Kurfürstenpark meldete. Dass der Beamte seinen Namen wissen wollte, sah er ja noch ein. Aber der Polizist fragte auch danach, ob er Alkohol getrunken habe, welchen Tag wir hätten und ob er von seinem eigenen Telefon aus anrief.
Er war aufgeregt und nervös, natürlich, aber diese Art von Fragen fand er sehr übertrieben und sie ärgerten ihn unglaublich. Von dem Anruf erhoffte er sich schnelle Hilfe und auch ein wenig Verständnis und Beruhigung. Stattdessen kam es ihm so vor, als wenn der Polizist glaubte, er sei völlig betrunken oder würde phantasieren.
Angesichts der Tatsache, dass er eine tote Frau mit Misshandlungsspuren gefunden hatte, war er völlig verstört, so dass es ihm wie eine kleine Ewigkeit vorkam, bis der Sprecher auf der anderen Seite endlich sagte: „Ich schicke mal eine Streife vorbei.“ Wie als ob der Kerl dachte, er will ihn verarschen oder einfach nur Aufmerksamkeit mit seinem Anruf bewirken.
„Sind sie jetzt zu Hause Herr Bundschuh?“
„Ja klar!“
„Dann bleiben sie dort, die Kollegen kommen zu ihnen und dann können sie ihnen alles erzählen.“
Es dauerte eine ganze Weile, bis es endlich klingelte und die Polizisten bei ihm eintrafen. Für die Situation, in der er sich nach seinem Leichenfund befand, viel zu lange. Wegen der Anspannung unter der er stand, wurde jede Sekunde zur Stunde und schien endlos. Am liebsten hätte er zu seiner Beruhigung einen Cognac genommen, aber er befürchtete, dass wenn die eintreffenden Polizisten eine Alkoholfahne bei ihm erschnupperten, sie seine Meldung erst recht auf übermäßigen Alkoholgenuss geschoben hätten und noch weniger ernst nahmen.
Also quälte er sich ohne alkoholische Beruhigung durch die zähe Wartezeit. Herr Bundschuh war an diesem Abend alleine, seine Frau hatte Nachtdienst im Pflegeheim, sodass er auch niemanden hatte, mit dem er hätte reden können. Das einzige Wesen, mit dem er sich über die letzten Minuten und seine Verfassung unterhalten konnte, war sein Hund. Der hörte ihm auch geduldig und stumm zu und legte, als einzige Reaktion, gelegentlich den Kopf schief und stellte seine Ohren auf, wenn ihm eines der leise gesprochenen Worte besonders gut gefiel. Trotzdem tat ihm der Monolog mit seinem treuen Gefährten gut.
Als das erlösende Klingeln die Wartezeit beendete, öffnete er sofort die Tür. Davor standen zwei Streifenpolizisten in Uniform, die ihn freundlich anlächelten und einen schönen Abend wünschten. „Sind sie Herr Bundschuh?“
„Ja.“
„Können wir rein kommen?“
„Klar“, bejahte er und gab die Tür zum Eintreten frei. Die beiden Polizisten folgten ihm ins Wohnzimmer, wo sie sich dann noch einmal versicherten, dass er wirklich glaubte, eine Leiche gefunden zu haben. Während der eine mit ihm sprach sah sich der andere in dem Raum um. Herr Bundschuh bestätigte seinen Fund abermals und es gab von seinem Verhalten her keinen Grund an seinem Geisteszustand zu zweifeln.
„Na dann kommen sie mal mit und zeigen uns, was sie entdeckt haben“, entschied dann der Ältere. Die Art wie er das sagte, glich der, wie man mit einem Deppen sprach.
Sofort zog Herr Bundschuh sich, ohne etwas zu erwidern, seine Jacke über und ging mit den beiden Polizisten aus dem Haus. Obwohl er sie darauf hinwies, dass der Park und der Fundort nur wenige Meter entfernt lagen, sagten sie, er solle zu ihnen in den Streifenwagen einsteigen und sie fuhren zum Park.
Der Fahrer steuerte den Wagen direkt in den Eingangsbereich, sodass seine Lichtkegel den mit Bäumen gesäumten Weg ordentlich erhellten. Die Scheinwerfer ließen sie eingeschaltet. Der Ältere der beiden öffnete ihm die Tür, sodass auch er aussteigen konnte.
„So, nun zeigen sie uns doch mal, wo die Leiche liegt.“
In dieser Aufforderung lag für seinen Geschmack schon wieder etwas Sarkastisches und Hohn. Er sah den jüngeren der beiden Polizisten, der das so abwertend und ungläubig sagte, kurz schräg an, gab aber keine Antwort und ging, gefolgt von den beiden Beamten, in den Park hinein. Ihm war schon etwas mulmig dabei, denn er wusste ja schon, was ihn erwartete. Den Anblick der Toten würde Herr Bundschuh sein ganzes Leben lang nicht mehr vergessen. Und er hatte nicht vor, sich das noch einmal ansehen zu müssen.
Ungefähr zwanzig Meter vor der Stelle, wo die Frauenleiche lag blieb Herr Bundschuh stehen und deutete darauf. „Dort vorne liegt sie“.
„Ich sehe nichts“, stichelte der Jüngere.
„Dann gehen sie doch einfach mal ein Stückchen weiter“, sprach Herr Bundschuh ein wenig gereizt. Er selbst bewegte sich keinen Zentimeter weiter und demonstrierte deutlich, dass er nicht gedachte dorthin zu gehen.
Der Ältere knipste seine große Taschenlampe an, zog seinen jüngeren Kollege sanft am Unterarm und lief weiter in die angegebene Richtung. Der Jüngere folgte ihm, aber nicht ohne vorher den Zeugen in scharfem Ton aufzufordern: „Sie warten hier!“
`Hauptsache ich muss nicht mit´, dachte er still und vermutete, dass ihnen ihr Leichtmut in wenigen Metern schnell vergehen würde.
Nach einigen Sekunden, in denen er noch hörte, wie die Polizisten sich unbeschwert unterhielten kündigte ein kurzer, scharfer Schrei an, dass sie die Leiche entdeckt hatten. Dass dieser Schrei von dem Jüngeren stammte, wusste er, als er den Älteren, erschrocken aber gefasst, sagen hörte „Oh mein Gott. Geh zum Wagen und hol die Absperrungen, schnell.“
Der Jüngere spurtete sofort los. Während er rannte jammerte er immer wieder Unverständliches vor sich hin. Er war sichtlich mit dem Anblick und der Situation überfordert. Als er auf seinem Weg zurück zum Streifenwagen an Herr Bundschuh vorbeihuschte, rief er ihm nur zu „Sie warten noch und rühren sich nicht vom Fleck.“
`Keine Sorge ich werde dir nicht helfen. Du hast ja scheinbar alles fest im Griff‘ grinste Herr Bundschuh in sich hinein.
Dann rannte der Polizist mit den Absperrutensilien in die Nähe der Leiche und sicherte den Fundort ab. Währenddessen verständigte sein Kollege die Wache und forderte die Spezialisten der Mordkommission an. Er blieb während seines Telefonats in unmittelbarer Nähe der Leiche, fast, als wolle er sie bewachen.
Danach standen die Beiden noch einen Moment eng beisammen und beruhigten sich gegenseitig. Herr Bundschuh blieb geduldig an seinem Platz stehen und wartete ab. Der Jüngere kam dann direkt auf ihn zu. Mit sichtbar zitternden Händen, erschrockenem Blick und bleich, wie die Scheibe des Vollmondes, sagte er dann zu ihm, dass er nach Hause gehen und abwarten soll. Wenn bis in zwei Stunden niemand bei ihm war, konnte er schlafen gehen. Dann würde er morgen von den Kollegen aufgesucht werden.
„Das ist meine erste Leiche“, entschuldigte er sich abschließend beinahe schon und klang versöhnlich. Sein Hochmut war komplett verflogen.
„Meine auch!“
Herr Bundschuh war erleichtert weggeschickt zu werden und machte sich sofort auf den Heimweg. Dort angekommen begrüßte sein Hund ihn überschwänglich und er gönnte sich dann doch einen Cognac für die Nerven. Herr Bundschuh trank sehr selten Alkohol, war eigentlich schon fast dagegen, aber in der Situation tat der Schluck wirklich richtig gut. Dann saß er auf der Couch, seinen Hund halb auf dem Schoß, und zappte durch die Programme im Fernsehen, um Ablenkung zu finden und die Zeit bis zum Eintreffen der Beamten der Mordkommission zu überbrücken. Obwohl gar nicht sicher war, dass ihn überhaupt noch jemand aufsuchte.
Erst in dieser Nacht wurde Herr Bundschuh bewusst, wie viele Krimiserien und Spielfilme gezeigt wurden, in denen es um Mord und Totschlag ging. Beinahe auf jedem Sender stieß er auf Tote und Ermittler, die den Tätern auf der Spur waren. Es wurde geschossen, erstochen und gemeuchelt. Wenn man gerade selbst in einen Mordfall hineingestolpert war, nicht gerade die passende Unterhaltung. Herr Bundschuh gönnte sich, auf diese Erkenntnis hin, gleich noch einen kleinen Cognac. Das war eine groteske Situation. Er entschied sich für einen Bericht über Wölfe, die sich im Osten wieder ansiedelten und ausbreiteten.
Es dauerte dann tatsächlich beinahe zwei Stunden, bis es wieder an der Tür läutete. Für Herr Bundschuh eine kleine Ewigkeit. Vor der Tür standen zwei Beamten in Zivil, die sich auch ordentlich auswiesen.
„Guten Abend. Ich bin Kriminalhauptkommissar Schaaf und das ist mein Kollege Herr Busch.“
Der Kriminalhauptkommissar hielt ihm seinen Ausweis, gut sichtbar in Augenhöhe entgegen. Seine Stimme klang beruhigend und weckte Vertrauen. Schon durch sein Erscheinungsbild wirkte der Kriminalhauptkommissar sehr vertrauenswürdig. Er bewegte seinen erheblichen Leibesumfang gemächlich und ohne Hetze und sein Haarschopf war, bis auf einen grau melierten Kranz, um seine Glatze herum reduziert. Von der Körpergröße erreichte er nur knapp die Höhe von Herrn Bundschuhs Kinn und war somit kein groß gewachsener Mann. Wohingegen seine Präsenz eine ungleich stattlichere Größe verkündete.
Schaaf trug stets dunkle Anzüge und im Winter oft zusätzlich eine Weste und einen langen wollenen Mantel. Täglich zeigte er sich frisch rasiert und sehr gepflegt. Würde man ihn in eine braune Sackleinenkutte stecken und ihm einen Strick um den Bauch binden, gäbe er optisch einen vortrefflichen Mönch ab. Jemand, dem man sich anvertraut und der alleine schon durch sein Auftreten beruhigend auf andere wirkt.
Herr Busch hingegen stand schlank und unscheinbar, in einem vermeintlich zu großen Trenchcoat neben ihm und wirkte eher wie ein Schuljunge im Vergleich zu Herrn Schaaf, obwohl er den um Kopfeshöhe überragte. Busch hielt ebenfalls seinen Ausweis Herrn Bundschuh entgegen. Allerdings etwas zu hoch und obendrein auch noch verkehrt herum, sodass für Herrn Bundschuh alles auf dem Kopf stand. Der Beamte bemerkte seinen Fehler aber gleich und beim Versuch diesen zu korrigieren, fiel ihm sein Kärtchen aus der Hand.
Etwas umständlich fummelte Herr Busch den Ausweis wieder vom Boden hoch und wollte ihn noch einmal zeigen. Herr Bundschuh lehnte dann nickend ab. „Ja ist schon OK.“
„Dürfen wir einen Moment hereinkommen?“, fragte Kommissar Schaaf, der auch ansonsten das Sprechen übernahm. Er sprach weiterhin ruhig und mit angenehmer Stimmlage. Herr Busch, so schien es, war eher zum Schweigen verdammt.
„Ja natürlich.“ Er bat die Herren in sein Wohnzimmer. Dort fiel der Blick des Kriminalhauptkommissars gleich auf das Glas neben der Cognacflasche auf dem Tisch.
„Nerven beruhigt“, fragte er knapp.
„Ja. Aber nur einen Kleinen, ich bin nüchtern“, erklärte Herr Bundschuh, als wäre er angeklagt worden.
„Kein Problem, das erlebe ich oft so. Sie machen auf mich auch keinen Eindruck, als ob sie nicht im vollen Besitz ihres Geistes wären“, zeigte Herr Schaaf Verständnis.
„Sie haben also die Leiche gefunden und die Polizei verständigt?“
„Ja.“
„Direkt vom Fundort aus, oder sind sie nach Hause gelaufen?“
„Von zu Hause. Ich hatte kein Handy dabei. Ich wollte nur kurz den Hund Gassi führen.“
„Ich nehme an, sie gehen dort öfter mit ihrem Hund spazieren. Ist ihnen irgendwas aufgefallen, was anders war als sonst?“
„Nein nichts. Es war alles wie immer.“
„Kam ihnen vielleicht jemand auf dem Weg in den Park entgegen, oder haben sie sonst jemanden gesehen?“
„Nein, es war niemand da. Nur mein Hund und ich.“
"Haben sie die Tote berührt?"
"Nicht dass ich mich erinnern könnte. Ich habe mich nur nach unten gebeugt, um meinen Hund am Halsband zu packen und ihn da wegzuziehen."
Die Fragestellung kam bei Herrn Bundschuh vernünftig an. Er hatte nicht das Gefühl, dass der Kommissar ihm unterschwellig Vorwürfe machte, weil er nichts weiter dazu sagen konnte, als das, was schon als Tatsache im Raum stand. Es gab eine Leiche, die er gefunden hatte und weiter konnte er nichts berichten.
„Ok, dann war es das vorerst. Ich werde mich noch einmal bei ihnen melden. Falls ihnen doch noch etwas auffällt, sie etwas hören sollten hier im Umfeld, hier ist meine Karte. Ich wünsche ihnen eine gute Nacht.“
„Auf Wiedersehen und gute Nacht“ wünschte ihm Herr Busch ebenfalls und ging nach seinem Chef aus der Tür.
„Hätten sie den Zeugen nicht mehr ausfragen und energischer nachhaken sollen?“, fragte der Assistent, als sie die Straße wieder betraten.
„Nein, warum denn? Er hat nichts gesehen. Er hat lediglich die Leiche entdeckt. Und dann ist er sicherlich auch müde und will in sein Bett.“
„Aber wir haben gelernt, man muss die Zeugen unter Druck setzen, damit sie gefordert werden und sich an Details erinnern.“
„Ach was! Er ist ein Zeuge und kein Tatverdächtiger. Warum sollte ich ihn quälen? Die Fragen, die ich ihm stellte waren genug. Wenn ihm so nicht bewusst ist, dass ihm jemand begegnet ist, wird sich das auch unter Druck nicht ändern. Und außerdem ist es wesentlich sinnvoller und effektiver, nach einem oder zwei Tagen noch einmal vorbeizusehen. Denn wenn die Leute eine Nacht über ein solches Erlebnis geschlafen haben, wird oft einiges klarer. Über Nacht hat sich schon vieles verändert!“
Das hörte sich für den Assistenten auch schlüssig an und er schwieg. Ihm wurde die Theorie beigebracht. Schaaf kannte die Praxis. Busch wusste schließlich, dass sein Chef ein alter Hase mit sehr viel Erfahrung war, dem eine unglaublich gute Aufklärungsquote voraus eilte. Schaaf wusste genau was er tat und nichts davon war unnötig oder gar unsinnig. Das hatte man Busch mit auf den Weg gegeben. Er stand erst seit wenigen Tagen an der Seite von Schaaf und dieser Mord hier war der erste kapitale Fall in den er einstieg.
Im Gegensatz zu den Streifenpolizisten gingen Schaaf und Busch zu Fuß den Weg vom Haus des Zeugen zum Park. Der KHK wollte das so. Sie ließen ihren Wagen dort stehen und liefen still den Weg zur Fundstelle. Herr Busch beobachtete dabei, dass sein Chef sich irgendwie anders bewegte als normal. Er sah sich genau um und schien alles im Blick zu haben. Fast war es, als wolle er auch die Umgebung riechen und spüren, um in ihr aufzugehen. Welchen Zweck das haben sollte eröffnete sich Busch allerdings nicht. Er ließ das Tempo seinen Chef bestimmen und blieb zurückhaltend an dessen Seite.
Schon am Eingang zu dem Park war der hell erleuchtete Fundort der Leiche hinter den laubfreien Büschen und Bäumen gut zu erkennen. Es herrschte dort eine hektische Betriebsamkeit. Trotz der späten Stunde erkannte der Assistent, dass einige Personen, ganz offensichtlich Schaulustige, an den Absperrungen standen, um die Arbeit der Polizei zu beobachten. Darunter befanden sich auch bestimmt einige, die unbedingt einmal eine echte Mordleiche sehen wollten.
Als sie den abgesperrten Bereich betraten, wurde Schaaf von allen höflich und freundlich begrüßt. Viele nannten ihn Schäfchen, was sein Spitzname war, den aber nur wirklich enge Kollegen oder gar Freunde benutzten. Natürlich war er, aufgrund seiner langjährigen Tätigkeit bei der Mordkommission auch bei den Gerichtsmedizinern bestens bekannt.
„Hallo Schäfchen“, begrüßte ihn der Gerichtsmediziner. „Du hast Dienst! Eine ungemütliche Nacht.“
„Du sagst es. Aber ich habe noch keinen Täter kennengelernt, der darauf Rücksicht genommen hat.“ Auf eine weitere Unterhaltung ließ sich der Chef nicht ein. Seine Sinne waren nur noch offen für die Umgebung und Spuren. Schaaf näherte sich der Leiche, ohne die Arbeiten seiner Kollegen zu behindern, und sah sich die Tote und die Stelle genau an. Zuerst hatte bereits der Polizeifotograf seine Bilder geschossen, bevor irgendwer am Tatort etwas berührte und damit veränderte. Der Pathologe war gerade dabei seine vorläufige Leichenbeschau vorzunehmen und erst wenn alle mit ihrer Arbeit fertig waren, würde der KHK sich alles selbst noch einmal genau ansehen.
Sein Assistent blieb stets still ein Schritt hinter ihm. Das hatte Schäfchen ihm vorher so angewiesen. Er konnte es nicht brauchen, dass ihm jemand in den Füßen herumläuft und ihn mit Fragen ablenkt. Was bei einem jungen nervösen Assistenten durchaus passieren konnte.
Mit so viel Abstand, wie es nötig war, um niemand bei der Arbeit zu behindern, stand Kriminalhauptkommissar Schaaf da und besah sich die Leiche und den Fundort.
Die Tote lag direkt neben dem Weg im Gebüsch auf dem Rücken. Es gab keine Anzeichen, dass versucht wurde, den Körper zu verstecken oder abzudecken. Sie wurde einfach dort abgelegt. Eventuell fehlte dem Täter die Zeit sie weiter ins Gebüsch zu ziehen. Jeder, der hier vorbeikam, hätte sie finden können. Herr Bundschuh war einfach der erste, der hier entlang lief, seit sie dort lag.
Also, so war die erste Schlussfolgerung von Schaaf, musste man herausfinden, wann wer für gewöhnlich hier spazieren ging. So konnte man den Zeitpunkt eingrenzen, in dem die Tote abgelegt wurde. Dass es sich hier auch um den Tatort handelte, schloss der Kommissar bereits aus.
„Sie gehen die nächsten drei Tage hierher und befragen die Menschen, ob und wann sie hier vorbeikommen. Der Park ist sicherlich sehr beliebt bei allen Hundebesitzern in der Umgebung! Und die haben oft ziemlich feste Zeiten in denen sie rausgehen.“
„Ok das mache ich“, zeigte sich der Assistent arbeitsam.
Die Leiche selbst sah grausam aus. Ihr Kopf war komplett mit Klebeband eingeschnürt. Selbst über die Augen, bis hin zur Nase. Seitlich schauten unter der letzten Lage des Klebebandes kurze, blonde Spitzen der Haare hervor. Der Mund und der Hals lagen dagegen frei. Der Hals war mit unzähligen, längs gerichteten Schnitten übersäht, sodass jede Menge Blut diesen und das Dekollete verklebte. Das Klebeband, das ab Höhe der Schultern wieder begann und den Körper bis zu den Hüften weiter einschnürte, die Arme wurden somit fest an den Körper gepresst, war ebenfalls völlig mit Blut verspritzt. Es muss in Strömen geflossen sein, die sich als kleine braunrote Bäche zeigten, und die arme Frau war dabei wehrlos in dem Klebeband gefangen. Die Hände ragten am Ende hervor. Ihre Brüste waren ebenfalls frei und sichtbar. Insgesamt machte die verpackte Leiche den Eindruck, einer Mumie.
Von der Hüfte an bis zu den Zehen war die Tote nackt. Wie vermutlich auch unter dem Klebeband, was die Gerichtsmedizin sicher bestätigen würde.
„Das Klebeband auf jeden Fall auf Fingerabdrücke und DNA untersuchen und natürlich woher es stammen könnte“, gab der Kommissar eine kurze Anweisung.
Welcher Verrückte war da am Werk gewesen? Ist es ein Fetischmord? Ein Sadist? Geht das auf die SM Szene zurück? Was treibt einen Menschen zu einer solch abartigen Tat? Schäfchen sah schon in unzählige schwarze, tiefe Abgründe menschlicher Seelen und die Auswüchse davon. Ihn konnte nichts mehr schocken. Es machte Schaaf aber immer wieder traurig wenn er erlebte, wie kaputt die Menschheit war und es ihm bewusst wurde, wie normale und brave Menschen leiden mussten, falls sie in die Fänge eines solchen Psychopathen gerieten.
Sein harter Job, mit dem Tod und der täglichen Gewalt, hatten sein Mitgefühl noch nicht absterben lassen. Natürlich war Schaaf abgehärtet gegen das, was er in seinem Beruf mit ansehen musste. Aber dennoch blieb er ein mitfühlender Mensch, den das Schicksal der Opfer nicht unberührt ließ.
Sein Assistent hinter ihm drehte sich mehrmals von der Leiche weg. Das spürte Schaaf genau. Aber Herr Busch gab keinen Ton von sich und lief auch nicht davon. Dafür erntete er schon eine gewisse Anerkennung von Schäfchen. Es waren nicht wenige Kollegen, die er in seiner langen Laufbahn beim Anblick ihrer ersten Leiche hatte umkippen sehen. Und dabei waren auch oft Tote, die aussahen, als schliefen sie nur. Seine allererste Leiche zu verkraften, die so zugerichtet war, wie diese Frau da vor ihnen, war schon starker Tobak.
Der Kommissar sah sich alles genauestens an. Er versuchte dieses Bild als nüchterne Fakten in sich aufzunehmen, um es nicht zu sehr an sich heranzulassen. Er musste zur Aufklärung des Mordes alle Details kennen und genau, jeder Zeit abrufbereit, vor Augen haben, damit er den Täter, wenn er ihn vor sich hatte, auch erkennen konnte. Denn oft waren es nur winzige Kleinigkeiten die den Täter verrieten. Und wenn Schäfchen wusste, dass die Person vor ihm der Mörder war, dann fand er auch einen Weg ihn zu überführen. Bis jetzt brachte er jeden vor Gericht, von dem er überzeugt war, dass das der Täter war und keiner von denen wurde frei gesprochen.
Eine kurze Bemerkung seines Assistenten Busch, der damit gegen die Anweisung ruhig zu sein verstieß, ließ Schäfchen dann aufhorchen. „Die konnte ja noch nicht einmal schreien, oder nur ganz kurz, so wie ihre Stimmbänder zerschnitten sind“, plapperte er unüberlegt los.
Das könnte ein Anhaltspunkt sein. „Es geht um die Stimme“ kam eine erste, vage Vermutung in Schäfchen auf. Denn die Schnitte hatten eindeutig einen anderen Zweck, als dem Opfer nur die Kehle aufzuschneiden. In dem Falle wäre das auf andere Art, mit einem entsprechenden Schnitt einfacher und effektiver gewesen. Das hätte völlig anders ausgesehen. Die Überlegung von Busch war ein interessanter Aspekt. Den speicherte der KHK bei seiner Faktensammlung geistig mit ab.
Im Umfeld der Leiche konnte der Kommissar nichts entdecken, was ihm weiterhalf oder ihm eine Idee vermitteln konnte. Keine markanten Fußabdrücke, keine Zigarettenkippen, Stofffetzen oder sonstige Anhaltspunkte, die ihm die Suche erleichterten. So weit er erkennen konnte, gab es noch nicht einmal abgeknickte Zweige an den Büschen. Aber die Kollegen von der Spurensicherung würden etwas finden, wenn es etwas gab. Da konnte sich Schäfchen blind darauf verlassen.
Schaaf wartete geduldig ab, bis seine Kollegen von der Spurensicherung, der Fotograf und der Gerichtsmediziner ihre Arbeit erledigt hatten. Dabei stand Schaaf inmitten des Geschehens wie ein Poller in der stürmischen See: Ruhig, standfest und unbeeindruckt.
Sämtliche Abdrücke und die Fotos waren gemacht und jeder noch so kleine Partikel, der zu finden war, in sterilen Plastiktüten gesichert. Hinter Schäfchen wartete brav sein Assistent Busch. Der besaß noch lange nicht die Gelassenheit von Schäfchen. Im Gegensatz zu ihm stand Busch unruhig auf der Stelle und es kostete ihn zunehmend große Mühe seine Ungeduld zu bändigen.
Als der Spusi-Kollege als letzter am Kommissar vorbei schritt und ihm mit einem knappen Kopfnicken bestätigte, „Ich bin so weit fertig“, bedankte Schäfchen sich bei ihm und wartete noch einen Augenblick, bis der Kollege einige Schritte weiter weg war. Dann ging er selbst noch etwas vor, gefolgt von seinem Assistenten. Schaaf sah sich kurz um, ob auch die übrigen Kollegen mit der Tatortaufnahme fertig waren und abzogen.
In der näheren Umgebung um die Leiche standen nur noch zur Sicherung zwei Polizisten, er selbst und Busch. „Lasst mich einen Moment mit ihr alleine“, sprach Schäfchen dann leise, aber für jeden verständlich. Alle um ihn herum befolgten seinen Wunsch, was eigentlich eine Aufforderung war, der sich keiner zu widersetzen wagte, sofort. Nur sein Assistent zögerte noch. Doch als sein Chef ihn kurz mit einem fragenden Augenaufschlag über die Schulter hinweg ansah, verstand er, dass diese Anweisung ebenso für ihn galt. Busch ging postwendend wieder ein Stück zurück, an die Stelle, wo sie zuvor gestanden hatten.
Kriminalhauptkommissar Schaaf legte ganz langsam die kleine Distanz, die zwischen ihm und der Leiche noch bestand, zurück und näherte sich von der Seite her dem Leichnam, wobei er den Boden im unmittelbaren Umfeld genau im Blick behielt. Seinem geschulten und erfahrenen Auge entging dabei fast nichts. Auf der Höhe der Schulter verharrte er kurz, sah auf die tote Frau herab und ging dann neben ihr in die Hocke. Dabei musterte er ihr verklebtes Gesicht sehr genau. Mit einem starrenden Blick sah er sie dann noch eine Weile aus kurzer Distanz an, bis er leise flüsterte, sodass es keiner seiner Kollegen hörte: „Wer hat dir das angetan?“
Schäfchen hielt dabei eine Hand der Toten und verharrte minutenlang bewegungslos. Dann nickte er der geschundenen Unbekannten zu und sagte nur leise, beinahe mitfühlend, „Gut“. Er stand auf und entfernte sich dann vom Fundort und gab das Kommando „Ihr könnt sie jetzt in die Pathologie bringen.“
Busch war etwas verwirrt von dem Verhalten seines Chefs. Wobei er nur sah, dass der sich neben die Leiche hockte, ihre Hand hielt und am Ende kaum merklich nickte. Von dem Monolog, den Schäfchen abhielt, bekam Busch nichts mit. Doch schon das was er sah, konnte er nicht einordnen und wagte auch nicht nachzufragen, was er davon halten solle. Stumm wartete er, bis sein Chef bei ihm angekommen war und gemeinsam gingen sie zum Wagen zurück. Busch nahm seinen Platz hinter dem Steuer ein und fragte nur knapp: „Ins Kommissariat?“
„Ja natürlich, wir haben jetzt noch einiges an Papierkram zu erledigen. Ich möchte dass diese leidigen Arbeiten immer gleich abgeschlossen werden, solange die Erinnerungen noch frisch sind. Egal um welche Tages- oder Nachtzeit es sich handelt. Merken sie sich das gleich.“
„In Ordnung“, bestätigte Herr Busch den Wunsch und fand diesen Ansatz auch ganz vernünftig, denn später aus der Erinnerung einen Bericht zu tippen, barg natürlich die Gefahren von unrichtigen Daten, die dann zu Fehlern bei der Aufklärung eines Falles führen würden.
Während der Rückfahrt verhielt er sich still und störte die Überlegungen seines Chefs bewusst nicht. Schäfchen saß stillschweigend, aber nicht angespannt neben ihm, knetete sein Spielzeug und verarbeitete wohl geistig was er sah und die Informationen, die er aufgenommen hatte. Währenddessen drückte und drehte Schaaf unentwegt die Knetkugel in seiner Hand, ohne dabei nervös zu wirken.
Da Busch diese „In-Sich-Gekehrtheit“ des Chefs sofort erkannte, zog er es vor, sich ebenfalls ruhig zu verhalten, weil er dessen Gedankenarbeit natürlich nicht stören und schon gar nicht in den ersten Tagen unangenehm auffallen wollte. Es war eine Ehre für Schäfchen zu arbeiten und diese Chance, vom Besten zu lernen, wollte Busch nicht durch ungestümes Verhalten gefährden.
Schäfchen knetete auf der gesamten Rückfahrt fast ununterbrochen seinen mit Sand befüllten Ballon in der rechten Hand. Zumindest sah das Teil aus, wie ein kleiner, roter Luftballon mit der Größe einer Orange, der aber nicht mit Luft, sondern mit Sand befüllt war, sodass er die Eigenschaften einer Knetmasse besaß. Er behielt auch immer beim Öffnen der Hand des Chefs seine zuvor zusammengedrückte Form bei, wie Busch beobachten konnte, bevor Schäfchen ihn drehte und wieder zusammenquetschte. Diese Eigenart des Chefs wurde Busch bereits auch schon vorangekündigt und nun konnte er sie direkt verfolgen. Angeblich soll es dem Chef bei den Überlegungen behilflich sein, seine Konzentration fördern und ihn beruhigen.
In ihrem Büro im Kommissariat zeigte Schaaf seinem Assistenten dann auch gleich, wie er die Berichte wünschte. Er hatte sich ein ganz eigenes System in den Jahren zurechtgelegt. Zu Anfang eines Berichtes verlangte er, dass die Grunddaten und Fakten, so weit bekannt, übersichtlich aufgelistet sind. Dabei gab es einige Punkte zu beachten, die für den Chef sehr wichtig waren. An dem vorliegenden Fall demonstrierte er Herrn Busch ganz genau und ausführlich, wie er es wollte. Bis er verstanden hatte, worauf es seinem Chef ankam, dauerte es eine ganze Weile. Doch gegen Morgengrauen war der Bericht so, wie Schäfchen ihn gerne wollte, verfasst.
Während der gesamten Zeit sprachen die beiden kein einziges privates Wort. Kommissar Schaaf war völlig auf den Fall fixiert. Es gab kein Abweichen. Der Chef war nur darauf konzentriert und tauchte mit seinem ganzen Geist, fast schon fanatisch, darin ein. Ganz winzige Details in dem Bericht waren ihm wichtig. Jeder Satz wollte er so geschrieben haben, dass es keinerlei Verwechslungen oder Missverständnisse geben konnte. Alles musste eindeutig zu verstehen sein. Sie verfassten ihren Bericht zusammen und hielten alle Fakten sowie die Eindrücke am Computer und zuletzt als Ausdruck in Papierform fest. Streng nach den Vorgaben, wie Schaaf sie aufstellte.
„So, ich denke wir haben jetzt alles“, beendete Kriminalhauptkommissar Schaaf die Arbeit bei Morgengrauen. „Sie gehen jetzt nach Hause, schlafen aus und heute Nachmittag statten sie den Hundebesitzern im Park zuerst einen Besuch ab, dann kommen sie ins Büro.“
„In Ordnung. Gehen sie auch heim, oder bleiben sie gleich hier? Denn wenn sie weiter arbeiten, würde ich selbstverständlich auch bleiben.“
Mit einem Aufhorchen nahm Schäfchen die Bemerkung seines jungen Kollegen zur Kenntnis. An Arbeitseinsatz und Fleiß fehlte es ihm nicht! Tugenden, auf die er sehr viel Wert legte, von denen er aber wusste, dass wenn sie nicht vorhanden waren, man sie nicht erzwingen konnte. In dem Punkt fand die Einstellung von Busch schon einmal seine Anerkennung.
„Nein, ich gehe auch wieder nach Hause. Im Moment können wir in diesem Fall nicht wirklich etwas tun. Wir brauchen erst alle Auswertungen, bevor wir mit der Routinearbeit beginnen können. Wir brauchen ja schließlich erst Anhaltspunkte, wen wir befragen können. Bis jetzt wissen wir gar nichts über die Tote. Die Zeit wird kommen, wo wir mehr Arbeit haben, als uns Zeit zur Verfügung steht!“
„Gut dann gehe ich jetzt. Schlafen sie gut, bis heute Nachmittag.“
„Danke, sie auch.“