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„Ich will nicht sterben“, dachte Lily. „Ich will nicht so wie Julies Bruder sterben.“

„Lass sie fallen“, beharrte Onkel Bob, seine Pistole fest in der Hand. „Ich weiß, wie man mit diesem Ding umgeht. Lass sie fallen!“

Der junge Mann zögerte. Sein Blick huschte wild hin und her.

Lily sah, dass er verzweifelt überlegte, was er tun sollte.

„Bitte lass sie fallen!“, drängte sie ihn im Stillen.

„Bitte höre auf Onkel Bob. Bitte lass die Waffe fallen.“

Sie atmete erleichtert auf, als er langsam die Pistole senkte.

Jetzt sah sie nur noch Angst in seinen Augen.

„Keine Bewegung!“, befahl Onkel Bob ihm. „Lily, ruf die Polizei.“

Lily erstarrte. Sie zitterte am ganzen Körper.

„Lily – die Polizei“, wiederholte ihr Onkel ruhig aber bestimmt. Er hatte seine Pistole immer noch auf den jungen Mann gerichtet. „Hol tief Luft. Und dann geh zum Telefon, und ruf sie an.“

Bevor sie sich auch nur rühren konnte, drehte der Räuber sich um und rannte blitzschnell zur Tür. „Ich hau ab!“, rief er.

Im gleichen Augenblick trat ein großer rothaariger Junge ein.

Der Räuber rammte den Jungen mit seiner Schulter und stürzte auf die Straße.

„Rick! Pass auf!“, rief Onkel Bob.

Der Junge warf erst einen Blick auf Lilys verschrecktes Gesicht und dann auf die Waffe in Bobs Hand. Ohne ein Wort zu sagen, drehte er sich auf den Fersen um und rannte dem Räuber hinterher.

„Ruf die Polizei, Lily!“, rief ihr Onkel wieder. „Mach schnell.“

Lily folgte seinen Anweisungen und wählte die 911. Sie meldete einem Polizeibeamten den Überfall, und der versprach, eine Streife vorbeizuschicken.

Mit zitternden Knien drehte Lily sich zu ihrem Onkel um. „Ich kann es einfach nicht glauben!“, stieß sie aus. „Er hat direkt auf mein Gesicht gezielt!“

Onkel Bob legte seine Waffe wieder in die Schublade zurück. Dann nahm er Lily fest in seine Arme. Obwohl er sie festhielt, konnte sie nicht aufhören zu zittern.

„Tut mir Leid, dass du so was miterleben musstest, Schätzchen“, sagte er. „Ich bin so froh, dass dir nichts passiert ist.“ Dann ging er zur Eingangstür. „Siehst du irgendwo Rick Campbell? Er ist mein neuer Lieferjunge. Warum ist er hinausgerannt? Hoffentlich jagt er dem Kerl nicht hinterher!“

Lily starrte durch das Schaufenster. „Ich kann ihn nirgendwo entdecken.“ Dann ließ sie sich erschöpft auf einen Hocker sinken. „Ich wusste gar nicht, dass du hier drin eine Waffe hast“, sagte sie.

„Ich habe sie mir vor ungefähr fünf Jahren angeschafft, als die Verbrechen in dieser Gegend immer mehr geworden sind“, erklärte Onkel Bob. „Gott sei Dank ist es das erste Mal, dass ich sie aus der Schublade holen musste.“

Einen Augenblick später stürmte Rick keuchend und mit gerötetem Gesicht in den Laden. „Ich habe ihn in der Allee aus den Augen verloren“, berichtete er. „Alles klar bei euch?“

„Uns geht es gut“, erwiderte Onkel Bob. „Aber du solltest vorsichtiger sein, Rick, und keine Verfolgungsjagd auf bewaffnete Räuber machen. Du könntest dabei getötet werden.“

Rick zuckte cool mit den Schultern.

Onkel Bob wandte sich wieder an Lily. „Fühlst du dich besser?“

„Ich bin immer noch etwas durcheinander“, antwortete sie. „Ständig habe ich die glänzende Pistole vor Augen. Ich muss dauernd an ... an Julies Bruder denken.“

Eine laute Polizeisirene ertönte. Lily sah einen roten Lichtschein auf der Straße flackern, als der Streifenwagen mit quietschenden Bremsen auf dem Bürgersteig hielt.

Zwei Polizisten in dunkler Uniform rannten in den Laden. „Ich bin Officer Peyton“, sagte der größere der beiden. „Sie haben einen Überfall gemeldet?“

Während Lily und ihr Onkel den Polizeibeamten erzählten, was geschehen war, sah Lily immer wieder Rick an. Er lehnte am Parfümstand und beobachtete die anderen aufmerksam mit stechend blauen Augen. Lily hielt seinem Blick zweimal stand, dann musste sie sich abwenden.

„Lily, bitte geh nach Hause. Du weißt doch, dass du nicht dableiben musst“, sagte Onkel Bob.

„Danke, aber es macht mir nichts aus – ehrlich“, gab Lily lächelnd zurück.

„Er kommt mir so bekannt vor“, dachte sie. „Habe ich den Typ schon mal irgendwo gesehen?“

„Dies ist diese Woche schon der dritte versuchte Raubüberfall in dieser Straße“, sagte Peyton und machte sich eifrig Notizen. „Die Beschreibung passt immer auf denselben Mann. Sie sollten lieber ganz besonders vorsichtig sein, bis wir ihn geschnappt haben.“

Dann marschierten die beiden Polizisten aus dem Laden. Drei Kunden traten ein. Lily ging hinter den Kassentisch, um sie zu bedienen.

Onkel Bob ging ins Hinterzimmer zurück. Lily bemühte sich, so zu tun, als sei nichts geschehen, doch sie fühlte sich immer noch unsicher und ängstlich.

Die Kunden verließen den Drugstore. Lily blickte auf und sah Rick, der vor den elektrischen Geräten stand und sie immer noch intensiv anschaute.

Sie lächelte unsicher. „Ich habe noch nie einen Raubüberfall miterlebt“, sagte sie. „Es – es war echt beängstigend.“

Er nickte. „Ich wünschte, ich hätte den Kerl erwischt. Die Polizei wird ihn nie zu fassen kriegen.“

„Ich bin bloß froh, dass niemand verletzt wurde“, erwiderte Lily leise.

Rick zuckte die Schultern. „Für mich hat es so ausgesehen, als hätte dein Onkel alles im Griff.“

„Onkel Bob war klasse“, stimmte sie ihm zu. „Er hat dem Typ richtig Angst eingejagt. Hoffentlich kommt er nie wieder.“

Sie schauderte und griff nach ihrem Mathebuch, entschlossen, ihre Gedanken auf etwas Normales zu lenken.

Ein paar Minuten später kam Rick zu ihr an den Kassentisch. „Was ist das – Algebra oder so was?“ Er beugte sich über die Kasse.

„Bruchrechnen.“ Lily wich ein Stück zurück.

„Gehst du auf die Shadyside High?“

Lily nickte und hielt den Blick auf das Buch gerichtet.

„Ich habe gehört, das soll eine ziemlich gute Schule sein“, sagte Rick. „Meine Schule fand ich nicht so toll.“

Lily hob den Kopf und lächelte höflich. Dann zeigte sie auf ihr Buch. „Ich muss die Aufgaben fertig machen.“

„Hast du nach der Arbeit schon was vor?“, fragte Rick. „Hast du Lust, was essen zu gehen?“

„Nein, danke“, sagte sie. „Ich muss nach Hause.“

„Hast du einen Freund?“, fragte Rick beharrlich.

„Ja – eigentlich schon.“ Ungeduldig runzelte sie die Stirn. Merkte der Typ denn nicht, dass sie nicht auf ihn ansprang?

„Der kann sich glücklich schätzen“, murmelte Rick. Er trat vom Kassentisch zurück. „Na ja, hey – dann können wir doch Freunde werden. Okay?“

Lily spürte, dass ihr Zorn verrauchte. Rick schien zwar ein bisschen schwer von Begriff zu sein, aber er hatte ein nettes Lächeln. „Klar, Freunde“, stimmte sie zu. „Aber wenn du ein echter Freund bist, lässt du mich jetzt meine Hausaufgaben machen.“

„Kein Problem“, erwiderte Rick. Er stellte sich vor einen Ständer, auf dem Schmerzmittel aufgebaut waren, und nahm ein Aspirinfläschchen in die Hand. Dann stellte er es wieder hin. „Ach, äh, Lily?“

„Was denn?“, fragte sie genervt.

„Lernst du eigentlich gern?“

„Na ja ... eigentlich schon“, erwiderte sie, erstaunt über die Frage. „Wenigstens manchmal.“

„Hey, das ist echt cool“, sagte Rick. „Ich nicht. Das war auch mein Problem an der Mattewan Highschool.“

„Hast du dort den Abschluss gemacht?“

„Nein. Ich habe die Schule abgebrochen. Ich hatte in vielen Fächern Schwierigkeiten, du weißt schon. Na ja, vielleicht weißt du ja auch nicht, wie es ist, in einem Fach Probleme zu haben.“

Lily sah Rick einen Augenblick lang nachdenklich an. „Klar habe ich auch Probleme“, sagte sie dann. „Die hat doch jeder.“ Sie erzählte kurz, was am Nachmittag mit Mr Reiner geschehen war.

„Wow“, sagte Rick und schüttelte den Kopf. „Manchmal sind gerade die jungen Lehrer die schlimmsten. Sie glauben, cool zu wirken, wenn sie die Schüler fertig machen.“

„Wahrscheinlich“, stimmte Lily ihm zu. „Er versteht einfach nicht, wie wichtig die Note für mich ist.“

„Klingt so, als hätte er das Problem. Eigentlich –“ Rick unterbrach sich, als Onkel Bob aus dem Hinterraum kam.

„Rick, die Lieferungen sind fertig“, sagte Lilys Onkel.

„Also, ich muss jetzt gehen“, sagte Rick. „Bist du sicher, dass du nachher nicht noch irgendwohin gehen willst?“

Lily schüttelte den Kopf. „Ich habe echt noch viel zu tun.“

„Wie wär’s, wenn ich dich heimfahre?“

„Nein, danke.“ Sie winkte ihm zum Abschied und wandte sich wieder ihrer Matheaufgabe zu.

Als Lily später den Drugstore absperrte, war Rick immer noch nicht zurück. Sie war erleichtert. Er war zwar ganz nett, aber irgendwie ging er ihr auch auf die Nerven. Und sie hatte keine Zeit, sich mit ihm zu unterhalten. Sie brauchte jede freie Minute, um ihre Hausaufgaben zu erledigen.

Sie verabschiedete sich von ihrem Onkel und eilte zur Bushaltestelle an der Ecke. Die Tage wurden zwar wieder wärmer, doch die Nächte waren immer noch recht kühl. Der Halbmond hing träge über den Baumspitzen, die leicht hin und her schwankten.

Ungefähr nach zehn Minuten kam der Bus. Lily stieg ein und setzte sich in den hinteren Teil. Sie klappte ihr Mathebuch wieder auf, beugte sich darüber und befasste sich mit den Aufgaben.

Ein paar Augenblicke später seufzte sie frustriert. Der Bus holperte zu stark. Sie musste die Aufgaben zu Hause fertig machen – auch wenn das die ganze Nacht dauern würde.

Der Busfahrer hielt an der Ecke Old Mill Road/Fear Street. Lily packte ihre Schulbücher ein und stieg aus. Die Straßenlaterne an der Ecke brannte nicht, und die Schatten wirkten noch düsterer und bedrohlicher als sonst.

„Warum repariert keiner diese Lampe?“, fragte sie sich. Ängstlich blickte sie sich um und trat dann den Heimweg an. Sie hatte wieder das Bild des Mannes vor Augen, der die Pistole auf sie gerichtet hatte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken.

„Was mache ich, wenn er hier draußen ist? Wenn er mir auflauert?“

Verrückte Gedanken.

Warum sollte er ihr nach Hause folgen?

Der Wind wurde stärker, und sie zog ihren Pullover enger um die Schultern.

Im nächsten Block waren zwei weitere Laternen dunkel.

„Was ist bloß los?“, wunderte sie sich. „Warum sind denn so viele Straßenlampen in der Fear Street kaputt?“

Durch den Wind und die kaputten Lampen schienen an jeder Ecke Schatten lebendig geworden zu sein. Eine hohe, dünne Zypresse gegenüber krümmte sich wie ein riesengroßes Gespenst.

„Hör auf, Lily“, ermahnte sie sich. „Du hattest einen schlimmen Abend. Aber hör auf, dir selber noch mehr Angst einzujagen!“

Sie war nur noch zwei Blocks von ihrem Haus entfernt. Es wurde immer dunkler, je näher sie kam. Die Bäume zitterten und schwankten im Wind.

Als Lily die Straßenseite überquerte, hörte sie ein Rascheln. Etwas – oder jemand – schlich durch die Büsche.

Der Räuber!

War er es?

„Ist er mir wirklich nach Hause gefolgt?“

Panik schnürte ihr die Kehle zu.

Sie drehte sich um.

Niemand war zu sehen. Kein Mensch.

„Das ist bloß der Wind“, sagte sie sich. „Das ist bloß das Rascheln der Blätter.“

Sie fing an zu joggen, und dann rannte sie.

Sie war schon fast an der Ecke. Nur noch ein halber Block.

„Ich schaffe es. Gleich bin ich da.“

Sie keuchte vor Schreck, als jemand aus den Büschen trat und ihr den Weg verstellte.

Sie saß in der Falle.

„Jetzt hat er mich.“

Fear Street 49 - Schulschluss

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