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5.

Politik

Lat-Antin kletterte auf den Turm der GEVELU AVALANI. Sofort traf sie ein Schwall Salzwasser. Sie war froh, dass sie die letzte Leitersprosse noch fest in der Faust hielt.

»Nimm eine Leine!« Der Wind riss die Worte von Assena-Drees Lippen. »Du musst dich festbinden!«

Lat-Antin stieg das letzte Stück hoch. Nun konnte sie über die Brüstung auf das bleifarbene Meer hinausschauen. Haushoch hoben sich die Wellen heraus. Der Regen fiel mit solcher Wucht herab, als wollte er die See niederdrücken. Trotz der Mittagszeit war der Südhorizont vor ihnen dunkelgrau.

Der Schwerpunkt des Tauchträgers kippte über einen Wellenkamm. Der Bug neigte sich, in steiler Schussfahrt ging es abwärts. Lat-Antin klammerte sich an eine Haltestrebe.

»Hast du die Leine?«, fragte Assena-Dree.

Die GEVELU AVALANI erreichte das Wellental. Der stromlinienförmige Rumpf tauchte so tief unter die Oberfläche, dass Lat-Antin befürchtete, auch der Turm würde überspült. Sie wollte sich jedoch nicht die Blöße geben, zurück ins Innere zu springen. Hektisch hakte sie eine Sicherungsleine in die dafür vorgesehene Öse ihres Gürtels.

Spritzwasser durchnässte sie und riss ihr die Mütze vom Kopf. Ob sie den Turmschacht hinunterfiel oder über Bord ging, sah sie nicht. Sie prustete und hustete Wasser aus.

Immerhin pendelte der Tauchträger zurück in die Waagerechte.

»So schnell nicht!« Assena-Dree lachte. »So leicht drückt man uns nicht auf Grund!«

Auf der rechten Seite dröhnte der Rumpf.

Lat-Antin wischte sich mit dem Unterarm das Salzwasser aus den Augen. Sie brauchte einen Moment, um zu erkennen, was dort vor sich ging.

Einer der Haluter klammerte sich mit seinen vier Pranken an der nur wenig vorstehenden Aufhängung einer eingeklappten Tragfläche fest. Er brachte es sogar fertig, sich daran heraufzuziehen, bevor er sich mit seinen Säulenbeinen am Rumpf abstieß und zurück in die Fluten sprang. Das Dröhnen, das dabei aus seinem Maul drang, war wohl ein Lachen.

»Sie halten also wirklich mit?«

»Bisher.« Assena-Dree nickte. Lat-Antin fragte sich, wie die Mütze auf dem Kopf der Kommandantin hielt. »Wenn wir in ruhige See kommen, werden wir äußerste Kraft voraus geben. Ich bin gespannt, ob sie dann immer noch Fische spielen wollen.«

Zweifelnd sah Lat-Antin über die See. Der Haluter war im Auf und Ab der Wellen verloren gegangen, aber sie hörte ihn noch. Oder einen der anderen beiden.

Der Bug stieg auf, das Schiff machte sich daran, den nächsten Wellenberg zu erklimmen.

»Irgendwann müssen sich selbst diese Wesen erschöpfen«, meinte Lat-Antin. »Wie lange brauchen wir noch bis Drakanur?«

»Zwei Tage und ein paar Stunden. Auf See weiß man das nie so genau. Das Wetter macht seinen eigenen Plan.«

Lat-Antin konnte sich nur schwer vorstellen, dass die Fahrt über die Wellen effizienter war, als unter Wasser einer geraden Linie zu folgen. »Wieso tauchen wir nicht unter dem Sturm hindurch?«

»Das werden wir, sobald wir in das eigentliche Sturmgebiet kommen.«

»Was ist denn das hier, wenn es kein Sturm ist?«

»Raue See.«

Lat-Antins Magen signalisierte ihr, dass er sich der Grenze des Erträglichen näherte. Sie ließ sich wohl besser eine Injektion gegen die Übelkeit geben. Aber erst musste sie noch etwas mit ihrer Freundin klären. Falls Assena-Dree überhaupt eine Freundin war. Lat-Antin dachte seit dem Auslaufen darüber nach, ob eine Politikerin überhaupt Freundschaften pflegen konnte, wenn sie etwas erreichen wollte.

Zwei Haluter zogen sich auf den Rumpf, während sich der Tauchträger anschickte, die nächste Schussfahrt die Welle hinunter anzutreten. Sie waren erstaunlich behände, wenn man ihre Masse und ihren gedrungenen Körperbau betrachtete.

Einer der beiden war wesentlich kleiner als der andere. Das musste Bouner Haad sein.

Die Haluter legten sich flach auf den Rumpf, die Schädelkuppen voraus. So bekamen sie die volle Wucht der Elemente ab.

Lat-Antin zog es vor, sich hinter die Brüstung zu kauern. Der Aufschlag im Wellental fühlt sich an, als träfe der Bug auf Fels.

Dennoch fand die GEVELU AVALANI erneut in die Waagerechte. Lat-Antin zog sich hoch.

Die Haluter waren an Ort und Stelle. »Unglaublich ...«

»Die sind hart im Nehmen!« Assena-Dree lachte begeistert. »Mir scheint, dass wir die auch mit einem Tauchgang nicht abschütteln könnten. Wir werden alle zusammenbleiben. Bis zum Wrack der ONOKKO und bis zum Turm der Bestien.«

»Nein, das werden wir nicht.« Ob die bedauernde Melodie, die Lat-Antin in diese Feststellung legte, im Heulen des Windes zu hören war?

Assena-Dree starrte sie an. »Wie meinst du das?«

»Du wirst nicht mitkommen«, sagte Lat-Antin. »Der Temart will nicht, dass du in Drakanur dabei bist. Du wirst die GEVELU AVALANI in Bereitschaft halten.«

Eine kleinere Welle rollte über den Rumpf und brach am Kommandoturm. Wasser spritzte ihnen in die Gesichter.

»Die Untersuchungen wegen meines Vorgehens auf Frobher.« Assena-Drees Miene versteinerte. »Daran liegt es, nicht wahr? Weil ich die Raketen abgefeuert habe, während unsere Soldaten im Kampf mit dem Feind waren.«

Lat-Antin sah zu, wie sich die Haluter aufrichteten. Mit breiter Brust und zur Seite gestreckten Armen trotzten sie den Wellen. Vor ein paar Tagen waren sie noch Feinde gewesen, inzwischen jedoch Verbündete. Diese Entwicklung brachte einen politischen Ertrag, kostete aber auch einen Preis.

»Mehrere Ratsmitglieder drohen damit, dir den Prozess zu machen«, sagte sie.

»Und auf diese heroische Expedition, wenn nach Jahrhunderten wieder andere Bhanlamurer als ein paar Wahnsinnige und flüchtige Verbrecher den Eisernen Kontinent betreten, soll nicht der Schatten einer Mörderin fallen.«

Lat-Antin fühlte ihr Herz heftiger schlagen. Sie musste dem Impuls widerstehen, sich fluchtartig ins Innere des Tauchträgers zurückzuziehen. Es ging nicht um Freundschaft, sondern um Politik.

»Zieh den Kopf ein«, riet sie. »Für eine Weile. Bhanlamur braucht Militärs wie dich. Wenn ich Temart bin, kann ich mehr für dich tun. Du wirst deinen Platz haben.«

Assena-Dree schwieg.

»Gardari Thont wird uns an deiner Stelle begleiten.«

Die Kommandantin zuckte zusammen. »Er ist mein Adjutant.«

Vor einer Stunde, in Lat-Antins Bett, hatte Thont keinen Zweifel daran gelassen, wie sehr er sich wünschte, Teil der Expedition zu sein. Die Finger dieses Mannes waren noch überzeugender als seine Zunge.

Das wusste sie ebenso gut wie Assena-Dree. An diesem Tag sang ihr Lied eine schwierige Strophe.

»Wenn die GEVELU AVALANI vor Anker liegt, wirst du ihn entbehren können«, sagte Lat-Antin. »Und falls wir dich zur Verstärkung rufen, ist es gut, wenn er bereits vor Ort ist. Er kann eure Ankunft koordinieren.«

»Ich werde einen Protest dagegen dokumentieren.«

Der Trotz der Kommandantin erleichterte es Lat-Antin, ihre Empathie zurückzudrängen. »Das wirst du nicht tun. Es wäre ein Fehler.«

Perry Rhodan 3102: Der Eiserne Kontinent

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