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Kapitel 2: Der Scherbock
ОглавлениеEines Tages ging sie im Wald spazieren und vergaß alles um sich, als sie an die schöne Zeit mit ihrem Biest dachte, bis sie sich verlief. Sie verirrte sich so, daß sie den Weg zurück nicht mehr wußte, und es wurde Abend, und sie bekam Angst. Sie überlegte, ob sie auf einen Baum klettern und nach einem Lichtlein Ausschau halten sollte, wie man es angeblich tun soll, wenn man sich im Wald verirrt. Aber sie konnte nicht so richtig auf Bäume klettern, und außerdem waren die Bäume gar nicht so sehr zum Klettern geeignet. Sie waren nicht knorrig und verästelt, sondern gerade wie Kerzen und mit Ästen erst ganz weit oben und allzu weit voneinander entfernt. Daher wählte sie die andere Möglichkeit, was eine schöne Frau im Wald wohl tun könnte: Sie setzte sie sich hin und weinte. Und sie schlief dabei ein. Denn ein Zwergenhaus oder eine Hexenhütte war weit und breit wirklich nicht in Sicht.
Als sie erwachte, dämmerte es bereits, und neben ihr stand ein kleines komisches Wesen, das ein schlechter Märchenkenner möglicherweise für einen Kobold halten könnte. Aber es war kein Kobold und auch kein Zwerg oder Hobbit. Es war nicht einmal allzu menschenähnlich. Es hatte einen platten weißen Fuchskopf, einen mit stumpfen Igelstacheln bedeckten Körper und ockergelbe Füße, zwei dicke hintere, auf denen es hin und her schaukelte, und zwei kleine vordere zum Festhalten von Gegenständen, sowie einen fellbewachsenen dicken Schwanz. Es glänzte braun-rötlich am ganzen Körper, außer seinen grünen Augen und gelbem nackten Bauch ohne Stacheln oder Fell. Auf seinem Kopf wuchsen aber drei rote Federn. Es war ein Scherbock.
Er betrachtete die Schöne neugierig. Und sie betrachtete ihn. Er schien kein bösartiges Wesen zu sein. Auch nicht besonders schrecklich. Eher ein Bißchen komisch.
„Wer bist du?“ fragte die Schöne das Wesen.
„Das sollen eher isch disch fragen“, meinte der Scherbock. „Und was machen du hier in meinem Wald?“
„Wieso in deinem?“ wunderte sich die Schöne. Sie ging nämlich immer schon davon aus, daß der Wald Eigentum von Menschen ist.
„Isch wohnen hier. Also sein das mein Wald. Mein Zuhause“, sagte der Scherbock.
„Ach so meinst du das“, seufzte die Schöne. „Und weißt du vielleicht auch, wie man aus deinem Wald hinauskommt?“
„Klar wissen isch es“, wunderte sich der Scherbock. „Man kommen immer dann hinaus, wenn man bis ans Ende gehen und dann den Wald verlassen. Wissen du es denn nischt?“
„Nun, in diesem Sinne schon“, überlegte die Schöne. „Aber, aber es geht doch darum, daß man einen bestimmten Weg findet, der aus dem Wald hinausführt und sich dabei nicht verirrt, so etwa, daß man ständig im Kreis läuft, ohne es zu merken.“
„Na, dann müssen man aber wirklisch ganz dumm sein, wenn man aus dem Wald hinausgehen wollen und dabei im Kreis laufen. So kommen man nie hinaus. Man müssen dosch immer in eine Rischtung laufen, um irgendwo ans Ende zu kommen.“
„Ja eben. Aber in welche Richtung soll ich denn laufen, um hinauszukommen und nach Hause zu gelangen?“, fragte die Schöne.
„Isch erlauben dir, in jede Rischtung zu laufen, wenn du hinauskommen wollen, obwohl zugestanden, nischt alle Rischtungen gleisch gut durschgängig sein für eusch, große Leute. Aber trotzdem. Wie dumm ihr Menschen doch sein, ts, ts, ts!“ Der Scherbock schüttelte seinen Kopf mit den drei roten Federn darauf.
„Dann sei so gut, liebes Wesen“, bat ihn die Schöne, „und führe mich hinaus aus diesem schrecklichen Wald oder zeig mir zumindest einen guten Weg, der für mich passierbar und nicht zu lang ist. Denn ich bin durstig und hungrig und weiß nicht mehr, wohin ich gehen soll, um wieder nach Hause zu meinem Vater zu kommen.“
„Asch so. Wenn es dir also nischt beliebig sein, in welcher Rischtung des Waldes du hinauskommen“, meinte der Scherbock, „sondern zurück nach Hause wollen, warum laufen du denn nischt einfasch wieder denselben Weg zurück, den du gekommen sein? Oder sein du vielleischt vom Himmel gefallen?“
„Nein, aber das Problem ist, ich weiß nämlich nicht mehr, aus welcher Richtung ich gekommen bin, denn der Weg war nicht gerade, ich habe zu viel nachgedacht und dabei nicht aufgepaßt, und dann ist es dunkel geworden, und ich habe mich ganz verirrt.“
„Osch, jetzt sein interessanter. Na gut“, schlug der Scherbock vor, „isch führen disch hinaus aus dem Wald, sogar in die rischtige Rischtung, wenn du unbedingt wollen, denn isch glauben, isch wissen, wo du wohnen, oder vermuten es zumindest, denn die verirrten Menschen kommen sämtlisch aus dieser Rischtung. Auf der anderen liegen nämlisch ein See, und im Norden sein der Wald sowieso unpassierbar, im Süden dagegen sein Sümpfe. Von dort kommen sie nischt, denn dort bleiben sie stecken. Aber nur unter einer Bedingung.“
„Und die wäre?“, fragte die Schöne auf alles Mögliche gefaßt, einschließlich des Versprechens, ihr erstgeborenes Kind zu verschenken oder sieben Jahre als Putzfrau dienen zu müssen. Aber der Scherbock wollte eigentlich nichts weiter, als daß sie ihm erzählt, worüber sie vorher nachgedacht hatte. Und so erzählte sie ihm ihren Kummer mit ihrem unfreundlichen Ehemann, und daß sie aus unbekannten Gründen noch kein Kind hat, und schließlich auch die ganze alte Geschichte über ihren Aufenthalt bei dem Biest, das sie so lieb gewonnen hatte, seine Verwandlung in den schönen Prinzen, und wie er sich auch ihr gegenüber veränderte.
Der Scherbock dachte zunächst eine Weile nach, während sie zusammen die richtige Richtung einschlugen und sich unterwegs unterhielten. „Man sollen sisch zunäschst untersuschen lassen, um zu erfahren, an was das liegen, daß sie keine Kinder kriegen. Streß, falsche Ernährung, falsche Lebensweise, falsche Einstellung... Auf jeden Fall liegen es meistens an dem Mann“, erklärte er bestimmt.
„Dann ist vielleicht der Ratschlag meines Vater, den starken Holzfäller zu heiraten, gar nicht so falsch?“, fragte die Schöne etwas unsicher.
„Eigentlisch nischt. Abgesehen von einigen anderen Umständen, die dem im Wege stehen“, erklärte der Scherbock weiter.
„Oh, welche Umstände denn?“, fragte die Schöne, offensichtlich mehr erleichtert als besorgt.
„Isch glauben, in eurem Falle gehen es um etwas anderes als körperlische Gesundheit, isch denken nämlisch, ob es dir gefallen oder nischt, es gehen um etwas Psyschisches“, erklärte der Scherbock ganz ernst und fügte noch hinzu: „und außerdem, daß es in diesem Fall tatsäschlisch nur an dir liegen.“
Die Schöne war erstaunt, ja sogar ein wenig entsetzt, doch ging sie tapfer weiter mit gesenktem Kopf und dachte nach. Dann fragte sie den Scherbock, ob er also wirklich meine, es sei tatsächlich nur ihre Schuld, und wenn es ihre Schuld sei, was soll sie denn, um Gottes Willen, unternehmen, damit sie Kinder kriegen kann.
„Eigentlisch gehen es nischt um Schuld“, erklärte der Scherbock weiter. „Denn schuldig sein du keineswegs, es gehen eher um eine Art Flusch.“
„Also doch“, sagte die Schöne. Sie glaubte nun, daß sich ihre frühere Vermutung bestätigt habe. „Jemand hat mich oder uns einfach verflucht. Wer war das? Und wie soll der Fluch behoben werden?“, fragte sie weiter.
„Isch glauben, es sein die Liebe“, sagte der Scherbock.
„Wieso die Liebe?“, staunte die Schöne.
„Nun einfasch, weil sie die größte Zauberin sein.“
„Ach“, sagte die Schöne enttäuscht, da sie zumindest den Namen einer prominenten Hexe oder eines bösen Zauberers als Erklärung erwartete.
„Ja, wirklisch“, erzählte der Scherbock weiter. „Du glauben mir vielleischt nischt, aber isch denken, du können keine Kinder mit deinem Mann einfasch deshalb nischt haben, weil du ihn nischt lieben. So einfasch sein das.“
„Doch!“ rief sie ganz empört. „Ich habe ihn immer schon geliebt, die ganze Zeit, als ich bei ihm bleiben mußte, aus Liebe bin ich zu ihm zurückgekehrt, und meine Liebe hat ihn schließlich erlöst, so ist es gewesen. Wie kannst du nun einfach sagen, ich liebe ihn nicht!“
„Und seitdem er anders sein, lieben du ihn immer noch so sehr, wie früher, oder sogar mehr?“, fragte der Scherbock etwas spöttisch.
„Na ja“, gab sie zu, „es hat sich in der Tat etwas geändert, denn er hat sich ja auch ziemlich verändert, und meine Zuneigung zu ihm ist auch nach unserer Hochzeit etwas abgekühlt. Aber trotzdem. Ich hoffte doch immer, es könnte wieder besser werden, so wie früher, oder zumindest so ähnlich wie früher, nachdem er sich aus seinem Schock erholt hat. Und er werde vielleicht wieder so schön und lieb sein zu mir, wie er es früher war. Aber das ist er nicht. Er ist nicht mehr lieb und großzügig. Er verspottet und beleidigt mich, manchmal merkt er gar nicht, daß ich da bin, und wenn er es merkt, dann tut er, als wäre ich nur Luft und...“
„Nun, vielleischt hängen seine innere Verwandlung mit der äußeren zusammen. Es haben schließlisch einen Sinn, daß er zuvor zum Biest zur Strafe werden...“, überlegte der Scherbock. „Möschtest du also“, fragte er dann die Schöne, „daß sisch dein Mann vielleischt wieder in das Biest zurückverwandeln, das er früher sein?“
„Oh, ja“, sagte sie ohne nachzudenken, „ich wäre doch so glücklich, wenn er wieder der Alte wäre.“
„Na, dann haben wir ja die Lösung“, sagte schließlich das Waldwesen, „du müssen nur denjenigen Zauberer oder die Hexe suschen und finden, die ihn zuvor mit dem Flusch belegen und ihn oder sie darum bitten, es nosch einmal zu tun, und dann werden alles wieder gut“.
Inzwischen kamen sie bereits an den Rand des Waldes und die Schöne sah den bekannten Weg vor sich, der sie nach Hause zu ihrem Vater führen sollte.
„Ich danke dir herzlich für deine Hilfe und deinen Rat, liebes Wesen. Wie kann ich es dir bloß vergüten?“, fragte sie den Scherbock, der offensichtlich nicht mehr mit ihr weitergehen wollte.
„Asch, es sein dosch nischt der Rede wert“, sagte er. „Es sein Spaß mit dir. Isch haben misch schon lange nischt so gut unterhalten wie heute. Leben wohl und finden deine Liebe wieder und zeugen mit ihm hundert Kinder, wenn du können. Das wünschen isch dir. Und jetzt gehen schon. Vielleischt sehen wir uns einmal wieder.“
Und damit verschwand er in der Tiefe des Waldes. Und die Schöne ging nach Hause und erzählte dann alles ihrem Vater, der sich über ihre Absichten viel weniger freute als sie. Aber die Schöne gab nicht nach. Sie wollte unbedingt den Zauberer suchen gehen, der damals ihren Ehemann in ein Ungeheuer verzaubert hatte. Aber wo sollte sie ihn suchen? Sie fragte hier und da, und niemand wußte etwas. Schließlich wurde ihr von Menschen aus dem Dorf empfohlen, eine bekannte Hexe aufzusuchen, die sich zumindest in Liebesangelegenheiten gut auskannte.